Beerdigung für niemanden von AmyCat ================================================================================ Kapitel 1: 1. ------------- Ludwig weinte. Es war das erste Mal dass Feliciano das sah. Ludwig weinte und hörte nicht auf. Die Tränen flossen seine Wangen hinunter und fielen ihm in den Schoß oder auf den schneebedeckten Boden. Es war ein kalter, aber sonniger Wintertag und sie alle hatten sich hier versammelt. Auch Elizavéta weinte. Sie klammerte sich an Roderichs Arm und tupfte sich immer wieder mit ihrem weißen Seidentaschentuch auf die Augen. Roderich tätschelte ihr vorsichtig die Hand und auch er schien sich die Tränen nur schwer verkneifen zu können. Lili konnte es nicht mit ansehen. Sie schluchzte an der Brust ihres Bruders Vash und machte damit sein Hemd nass. Ihm schien das egal zu sein, er hielt sie fest umarmt. In der letzten Reihe stand Ivan, groß und furchteinflößend wie immer. Noch nie hatte irgendjemand ihn so geknickt gesehen. Seine beiden Schwestern zu seinen Seiten sahen sehr mitgenommen und verheult aus. Wortlos und mit Tränen in den Augen legte Francis eine Rose nieder und strich beim zurückgehen vorsichtig über Ludwigs Rücken. Dieser zitterte. Er verstand nicht warum. Niemand tat das. Und doch waren sie alle hier. Seine Freunde. Seine Feinde. Seine Liebe. Sein Bruder. Er selbst würde vermutlich lachen, wenn er sie alle so versammelt weinen sehen könnte. Doch das tat er nicht. Denn das Grab vor dem sie alle trauerten war seins. Einer nach dem anderen ging fort. Zurück blieben Feliciano und Ludwig, der noch immer zitternd und nach Worten ringend vor dem Grab seines Bruders kniete. "Ludwig, komm, es ist spät." "Warum? Warum er?" Feliciano schwieg kurz. Dann antwortete er: "Weil wir alle einmal gehen müssen, Ludwig. Egal ob wir Menschen oder Nationen sind, wir werden geboren, wir werden erzogen, wir werden geliebt, wir werden gehasst und wir werden sterben. Wir alle, Ludwig." Dieser nickte nur langsam und erhob sich schließlich. Er hängte seine Kreuzkette, die sein Bruder ihm einst gegeben hatte, an den Grabstein. Dann verließ er mit Feliciano den Friedhof. Kurz nachdem sie gegangen waren, flog ein Vogel durch den fallenden Schnee und landete auf dem Grab. Für ein paar Minuten saß er ruhig darauf als wollte auch er trauern, dann nahm er die Kreuzkette in seinen Schnabel und flog wieder weg. Kurze Zeit später landete er auf der Hand seines Besitzers. Dieser lächelte und nahm dem Vogel die Kette ab um sie sich selbst umzulegen. "Ich werde zurückkommen", murmelte er und seine roten Augen funkelten freudig, "warte noch ein Weilchen Bruder, ich werde zurückkommen!" Dann warf er sich die schwarz-weiße Flagge mit dem schwarzen Adler wie einen Königsumhang über die Schulter und ging selbstsicher davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)