Am Tag ist es leicht von Niekas ================================================================================ Kapitel 6: Contenance --------------------- Die Teameinteilungen finden eine Woche später statt. Zu dritt sitzen sie in einem Klassenzimmer an der Akademie und warten auf ihren Sensei. „Wir sind jetzt also Team sechs?“, fragt Aya. „Ich mag diese Zahl nicht einmal!“ Sie lacht, und Ibiki stellt fest, dass sie dabei Grübchen bekommt. Es passt gut zu ihrem rundlichen, fast pausbäckigen Gesicht. Ihre Haare und die großen Augen sind pechschwarz. „Du bist von den Uchihas, oder?“, fragt er. „Ja“, antwortet sie. „Und aus welchem Clan kommst du?“ „Aus keinem.“ „Na ja“, sagt sie und lacht erneut. „Kannst du ja nichts für.“ „Ein bisschen eingebildet bist du ja schon“, sagt Tokara, der auf der Kante seines Tisches sitzt. „Bin ich gar nicht!“ „Arroganz ist eine uralte Familienkrankheit der Uchihas, Tokara“, weist Ibiki ihn zurecht. „Das ist erblich bedingt, da kann man nichts machen.“ „Es ist keine Familienkrankheit!“ Aya schüttelt die Faust in seine Richtung. „Ihr werdet ja sehen, wenn ich erst mal mein Sharingan habe ...“ „Vielleicht kriegst du es ja gar nicht“, stichelt Tokara. „Das kriegen nicht alle Uchihas.“ „Aber die meisten!“ „Kann man damit Genjutsus durchschauen?“, fragt Ibiki. Aya sieht ihn verblüfft an. „Ich weiß nicht. Wer kann denn schon Genjutsus?“ „Ich, zum Beispiel.“ „Glaub ich dir nicht.“ „Ist wirklich wahr!“ „Ist es wirklich“, bestätigt Tokara. „Zeig“, sagt Aya herausfordernd. Ibiki hebt die Hände und versucht, sich zu konzentrieren (was ihm unter ihren pechschwarzen Augen irgendwie schwerfällt), als die Tür sich öffnet. „Team sechs?“ Sie drehen sich um und mustern die junge Frau, die etwas zerzaust in der Tür zum Klassenzimmer aufgetaucht ist. „Ja“, antwortet Tokara. „Ein Glück! Ihr müsst mich entschuldigen, ich habe den Raum nicht gleich gefunden. Ich bin euer neuer Sensei. Natsuki ist mein Name.“ Sie lächelt, und ihr Lächeln ist eine Spur zu freundlich für einen Sensei, denkt Ibiki. Andererseits ist das nicht weiter schlimm. Es gibt schließlich schon jemanden, der ständig der Meinung ist, Ibiki wäre nicht stark genug. „Ich heiße Uchiha Aya!“, ruft Aya und lächelt sie strahlend an. „Ah, ich dachte mir gleich, dass du das bist. Schön, dich kennen zu lernen, Aya. Wer von euch Jungs ist Tokara, und wer ist Ibiki?“ „Ich bin Tokara“, murmelt Tokara, der gegenüber Erwachsenen plötzlich schüchtern wird, wie es so seine Art ist. „Sehr gut. Und du bist ...“ Aya schreit auf und deutet zum Fenster. „Was ist das?“ Verwirrt sehen alle in die entsprechende Richtung. Durch das Fenster sieht man die Dächer Konohas, die von der untergehenden Sonne in blutrotes Licht getaucht werden. „Wieso geht die Sonne unter? Es ist gerade erst Mittag!“ „Es sieht aus, als hätten wir mit Ibiki einen Genjutsu-Experten in unserem Team.“ Natsuki sieht ihn an und lächelt. „Nur ein kleiner Trick, Sensei“, erwidert Ibiki bescheiden. „Der Sonnenuntergang ist ein Genjutsu?“, fragt Aya verwirrt. „Das komplette Fenster ist eines“, korrigiert Natsuki. „Und die Illusion wäre überzeugender, wenn man nicht durch das echte Fenster gleich daneben den blauen Himmel sehen könnte.“ Aya, Tokara und Ibiki starren das zweite Fenster an, und dann müssen alle vier lachen. Nach fünf Tagen mit seinem neuen Team und drei Nächten, in denen er von Ayas dunklen Augen geträumt hat, entscheidet Ibiki beim Aufwachen völlig gefasst, dass er verliebt ist. Eines Tages wird er Aya fragen, ob sie mit ihm ausgehen will. Wenn der richtige Moment gekommen ist. „Ibiki?“ Aus seinen Gedanken gerissen setzt er sich auf. Ima kniet neben dem Bett, schon angezogen. Noch immer übernachten die beiden im Haus der Yamanakas. „Habe ich verschlafen?“, fragt Ibiki erschrocken und sieht auf die Uhr. „Nein, du hast doch heute kein Training.“ Imas Augen leuchten. „Aber Vater ist wieder da!“ Ibiki blinzelt sie an. „Das ist doch toll, oder?“, fragt Ima und zieht an seiner Decke. „Komm! Du musst ihm zeigen, dass du Genin bist!“ „Ja“, murmelt Ibiki und greift nach seinem Stirnband neben dem Kopfkissen. „Ich komme schon.“ Vater ist recht kurz angebunden, aber alle sehen es ihm nach. Sicher ist er noch gestresst nach seiner Mission. „Du bist jetzt also Genin“, sagt er zu Ibiki, als sie auf dem Heimweg sind. „Ja.“ Vater nickt und sagt nichts dazu. „Ibiki hat ein eigenes Team“, erklärt Ima eifrig. „Und einen Sensei. In zwei Tagen gehen sie auf ihre erste Mission!“ „Was für eine Mission?“ „Das hat Natsuki-sensei noch nicht genau gesagt“, erklärt Ibiki. „Nichts Gefährliches, meinte sie. Routine.“ „Konoha befindet sich im Krieg“, erwidert Vater, ohne ihn anzusehen. „Da gibt es keine Routine.“ Ibiki sieht auf den Boden. „Heißt das, dass es gefährlich ist?“, fragt Ima besorgt und greift nach Vaters Hand. Vater zögert kurz. „Ich bin mir sicher, dass Ibiki auf sich aufpasst. Mach dir keine Sorgen, Prinzessin.“ Aber er sieht Ibiki nicht an, und Ibiki weiß, dass er es nur sagt, weil Ima da ist. Sie gehen früh ins Bett, um Rücksicht auf Vater zu nehmen, der sich ausruhen muss. Ima schläft schnell ein, aber Ibiki kommt nicht zur Ruhe. Nach einer ganzen Stunde, in der er im Dunkeln gelegen und gegrübelt hat, steht er wieder auf. Es überrascht ihn kaum, als er sieht, dass in Vaters Zimmer noch Licht brennt. Er sitzt im Schneidersitz auf dem Boden, hat seine Kunais und Shuriken um sich herum ausgebreitet und reinigt sie. „Du hast das ernst gemeint mit dem Krieg“, sagt Ibiki. „Oder?“ Vater zuckt zusammen und sieht auf. „Du solltest im Bett sein.“ „Konnte nicht schlafen.“ Ibiki kommt näher, setzt sich Vater gegenüber und betrachtet seine Hände, starke Hände mit langen Fingern, die die kleinen Klingen polieren. Eine Weile lang sagt niemand etwas. „Sie werden mich auch in den Krieg schicken“, sagt Ibiki. „Oder, Vater?“ „Nicht bei der ersten Mission“, antwortet Vater geistesabwesend. „So weit ist es noch nicht gekommen.“ „Aber irgendwann. Und eher früher als später.“ Vater antwortet nicht. „Stimmt doch“, sagt Ibiki. „Warum fragst du so etwas, Ibiki?“ „Weil ich die Wahrheit wissen will. Ich mag die Wahrheit.“ Langsam lässt Vater sein Kunai sinken und mustert Ibiki von oben bis unten. „Du bist zu klein“, sagt er. „Das weiß ich.“ „Ja, sie werden dich in den Krieg schicken, dich mickriges Ding. Du wirst Kanonenfutter sein, nichts weiter. Wenn du Pech hast, stirbst du in den ersten zwei Monaten. Wenn du noch mehr Pech hast, überlebst du. Du wirst Dinge sehen, die dich in den Wahnsinn treiben werden. Ich habe genug Genin gesehen, denen das passiert ist, glaub mir.“ Ibikis Unterlippe zittert, und er beißt darauf, um sich zu beruhigen. „Danke für deine aufmunternden Worte, Vater.“ Vater gibt ihm eine schallende Ohrfeige, packt seinen Kragen und zieht ihn näher zu sich heran. „Spar dir deinen Sarkasmus, Ibiki. Ich kann das auf den Tod nicht ausstehen.“ Ibiki weicht seinem Blick aus, was nicht ganz einfach ist, wenn Vaters Gesicht so nahe vor seinem ist. „Ich riskiere nicht mein Leben in diesem Krieg, um dann nach Hause zu kommen und mich von meinem Sohn verarschen zu lassen“, bringt Vater zwischen den Zähnen hervor. „Ich bin dein Vater, und du hast mich zu respektieren. Ist das klar?“ „Natsuki-sensei sagt, Respekt verlangt man nicht“, antwortet Ibiki leise. „Respekt verdient man sich.“ Er wird herum geworfen und schafft es im letzten Moment, sich den Aufschrei zu verbeißen. Vater packt seinen Arm und verdreht ihn auf dem Rücken. Es tut weh. „Dafür entschuldigst du dich. Sofort.“ Ibiki sieht absolut keinen Anlass, sich für die Wahrheit zu entschuldigen, also schweigt er. Vater zieht seinen Arm ein Stück weiter nach oben, und es tut so weh, dass Ibiki glaubt, gleich reißt irgendetwas. Er kneift die Augen zu und denkt daran, dass Ima nebenan schläft. Nicht Ima wecken. Keinen Laut. Ruckartig lässt Vater ihn los. Ibiki bleibt auf dem Boden liegen und weiß nicht, ob er sich bewegen darf, ob es klug ist, etwas zu sagen. „Es tut mir leid, Ibiki“, flüstert Vater. „Es tut mir so leid.“ Langsam stemmt Ibiki sich vom Boden hoch, der verdrehte Arm zittert. Vater kniet hinter ihm, sehr blass und schwer atmend. „Du musst mir glauben, dass ich das hier nicht tue, weil ich dich hasse. Im Gegenteil. Ich ... mache mir nur solche Sorgen um dich. Verstehst du?“ Ibiki will sagen, dass Vater ihm hätte beibringen können, sich zu verteidigen, anstatt seine Genjutsus und ihn von vornherein als Enttäuschung abzuschreiben. Aber er reibt seinen Arm und sagt nichts. „Wenn deine Mutter doch noch hier wäre! Sie würde dir dasselbe sagen wie ich, dass sie sich Sorgen um dich macht. Aber sie ist nicht hier. Ich habe Rumi verloren, und dich auch noch zu verlieren, würde ich nicht ertragen. Du musst mir glauben, dass ich nicht will, dass du so jung stirbst. Aber ...“ Aber es wird trotzdem passieren, beendet Ibiki in Gedanken den Satz. Vater greift nach Ibikis Hand. „Wenn du nicht wiederkommst“, sagt er leise, „werde ich dich nie vergessen. Und ich passe gut auf Ima auf. Mach dir keine Sorgen.“ „Ich komme aber zurück, Vater“, erwidert Ibiki ernst. Vater öffnet den Mund, will irgendetwas sagen, schüttelt aber nur den Kopf. „Geh ins Bett“, sagt er, ohne Ibiki anzusehen. Und Ibiki schwört sich, dass er seine erste Mission überleben wird, und auch alle danach. Allein, um Vater zu beweisen, dass er es kann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)