Einnehmende Freiheit von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Überall waren Menschen. Wörter von fremden Sprachen drangen an mein Ohr und ich sah nur auf meine Familie, die mit einem zweischneidigen Lächeln vor mir stand. Ich wusste, dass ihnen der Abschied genauso wehtat wie mir selbst, dennoch musste es jetzt sein. Dieser Flieger wartete nicht auf mich und nur wenn ich nach Amerika ging, könnte ich meinen Traum verwirklichen. Immer wieder erblickte ich Digimon, sowohl als Helfer, als auch Begleiter. Mittlerweile hatte fast jeder ein Digimon. Sie waren nichts Besonderes mehr und so war es auch kein Problem Gabumon mit ins Ausland zu nehmen. Der Einzige, der mich dorthin begleiten würde und mich kannte. „Du musst langsam los, Matt“, drang die Stimme meiner Mutter zu mir durch und ich nickte nur. Erneut umklammerte ich den Riemen meiner Tasche und wünschte mir, dass ich noch ein bisschen mehr Zeit hätte. Ich wollte noch über so viele Sachen mit dir reden, doch es ging nicht mehr. „Du musst dein Gepäck an dem Schalter aufgeben und dann begleiten wir dich noch zur Handgepäckkontrolle. Danach geht es nur noch für dich alleine weiter. Du schaffst das schon, mein Junge.“ Mein Dad versuchte mich aufzumuntern und auch wenn ich wusste, dass ich ihm dafür dankbar sein sollte, brachte ich nur ein müdes Lächeln zu Stande. Es war nicht die Nervosität vor dem Neuen. Damit hatte ich noch nie Probleme, sondern eher die Trauer des Zurücklassens. Ich wünschte mir, dass ich diesen Weg mit meinen Freunden gehen könnte. „Matt, lass uns gehen.“ Gabumon zupfte an meinem Ärmel und ich nickte, um mich dann umzuwenden. Nur wenige Schritte trennten mich von dem Check-In und ich gab mein Gepäck ab um mein Flugticket zu erhalten. Nur noch dreißig Minuten und dann saß ich im Flieger nach Amerika. Ich musste trocken schlucken, als mir bewusst wurde, dass ich ganz alleine dort sein würde. Mimi war zu weit entfernt, aber wir hatten uns versprochen, dass wir uns dennoch ab und an sehen würden. Langsam bewegte ich mich auf die Kontrolle zu und spürte, wie mir jeder weitere Schritt schwerer fiel. Am Liebsten hätte ich alles abgeblasen, doch als ich in das lächelnde Gesicht von Gabumon sah, wusste ich, dass dies falsch war. Manchmal musste man in den sauren Apfel beißen, um seine Träume zu verwirklichen. Wir wollten beide den Mond betreten und die Erde aus dem Weltall sehen. Dafür mussten wir diese Ausbildung machen. Das war unser Traum und ich möchte, dass er in Erfüllung ging. Ich legte meinen Rucksack auf das Fließband und drehte mich zu meiner Familie um. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde trauriger und ich spürte, wie sich meine Kehle ein wenig zusammen schnürte. Nur noch einmal diesen Schmerz auf mich nehmen und dann glücklich werden. Zu erst umarmte ich Takeru und drückte seinen Körper an mich. „Mach es gut, Brüderchen. Pass gut auf unsere Eltern auf, ja? Ich werde versuchen euch so oft es geht zu schreiben. Vielleicht kann man auch mal telefonieren.“ „Ja, das will ich doch hoffen, dass du dich meldest. Ich werde derweil hier die Stellung halten“, versprach er mir und lächelte mich an, wobei ich nur kurz nickte, bevor ich dann auch zu meinen Eltern ging. Erst meine Mutter und dann meinen Vater. Sie sprachen mir Mut zu und versuchten den Schmerz zu verstecken. Abschied war eine ekelhafte Sache und das wurde mir gerade deutlicher bewusst, als mir lieb war. Gabumon verabschiedete sich auch von ihnen. Genauso von Patamon und schritt davon vor mir durch die Kontrollschranke. Ich atmete noch einmal tief ein und aus. Sah auf meine Eltern zurück und kurz dachte ich, dass ich dich in den Massen erkannte, doch ich wusste, dass dies töricht war. Niemals könntest du so schnell hier sein und warum solltest du das tun? Wahrscheinlich warst du mir unendlich böse und wir würden einander nie wieder sehen. „Matt!“ Deine Stimme drang zu mir durch. Zumindest dachte ich das, doch ich sah nur Takeru, der mich anlächelte und mir dann noch etwas überreichte. Es war ein kleiner Stoffbär mit einem Fußball und einer Fliegerbrille. „Das hätte ich jetzt beinahe vergessen. Tai wollte, dass ich dir das noch gebe. Er wollte es dir selbst überreichen, aber du hattest keine Zeit dafür. Ich weiß zwar auch nicht, was das soll, aber ich glaube, dass er es mir sehr übel nehmen würde, wenn ich es vergesse.“ Sein Lächeln blieb und ich starrte auf das Stofftier. Sein weiches Fell schmiegte sich sanft an meine Hand und ich konnte es nicht glauben. Alles in mir schrie danach es wegzuwerfen, doch das Einzige, was passierte, war, dass sich Tränen in meine Augen bildeten, die ich schnell wegblinzelte. „Danke, Bruderherz.“ Ich wuschelte ihm durch die Haare und drückte den Bären unbewusst an meine Brust. Es musste lächerlich aussehen, doch es war mir egal. Ruhig legte ich das Stofftier auf das Förderband und trat dann ebenfalls durch die Schranke, um meine Sachen auf der anderen Seite wieder in Empfang zu nehmen. Noch ein letztes Mal drehte ich mich zu meiner Familie um und winkte ihnen, bevor ich mich zusammen mit Gabumon auf den Weg zu unserem Gate machte. Das Stofftier blieb in meinem Arm und ich hatte das Gefühl, dass er leicht nach dir roch. Ich musste den Impuls unterdrücken an ihm zu riechen, weil ich den Blick von Gabumon auf mir spürte. „Matt, bist du sicher, dass du nichts bereuen wirst, wenn wir in diesen Flieger steigen werden. Vielleicht hättest du dich doch von Tai besser verabschieden sollen. Du scheinst ihm viel zu bedeuten, nachdem er dir sogar ein Abschiedsgeschenk überreichen ließ. Versteh mich nicht falsch, Matt. Ich will nur nicht, dass du unglücklich wirst.“ Gabumons Sorge war schon fast niedlich, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bereue nichts und auch wenn wir reden hätten sollen, war es die richtige Wahl, denn ich kann gehen und weiß, dass es hier in Japan neben meiner Familie immer Menschen geben wird, die mich mit offenen Armen empfangen und an mich denken. Das ist alles was zählt und wenn wir unseren Traum verwirklicht haben, kommen wir zurück. Dann haben wir genug Zeit zum Reden“, widersprach ich ihm und bestieg mit ihm zusammen schließlich den Flieger. Ich ignorierte die Blicke der Menschen, was den Bären in meinen Armen anging. Sie wusste nichts und ahnten noch weniger, doch meinem Herzen tat es gut das weiche Fell zu spüren. Jetzt konnte Amerika kommen und ich war mir sicher, dass ich als erfolgreicher Astronaut zurück nach Japan kehren würde. Zu meiner Familie, zu Sora und zu dir… ~*~ Der Flug war lang und anstrengend. Meine Beine schmerzten und auch mein Rücken machte mir ein wenig Probleme. Die Sitze waren viel zu eng und die Reise viel zu lang gewesen. Bei meinen ersten Schritten hatte ich sogar sämtliches Gefühl in meinen Beinen verloren. Ich wäre beinahe gestürzt, doch Gabumon hatte mich aufgefangen. Es war ein seltsames Gefühl, als ich in die Sonne sah und die Wüste roch. Die Wärme hier war erdrückend. So trocken und erschlagend, dass ich mich ebenfalls kurz an dem Gelände der Treppe festhalten musste, bevor ich den Flieger endgültig verlassen konnte. Ein Jahr würde ich nun hier sein. Der erste Teil würde eher theoretisch sein. Erst im zweiten Jahr kam ein wenig Praxis dazu, aber dann würde mein Aufenthaltsort wahrscheinlich erneut wechseln. Ich wusste noch nicht, ob ich dann zurück nach Japan kam oder gar nach Europa musste. Ich seufzte schwer und schritt dann weiter, um mein Gepäck zu holen. Auch hier waren Digimon kein seltener Anblick. Sie waren entweder ebenfalls Fluggäste oder Helfer bei den alltäglichen Arbeiten. Es war schon faszinierend, dass sie als gänzlich normal betrachtet wurden. Ich konnte mich noch daran erinnern, als ich Tsunomon das erste Mal sah. Ich wusste gar nicht, was ich mit dieser Plüschkugel mit der Sichel auf dem Kopf anfangen sollte und nach dem ersten Schreck nahm ich es als gegeben hin. Außerdem steckte mich die Freude von T.K. gänzlich an. Er schloss Tokomon so schnell in sein Herz, dass ich keine andere Wahl hatte, als es mit Tsunomon ebenfalls so zu handhaben. Ich wusste, dass kein Digimon hier für das Wohl der Welten gekämpft hatte. Sie haben ihr Leben nicht riskiert und deshalb waren wir etwas Besonderes. Wir haben sie damals in dieser Nacht gesehen. Das Greymon und das Parrotmon. Wie sie kämpften und es niemand mitbekam. Damals wurden wir auserwählt und unsere Digimon für uns erschaffen. Ich sah auf Gabumon, der mit großen Augen seine Umgebung beobachtete. Das Gefühl, dass sich unsere Wege niemals trennen würden, gefiel mir. Wir waren Freunde für alle Zeit und niemals würden wir einander verlieren. Niemals. „Unsere Reisetasche, Matt!“, rief mein Digimon plötzlich und stürmte zum Förderband, um das Gepäckstück zu holen. Ich folgte ihm und nahm es ihm ab, um es mir dann wieder über die Schultern zu hängen. Noch einmal sah ich zu dem Ausgang. Dort würde mein Brieffreund warten. Wobei Freund hier zu viel war. Ich hatte nach einer Bleibe gesucht und die Schule hatte mich mit ihm zusammen gebracht. Schließlich wollte ich nicht gänzlich alleine wohnen und ein Hotel für ein Jahr war auch ein wenig zu viel des Guten. Ich kramte kurz in meiner Jackentasche und holte ein Foto raus. So sah er also aus. Ein keckes Lächeln, blaue Augen und braunes Haar. Er erinnerte mich fast ein wenig an dich, doch die Augen waren anders. Sie waren nicht so energiegeladen, sondern tiefgründig. Als würde man ins Meer blicken. Nicht wissend, was auf dem Grund auf einen wartete. Er schien nett zu sein. Zumindest ließen seine Briefe darauf schließen. „Komm schon, Robert wartet bestimmt schon.“ Gabumon trieb mich zur Eile an und ich nickte kurz, bevor ich ihm dann folgte. Immer wieder flogen mir Fetzen von verschiedenen Gesprächen zu. Die meisten verstand ich gar nicht, weil sie auf einer Sprache waren, die ich nicht kannte. Ich sah Urlauber, Heimkehrer und Geschäftsleute. Sie alle hatten ein Leben und auch wenn sich unsere in diesem Moment leicht berührten, würden sie sich sofort wieder trennen. Ich verließ den Ankunftsbereich und trat in die große Lobby, wobei mein Blick über die Massen schweifte, bis ich einen braunhaarigen Jungen mit einem Schild, auf dem mein Name stand, erblickte. Die Anspannung löste sich von mir, als ein Lächeln auf seine Lippen trat und er mir zuwinkte. Anscheinend hatte er Gabumon erkannt, der sofort auf ihn zu rannte und in ein reges Gespräch verwickelte. Ich selbst blieb noch stehen und sah ihn an. Dieser Junge würde mich für das nächste Jahr begleiten. Er würde mir das Land zeigen und mich mit der hiesigen Kultur bekannt machen. Ich wusste nicht, ob das wirklich gut war und ob ich stolz darauf sein sollte. Klar, wir hatten Briefe geschrieben, um uns schon im Voraus kennen zu lernen. Sein Digimon war ein Blackagumon, das sogar neben ihm stand und ebenfalls mit Gabumon zu sprechen begann. Schließlich gab ich mir einen Ruck und trat zu der kleinen Gruppe. Der Bär von dir lag immer noch in meinem Arm. Ich brachte es noch nicht übers Herz ihn in den Rucksack zu stecken und als ich schließlich bei ihnen ankam, deutete Robert sofort auf das Stofftier: „Abschiedsgeschenk von deiner Freundin? Hallo, Matt. Gut, dass wir uns gleich gefunden haben. Ich hatte schon Angst, dass wir uns verpassen.“ „Ähm, ja, so in der Art. Das Schild von dir konnte ich kaum übersehen. Außerdem sticht dein Blackagumon sehr aus der Masse heraus.“ Es tat weh diesen Partner zu sehen. Er erinnerte mich ebenfalls immer wieder an dich. Wie gerne hätte ich einen neuen Aufenthaltspartner verlangt, als ich wusste, was er für einen Digimonpartner hatte, aber es war lächerlich. Wir waren nur Freunde und darum sollte mich auch ein Blackagumon nicht stören. „Ich weiß. Du glaubst gar nicht, wie oft man mich darauf schon ansprach. Agumon gibt es hier wie Sand am Meer, aber Blackagumon ist selten. Ich habe bisher erst drei Menschen getroffen, die es ebenfalls als Partner haben. Gabumon sieht man hier aber auch nicht so oft. Du wirst damit ebenfalls auffallen.“ Robert strich Gabumon über den Kopf und es gefiel mir nicht. Es verkrampfte sich etwas in meinem Inneren bei dem Anblick, dass er versuchte vertraut mit meinem Partner umzugehen. Ich wusste nicht einmal woher dieses Gefühl kam, doch es war da und trieb die Galle in mir hinauf. „Kann durchaus sein. Aber selbst wenn es viele Gabumon geben sollte, so ist mein Partner dennoch einzigartig.“ Meine Stimme war feindseliger als ich wollte und Robert stoppte in seinem Streicheln, bevor er die Hand langsam zurückzog und dann den Mund zu einem aufgesetzten Lächeln verzog. „Das sowieso. Na ja, meine Eltern warten draußen. Wir sollten gehen.“ Er wandte sich ab und schritt voraus. Ich selbst schulterte meine Tasche noch einmal, damit sie besser lag, bevor ich ihm folgte. Gabumon trottete neben mir her und sah mich besorgt an. „Das hätte nicht sein müssen. Robert scheint in Ordnung zu sein. Du solltest versuchen dich mit ihm anzufreunden.“ Ich drückte den Bären in meinem Arm fester an meine Brust und schnaubte dann, bevor ich als Antwort nur zischte: „Das liegt nicht in meiner Hand.“ „Doch tut es. Es liegt in eueren beiden Händen. Wir sollten versuchen hier Freundschaften zu knüpfen. Vielleicht helfen sie uns später einmal.“ „Mal sehen. Das Jahr ist lang. Es kann viel passieren.“ Mehr sagte ich nicht mehr, sondern versuchte Robert in dem Getümmel nicht zu verlieren, um dann kaum dass wir das Gebäude verlassen hatten ins Auto zu steigen. Nun war ich hier und mein neues Leben konnte beginnen. Wie es dir wohl ging? Was du gerade tatest? Dachtest du auch an mich? Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Es war Zeit nach vorne zu sehen und irgendwann würde ich dort auch dich wiedersehen. Irgendwann… ~*~ Mein zukünftiges Zuhause befand sich in einem Wohnblock. Um genau zu sein im vierten Stock. Das war nichts Besonderes für mich. Schließlich wohnte ich schon in Japan so hoch, darum machte es mir auch nichts aus die Treppen empor zu steigen. Es gab auch einen Aufzug, doch ich sah es als Möglichkeit sich ein wenig mehr zu bewegen und somit fit zu bleiben. Robert lief vor mir her und sprach kein Wort. Es war ein seltsames Gefühl und ich spürte auch den besorgten Blick von Gabumon auf mir, doch ich drückte nur den Teddy stärker an meine Brust. Wie gerne würde ich dir jetzt sagen, dass ich gut angekommen war, doch es ging nicht. Ich musste mich erst einmal zu Recht finden. Mehr als eine normale E-Mail würde nicht drin sein. Deine Stimme und die meiner Familie würde ich eine geraume Weile erst einmal nicht hören. Roberts Eltern waren mit dem Aufzug gefahren und ich spürte deutlich, dass es ihm auch lieber gewesen wäre. Noch einmal schulterte ich meine Tasche, weil sie dabei war runter zu rutschen, bevor ich einfach weiter schweigend hinter ihm herlief. Auch wenn man euch von hinten durchaus verwechseln konnte, so war es für mich unmöglich. Seine Art sich zu bewegen war schon ganz anders als deine. Dein Auftreten war sicherer und selbstbewusster. Er dagegen wirkte, wie ein Hase, der durch eine viel zu große Welt rennen musste und sich nur nach dem nächsten Loch sehnte. „Warum hast du dich bereit dazu erklärt einen Fremden bei dir aufzunehmen?“ Ich versuchte ein Gespräch zu beginnen und vielleicht die Wogen wieder zu glätten. Schließlich wollte ich mich nicht das ganze Jahr anschweigen. Schon bei der Begrüßung am Flughafen habe ich auf Englisch gewechselt, weil ich wusste, dass Roberts Japanisch noch in den Kinderschuhen steckte. „Nun ja, ich wollte Leute aus anderen Ländern kennen lernen und außerdem habe ich das schon viel früher gemacht. Es war eine schöne Erfahrung an so Austauschprojekten teilzunehmen. Mittlerweile bin ich auf dem College und na ja, vielleicht werde ich auch irgendwann ein Jahr in Japan sein. Ich wünsche mir, dass man mich dort herzlich empfängt und ich bei einer Gastfamilie unterkommen kann. Darum mache ich an solchen Projekten mit. Damit sie nicht aussterben, weil so etwas ist wirklich eine tolle Sache. Findest du nicht auch?“ Ich musste kurz überlegen. Klar, war ich froh, dass ich so zu einer relativ günstigen Unterkunft kam, aber mir kam bis heute nicht in den Sinn, dass ich auch Robert irgendwann bei mir aufnehmen würde. Das Lächeln in seinem Gesicht zeigte mir aber deutlich, dass dies wohl sehr wohl einmal passieren würde. „Ich weiß noch nicht, wo ich meine Zukunft verbringen werde. Erst einmal den Abschluss schaffen und dann weitersehen. Sollte ich in Japan sein, bist du bei mir natürlich herzlich willkommen“, meinte ich dann ruhig und schon blieb er vor einer Tür stehen, die er im nächsten Moment aufsperrte. „So, willkommen in deinem neuen Zuhause. Schuhe bitte hier ausziehen. Das Bad findest du dahinten. Esszimmer und Küche sind dort. Wir versuchen so oft es geht gemeinsam zu essen. Wohnzimmer findest du gleich hier und da hinten ist das Schlafzimmer meiner Eltern. Unser Zimmer ist die letzte Tür, die übrig bleibt. Ich habe ein Stockbett, somit bleibt dir das Schlafen auf dem Boden erspart.“ Er lächelte mich an, als er mir Stück für Stück die Wohnung zeigte. Sie war anders eingerichtet als bei uns. Das war mir von Anfang an klar, aber irgendwie fühlte ich mich, wie in einem anderen Film. Es war so viel Platz. Als wir in dem letzten Zimmer ankamen, stellte ich meine Tasche ab und sah mich kurz um. Ein Computer stand auf einem Schreibtisch, genauso wie eine kleine Couch und ein Fernseher mit Konsolen zu finden war. Dann noch das Stockbett, ein paar Regale an der Wand und ein Kleiderschrank. „Wir sollten hier Platz haben.“ Ich wollte nicht offen zugeben, dass ich von den Räumlichkeiten überwältigt war. In Japan waren alle Wohnungen kleiner. Mein eigenes Zimmer war gerade einmal halb so groß, wie seines jetzt. Bestimmt würden wir es hier aushalten können. Da war ich mir sicher. Ich bemerkte auch, dass Gabumon an meiner Seite nicht mehr aus dem Staunen herauskam, was das Blackagumon durchaus belustigte. „Das freut mich. Ich hatte schon Besucher, die hier Platzangst bekamen. Das war nicht sehr angenehm, wenn ich ehrlich bin.“ Er seufzte und öffnete dann eine Seite des Kleiderschrankes, die leer war. „Hier kannst du deine Kleidung verstauen, wenn du möchtest. Schließlich wirst du doch für ein Jahr bleiben und da solltest du nicht dauernd aus deiner Tasche leben. Fühl dich wie Zuhause, ja Matt?“ Ich musste lächeln. Es war faszinierend, dass er mir meine rüde Antwort am Flughafen nicht allzu übel nahm und immer noch freundlich mit mir umging, doch als er plötzlich auf den Bären in meiner Hand deutete, verschloss sich wieder meine Miene. „Den solltest du aber auch irgendwo abstellen. Das kommt ein wenig blöd, wenn du mit dem weiter durch die Gegend rennst. Wir sind keine kleinen Kinder mehr. Leg ihn doch einfach in dein Bett oder so, okay? Von mir aus kannst du deiner Familie und Freundin auch eine Mail schreiben. Mein Computer steht dir gerne zur Verfügung, aber mit dem Ding auf dem Arm werde ich dir bestimmt nicht die Stadt zeigen. Sorry, Alter.“ Instinktiv drückte ich ihn näher an mich und er trat dann an mir vorbei aus dem Zimmer, jedoch nicht ohne mir noch einmal auf die Schulter zu klopfen. „Glaub mir. Du wirst nen beschissenen Start haben, wenn du das Vieh weiter mit dir rumschleppst.“ Blackagumon folgte ihm und nur Gabumon blieb bei mir, während ich selbst spürte, wie meine Hand mit dem Bären zu zittern begann. Das konnte doch nicht wahr sein. Was fiel ihm ein mir so etwas mitten ins Gesicht zu sagen?! Hatte der nicht mehr alle Tassen im Schrank?! „Matt?“ Gabumon berührte leicht meine freie Hand, bevor er dann die Tür schloss und vor mich trat. „Alles in Ordnung? Du… du solltest diese Worte wahrscheinlich nicht allzu stark auf die Goldwaage legen. Er weiß doch nichts über die Sache, die diesen Bären so besonders macht, aber wahrscheinlich hat er Recht. Matt, bitte, verschließ dich nicht vor dieser Freundschaft.“ Ich lachte hart auf und hob den Bären vor mein Gesicht. Es war lächerlich, dass mich dieser Bär so stark berührte. Er war nur von dir. Nur von dir. Nicht von Sora, die ich liebe, sondern von dir, meinen besten Freund mit dem ich viele schöne Stunden verbracht hatte. Ich hätte mich von dir besser verabschieden müssen. Viel besser. Im nächsten Moment ließ ich ihn wieder sinken und drückte ihn Gabumon in die Hand. „Was mache ich hier eigentlich? Wieso lass ich mich wegen dem Bären so reizen? Das ist doch nicht normal. Es ist nur ein Bär. Mehr nicht.“ Gabumon hielt das Stofftier unschlüssig in den Händen und sah mich dann noch einmal besorgt an, bevor er es langsam an seine Brust drückte und mich musterte: „Wieso sagst du das? Er ist von Tai. Von deinem besten Freund, Matt.“ „Eben! Er ist nur mein bester Freund! Das Geschenk kam nicht von Sora, der Frau, die ich liebe, sondern von Tai. Ich hätte ihn schon viel früher in die Tasche packen sollen.“ Ich schnaubte und trat an den PC um ihn zu starten. Schließlich musste ich meiner Familie, Sora und vielleicht auch dir ein Lebenszeichen hinterlassen. Das war ich euch schuldig. „Matt?“ Gabumon trat besorgt neben mich, doch ich ignorierte ihn. Auch als er das Stofftier neben mich auf den Schreibtisch stellte und mir bei dem Schreiben der Mails zusah, schwieg ich. Was sollte ich sagen? Wir waren doch nur Freunde. Beste Freunde zwar, aber immer noch nur Freunde. Mehr nicht… ~*~ Die Mails an meine Familie und Sora fielen mir nicht besonders schwer. Sie waren in wenigen Minuten geschrieben und ich hatte sie abgeschickt. An deiner Mail saß ich nun schon eine halbe Stunde und es stand nicht mehr vor mir auf dem Bildschirm als „Hallo Tai, ich bin gut angekommen.“ Das sollte auch reichen, doch etwas sperrte sich in mir. Ich wusste nicht, ob ich jetzt das Thema ansprechen sollte, das schon vor meiner Abreise hätte geklärt werden müssen. Schriftlich waren die meisten Dinge um so vieles leichter. Man musste in kein enttäuschtes Gesicht sehen und konnte die Worte gut überdenken. Auch auf die Reaktion musste man nicht sofort etwas erwidern. Man hatte einfach Zeit sich alles gründlich zu überlegen. „Matt?“ Gabumon saß mittlerweile schon auf dem Boden. Er hatte den Stoffbären wieder an sich genommen und schien ein wenig mit ihm zu spielen. Es war mir nur ganz recht, dass er nicht mehr in meinem Sichtfeld war. Seine Anwesenheit machte mich noch ganz verrückt. Ich sehnte mich danach endlich wieder frei zu sein. Frei von den Gedanken an dich und dieser Unsicherheit, die ich in mir spürte, wenn ich mit dir agierte. „Was ist los, Matt?“ Mein Partner trat neben mich und sah mich besorgt an. Alles in mir schrie danach die Mail einfach zu schließen und später an dich zu schreiben, doch ich wusste, dass es dich verletzten würde. Bestimmt würde dir mein Bruder erzählen, dass er schon eine Mail bekommen hatte und du würdest dich fragen, warum ich dir nicht geschrieben habe. Es war schon schlimm genug, dass wir jetzt so weit voneinander entfernt waren, da musste ich unsere Freundschaft nicht zusätzlich belasten. Ich seufzte schwer und lächelte Gabumon dann an: „Ich weiß es nicht. Was soll ich Tai schreiben? Reicht das oder erwartet er mehr? Bin ich ihm irgendeine Erklärung schuldig oder hat er mein Handeln schon verstanden? Sollte ich mich für den Bären bedanken oder so tun, als hätte ich ihn gar nicht bekommen?“ Mein Partner sah mich schief an und schüttelte dann amüsiert den Kopf, bevor er sanft meine Hand berührte: „Ach, Matt. Es ist Tai. Dein bester Freund. Egal, was du schreibst, er wird sich darüber freuen. Eure Freundschaft hat sogar den Hass überlebt, den Cherrymon damals in dir gesät hatte. Den Verrat, als du weggelaufen bist. Sie wird auch diese Zeit und vor allem diese Mail überstehen. Vertraue auf dein Herz, Matt. Es kennt den Weg.“ „Hast du zu viele Filme geschaut? Du hörst dich an, als würdest du aus irgendwelchen Hollywoodstreifen Texte zitieren. Das passt nicht zu dir, Gabumon.“ Ich sah ihn schräg an und musste dann lächeln, als er leicht rot wurde, bevor ich mich Kopf schüttelnd zurück an die Mail setzte und auch wenn die Ratschläge meines Partners nur aus billigen Filmen waren so spürte ich, dass sie mir halfen. Ich wusste, was ich schreiben wollte und meine Finger fanden wie von selbst die Tasten. Eine Nachricht, die unsere Freundschaft symbolisierte und die dir bestimmt gefallen würde: Hallo Tai, ich bin gut in Amerika angekommen. Der Flug war lange, aber mit Gabumon an der Seite wurde es zumindest nicht langweilig. T.K. hat mir deinen Bären gegeben. Er ist wirklich süß und erinnert mich an dich. Danke dafür. Es tut mir Leid, dass wir keine Gelegenheit mehr hatten über unsere Zukunft zu sprechen. Der Gedanke, dass sie irgendwann ohne dich sein könnte und ich dich nie wiedersehen würde, war nicht sehr leicht für mich. Darum wollte ich es auch nicht hören. Ich hatte gehofft, dass es so nicht dazu kam, wenn man einfach nicht darüber sprach. Ja, ich weiß, das ist alles mehr als kindisch, aber nun ja, du kennst mich ja. Konflikte waren noch nie meine Stärke. Ich bin schon immer gerne davor davon gelaufen. Auch wenn ich mich so daneben benahm und nicht einmal „Auf Wiedersehen“ gesagt habe, hoffe ich, dass wir weiterhin in Kontakt bleiben. Zumindest via E-Mail. Mein Zimmergenosse Robert stellt mir seinen Computer dafür zur Verfügung. Ich hoffe, dass du mir mein schräges Verhalten noch einmal verzeihen kannst und du deine Ausbildung auch schaffst. Wenn ich wieder einmal nach Japan komme, möchte ich einen stolzen Diplomaten sehen. Wir schaffen das. Unsere Träume werden Wirklichkeit und wir werden uns wiedersehen. Das verspreche ich dir. Lass dich nicht unterkriegen, Matt Ich las den Text noch einmal durch, um mögliche Fehler zu finden, bevor ich dann zufrieden nickte und die Mail abschickte. Vielleicht war es nicht die Erklärung, die dir schmeckte, aber sie kam der Wahrheit ziemlich nahe. Wir waren Freunde. Beste Freunde. Ja, ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich musste es mir immer wieder selber vorsagen. Damit dies auch Realität blieb. Ruhig wandte ich mich zu Gabumon um, der den Stoffbären gerade in das obere Stockbett setzte und mich dann mit großen Augen ansah. „Bist du fertig, Matt? Robert wollte uns doch die Stadt zeigen. Ich würde wirklich gerne sehen, wo wir für das kommende Jahr wohnen werden.“ „Ich ja auch, Gabumon. Aber nicht mehr heute. Der Flug war anstrengend. Ich würde jetzt lieber meine Gastgeber kennen lernen. Schließlich muss ich mit ihnen für ein Jahr auskommen. Die Stadt können wir uns auch noch morgen anschauen.“ Ich lächelte kurz und verließ dann das Zimmer um in mein neues Leben zu treten… ~*~ Es war ein seltsames Gefühl mit ihnen im Wohnzimmer zu sitzen. Durch meine blonde Haarfarbe fiel ich weniger auf als in Japan damals, dennoch sahen mich Robert und seine Eltern an als wäre ich ein Außerirdischer. Ich saß im Sessel, während sie auf der Couch ihren Platz gefunden hatten und ihre Augen ruhten auf mir. Seit dem Begrüßungswort war Stille zwischen uns eingetreten. Es war ein seltsames Gefühl, wie sie mich und Gabumon musterten. Die Eltern von Robert waren schon ein wenig älter. Sein Vater bekam schon eine Glatze und die restlichen Haare schimmerten gräulich. Seine stechend, grünen Augen fixierten mich und schienen jede noch so kleine Bewegung von mir aufzusaugen. Man sah ihm auch an, dass er gerne den Aufzug benutzte und die Tüte Chips auf seinem Bauch – oder sollte ich lieber tragbarer Tisch sagen – erklärte auch den letzten Rest. So unsportlich sein Vater wirkte, desto eleganter sah seine Mutter aus. Man merkte ihr zwar durch die vereinzelten grauen Strähnen und die leichten Falten um die Augen an, dass sie nicht mehr zu den Jüngsten gehörte, doch ihre Saphire strahlten eine unbeugsame Lebensfreude aus. Immer mal wieder strich sie sich eine ihrer schulterlangen, schwarzen Haare hinters Ohr, dabei schlich sich jedes Mal ein schüchternes Lächeln auf ihre Lippen. Ich wusste nicht, was ich von ihr halten sollte, wenn ihre Hände wieder ruhig auf ihrem Schoß zum Liegen kamen. Sie trug ein enges, rotes Oberteil, das ihre zierliche Figur zeigte und auch die weiße Hose wirkte edel. Ganz im Gegensatz zu dem Mann an ihrer Seite, der im Jogginganzug vor mir saß. Dieses Bild war grotesk und ich verstand auch nicht, was die Zwei einst mal zusammen geführt hatte. Ob es Sora und mir auch mal so ging? Ich schüttelte den Kopf. Daran wollte ich wirklich nicht denken. Außerdem dachte ich nicht im Traum daran mich jemals so gehen zu lassen, wie dieser Fettsack auf der Couch. Ich spürte, wie sich Ekel in meinem Körper ausbreitete und konnte nur mit größter Mühe ein Schütteln vermeiden. Entschlossen nahm ich lieber wieder Robert ins Visier, bevor ich mich dann räusperte und versuchte die Stille zu durchbrechen: „Wie sieht es eigentlich mit Regeln aus? Irgendetwas, was ich beachten muss? Zeiten, zu denen etwas Bestimmtes erwartet wird?“ „Nun ja, wir essen normalerweise zumindest zu Abend gemeinsam. Das findet meist gegen sieben Uhr statt.“ Die Stimme von Roberts Mutter war sanft und angenehm zu hören. Ihr Name war Barbara, wenn ich mich richtig erinnerte, während sein Vater Klaus hieß. Lächerlicher ging es nicht mehr, aber die Eltern von Klaus schienen sehr an Deutschland zu hängen, weswegen sie ihm so einen Namen gegeben hatten. „Solange du alle Sachen dort lässt, wo sie hingehören, werden wir auch kein Problem miteinander bekommen.“ Klaus’ Stimme war hart und jedes Wort von ihm wirkte, wie ein direkter Schlag ins Gesicht, während ich spürte, wie ich ein wenig in mich zusammen sank. Es war mir in diesem Moment egal, dass er mir unterstellte, dass ich klauen würde. Ich war mehr damit beschäftigt nicht unter seinen Blicken zu sterben. „Das wird er bestimmt. Matt ist ein sehr ruhiger Typ und ich hatte das Gefühl von den Briefen her, dass er nicht sehr anstrengend sein wird. Er ist selbstständig und weiß, was er will. Also, braucht ihr euch keine Sorgen machen.“ Roberts Verteidigungsversuch gab mir wieder ein bisschen das Gefühl, dass ich hier ansatzweise willkommen war. Auch sein Lächeln ließ mich ein wenig aus meiner Reserve kommen, wodurch ich es kurz erwiderte. „Nun ja, von meiner Seite gibt es nur eine Regel neben der Essenszeit: Wer Dreck macht, macht ihn auch selber wieder weg. So bleibt das Haus schön sauber und niemand hat zu viel Arbeit. Ist das für dich in Ordnung?“ Wie konnten so unterschiedliche Menschen nur verheiratet sein? Das war doch gar nicht mö… – Meine Gedanken stoppten, als mir bewusst wurde, dass ich gerade unsere Freundschaft in den Dreck zog. Wir waren wie Tag und Nacht, wenn man uns von außen betrachtete, aber jeder, der genauer hinsah, konnte erkennen, dass unsere Grundstruktur gleich war. Vielleicht war dies auch bei den Beiden der Fall? Das war zumindest eine Möglichkeit. „Gibt es irgendetwas, was du nicht magst oder gar verträgst?“, fragte Barbara ruhig weiter und schien sich von meinem inneren Konflikt nicht beirren zu lassen. Ich musste kurz überlegen, doch dann schüttelte ich den Kopf. Im Moment fiel mir zumindest nichts ein. Bestimmt würde ich es dann schon feststellen, wenn man es mir das erste Mal vor die Nase setzte, aber in Japan gab es nichts, was mir nicht schmeckte. Zumindest hatte ich nichts gefunden. „Das finde ich schön. Damit wird das Kochen zumindest einfacher. Robert, du hast dieses Mal anscheinend wirklich ein pflegeleichtes Exemplar ans Land gezogen“, lobte sie ihren Sohn, der ihr zulächelte und im nächsten Moment stand sie auf, um sich dann zu entschuldigen, weil sie zum Kochen anfangen wollte. Ich verstand es nicht, doch als ich auf die Uhr sah, erkannte ich, dass es nur noch zwei Stunden bis zum gemeinsamen Abendessen waren. Die stechenden Augen von Klaus verschwanden nicht, während er sich weiter Chips in den Mund schob. Es grauste mich bei seinem Anblick noch einmal, worauf ich mich lieber auf Robert konzentrierte, der jedoch auch angespannter zu sein schien, kaum dass seine Mutter weg war. „Habt ihr Jungs heute noch irgendwas vor?“ Die Stimme von Klaus durchbrach die Stille und ich schluckte kurz, bevor ich zu Robert sah, der dann mit den Schultern zuckte. „Eigentlich nicht oder willst du irgendwas unternehmen, Matt?“ Ich schüttelte den Kopf und zwang mich zu einem Räuspern, das mir meine Stimme zurückgeben sollte: „Nein, der Flug war sehr anstrengend. Ich würde mich heute gerne einfach nur erholen, wenn das in Ordnung ist.“ Robert musste auflachen und Klaus zog eine Augenbraue nach oben, während ich nicht verstand, was ich gerade falsches gesagt hatte. „Ach, Matt, klar ist das in Ordnung. Du entscheidest, wie dein Leben aussieht. Ich werde versuchen dir so oft es geht zu helfen, aber manchmal kann es sein, dass ich auch keine Zeit habe. Zwar bist du Gast hier, aber ich werde bestimmt nicht dauernd deinen Entertainer spielen. Die Tage werde ich dir die Stadt zeigen und dich mit ein paar Leuten bekannt machen, aber dann wird jeder auch mal seinen Weg alleine gehen. Also Nanny werde ich nicht für dich spielen, okay?“ Das klang für mich vernünftig, worauf ich ihm zunickte. Ich wollte ja auch nicht die ganze Zeit an ihm kleben. Bestimmt würde ich neue Freunde auf der Akademie finden und mit ihnen dann die Städte unsicher machen. Robert war ein netter Kerl und vielleicht würden wir auch Freunde werden, aber ich hatte schon vor meiner Anreise hierher beschlossen, dass ich mich nicht wie ein verängstigtes Küken an ihn hängen werde. Gabumon saß neben mir auf dem Boden und sah immer mal wieder zu Blackagumon rüber. Ich wusste nicht, was diese Blicke bedeuteten, aber ich konnte mir durchaus vorstellen, dass ihn sein Freund Agumon durchaus auch abging und wahrscheinlich hatte auch er mit der Ähnlichkeit zu kämpfen. Warum mussten wir auch hier landen? Ich seufzte und wandte mich dann ab. Mein Blick glitt zu dem Fernseher, der zwar angestellt war, doch stumm geschaltet war. Ich kannte die Serie, die darauf lief, nicht. Sie wirkte auch auf mich, als würde ich sie nicht mögen. Ich konnte ja nicht einmal sagen, um was es darin ging, daher wandte ich mich wieder ab und sah noch einmal auf Robert. Er unterhielt sich gedämpft mit seinem Vater und wenn ich mich anstrengen würde, könnte ich es wohl auch verstehen, aber das Gefühl, das dadurch in mir entstand, gefiel mir nicht. Ich fühlte mich ausgegrenzt und als würden sie über mich reden, daher stand ich auf und entschied mich in die Küche zu gehen. Vielleicht konnte ich ja Barbara helfen, doch weiter als zur Tür kam ich nicht, als ich von einem abrupten „Stopp“ aufgehalten wurde. „Brauchst du irgendetwas, Matt? Hast du Durst? Essen ist gleich fertig.“ Sie wirkte gestresst und ich selbst sah sie nur irritiert an. „Ähm, nein, ich wollte sehen, ob ich dir helfen kann.“ „Ach, das musst du nicht. Ich komme alleine klar. Ruh dich nur ein wenig aus und unterhalte dich mit Klaus und Robert. Ich schaff das auch alleine, okay?“ Sie lächelte mich an und ich spürte erneut einen Kloß in meiner Kehle, wobei ich zittrig Luft holte und sie unsicher ansah. Ich wollte nicht zurück zu diesen Männern, vor allem nicht zu Klaus. Seine Nähe bereitete mir Unbehagen und ich wünschte mir, dass ich ihn so wenig wie nur möglich zu Gesicht bekam. Wie gerne hätte ich sie darum gebeten, dass ich einfach bleiben durfte, doch ich nickte dann nur, um mich wieder abzuwenden. Diese Hilflosigkeit kam mir dann doch kindisch vor. Ich wollte nicht schon am ersten Tag als Schwächling dastehen. Schließlich hatte ich T.K. in der Digiwelt beschützt und auch sonst immer stand ich an vorderster Front. Warum überforderte mich das Leben jetzt auf einmal? Vielleicht weil ich niemanden hatte der hinter mir stand… ~*~ Das Abendessen verlief zum größten Teil schweigend. Ich kannte das Gericht nicht, aber es schmeckte sehr interessant. Das Fleisch war zart und dennoch voller Geschmack. Es war kein Hühnchen und auch kein Schwein. Also musste es wohl Rind sein. Entschloss ich für mich selbst, weil ich die Stille nicht durchbrechen wollte. Ich genoss es einfach mit Klaus an einem Ort zu sein ohne dass er mich anstarrte, als wäre ich aus einer fernen Welt entflohen. Sein Essstil gefiel mir nicht. Er stopfte alles in sich hinein und wirkte schon fast wie ein Schwein, während sowohl Barbara als auch Robert gesittet aßen. Er wirkte auf mich immer mehr wie ein Schandfleck in dieser Familie. Gehörte er wirklich dazu? Ich zweifelte mit jeder Sekunde mehr daran. „Schmeckt es dir, Matt?“, fragte mich plötzlich Barbara und ich sah sie überrascht an, bevor ich dann nickte und sogar kurz lächelte. „Ja, das ist sehr lecker. Danke dafür.“ Es überraschte sie, dass ich mich für das Mahl bedankte und ich konnte sehen, wie sie sogar ein wenig rot wurde. Ich verstand ihre Reaktion nicht, doch ich dachte auch nicht weiter darüber nach, sondern aß ruhig weiter. Schließlich waren wir alle fertig und ich stand auf, um beim Abräumen zu helfen. Auch dies überraschte Barbara. Derweil war doch eine Regel, dass jeder seinen Mist selbst wegräumte. Was anderes tat ich in diesem Moment doch nicht, oder? Klaus schmiss sich sofort wieder auf die Couch und kurze Zeit später hörte ich den Fernseher. Desto länger ich mich mit diesem Menschen beschäftigte, umso deutlicher wurde mir, dass ich nichts mit ihm zu tun haben möchte. Robert und ich gingen schließlich zurück in sein Zimmer, wo ich langsam damit begann meine Sachen auszupacken und in dem mir dargebotenen Schrank verstaute. Ich hatte fast nur Kleidung dabei. Alles andere würde ich mir irgendwann hier besorgen. Nur meine Gitarre hatte ich noch zur Beschäftigung mitgenommen. Ich wollte hin und wieder ein wenig üben, obwohl ich wusste, dass die Band ohne mich weitermachen würde und bei meiner Rückkehr wahrscheinlich kein Platz mehr für mich da sein würde. So wollte ich die Musik, die so vielen meiner Freunde gefiel nicht einfach aufgeben. Sie gab mir Ruhe und Kraft. Zwei Dinge, die ich hier nicht missen wollte. „Spielst du das Teil wirklich?“, fragte mich Robert überrascht, als er anscheinend das erste Mal meine Gitarrentasche erkannte. Ich sah ihn irritiert an, weil ich nicht verstand, was die Frage sollte. Warum sollte ich es dann mitnehmen, wenn ich es nicht spielen konnte? Zum Angeben? Ja, genau. Ich hab ja sonst keine Schmerzen. „Ja, ich kann auch Mundharmonika spielen. Vor ein paar Jahren war ich sogar Mitglied einer Band. Aber na ja, nach der Schule geht man dann doch meist getrennte Wege und nun ja. Es sollte halt nicht sein.“ Ich zuckte mit den Schultern und verstaute das Instrument in einer ruhigen Ecke. Robert saß auf seinem Bett und sah mich ruhig an, während Blackagumon neben ihm stand. Gabumon war bei mir und es fühlte sich in diesem Moment an, als würde sich eine gewaltige Schlucht zwischen uns bilden. Ich wusste nicht, woran es lag, doch ich hatte auch nicht den Wunsch es zu verhindern. „Willst du mir mal etwas vorspielen?“, fragte er dann ruhig und lächelte mich sanft an, worauf ich nur kurz nickte und das Instrument an mich nahm. Ich setzte mich auf die Couch und legte die Gitarre ruhig auf einem Bein ab, bevor ich zittrig Luft holte und zu spielen begann. Meine Finger glitten sanft über die Seiten und ich ließ mich von der Melodie leiten, so dass ich nach wenigen Atemzügen leise zu singen begann. Nach wenigen Minuten ließ ich den letzten Ton leise ausklingen und den Effekt des Liedes noch nachwirken, bevor ich dann zu Robert sah und kurz lächelte: „Mit der Band klingt es natürlich besser, aber na ja, das war einer meiner Lieblingssongs damals.“ Ich erkannte, dass er fasziniert war und kurze Zeit später begann er wie wild zu applaudieren. In diesem Moment schien er ein anderes Bild von mir zu bekommen. Seine Haltung mir gegenüber veränderte sich und wurde offener. Genauso wie das Gefühl der Schlucht verschwand. Ich wusste zwar schon immer, dass Musik Leute verbinden konnte, aber es war das erste Mal, dass ich es mit eigenen Augen sah. „Das war der Hammer, Matt! Damit kannst du jedes Mädchen hier haben und bestimmt nimmt dich auch jede Band auf!“ Seine Euphorie brachte mich in Verlegenheit und ich zuckte mit den Schultern: „Eigentlich habe ich gar nicht vor, dass ich irgendein Mädchen kennen lerne. Schließlich habe ich eine Freundin in Japan.“ „In Japan?“ Robert machte einen abfälligen Laut und winkte ab. „Das ist ja fast am anderen Ende der Welt. Willst du wirklich auf die Freuden der Liebe hier verzichten? Bestimmt bleibt sie dir auch nicht treu.“ Robert hatte schon Recht. Wir hatten sogar eine Abmachung getroffen, dass es nicht schlimm wäre, wenn wir uns neue Partner fanden, aber ich wollte hier nichts finden. Kein Leben aufbauen und Japan komplett den Rücken kehren. Dir für immer Lebewohl sagen. Irgendwann wollte ich zurückkehren und all meine Freunde wiedersehen. Sie in den Arm nehmen und das Leben wieder gemeinsam mit ihnen verbringen. Mit dir und Sora. „Das wäre nicht schlimm. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir nicht aufeinander warten. Wenn wir einen besseren Partner finden, dann wäre das okay. Dennoch.“ Ich wollte mehr sagen, doch Robert unterbrach mich euphorisch: „Also! Siehste! Steht der Mädelsjagd nichts im Weg. Du kannst an jedem Finger fünf haben, wenn du willst. Ich werde dir dabei auch gerne helfen.“ Oh Gott! Das wollte ich ganz bestimmt nicht. Robert hatte zwar Recht, dass es nicht verkehrt wäre, wenn man zumindest jemanden fand mit dem man intim werden konnte, um sich einfach geliebt zu fühlen, aber ich wollte hier bestimmt keinen Harem aufbauen. „Eine würde mir vielleicht reichen, aber ich will hier nichts Festes aufbauen. Schließlich weiß ich nicht, wo mich mein Leben noch hinbringt. Ich will nicht wieder einen Partner zurücklassen“, versuchte ich mich zu erklären und Robert schien es sogar zu verstehen, denn er lächelte mich sanft an. „Okay, das finden wir bestimmt auch. Eine Partnerschaft auf Zeit. Hier gibt es so viele Mädchen, die auf Kerle wie dich stehen, Matt. Du wirst bestimmt nicht lange alleine bleiben.“ Seine Worte waren mir selbst bewusst und ich wusste nicht, ob ich mich wirklich darüber freuen konnte. Ich wollte doch nur meine Ausbildung machen und kein Herzensbrecher werden. „Lassen wir uns überraschen. Es wäre auch nicht schlimm, wenn es nicht klappt.“ Ich zuckte mit den Schultern, doch Robert winkte sofort ab: „Oh nein. Damit du dann besonders lang unter der Dusche brauchst? Nein, danke. Meine Eltern sehen es nicht gerne, wenn man das Bad stundenlang blockiert. Das müssen wir verhindern. Schließlich willst du ja nicht negativ auffallen, oder?“ „Nicht unbedingt, aber das wird schon nicht passieren. Ich bin ja kein Teenager mehr.“ Nicht einmal da hatte ich das Problem. Gut, ich hatte dich und konnte so meine Triebe ungehemmt ausleben. Da brauchte ich keine Selbstbefriedigung mehr, aber ich war mir sicher, dass ich das Jahr hier auch ohne sexuelle Aktivität überleben würde. Schließlich war ich doch schon Erwachsen, da muss so was auch mal auf der Strecke bleiben können. „Ach, komm schon. Warum bist du jetzt auf einmal so prüde? Gut, ich werde dich nicht verkuppeln, aber du wirst auch nicht auf keusch tun, okay?“ Robert versuchte eine Vereinbarung raus zuhandeln und ich glaubte, dass dies auch ganz gut zum Akzeptieren war. Schließlich hatte ich nicht vor, dass ich mir einen Keuschheitsgürtel umband, aber ich wollte jetzt auch nicht verkuppelt werden. Wenn sich etwas ergab, dann war es genauso gut, wie wenn ich das Jahr alleine blieb. Daher schlug ich in seine ausgestreckte Hand ein und es war das erste Mal, dass ich mich hier wirklich willkommen fühlte. Robert konnte das wirklich gut und das Jahr könnte vielleicht trotz Klaus richtig schön werden. Ja, das konnte es wirklich… ~*~ Die Stille der Dunkelheit umschloss mich. Ich hörte die ruhige Atmung von Robert unter mir genauso wie die von Gabumon und Blackagumon. Es war ein komisches Gefühl hier zu liegen und die weiße Decke anzustarren. Der Lärm vor dem Fenster war nicht sonderlich anders, als bei mir Zuhause, dennoch fühlte es sich anders an. Ich hörte den Fernseher, der leise durch die Tür drang und ich fragte mich, wann Klaus wohl endlich schlafen ging. Barbara hatte sich schon sehr früh von uns verabschiedet, aber der Kerl schien noch immer wach zu sein. Plötzlich drang ein Schnarchen zu mir durch. Es kam aus dem Wohnzimmer und ich verstand: Klaus war vor dem Fernseher eingeschlafen. Er würde wohl niemals in sein Bett gehen. Diese Anwesenheit von so vielen Menschen fühlte sich seltsam an. Ich erwischte mich dabei, wie ich darauf wartete, dass sich die Wohnungstür öffnete, um mir zu zeigen, dass mein Vater endlich von der Arbeit heimkam. Genauso wie ich mir deinen Duft neben mir wünschte oder die sanfte Atmung von Sora. Ich seufzte schwer und drehte mich kurz auf die Seite, um dort die weiße Wand anzustarren. Nicht unbedingt besser, doch so konnte ich mir zumindest einbilden, dass ich nicht alleine hier lag. Auch Robert bewegte sich und nuschelte irgendwas, bevor er ruhig weiterschlief. Ich fühlte mich müde und dennoch holte mich nicht der Schlaf, denn sobald ich meine Augen schloss, sah ich meine Familie, Sora und dich. Es war ein seltsames Gefühl so weit von ihnen entfernt zu sein und ich wusste auch, dass ich mich vor diesem Tag immer gefürchtet hatte, doch deine Gegenwart machte daraus eine Flucht. Eine Flucht, die ich nun bereute. Ich seufzte schwer und drehte mich wieder auf den Rücken, um weiter an die Decke zu starren. Ruhig legte ich meine Hände unter meinen Kopf und versuchte mich zu entspannen. Schlafen, einfach nur schlafen. Mein Körper fühlte sich müde an, dennoch wollte ich nicht loslassen. Ich konnte nicht in die unendliche Dunkelheit eintauchen. Hatte ich zu starke Angst vor dem, was mich in meiner Traumwelt erwarten könnte? Hoffte ich, dass so der nächste Tag nicht kam? Wünschte ich mir, dass ich vielleicht doch noch aufwachte und dieser ganze Tag nur ein Traum war und ich die erneute Chance bekam mit dir zu besprechen, anstatt dich so verletzt zurück zu lassen? Plötzlich kletterte jemand die Leiter hoch und ich konnte die Umrisse von Gabumons Kopf erkennen. Er sah in meine Richtung und ich musste lächeln, bevor ich dann ein Stück zur Seite rutschte und er zu mir gekrabbelt kam. „Matt? Kannst du nicht schlafen?“ Seine Stimme war leise und sie ließ mich wärmer lächeln. Ich schüttelte den Kopf und drehte mich zu ihm um. Wie oft lagen wir bei uns Zuhause im Bett zusammen und ich konnte die Wärme von ihm spüren? Er vertrieb auch jetzt wieder die Einsamkeit, die sich um mich herum aufzubauen versuchte. „Nicht wirklich. Du aber anscheinend auch nicht“, neckte ich ihn ein wenig und ich sah das Lächeln auf seinen Lippen, als seine weißen Zähne kurz aufblitzten. Ich wusste, dass dieses Gebiss durchaus schmerzhaft sein konnte, dennoch hatte ich keine Angst davor. Er würde mich nur beißen, wenn er mich so retten konnte. Wie an diesen einen Tag, als mich das schwarze Meer verschlingen wollte. „Nein. Sie fehlen mir. Meinst du, dass wir uns morgen mit Mimi treffen können?“ Er spielte nervös mit seinen Fingern und ich musste kurz auflachen, bevor ich ihm über den Kopf streichelte. „Das weiß ich nicht, ob das so kurzfristig klappt. Sie wohnt doch ein wenig entfernt, aber wir können morgen gerne mit ihr Kontakt aufnehmen und uns für das Wochenende verabreden. Was hältst du davon?“ „Klingt gut.“ Wir schwiegen und ich spürte, dass etwas zwischen uns hang und nach einigen Atemzüge durchbrach Gabumon wieder die Stille: „Sie sind ihnen so ähnlich, aber dennoch nicht gleich.“ „Ja“, seufzte ich und drehte mich wieder auf den Rücken, um zur Decke zu sehen, während Gabumon mich weiter ansah. Ich spürte seinen Blick auf mir und er schien auf etwas zu warten. „Sie tragen kein Licht in sich. Nicht so wie Tai und Agumon. Es wirkt, als wären sie wie ihre Schatten.“ Diese Erklärung klang interessant, vor allem nachdem es ein Blackagumon war, dennoch empfand ich es übertrieben. „Nein, so ist das nicht. Glaub ich. Sie haben einige gleiche Charakterzüge, aber jeder ist einzigartig und klar fehlt ihnen was. Auch wenn schon fast jeder sein Digimon hat, so sind sie anders als wir. Das merkt man einfach.“ Ich zuckte mit den Schultern und deckte dann schließlich Gabumon mit zu, bevor ich mich wieder zu ihm wandte. „Wir sollten aber jetzt schlafen. Wer weiß, wohin uns die Beiden überall entführen werden. Schlaf gut, Gabumon.“ Ich legte einen Arm um ihn und hörte dann seine leise Erwiderung, die jedoch schon in der Dunkelheit des Schlafes verschwand, als ich endlich bereit war loszulassen und dem Bestreben meines Körpers nachzugeben. Bei Gabumon war ich sicher… ~*~ Die Zeit verging. Robert zeigte mir einige interessante Orte und stellte mich auch seinen Freunden vor, doch ich fand nie wirklich Anschluss zu ihnen. Es war ein seltsames Gefühl bei ihnen zu sein und irgendwie konnte ich es nicht verhindern, dass ich mir überflüssig vorkam. Ab und an trafen wir uns mit Mimi. Sie wohnte leider ein wenig zu weit weg, um sich öfters zu sehen, doch wenn wir es dann einmal schafften, war es meist ein sehr gelungener Tag. Wir lachten und ich fühlte mich endlich wieder wie Zuhause. Auch Gabumon war in der Nähe von Palmon um einiges ausgelassener, als wenn er unter der Beobachtung von Blackagumon stand. Mit dir, Sora und meiner Familie habe ich regelmäßig telefoniert oder geschrieben. Ich ließ euch immer wissen, was gerade bei mir passierte und wie die Ausbildung lief. In solchen Momenten war ich mir sicher, dass du mir meinen Abschied von dir nicht übel nahmst. Die Zeit konnte doch Wunden heilen lassen. Immer wieder nahmen wir uns vor uns zu treffen und nach ein paar Jahren, die ich auch woanders verbracht hatte als Amerika. Konnte ich endlich wieder nach Japan zurückkehren. Meine Familie holte mich wie vereinbart vom Flughafen ab und als ich nach Hause kam, wartete dort schon Sora auf mich. Es war ein seltsames Gefühl sie nach all den Jahren wieder zusehen, doch mein Herz machte einen freudigen Sprung, als wir uns umarmten und sich unsere Lippen wie von selbst fanden. Klar, hatte ich die eine oder andere Affäre gehabt, doch keiner konnte mein Herz erobern. Immer wieder musste ich an Sora denken und wenn ich nun in ihre Augen sah, war ich mir sicher, dass unsere gemeinsame Zukunft nun endlich beginnen konnte. Kurz sah ich mich um und musste feststellen, dass sonst niemand hier war. Ich sah dich nicht und eine unbekannte Schwere ergriff von meinem Herzen, als ich mich zu meinem Bruder umdrehte: „Wo ist Tai? Wollte er nicht auch hier sein und mich begrüßen?“ „Ihm ist etwas dazwischen gekommen. Er musste für unbestimmte Zeit weg, meinte er. Ich hab jetzt nicht großartig nachgefragt.“ Er zuckte mit den Schultern und mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. „Aber… ich muss doch in einem Monat wieder weg. Dann geht es ins Weltall!“ Ich stoppte, als ich merkte, dass ich ungehalten wurde. Das war keine passende Reaktion und das wusste ich. Sollten wir uns wirklich nicht sehen? Was war wichtiger für dich als ich? „Das weiß er. Er wollte dir auch seine neue Freundin vorstellen und er meinte, dass er es wirklich schade findet, dass ihm was dazwischen gekommen ist. Aber er ist sich sicher, dass ihr euch bestimmt noch sehen werdet. Er versucht alles, um die Sache so schnell wie möglich zu klären.“ Takerus Worte munterten mich nicht wirklich auf. Ich wusste, dass er mir Mut machen wollte und konnte mir durchaus vorstellen, dass es von dir ernst gemeint war. Der Fakt, dass du nun auch eine Freundin hattest, kroch nur ganz langsam in mein Verständnis und erneut schien man mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Ich spürte, wie eine Zeit zu ende ging, die ich niemals verlieren wollte. One zu wissen wie ließ ich mich auf das Sofa fallen, als ich weiter vor mich hinstarrte. Meine Hände begannen zu zittern und ich ballte sie zu einer Faust zusammen. Ich wollte keine Schwäche zeigen. Wir wussten beide, dass es irgendwann zu Ende sein würde. Dein Lächeln erschien vor meinem geistigen Auge und erneut bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Es war vorbei. Endgültig vorbei. Wir waren nun wieder nur Freunde und würden uns als solche aus den Augen verlieren. Mein Blick glitt zu Sora, die mich besorgt ansah. Ja, ich wusste, dass es nicht möglich war, alle Freundschaften mitzunehmen, doch ich hatte gehofft, dass es wenigstens Zwei schaffen würden. Sag es mir, Tai! Sind wir noch Freunde? „Ihr werdet euch bestimmt wiedersehen. Du bist ja auch nicht für immer im Weltall und irgendwann habt ihr bestimmt auch wieder gemeinsam Zeit. Eure Freundschaft lässt sich davon bestimmt nicht kaputt machen, Matt. Irgendwann werdet ihr euch wiedersehen. Das verspreche ich dir.“ Ihr Lächeln war sanft und ich konnte es nur traurig erwidern. Ja, irgendwann. Irgendwann war ein anderes Wort für nie. Ich hoffte, dass wir uns wieder sahen. Vielleicht nicht morgen oder gar in drei Wochen. Aber irgendwann bestimmt. Ich wollte diese Freundschaft nicht aufgeben. Diese Freiheit, die wir einander gaben und doch ist es vorbei. Wir würden uns sehen. Einander anlächeln. Vielleicht auch umarmen, aber es wird keinen Kuss mehr geben. Keine Berührungen unter der Kleidung. Nie wieder werden wir wieder miteinander schlafen. Wenn ich ehrlich zu mir war, dann wusste ich das schon, als wir unser letztes Mal hatten. Es fühlte sich an, als würde es zu etwas werden, dass ab da nie wieder passieren würde. Als wäre es etwas Besonderes, das in diesem Moment ausstarb. Wir waren wieder Freunde und hatten die Liebe in einer anderen Person gefunden. Meine Hand umschloss sanft die von Sora und ich lächelte sie an. Ja, sie war mein Leben und sie war hier. Das war das Einzige, was zählte. Wir würden uns sehen. Irgendwann oder eben nie, aber ich werde niemals die Zeit vergessen, als wir einander endlose Freiheit schenkten… Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)