Am Tag ist es leicht von Niekas ================================================================================ Epilog: Epilog -------------- In dieser Zeit ist es nichts Besonderes, mit neunzehn Jahren Jounin zu sein. Mit neunzehn Jahren als Leibwächter des Hokage dienen zu dürfen, ist dagegen durchaus eine Leistung. Raidou wird sich dessen bewusst, als er die neugierigen Blicke der neuen Chuunin bemerkt. Sie sind ein Grüppchen Jungen und Mädchen zwischen zwölf und sechzehn Jahren, die die Prüfung vor ein paar Tagen bestanden haben. Sie sehen sich um und tuscheln, alles hier ist neu für sie. Vermutlich wurden sie noch nicht oft in das Büro des Hokage zitiert. „Ich möchte euch gratulieren“, sagt der Hokage lächelnd, und sofort wenden sich alle Blicke dem alten Mann hinter seinem Schreibtisch zu. „Konoha kann sich glücklich schätzen, sich auf so vielversprechende junge Shinobi verlassen zu können. Euer Einsatz während der Prüfung war bewundernswert. Ich danke euch allen dafür.“ „Wir danken Ihnen, Hokage-sama“, antworten sie im Chor. Raidou sieht in ihre leuchtenden Augen und fragt sich, ob er auch so begeistert war, als sie ihn zum Chuunin befördert haben. Nein, eher nicht. Bei ihm ist es sehr plötzlich passiert, eine Woche nach dem Ausbruch des letzten Krieges. Er hatte lange das Gefühl, dass die Beförderung nicht seine eigene Leistung war, und das hat ihn gestört. Mittlerweile ist der Krieg seit fast einem Jahr vorbei, der Hokage hat ihn zu seinem Leibwächter ernannt, und sein Ego ist beruhigt. „Ihr könnt jetzt nach Hause gehen“, fährt der Hokage fort. „Die Prüfung war eine anstrengende Zeit. Erholt euch ein wenig davon. In drei Wochen werdet ihr eure ersten Missionen als Chuunin übernehmen.“ „Ja, Hokage-sama.“ Der Hokage lächelt und deutet auf einen Jungen, der am Rand der Gruppe steht. „Ibiki? Mit dir möchte ich ganz kurz sprechen.“ „Ja, Hokage-sama“, antwortet Ibiki, und Raidou runzelt die Stirn. Er kennt ihn irgendwo her. Ein auffallend großer Junge mit einer tiefen Stimme und ernsten, dunklen Augen. „Euch anderen wünsche ich viel Erfolg auf eurem Weg als Shinobi. Ihr dürft gehen.“ „Danke, Hokage-sama.“ Sie gehen, bis auf Ibiki, der stehen bleibt und flüchtig über eine Narbe auf seiner rechten Wange streicht. Es trifft Raidou wie ein Schlag. Morino Ibiki, der kleine Genin, den sie in dem Versteck der Iwa-Nins gefunden haben. Wenn die Narbe nicht wäre, könnte er diesen Ibiki nicht mit dem schmalen Jungen von damals in Verbindung bringen. Er ist ganz schön groß geworden, denkt Raidou belustigt. Umso besser für ihn. Die Tür schließt sich hinter den anderen Chuunin. Ibiki tritt etwas näher an den Schreibtisch des Hokage und spricht, bevor der alte Mann etwas sagen kann. „Er ist tot, oder?“ Raidou sieht den Hokage an, der Ibiki einige Sekunden lang stumm mustert. „Dein Vater ist vor drei Tagen während einer Mission gefallen. Seine Kameraden sind heute morgen zurückgekehrt und haben die Nachricht von seinem Tod überbracht.“ Ibiki schweigt kurz, als würde er auf irgendetwas warten. Dann verneigt er sich. „Es tut mir leid, zu hören, dass Sie einen Shinobi seines Ranges verloren haben.“ „Es tut mir leid für dich“, entgegnet der Hokage leicht irritiert. „Konoha hat viele Shinobi. Du hattest nur einen Vater.“ „Er war nicht mein Vater“, erklärt Ibiki knapp. „Er war bestenfalls mein Erzeuger. Einen Vater habe ich schon lange nicht mehr.“ Raidou schluckt und muss an die Worte von Hideaki denken. Er ist eben ganz der Vater. „Du bist verbittert, Ibiki“, sagt der Hokage langsam. „Und ich würde mir Sorgen um dich machen, wenn ich nicht wüsste, dass das bei dir nicht nötig ist. Du wirst deinen Weg finden. Da bin ich mir ganz sicher.“ Zum ersten Mal lächelt Ibiki. „Ihr Vertrauen ehrt mich, Hokage-sama.“ Der Hokage erwidert das Lächeln. „Noch einmal herzlichen Glückwunsch zu deiner bestandenen Chuuninprüfung. Du wirst deinem neuen Rang sicher gerecht werden.“ „Genau das habe ich vor.“ „Sag mir, Ibiki, was ist auf lange Sicht dein Ziel? Weißt du das?“ „Ja, Hokage-sama.“ Ibiki richtet sich zu seiner vollen Größe auf. Er ist noch kein Mann, denkt Raidou, aber ein Kind ist er erst recht nicht mehr mit den breiten Schultern und dem kantigen Gesicht, das so sehr an das seines Vaters erinnert. Wo ist der kleine Junge von damals geblieben? „Ich plane nicht, der nächste Hokage zu werden, falls Sie das erwartet haben. Das hören Sie vermutlich ständig von übereifrigen Genin, die keine Ahnung von der Welt haben und trotzdem meinen, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen.“ Der Hokage muss lachen. „Aber ich werde dafür sorgen, dass jeder meinen Namen kennt“, fährt Ibiki ernst fort. „Ich bin bereit, Risiken einzugehen und Schmerzen auszuhalten und grausam zu sein, solange es Konoha dient. Es ist mir egal, ob die Leute mich hassen oder fürchten oder als notwendiges Übel sehen, solange sie nur meinen Namen kennen. Ich schwöre Ihnen hier und jetzt, Hokage-sama – in zehn Jahre werden Sie und jeder in Konoha sagen: Wir haben Morino Ibiki auf unserer Seite, und das ist ganz bestimmt besser, als ihn zum Feind zu haben.“ „Ich werde es mir merken“, sagt der Hokage mit einem Lächeln. „Und ich freue mich darauf. Du kannst jetzt gehen.“ „Danke, Hokage-sama.“ Ibiki wendet sich zur Tür, aber als er nach der Klinke greift, kann Raidou nicht mehr an sich halten. „Entschuldige bitte ... Ibiki?“ Der Junge hält inne und dreht sich langsam um. Raidou weiß, dass er erst fünfzehn ist, aber er hat eine Ausstrahlung, bei der ihm Angst und Bange wird. Etwas Kaltes, Ungnädiges. „Ja?“ „Es tut mir leid, wenn die Frage dumm ist“, sprudelt es aus Raidou hervor. „Aber du ähnelst deinem ... deinem Vater so sehr. Du kommst hierher und bekommst die Nachricht von seinem Tod, und du verziehst keine Miene! Und dann damals, als wir dich vor diesen Iwa-Nins befreit haben ... Du warst ausgehungert, halb verdurstet und mehrere Tage lang gefoltert worden, und du warst zwölf Jahre alt. Du hast darauf bestanden, selbst zu laufen. Du hast keine Träne vergossen. Und jetzt kaum zu reagieren, als ... als ...“ Der Hokage sieht sich fragend zu Raidou um. Ibiki hebt eine Augenbraue. „Und?“ Die Frage wirkt selbst auf Raidou lächerlich, aber er hat schon zu viel gesagt, um sie jetzt nicht zu stellen. „Weinst du eigentlich nie?“ Langsam wendet der Hokage sich wieder Ibiki zu, der einen Moment lang überlegt. Er sieht durch das breite Fenster hinter dem Schreibtisch hinaus, blinzelt in die Sonne und hält sein Gesicht ins Licht. Die Narbe auf seiner Wange verrutscht, als er lächelt. „Nicht am Tag.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)