Des Königs Schatzmeister von Rausgepickt ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel Zwei erzählt, was während der Feier geschah. --------------------------------------------------------------- Die Tage vergingen viel zu schnell und der letzte Abend vor dem großen Fest war gekommen. Bilbo hatte sich seit dem Vorfall vor einiger Zeit von früh bis spät in seinem Zimmer eingeschlossen, um so dem ganzen Klatsch und Tratsch zu entgehen, der in Erebor wie ein Lauffeuer die Runde machte. Alles drehte sich nur noch um diese geheimnisvolle Verlobte, die noch keiner gesehen hatte und Vermutungen wurden angestellt, wer die Glückliche wohl war. Ganz gleich, wohin er ging. Überall gab es nur ein Gesprächsthema und er wollte kein Wort mehr davon hören. Er fühlte sich unwohl und wünschte sich ganz weit fort. Für diese Gefühle und Gedanken schämte er sich. Er sollte sich für Thorin freuen. Er hatte es verdient, glücklich zu sein. Er hatte eine Frau gefunden, die er liebte und die bereit war, mit ihm über Erebor zu herrschen. Sicherlich war es eine schöne, stolze Frau, die man schon von Kindestagen an darauf vorbereitet hatte, irgendwann eine wichtige Rolle zu spielen. Eine Zwergin, die ebenso willensstark und mutig war, wie ihr zukünftiger Ehemann. Sie würde Bilbo vor Augen halten, was man brauchte, um neben Thorin stehen zu dürfen. Sie würde ihm zeigen, was nötig war, um ihm zu gefallen und er würde jeden Tag aufs Neue feststellen, dass er nichts von all dem hatte. Der Hobbit beneidete diese Frau, die er nicht kannte und - wenn er ehrlich war - auch gar nicht kennenlernen wollte. Es war albern, eifersüchtig zu sein, doch er konnte nichts dagegen tun. Je mehr er sich dagegen wehrte, umso schlimmer wurde der Schmerz. Erst spät in der Nacht legte sich Bilbo zur Ruhe, nachdem er die letzten Vorbereitungen für die Feier abgeschlossen hatte. Die Arbeit war das Einzige, das ihn irgendwie ablenken konnte. Er hatte sich in den letzten Tagen gefühlt, als hätte eine Ohnmacht ihn überfallen. Er war nicht dazu in der Lage gewesen, diese Verlobung zu verhindern. Wie auch? Und wozu? Es hätte nichts geändert. Für ihn hätte sich das Leben und die Beziehung zu Thorin nicht im Geringsten verändert. Er musste einfach einsehen, dass es nichts gab, das er tun konnte. Sein einziger Ausweg war eine Flucht ins Auenland. Erschöpft ließ er sich auf sein Bett fallen und wünschte sich, den morgigen Tag einfach verschlafen zu können. Er erwachte nicht, als jemand sein Zimmer betrat und ein Geschenk auf seinen Schreibtisch legte. »Gute Nacht, Halbling.« Der nächste Morgen kam viel zu schnell und Bilbo wusste nicht, woher er die Kraft nahm, aufzustehen. Hätte er doch nur diese Gerüchte nicht gehört. Dann hätte er zumindest einen Teil der Feier ausgelassen genießen können, ohne den Gedanken daran, dass er eine der Personen, die ihm am meisten bedeutete, verlieren würde. Wenn man über ein Königreich herrschen musste und eine Ehefrau hatte, konnte man sich nicht mehr um einen Freund kümmern. Aus diesem Grund hatte der Hobbit entschieden, ins Auenland zurückzukehren. Was sollte er noch hier? Er würde es nicht ertragen, jeden Tag den König und die Königin zusammen zu sehen. Dafür war er nicht stark genug. Vielleicht würde man irgendwann Verdacht schöpfen und das war das Letzte, was Bilbo wollte. Niemand sollte davon erfahren, was er fühlte. Das würde Thorin nur Probleme bereiten. Man würde ihn auslachen, weil sich ein Hobbit, ein Mann, in ihn verliebt hatte. Eine Flucht war in diesem Fall das Beste für alle. Mit einem beklemmenden Gefühl im Magen blickte der Halbling auf das Geschenk, das sich auf seinem Schreibtisch befand. Das würde nun auch enden. Jetzt hatte der König eine Frau, die er beschenken konnte. Seufzend erhob er sich und öffnete das Geschenk. »Warum übertreibt er nur immer so?«, flüsterte Bilbo und strich andächtig über die Kleidung, die nun ihm gehören sollte. Er nahm an, dass sie für die heutige Feier gedacht war und aus diesem Grund probierte er sie sofort an. Als er sich vor dem Spiegel betrachtete, runzelte er leicht die Stirn. Thorin hatte wirklich übertrieben. Nun sah der Hobbit fast wie ein Mitglied der königlichen Familie aus, dabei war er nur der Schatzmeister, ein einfacher Diener, wenn man es so sagen wollte. Diese Kleidung gefiel ihm, ohne Frage, doch er kam sich ein wenig albern dabei vor, beinahe wie ein Adliger auszusehen. Da er den König jedoch auch nicht verärgern wollte, behielt er die Kleidung an und zwang sich selbst dazu, sein Zimmer zu verlassen. Da bereits Musik und ein lautes Stimmgewirr in den Gängen hallte, wusste er, dass die Feier bereits begonnen hatte. Kaum hatte er sich auf den Weg gemacht, um sicher zu gehen, dass alles wie geplant verlief, rannten ihn zwei Jungzwerge fast über den Haufen. Fíli und Kíli waren eindeutig in Eile gewesen. »Da bist du ja endlich!«, rief Kílli erfreut und klopfte dem Hobbit auf die Schulter. »Die Feier kann doch nicht ohne unseren Herrn Beuteler stattfinden!« Sein Bruder zupfte an der Kleidung, die Bilbo trug. »Das steht dir gut. So etwas solltest du öfter tragen, Bilbo.« »Es ist ein wenig übertrieben, findet Ihr nicht? Seht doch nur, wie ähnlich sie eurer Kleidung ist. Wäre ich kein Hobbit, könnte man denken, ich gehöre zu eurer Familie.« Die beiden Zwerge grinsten breit und verkniffen sich das Lachen. »Ja, da hast du recht«, sagten sie und der Halbling wusste nicht so recht, was er vom Verhalten der beiden halten sollte. Irgendetwas stimmte nicht und er schien der Einzige zu sein, der nicht Bescheid wusste. Das kam oft vor und normalerweise störte es ihn nicht, doch in diesem Fall bereitete es ihm Bauchschmerzen. Der jüngere der beiden Brüder gab dem Hobbit einen kleinen Schubs nach vorne. »Wir sollten uns beeilen. Thorin hat etwas Wichtiges zu verkünden und du sollst auch dabei sein.« »Ist es wirklich notwendig, dass ich dabei bin…?« »Unbedingt!«, antworteten die zwei sofort und zogen den Schatzmeister zur Bibliothek. »Eigentlich hatte er vor, damit bis zum Abend zu warten, aber er will die Sache wohl nicht länger aufschieben. Das kann ich sehr gut verstehen«, erklärte der blonde Zwerg lachend. Der Hobbit merkte, wie sein Herz immer schneller schlug. Er wollte es nicht wissen. Er wollte diese Frau nicht sehen. Er wollte nichts damit zu tun haben und einfach verschwinden. Aber nun war er hier. Bilbos Lieblingsort in ganz Erebor war gefüllt mit durchweg vertrauten Gesichtern. Scheinbar hatte Thorin vor, die Verlobung erst einmal nur seinen engsten Vertrauten und Freunden mitzuteilen. Ein wenig ehrte es ihn ja, dass er ebenfalls ein Teil davon sein sollte. Kíli und Fíli zogen ihn mit nach vorne und der Halbling spürte regelrecht die Blicke, die man ihm zuwarf. Besonders Dwalin schien aus irgendeinem Grund erzürnt zu sein. Er sah noch grimmiger aus, als sonst. Hatte Bilbo irgendetwas falsch gemacht? Warum sahen ihn alle so seltsam an? War es wegen der Kleidung? Dachten Sie, ihm wäre sein Posten zu Kopf gestiegen? Das genaue Gegenteil war eigentlich der Fall. Der Hobbit fühlte sich nicht wichtig, trotz seiner Aufgaben. Er genoss die Tatsache, dass man ihn schnell übersah oder gar nicht erst wahrnahm. Er ging lieber in der Masse unter, als im Mittelpunkt zu stehen. Umso mehr Unbehagen bereitete es ihm, in der ersten Reihe, neben den beiden Brüdern und Balin zu sein. Hier hatte er doch gar nichts zu suchen. Man hatte ihn doch wohl nicht etwa so weit nach vorn gelassen, weil er kleiner war als alle anderen? Seine Nervosität stieg, als der Herrscher von Erebor den Saal betrat. Trotz dieser für ihn schwierigen Situation konnte Bilbo nicht anders, als zu lächeln. Ihm wurde wieder einmal schlagartig bewusst, dass Thorin ein großartiger König war. Allein seine Ausstrahlung zeugte davon, dass er Erebor zu einer glorreichen Zukunft verhelfen würde. Daran konnte niemand zweifeln, der diesen Zwerg einmal gesehen hatte. Als sich ihre Blicke trafen, sah der Hobbit zur Seite und biss sich auf die Unterlippe. Wie oft hatte er befürchtet, der König würde herausfinden, was er wirklich empfand. Vielleicht würde er Bilbo befehlen, zu gehen. Er konnte so eine Peinlichkeit sicher nicht auf sich beruhen lassen. Was würden seine Untertanen dazu sagen? Es würde zweifelsohne Gerüchte geben, auch wenn sie absolut nichts mit der Wahrheit zu tun haben würden. Ein Mann wie Thorin konnte sich so etwas nicht leisten. So gern er auch in der Nähe des Zwerges war, so sehr fürchtete er sich auf davor, in seiner Gegenwart etwas Dummes zu tun, das seine Gefühle deutlich machen könnte. Es ließ sich wirklich nicht mehr vermeiden. Er musste Erebor verlassen. Er bemerkte nicht, dass die Neffen des Königs ihrem Onkel ein zufriedenes Lächeln zuwarfen, das er mit einem kurzen Kopfnicken zur Kenntnis nahm. Als Thorin zu Sprechen begann, atmete Bilbo tief durch. Nun war es also soweit und er konnte nicht mehr fliehen. Er nahm die meisten Worte der Rede nicht wahr. Er fühlte sich wie in einer Seifenblase, abgeschottet von allem. Umso mehr erschreckte ihn die Tatsache, dass der König plötzlich auf ihn zukam und alle, die neben ihm gestanden hatten, nun mehrere Schritte von ihm entfernt waren. Etwas stimmte nicht. Etwas hatte schon die ganze Zeit über nicht gestimmt. Wo war diese Frau, die Thorin heiraten wollte? Hätte sie nicht schon längst hier sein sollen? Viel zu spät begriff Bilbo, dass es keine Frau gab. All die Gerüchte, all der Klatsch und Tratsch hatte sich eigentlich nur mit einer Person befasst. Mit ihm. »Wirst du mir die Ehre erweisen und mit mir zusammen über Erebor herrschen?« Der Hobbit wusste nicht, ob er in einem absonderlichen Traum gefangen war, den sein Verstand für ihn erschaffen hatte. Das hier konnte nicht real sein. Doch sein Herz schlug schmerzhaft schnell in seiner Brust und machte ihm klar, dass er nicht träumte, sondern sich in der Wirklichkeit befand. Erlaubte sich Thorin einen Scherz mit ihm? War alles geplant gewesen und nur ein Spaß, den sich die Zwerge ausgedacht hatten? Doch niemand lachte. Niemand wagte es, irgendetwas zu sagen. Es war so still, dass Bilbo nur noch sein eigenes Atmen hören konnte. Er merkte, wie ihm schwindelig wurde. Das hier war kein Traum. Als er sich dessen bewusst wurde, verstand er, dass er eine Antwort geben musste. Jetzt. Er entschied, das in seinen Augen einzig Richtige zu tun. »Nein«, lautete seine Antwort, bevor er die Bibliothek verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)