Komplementär von Ur (Lavi x Kanda Oneshots) ================================================================================ Kapitel 4: Unbemerkt -------------------- Die Sonne schien, die Blumen blühten, der Tag war ekelhaft perfekt und sein Leben war vorbei. Es hätte nicht schlimmer kommen können, er hatte ja immer schon gewusst, dass Jahrgangspartys eine absolute Zeitverschwendung waren. Und nicht nur das: Diese eine Jahrgangsparty hatte sein Leben ruiniert. Diese Schmach… Er war entwürdigt! Er sollte sich lebendig begraben lassen und tief unter der Erde verrotten, dafür, dass er auf diese bescheuerte Party gegangen war. Kanda kämmte sich energisch seine langen Haare, während er wütend darüber nachdachte, wer ihm all diese Peinlichkeiten eingebrockt hatte. Natürlich war es das personifiziert Durcheinander, der Oberdepp der Deppen, Lavi gewesen. Wer auch sonst? Wer würde sonst so etwas tun und sein komplettes Gefühlsleben, das sonst durchaus balanciert und ausgewogen war, in ein Chaos stürzen, das schlimmer war, als Lavis nicht vorhandene Frisur? Natürlich könnte er auch Lavi töten, dafür, dass er ihm diese Schmach angetan hatte. Das wäre ihm zugegebenermaßen lieber. Er würde gleich am Montag in der Schule auf Lavi zustürmen und ihn dann… Kanda fuhr sich mit der Hand durch die frisch gekämmten Haare und pfefferte die Bürste beiseite. Er erinnerte sich. Wieso konnte er nicht einfach alles vergessen haben, wie eine gewisse, rothaarige Person, wie Lenalee ihm erst heute Vormittag in einer Mail mitgeteilt hatte? Er köchelte stumm vor sich hin, während er seine Haare zu einem Zopf band. Seine Gedanken schweiften zurück zur verhängnisvollen Party… »Hey Kanda, schön, dass du gekommen bist!«, begrüßte ihn Lenalee strahlend und umarmte ihn. Kanda brummte nur und sah sich in dem spärlich beleuchteten Partyraum um, durch den laute, nervige Musik dröhnte. Viele Leute aus ihrem Jahrgang standen auf der Tanzfläche und bewegten sich mehr oder minder unkoordiniert. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, später zu kommen. Er hätte gleich zu Beginn der Party auftauchen müssen, um dann früh wieder zu gehen. Jetzt waren viele schon betrunken und Betrunkene waren nervtötend. Und anstrengend. Er wusste nicht genau, von wem das Bier stammte, das er plötzlich in der Hand hielt und er betrachtete es misstrauisch. Lenalee hakte sich bei ihm unter und führte ihn hinüber zu einem Tisch, an dem bereits einige Leute saßen, die ihm sehr bekannt vorkamen. Die Bohnenstange, das wandelnde Unglück, das Riesenbaby und der Feuermelder. Letzterer strahlte ihm so begeistert entgegen, dass Kanda schon ohne Alkoholeinfluss das Bedürfnis verspürte, sich zu übergeben. »Hey Yuu!«, sagte Lavi und Kanda hörte an seiner Stimme, dass der Größere nicht mehr nüchtern war. Er kannte Lavis Stimme gut. Dieses penetrante Getöne, das ihn in der Schule verfolgte, bis nach Hause in sein stilles Zimmer. Lavis Stimme lud zur Taubheit ein. »Nenn mich nicht so, Baka- Usagi«, knurrte er und setzte sich widerwillig auf den letzten freien Platz. Lenalee ließ sich auf Allens Schoß nieder. Die beiden waren seit kurzem ein Paar, auch wenn Kanda wirklich nicht wusste, was Lenalee an der Bohnenstange fand, wo ihr doch beinahe alle Typen ihres Jahrgang nachliefen wie hirnlose Hormonschleudern. Er ließ sein Bier los und sah sich erneut im Raum um. Hinten in der Ecke, direkt hinter dem DJ- Pult entdeckte er zwei knutschende Pärchen. Kanda verzog das Gesicht und wandte sich ab. Lavi beobachtete ihn und Kanda runzelte die Stirn. »Was glotzt du so?«, grummelte er ungehalten. Er mochte es nicht, wenn Lavi ihn so ansah. Seine Haut begann dann unweigerlich zu kribbeln. Das war ekelhaft. Der Rotschopf trug ein ärmelloses, dunkelblaues Shirt und eine helle Jeans. Er hatte gleich zwei gefüllte Becher vor sich stehen und als Kanda ihn ansprach, zuckte er nur grinsend mit den Schultern und leerte einen der Becher in einem Zug. Kanda schnaubte verächtlich. Diese Bekloppten, die sich dermaßen abschossen, dass sie am nächsten Tag nicht mehr wussten, was sie am Vorabend getan hatten, waren wirklich verabscheuungswürdig. Wie konnte man nur freiwillig die Kontrolle über seine Handlungen aufgeben und so viel von diesem tückischen Mistzeug trinken? Er schüttelte nur verächtlich den Kopf und wandte sich erneut ab, um den Anblick nicht ertragen zu müssen. »Yuu, hast du Lust auf Wetttrinken?«, fragte Lavis nervtötende Stimme. Kanda drehte sich sehr langsam wieder zu dem Größeren um. »Sehe ich aus wie ein hirnloser Vollidiot, Baka- Usagi?«, zischte er quer über den Tisch. Lavis Grinsen wurde breiter. Auf seinem sonst eher blassen Gesicht hatte sich ein deutlicher Rotschimmer gebildet, genau wie im Sportunterricht, wenn er sich anstrengte. Kanda hatte das schon oft bei ihm beobachtet. »Ach so, verstehe. Du verträgst nichts«, sagte Lavi und nickte so ätzend verständnisvoll, als hätte Kanda ihm gerade gebeichtet, dass er impotent sei. »Das hat damit überhaupt nichts zu tun!«, bellte Kanda Lavi an, der nun noch breiter grinste. Hoffentlich teilte sich Lavis Schädel mit diesem eklig breiten Grinsen in zwei Teile… »Schon gut, Yuu. Ich würde das auch nicht machen, wenn ich nichts vertr-…« »Na schön!«, schnauzte Kanda entnervt und packte sein Bier, »Aber pass auf, dass du nicht anfängst zu kotzen, du hast doch schon wieder literweise in dich reingekippt!« Lavi streckte ihm die Zunge heraus und zuckte die Schultern. Kanda hatte keine Ahnung, woher plötzlich die Flasche Wodka vor ihnen auf dem Tisch kam, irgendjemand musste sie dort hingestellt haben. Lavi stellte Kanda seinen gerade geleerten, bereits benutzten Becher hin. Kanda ließ sein Bier los. »Du glaubst ich trink daraus, wenn du das Ding schon angesabbert hast, du Armleuchter?«, sagte er angeekelt und schob den Becher von sich. »Kanda will daraus nicht trinken, weil er denkt, das könnte man als indirekten Kuss verstehen«, ließ Allen gut gelaunt vernehmen und Kandas Mordlust projizierte sich zwei Sekunden lang auf die Bohnenstange, zumindest bis Lavi sagte: »Ich hätte nichts dagegen, Yuu mal zu küssen.« Kanda griff nach dem Becher, schraubte die Flasche auf und goss sich Wodka ein. Lavi schmunzelte und tat es ihm nach, dann wollte er ihm zuprosten, doch Kanda starrte ihn nur wütend an, ehe er den Becher an die Lippen hob und trank. Niemand hatte ihn vorgewarnt, dass purer Wodka die Kehle in Brand setzte und ihn beinahe husten ließ, doch diese Blöße würde er sich vor Lavi ganz sicher nicht geben. Soweit kam es noch! Lavi schien keineswegs ein Problem damit zu haben, den Wodka pur zu trinken. Vielleicht waren seine Geschmacksnerven schon abgetötet vom vorherigen Trinken… Zwei Becher weiter fühlte Kanda sich bereits schwindelig. Sein Sehvermögen schien auf merkwürdige Art und Weise verlangsamt, dafür fühlte er seine Gliedmaßen und jede ihrer Bewegungen überdeutlich. War er nicht erst vor einer dreiviertel Stunde hier angekommen? Und wieso knutschten Lenalee und Allen eigentlich direkt neben ihm? Wo waren Miranda und das Riesenbaby und wieso sah Lavi ihn so verklärt an? »Na Yuu…gibst du auf?«, fragte Lavi sehr stark lallend. Kandas Gehirn brauchte einige Zeit, bis er diese Frage verarbeitet hatte. Dann schnaubte er, allerdings verpuffte die verachtende Wirkung, weil ihm in der nächsten Sekunde ein kleines Hicksen entfuhr. »Sicher nicht«, gab er zurück und seine Zunge fühlte sich an wie Blei. »Komm, wir gehen frische Luft schnappen, bevor wir weiter machen«, nuschelte Lavi und erhob sich schwankend. Frische Luft klang in Kandas verklärten Gehirn sehr gut. Die zwei knutschenden Pärchen in der Ecke waren zu haltlosem Fummeln übergegangen und er sah sich von dem Wunsch beseelt, ebenfalls jemanden zu befummeln. Der Einzige, der in der Nähe war, war Lavi, der nun den Arm um ihn gelegt hatte und neben ihm her nach draußen wankte. »Yuu ich finds echt total geil, dass du auch gekommen bist«, lallte Lavi verschwommen grinsend, als sie draußen angekommen waren. Hier war es ruhiger und sie umrundeten einige Büsche, aus denen sehr eindeutige Laute kamen. Kanda fragte sich zwischen all seinen alkoholisierten Gehirnzellen, wieso er eigentlich noch nie Sex gehabt hatte, wo er doch so gut aussah… »Hast du schon mal geknutscht?«, fragte Lavi undeutlich und sie hielten hinter dem Haus, in dem sie feierten. Kanda lehnte sich gegen die Wand, um nicht umzukippen. »Nee«, sagte er. Wieso erzählte er Lavi das eigentlich? Weil dort hinten im Gebüsch gerade zwei Leute aus ihrem Jahrgang vögelten? »Willst du’s mal probieren?«, fragte Lavi. Kanda wollte gerade ablehnen, als Lavi ihn schon geküsst hatte. Sein Körper drängte sich gegen den von Kanda, seine Finger waren plötzlich in Kandas Nacken und unter seinem Hemd und er keuchte erregt auf, ehe er sich ebenfalls gegen Lavi presste. In seinem Kopf schien sich plötzlich ein Schalter umgelegt zu haben. Er wollte das hier ganz unbedingt, flüsterte ihm der Alkohol zu, er wollte das doch schon so lange, auch, wenn er es sich nicht eingestehen konnte und wollte, dass er Lavi wollte, ihn begehrte, ihn vermisste, wenn er nicht da war… Sein Herz hämmerte wie verrückt, während ihre Lippen sich unkoordiniert gegeneinander bewegten. Kandas Körper brannte unter Lavis Berührungen und er hatte das dringende Bedürfnis, Lavi die Kleider vom Leib zu reißen und auf der Stelle Sex mit ihm zu haben. Dabei mochte er Lavi offiziell überhaupt nicht, schoss es ihm träge durch den Kopf. Aber der Kuss war gut und Lavis Hand in seiner Hose war noch viel besser und das beinahe Allerbeste war, als Lavi den Kuss löste und anfing, seinen Hals und sein linkes Ohr zu beknabbern. Welle um Welle heißer Lava ergoss sich in seine Lenden und ihm wurde unterschwellig bewusst, dass er eine ziemliche Latte bekommen hatte. Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und er schloss die Augen vor der sich nun drehenden Welt. Aber alles drehte sich scheinbar doppelt so schnell, als er die Augen geschlossen hatte und so öffnete er sie wieder, als ihn heftige Übelkeit überkam. Er schob Lavi von sich, drehte sich zur Hauswand und übergab sich keuchend dagegen… Kanda stand abrupt auf und stapfte zu seinem Zimmer hinüber. Er war sich nicht sicher, was das Schlimmste an alledem war. Dass Lavi es geschafft hatte, ihn abzufüllen, dass er Kanda dazu gebracht hatte, dieses Rumgemache zu genießen, oder aber, dass er sich im Eifer des Gefechts und im Alkoholrausch indirekt eingestanden hatte, dass er genau darauf schon seit einer Ewigkeit wartete. Er starrte hinaus in dien ekelhaft perfekten Tag. Die zwitschernden Vögel vor seinem Fenster sollten allesamt einen grausamen Tod sterben… Es war zum Verrücktwerden. Heute Morgen unter der Dusche hatte er wieder daran denken müssen… und prompt hatte sein Körper darauf reagiert. Auf sehr peinliche Art und Weise. Es konnte doch nicht sein, dass ein Mann solche Gefühle in ihm hervorrief. Und es konnte auch nicht irgendein Mann sein. Nein, es musste Lavi sein. Das war dermaßen entwürdigend, dass er überlegte, ob er nicht vielleicht doch Harakiri begehen sollte. Seine Gedanken schweiften wieder ab. Lavi hatte ihn geküsst. Und sehr exzessiv an ihm herumgefummelt. Unweigerlich wurde ihm heiß bei dem Gedanken daran, wie sich Lavis Lippen an seinem Hals und Lavis Hand in seiner Hose angefühlt hatten… Hieß das, dass Lavi auf Kerle stand? Wieso rannte er dann ständig allen möglichen, hübschen Mädchen hinterher, als hätte er es sehr nötig? Hatte er an diesem Abend kein Mädchen bekommen und sich deswegen mit ihm getröstet? Wohlmöglich, weil er lange Haare hatte? Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, sich die Haare abzuschneiden. Aber wenn er ein Mädchen gewollt und Kanda als Ersatz genommen hatte, wieso hatte er ihm dann in die Hose… Er spürte, wie seine Shorts unangenehm eng wurde und fluchte lautstark, was eine alte Dame unten auf dem Gehweg zusammenzucken und sich hektisch umsehen ließ. Kanda sperrte den schönen Tag wieder aus und tigerte unruhig durch sein Zimmer und wartete entnervt darauf, dass das Problem in seiner Hose verschwand. Das war heute schon das dritte Mal… Und Lavi erinnerte sich nicht. Erst tat er ihm das an und dann erinnerte er sich nicht. Ihm fiel keine Strafe ein, die dafür hart genug gewesen wäre. Seine Erinnerungen an den Kuss waren eher verschwommen als gestochen scharf und er ertappte sich bei dem Gedanken, dass ihn das ärgerte. Er wollte eigentlich ganz genau wissen, wie es sich anfühlte, Lavi zu küssen. Und er wollte nicht nur eine verschwommene, alkoholisierte Erinnerung daran haben, die sich anfühlte, als hätte er es genauso gut träumen können. Vielleicht hatte er ja alles nur geträumt und Lavi erinnerte sich deswegen nicht mehr daran? Wieso dachte er überhaupt darüber nach? Das war Zeitverschwendung. Er zerbrach sich den Kopf, während Lavi vermutlich gut gelaunt durch sein Zimmer sprang und irgendwelche Sinnlosigkeiten anstellte. Vielleicht chattete er gerade mit Lenalee. Oder mit einem anderen Mitglied seines Kindergartens. Kandas Blick schweifte zu seinem Laptop hinüber. Einen Moment zögerte er, dann ging er zu seinem Schreibtisch hinüber und setzte sich auf den gepolsterten Stuhl, schaltete den Laptop an und wartete ungeduldig. Er würde Lavi schon aufs Butterbrot schmieren, dass er ein elender Schuft, Säufer und ein halber Vergewaltiger war. Abgesehen davon natürlich, dass Kanda es auch gewollt hatte. Und dass er schon länger darauf scharf war… Es dauerte nicht lange, bis er sich bei ICQ eingeloggt und bei Lenalee Lavis Nummer erfragt hatte. Brummend und mit auf den Tisch trommelnden Fingern wartete er darauf, dass Lavi seine Anfrage annahm. Und tatsächlich, der Feuermelder schien online zu sein, denn zwei Minuten später bekam er die Bestätigung. »Ich werde dich in Scheiben hacken, Baka- Usagi«, schrieb er und nickte kurz und grimmig – ob das nun Jemand sehen konnte, oder nicht – und schickte diese Nachricht anstelle einer Begrüßung ab. Einige Moment lang kam nichts und Kanda ertappte sich dabei, wie unruhig… und aufgeregt… wurde? Er biss sich auf die Unterlippe. Das war lächerlich. Gefühle waren etwas für Weicheier. Und er war eindeutig kein Weichei. Und er wollte definitiv keine Gefühle für Lavi haben. Schon seit ein paar Monaten weigerte er sich dagegen… »Hey Yuu. Woher hast du meine Nummer?« Kanda starrte das Nachrichtenfenster an. Wollte der Idiot ihn nun vollkommen auf die Palme bringen? Wieso ignorierte er die Morddrohung? Wieso wand er sich nicht vor Furcht auf seinem beknackten Schreibtischstuhl? »Lenalee«, gab er ungnädig zurück. Sein Herz machte einen Hüpfer, als er sah, dass Lavi eine Antwort tippte. »Und du hast sie dir nur besorgt, um mir zu sagen, dass du mich in Scheiben schneiden willst?« Er knurrte den Bildschirm ungnädig an. Wieso musste Lavi eigentlich immer alles hinterfragen? Das nervte. »Und um dir zu sagen, dass du ein alkoholsüchtigerm knutschgeiler Trottel bist!« Einen Moment lang erschien ihm diese Beschimpfung sehr schlüssig, doch als er sie abgeschickt hatte, fiel ihm auf, dass Lavi nun sicherlich… »Und wen soll ich geknutscht haben…? Dich?« Er hatte es schon geahnt. Schon wieder eine Frage. Sein Herz hämmerte und gleichzeitig schnaubte er verächtlich, weil Lavi die Bemerkung mit dem Alkohol einfach so hingenommen hatte. »Ja, hast du!« Wenn er schon einmal dabei war, dann konnte er Lavi die Tatsachen auch gleich um die Ohren hauen, damit sich der Vollpfosten auf Knien bei ihm für diese Schmach entschuldigte! Verzeihen würde er ihm selbstverständlich nicht… »Und, war’s gut?« Kanda blinzelte. Das schlug dem Fass den Boden aus! Was sollte das denn heißen? Sein Gesicht glühte. »Wie bitte?« Die Antwort kam prompt. »Ehrlich gesagt bist du nicht der Typ, der sich ungewollt knutschen lassen würde. Schon gar nicht von mir.« Kanda dachte nur eine Millisekunde über diese Behauptung nach. Und dann musste er feststellen, dass Lavi Recht hatte. Er würde jeden erwürgen, der ihm zu nahe kam… »Deswegen hast du mich ja auch vorher abgefüllt!« Darauf sollte sich der Schwachkopf mal was einfallen lassen! »Achso, du redest von der Party…« Kanda hatte das dringende Bedürfnis, seinen Laptop aus dem Fenster zu werfen. Wovon zum Henker hätte er denn bitte sehr sonst reden sollen? »Wovon sonst, du Arschloch?«, antwortete er ungehalten und sein Blut rauschte in seinen Ohren. »Woher soll ich das wissen? Hätte ja sein können, dass ich auf irgendwas von dir draufgekotzt hab, oder so. Drückst dich ja meistens ziemlich übertrieben aus…« Jetzt wurde er hier auch noch beleidigt! »Deswegen hast du auch gefragt, ob’s gut war, wie?« Kanda verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte den Monitor an, als könnte Lavi das übers ICQ sehen. »War nur’n Witz.« Natürlich. Für Lavi war immer alles nur ein Witz. Dass Kanda seit Monaten dagegen ankämpfte den Rotschopf in der Sportumkleide zu überfallen, wenn sie mal wieder die Letzten waren, das nahm natürlich niemand zu Kenntnis. Nein, das war ja alles nur ein Witz. Für ihn fühlte sich das gar nicht nach einem Witz an und die Erinnerung an die Küsse und Lavis Nähe machten ihn erneut wuschig. »Schön, dass du das alles so witzig findest! Such dir das nächste Mal wen anders, an dem du ach so witzig rumfummeln kannst!« Dann ging er offline. Lavi musste immer alles lächerlich machen. Und vor allem musste er sich immer über ihn lustig machen und ihn nicht ernst nehmen. Wie er das hasste… Zehn Minuten später hatte er sich immer noch nicht beruhigt und saß mit rauchendem Kopf über seinen Mathehausaufgaben, um sich abzulenken. Da klingelte es an der Tür. Entnervt stand er auf und stapfte zur Haustür, riss sie auf und wollte dem Paketbringdienst schon sagen, dass er kein Päckchen für seine Nachbarn annehmen würde, als er erkannte, dass es gar nicht der Postbote war, der ihm da entgegenblickte. Sondern Lavi. »Was…«, begann er, doch Lavi streckte die Hand aus und hielt ihm den Mund zu. Kanda war zu überrumpelt, um überhaupt etwas zu tun. »Wir haben rumgemacht und ich erinnere mich nicht mehr dran. Du bist sauer auf mich deswegen. Ich wollte mich entschuldigen und dir sagen, dass ich mich gerne dran erinnern könnte, aber na ja…« Lavis Stimme verlor sich und er zog seine Hand von Kandas Mund zurück. Er würde sich gern erinnern können? Was sollte das nun wieder? »Machst du dich schon wieder lustig?«, raunzte er. Doch Lavi grinste nicht. Er sah ihn nur ungewöhnlich ernst aus seinen grünen Augen an. Kanda schluckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sein hämmerndes Herz drückte irgendwie auf sein Sprachzentrum… »Du…«, krächzte er schließlich, aber mehr kam nicht aus seinem Mund. »Kann ich rein kommen?«, fragte Lavi leise. Kanda trat beiseite, ohne nachzudenken. Lavi schob sich an ihm vorbei und fuhr sich durch die roten Haare. »Du bist immer unfreundlich zu mir. Egal, was ich mache, es nervt dich. Ich versuch seit Ewigkeiten, irgendwie an dich ranzukommen, aber du behandelst mich immer wie den letzten Dreck. Wenn es gestern mit mir durchgegangen ist, weil ich zu viel getrunken hatte, dann tut’s mir Leid…« An ihn rankommen…? Durchgegangen? Kanda starrte in die grünen Augen, die nun irgendeinen Punkt an der Wand anstarrten. War das gerade so etwas wie… also… »Was… genau…«, doch er brach wieder ab. Er hatte keine Ahnung, was er fragen wollte. Sein Körper kribbelte. »Yuu, manchmal bist du echt schwer von Begriff«, murmelte Lavi und er sah ihn wieder an. Kanda meinte zu sehen, dass Lavis Ohren leicht rot waren. »Was ich eigentlich sagen wollte, war, dass ich dich mag. Und zwar mehr als ich Allen mag, oder Lenalee oder… ach was weiß ich, ich hab auch keine Ahnung, wieso eigentlich…« Er stoppte mitten im Satz. Kanda hatte zwei Schritte auf ihn zugemacht und starrte ihn säuerlich an. »Wieso hast du das nicht eher gesagt?«, motzte er. Lavi blinzelte verwirrt. Kanda streckte eine Hand aus und bohrte seinen Zeigefinger in Lavis Brust. »Ich hab gefragt, wieso du das nicht eher gesagt hast! Monatelang bin ich am verschmachten und du-…« Weiter kam er nicht. Lavi hatte ihn so schnell gegen die Wand gedrückt, dass Kanda kaum gucken konnte und im nächsten Moment küsste Lavi ihn so heftig, dass ihm schwindelig wurde. Nüchtern war es noch viel besser als betrunken… Er krallte sich an Lavi fest und erwiderte den Kuss. Den Kuss, von dem er nie gewusst hatte, wie er sich anfühlte. Fahrig drückte er seinen zufrieden seufzenden Körper gegen Lavis und keuchte auf, als Lavis Finger in seine Hose glitten. Monatelanger Schmacht. Nur weil Lavi so ein Vollidiot war. Während er Lavi in sein Zimmer dirigierte, dachte er verschwommen daran, dass Alkohol ganz, ganz manchmal vielleicht doch keine so schlechte Sache war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)