Earning Angel Wings von fiZi ================================================================================ Kapitel 8: ~: Preparations :~ ----------------------------- Hier gibt es einen ziemlich langen neuen Teil, der erst 2013 dazu gekommen ist. *:------------------------~*~--------------------------:* » Im Himmel ist ein Engel nichts Besonderes. « (George Bernard Shaw) ~* Erde, Lokis Appartement im offiziell nicht vorhandenen 13. Stock des Kazewolkenkratzers *~ Eve starrte den Dämon vor sich entsetzt an, der ihren Blick jedoch nur mit einem gelassenen Grinsen erwiderte. Er wusste wohl, dass sie gar keine Chance hatte, sein Angebot abzulehnen, aber allein bei dem Gedanken, sich darauf einzulassen, spürte sie, wie eine Gänsehaut ihren Körper überzog. Sie fühlte, dass sie keinem von diesen höllischen Wesen hier trauen konnte … trauen durfte. Und ihre Auren sagten dem Engel nur allzu genau, dass sie ihr alles andere als wohl gesonnen waren. Warum boten sie ihr dann diese Möglichkeit an, die ihr in ihrer Situation mehr als half? Es war offensichtlich, dass irgendwelche Hintergedanken dahinter steckten – sie hatte zumindest so viel mitbekommen, dass ihr bewusst war, dass Selbstlosigkeit nicht unbedingt zu den Stärken von Dämonen zählte - aber konnte sie es sich deshalb leisten, abzulehnen? In dieser Beziehung blieb ihr eigentlich keine Wahl. Eve war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie im Körper einer Zwölfjährigen hier auf der Erde alleine, ohne Kontakte, nicht die geringste Chance hatte. Und sie sah auch keine Möglichkeit, wie sie es schaffen sollte, in nächster Zeit aus diesem Schlamassel heraus zu kommen. Zu allem Überfluss bestand ihr Auftrag, Alica zu beschützen, offensichtlich nach wie vor. Das hieß, das Mädchen wäre in Gefahr, weil niemand anderes zu ihrem Schutz abgestellt werden würde. Ohne Hilfe würde Eve das auf gar keinen Fall schaffen. Und nun war es ja auch nicht mehr wirklich ein Geheimnis, wo sich die reine Seele, die ihr zugeteilt war, befand. Angers stille Präsenz jagte ihr nach wie vor Schauer über den Rücken. Die unterdrückte Zerstörungswut, die die Dämonin in beständigen Wellen ausstrahlte, war mehr als beängstigend, und der Engel bezweifelte keinen Moment, dass sie nur auf eine Gelegenheit wartete, um etwas zu vernichten. Das Einzige, was sie im Moment einigermaßen im Zaum hielt war Loki. Mit schwacher Stimme wiederholte die junge Frau im Körper einer Zwölfjährigen den Vorschlag, den ihr der gutaussehende Dämon soeben unterbreitet hatte: „Ich soll also bei …“ sie zögerte kurz, beschloss dann jedoch, dass sie ihn ebenso gut duzen konnte, wie er sie. „… bei dir wohnen und ganz normal hier leben? Also auch in eine Menschenschule gehen? Und du wirst dich als mein …“ sie schluckte, ehe sie sich dazu zwang, fortzufahren. „…mein großer Bruder ausgeben, der das Sorgerecht für mich hat, weil unsere Eltern gestorben sind? Ihr versprecht mir außerdem, dass ihr meinem Schützling nichts tut und mich bei meiner Aufgabe wenn möglich sogar unterstützt? Aber … warum solltet ihr das alles machen? Das … passt irgendwie nicht so ganz.“ Lokis Grinsen wurde breiter. „Glaub mir, normalerweise biete ich euch da oben so was auch nicht an. Aber nachdem dich mein Zauber in diese prekäre Situation gebracht hat, fühle ich mich dafür verantwortlich, zumindest sicherzustellen, dass du deinen Job weiter ausüben kannst. Und das wird kein Problem für dich sein, wenn wir dich unterstützen.“ Zumindest der vorletzte Satz war eindeutig gelogen gewesen. Eve konnte es sehen und spüren, dass ihr Gegenüber kein einziges seiner einlullenden, Vertrauen erweckenden Worte ehrlich gemeint hatte – auch wenn ihm das äußerlich überhaupt nicht anzumerken war. Dennoch – was hatte sie seinen entwaffnenden Argumenten entgegenzusetzen? Lediglich ihre übersinnliche Wahrnehmung, die ihr verriet, wie die Wesen um sie herum wirklich fühlten. Dank dieser besonderen Fähigkeit wusste sie also, dass dies alles nichts weiter als eine Farce war, mit dem die Dämonen irgendeinen Zweck verfolgten - den sie aber sowieso nicht ergründen konnte. Aus irgendeinem Grund schien es so, als wollte Loki sie nicht gehen lassen. Aber seine wahren Motive würde er ihr wohl so oder so nicht mitteilen. Ihre Gabe brachte ihr im Moment demnach gar nichts, im Gegenteil - sie erschwerte ihr das Ganze nur unnötig. Denn Eve konnte dem Dämon mit den durchdringenden goldenen Augen im Moment nichts entgegensetzen – dabei machte es keinen Unterschied, dass sie wusste dass er etwas im Schilde führte. Aus irgendeinem Grund nutzte er ihre Hilflosigkeit schamlos aus. Und ihr blieb schlicht und ergreifend keine Möglichkeit, sein Angebot abzuschlagen. Isoliert und ohne eine Chance, in nächster Zeit Kontakt mit dem Himmel herzustellen, war sie auf die Großzügigkeit der Höllenwesen angewiesen. Immerhin lebte sie nach wie vor, obwohl es keine Mühe für die anderen gewesen wäre, sie einfach aus dem Weg zu räumen. Und ihr Instinkt sagte ihr, dass sie zumindest im Moment sicher war. Der Engel war von dem Zauber, der sie verjüngt hatte und den überstandenen Strapazen geschwächt – zudem brannte die Stelle an ihrem Hals wie Feuer. Und irgendwas in ihrem Inneren wollte all das Negative, das sie von dem hübschen Dämon ihr gegenüber wahrnahm und bislang erfahren hatte, einfach ignorieren und ihm vertrauen. Ihn mögen … vielleicht sogar lieben. Eve wusste, dass es sich bei diesen widersinnigen Gefühlen um nichts natürliches handeln konnte. Es musste sich dabei um eine Art genetische Vorprogrammierung handeln der sie auf Dauer nichts entgegenzusetzen hatte. Und früher oder später auch nichts mehr entgegensetzen wollen würde – egal wie sehr sie sich der Tatsache bewusst war, dass diese Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen würden. Es war offensichtlich, dass man auch von himmlischer Seite aus wollte, dass sie auf diesen Dämon traf und auf den Deal, den er ihr vorschlug, einging. Der Engel schluckte. Noch etwas, von dem sie keine Ahnung hatte. Mühsam drängte sie ihre wild durcheinander wirbelten Gedanken beiseite und besiegelte mit den folgenden Worten das Schicksal, das ihr offensichtlich vorherbestimmt war. „In Ordnung. Ich bleibe bei euch.“ ~* Erde, Brasilien, irgendwo im Amazonas *~ „Micha … du stehst auf meinem Fuß!“ „Entschuldige Jo, war keine Absicht. Ich bin gerade ein wenig abgelenkt gewesen …“ „Kein Wunder … wo sind wir?“ „Pst, hört ihr das auch? Was ist das?“ „Beruhige dich, Liebling. Wir befinden uns in einem Gebiet, das zum Großteil noch komplett unbesiedelt ist. Hier gibt es lediglich ein paar wilde Tiere, also kein Grund zur Sorge …“ „Was bringt dich zu dieser Annahme, Gab? Wir haben im Moment unsere irdische Form angenommen, das heißt, wir können uns nicht sicher sein, dass die Lebewesen hier unsere Abstammung erkennen und uns in Ruhe lassen …“ Funkelnde kobaltblaue Augen, die nicht ganz so strahlend waren wie in ihrer Engelsform, musterten den kleineren Mann neben sich kühl. „Michael … halt die Klappe.“ „Komm mir hier nicht mit der ‚Autoritäts-Nummer für ungehorsame Schutzengel’, Gab. Und lass deine miese Laune an jemand anderem aus. Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass sich das Tor ausgerechnet über Brasilien geöffnet hatte, als Raphael gekidnappt wurde.“ Entgegnete der rotblonde junge Mann, dessen rechtes Ohr in seiner menschlichen Gestalt eine kleine goldene Creole zierte. Er verschränkte die Arme vor der muskulösen Brust und lehnte sich lässig gegen einen Baum. „Zumindest bin ich für eine Tour durch den Amazonas angemessen gekleidet.“ Fügte er mit einem süffisanten Lächeln hinzu und sein spöttischer dunkelblauer Blick glitt von den wie immer streng hochgesteckten, nun weizenblonden Haaren weiter hinunter über Jophiels schicken Hosenanzug in hellem grau bis er schließlich an den spitz zulaufenden weißen Pumps hängen blieb. „Wirklich, Jo. Kann es nicht einmal ein bisschen was … Lässigeres sein?“ Der weibliche Erzengel erwiderte seine herausfordernde Mine aus unverändert veilchenfarbenen Augen über die randlose Brille hinweg ausdruckslos, während ihr Körper für einen Moment in Bänder aus gleißendem Licht getaucht wurde. Als die hoch gewachsene, schlanke Figur der hübschen jungen Frau wieder zum Vorschein kam, fuhr sich Michael mit einem Stöhnen durch die Haare. „Ich geb’s auf.“ Rief er in gespielter Verzweiflung, während er die beigefarbene Bundfaltenhose, die adrette weiße Bluse und die weichen, teuer aussehenden Lederstiefel dazu musterte. Seufzend wandte er sich an die anderen beiden Mitglieder der Gruppe. „Hat eigentlich irgendeiner von euch vor, nicht allzu sehr aufzufallen, wenn wir auf Zivilisten treffen?“ Gabriel sah an seinem maßgeschneiderten, hellblauen Hemd und den grauen Stoffhosen hinunter, an deren Ende die Spitzen zweier blank polierter, schwarze Schuhe zu sehen waren. „Bislang waren diese Kleidungsstücke immer passend.“ Entgegnete er stirnrunzelnd, während er sich mit einer Hand prüfend über seine schulterlangen, zu einem Pferdeschwanz zusammengefassten, mittelblonden glatten Haare fuhr. „Ich habe das Gefühl, dass sich bislang keiner von euch außerhalb von Großstädten aufgehalten hat.“ Knurrte der Kleinere, während er Sephrenias kunstvoll aufgesteckte dunkelblonde Locken und das edle, knielange Kaschmirkleid in zartem rosé musterte, zu dem sie einen breiten Wildledergürtel und Stiefeletten aus demselben Material in dunklem Braun trug. Gabriel zog eine Augenbraue in die Höhe. „Und du bist der Experte für Safaris oder was? Und nur, weil du einen etwas … legereren Kleidungsstil bevorzugst, müssten ja nicht alle so …“ Gabriel runzelte die Stirn während er sichtlich nach einer akzeptablen Umschreibung für das Wort suchte, das ihm auf der Zunge lag, und in Michaels Blick trat ein provozierendes Funkeln, während er sich von dem Baumstamm abstieß, an dem er bislang gelehnt hatte und gemächlich auf den anderen Erzengel zuschlenderte. „Jaaaaa?“ Er wusste, dass der Größere nicht sonderlich viel mit der ausgewaschenen Blue-Jeans oder auch den Lederhosen anfangen konnte, die er nicht nur in seiner menschlichen Form trug und es machte ihm einen Heidenspaß, den Älteren mit dem kühlen Temperament ein wenig zu reizen. Mit verschränkten Armen blieb er vor Gabriel stehen, der seinen herausfordernden Blick nur unbeeindruckt erwiderte. „… unkonventionell und nicht ihrem Alter entsprechend herumlaufen.“ schloss der Erzengel des Wassers kühl. Michael grinste nur. „Hey, ich trage immerhin ein weißes Hemd.“ Der Ältere schnaubte. „Da du entweder wie gerade eben mindestens drei Knöpfe offen lässt oder das Ding gänzlich ungeschlossen trägst, hebst du damit jede Form von Seriosität, die dieses Kleidungsstück in der Regel besitzt, effektiv wieder auf.“ Der Rotblonde hob provozierend eine Braue in die Höhe. „Tatsächlich? Bist du schon mal auf den Gedanken gekommen, dass Kleidung auch etwas anderes als Seriosität vermitteln kann?“ Jophiel räusperte sich übertrieben laut. „Sollten wir uns nicht langsam auf den Weg machen?“ Michaels spöttischer, dunkelblauer Blick wandte sich ihr zu. „Warum habe ich das Gefühl, dass du nicht willst, dass Gab und ich unser Gespräch fortsetzen, Jo?“ Der Engel mit den weizenblonden Haaren verdrehte genervt die Augen. „Ich hatte keine Ahnung, dass du so feinfühlig bist, Micha. Ich weiß nicht, womit Nia und ich es verdient haben, diese Mission ausgerechnet mit euch beiden durchzuziehen. Aber wie heißt es so schön - die Wege des Herren sind unergründlich. Trotzdem bedeutet das nicht, dass ich eure Wortgefechte die ganze Zeit mit anhören muss. Noch dazu nicht in dieser Umgebung, wo meine Füße im Matsch versinken, meine Kleidung durchweicht wird und irdische Stechmückenschwärme sich an meinem himmlischen Blut vergiften. Deswegen würde ich vorschlagen, dass ihr euer hochinteressantes Gespräch unterwegs - oder noch besser - zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzt.“ Der Erzengel des Feuers seufzte theatralisch, ließ das Thema aber auf sich beruhen. Er warf einen kurzen prüfenden Blick zum Blätterdach, durch das nur vereinzelte Sonnenstrahlen drangen, jedoch reichte ihm das wenige Licht, um festzustellen, wo der leuchtende Himmelskörper stand und somit ihre Position zu bestimmen. Mit einem schiefen Lächeln wandte er sich Jophiel zu. „Dann lasst uns gehen. Da wir ja leider um jeden Preis unsere Tarnung wahren müssen, heißt das, dass wir den Regenwald zu Fuß durchqueren müssen. Wir haben also nicht so viel Zeit, wenn wir rechtzeitig an Ort und Stelle sein wollen. Bis zu Eves Geburtstag sind es nicht mal mehr zwei Monate.“ Michael wandte sich Richtung Westen und begann dann, mit zügigen, leichtfüßigen Schritten durch das dichte Unterholz zu laufen. Die drei anderen folgten ihm mühelos mit der gleichen Grazie und ebenso geräuschlos. Kein Zweig knickte, während die vier Engel durch den Regenwald eilten. ~* Erde, Nornenstraße *~ Der etwa dreiundzwanzigjährige, hochgewachsene Mann fluchte unterdrückt, als sein Handy in der Innentasche seines teuren schwarzen Designeranzuges plötzlich begann, lautstark „Highway to Hell“ abzuspielen. Er gab seine lässige Haltung im Schatten eines Baumes, direkt gegenüber eines großen, hellgelb gestrichenen Hauses mit weitläufigem Garten, auf und fischte das dröhnende Teil geschickt hervor. Seine dunkelblauen Augen verengten sich kurz, als sie die Anzeige auf dem Display überflogen, ehe er abhob. „Ja?“ erkundigte er sich mit tiefer, gedämpfter Stimme, das Gebäude ihm gegenüber nach wie vor aufmerksam observierend. Er trat einen Schritt zurück und verschmolz wieder mit den Schatten. „Pride.“ Auf dem hübschen, blassen Gesicht zeigte sich die Spur eines Lächelns. „Loki. Also stimmen die Gerüchte.“ „Wahrscheinlich nur die Hälfte von dem, was du gehört hast. Irgendwelche Fortschritte bei deinem … Projekt?“ Die Todsünde des Hochmuts fuhr sich mit der freien Hand über das halblange, dunkelbraune Haar, das wie immer makellos zurück gegelt war und der kalte Blick des Dämons blieb an dem Zimmerfenster im ersten Stock hängen. „Bislang noch nicht, aber ich bin dran.“ „Ich habe für die nächste Zeit einen wichtigen Gast bei mir wohnen. Ich brauch dich nicht sofort, aber sei wachsam und halte dich für den Notfall bereit.“ Der junge Mann lächelte böse. „So wichtig also? Du weißt ich bin in der Nähe. Allerdings wird das hier noch ein wenig dauern.“ Ein amüsiertes Schnauben war die Antwort. „Du genießt das viel zu sehr.“ Schmale dunkelblaue Augen fixierten die Gestalt hinter dem dünnen, zartorangen Vorhang. „Kann sein.“ Leises Lachen am anderen Ende der Leitung. „Erfolgreiche Jagd.“ Pride grinste. ~* Erde, Lokis Appartement im offiziell nicht vorhandenen 13. Stock des Kazewolkenkratzers, einige Stunden später *~ Mit einem leisen Stöhnen schlug Eve die Augen auf. Sie fühlte sich schwach und müde und für einen Moment war sie absolut orientierungslos, als sie versuchte, in dem Dämmerlicht, das sie umgab irgendetwas zu erkennen, das ihr bekannt vorkam. Mühsam kämpfte sie sich hoch und erhob sich dann hastig. Zu hastig. Der schneidende Schmerz, der plötzlich von ihrem Hals ausgehend ihren gesamten Körper erfüllte traf sie gänzlich unvorbereitet, und mit einem leisen Wimmern landete sie unsanft auf dem Boden. Gleichzeitig kehrte die Erinnerung an die vorangegangenen Stunden zurück. Anscheinend hatten sie die Dämonen einfach auf dem Sofa liegen lassen, auf dem sie schließlich vor Erschöpfung eingenickt war. Zuvor hatte ihr Loki mitgeteilt, dass er sich um alles weitere kümmern würde, und sein bestimmender Tonfall hatte die junge Frau in Kindform schmerzhaft daran erinnert, wer nun das Sagen hatte. Immerhin war der Schwarzhaarige davon überzeugt, es ohne Probleme zu schaffen, dass sie bereits morgen in dieselbe Klasse gehen könnte wie Alica. Er hatte Wantoness zum Kleider einkaufen geschickt und Greed und Anger damit beauftragt, ihr eine Zimmerausstattung zu besorgen. Um den Papierkram hatte er sich persönlich kümmern wollen. All dies trug dazu bei, sie zu beruhigen – was immer die Dämonen im Schilde führen, vorerst schienen sie sich an die Abmachungen halten zu wollen die sie getroffen hatten. Erheblich langsamer als zuvor versuchte Eve noch einmal, sich aufzurichten, was ihr allerdings ebenso wenig gelingen wollte wie davor. Sobald sie versuchte, ihre Arme oder Beine mit Gewicht zu belasten, durchfuhr sie ein weiteres Mal dieses qualvolle Stechen und zwang sie wieder in ihre etwas unglückliche liegende Position auf dem Parkettfußboden zurück. *Was ist nur los mit mir? Irgendetwas ist mit meinem Hals ...* vorsichtig fuhr sie mit einer Hand an ihrer Kehle entlang und zuckte zusammen, als sie über eine Stelle strich, bei der schon die leichte Berührung ihrer Fingerspitzen ausreichte, um eine neuerliche Schmerzenswoge durch sie hindurch zu jagen. Der Engel keuchte überrascht auf, als diese gleich darauf in ein seltsam angenehmes Kribbeln überging und zog hastig die Hand zurück. Die Haut war in dem Bereich so hypersensibel, dass sich selbst die leichteste Berührung wie ein elektrisierender Stromschlag anfühlte. Eve runzelte die Stirn. Was war das? Der seltsame Traum kam ihr wieder in den Sinn, dort hatte sie erst etwas dort gestochen, später gebissen. Und die Schlage hatte die gleichen Augen gehabt wie Loki … Bedeutete das etwa, dass er sie dort ... hastig versuchte sie, das verstörend erotische Bild eines wie ein Vampir von ihrem Blut trinkenden Dämons aus ihrem Kopf zu bekommen. Ihre Wangen glühten. Wie peinlich! Offensichtlich hatte sie sich zu viel mit den Mythen und Märchen der Erde beschäftigt, wenn ein solches Fantasiegespinnst ausreichte, um ihr Wunschdenken mit ihr durchgehen zu lassen. Moment – Wunschdenken? Die Himmlische schüttelte energisch den Kopf und unterdrückte den Impuls, sich gegen die Stirn zu schlagen. Was war nur mit ihr los? Seit sie aus ihrer Ohnmacht aufgewacht war, hatte sie ständig so seltsame Gedanken und Gefühle, wenn sie Loki ansah. Natürlich konnte es daran liegen, dass er nun erwachsen war, nicht länger ein Kind, aber … das konnte nicht normal sein. Womöglich konnte sie mit ihrer Menschenform, noch dazu als Vorpubertierende, nicht richtig umgehen? Schließlich hatte sie in diesem Zustand Bedürfnisse, die ihr als Engel fremd waren. Ihr Magen knurrte zustimmend und riss Eve damit aus ihren wirren Gedanken. Apropos. Sie hatte Hunger. Um genau zu sein wahnsinnigen Hunger und der daraus resultierende Unterzucker sorgte wahrscheinlich dafür, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Ganz eindeutig. Das bedeutete, sie musste unbedingt auf die Beine kommen um etwas zu essen, ehe es noch schlimmer wurde. Diese nagende Leere in ihrem Bauch war etwas, das sie so nicht kannte – als müsste sie dringend irgendwelche Energien wieder aufladen. Sich mit zusammengebissenen Zähnen gegen den Schmerz wappnend unternahm sie einen weiteren Versuch, sich zu erheben, und obwohl ihr der Schweiß vor Anstrengung und der stechenden Qual die sich prompt wieder meldete, auf die Stirn trat schaffte sie es schließlich, sich am Sofa hochzuziehen und schwankend zum Stehen zu kommen. Sie stolperte über ihre viel zu weite Hose, die ihr – ebenso wie ihr Höschen – von den nun wesentlich schmaleren Hüften rutschte. Der Engel erstarrte, als beides langsam zu ihren Knien rutschte und umklammerte mit weißen Knöcheln ihre Stütze, während sie heftig errötend überlegte, was sie nun tun sollte. Ihr ebenfalls viel zu weites Oberteil war nun wenigstens auch lang genug um als eine Art Rock zu dienen, und nach kurzem Zögern schlüpfte die Blonde kurzerhand aus ihren ohnehin unbrauchbaren und sie nur behindernden Beinkleidern und Socken - ihre Schuhe musste sie irgendwann verloren haben – um dann mühsam in die Richtung, in der sie den schemenhaften Umriss einer Tür erkannte zu stolpern. Zum Glück war eine Wand des riesigen Raumes verglast, so dass sie in dem dämmrigen Licht des beinahe vollen Mondes ihre Umgebung relativ gut erkannte. Dummerweise war die edle, schwarze Sitzlandschaft – anders konnte man die drei ausgesprochenen breiten und langen Sofas nicht bezeichnen - ziemlich mittig platziert und der Weg über das kühle, ebenfalls dunkle Parkett kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Um sich von dem Schmerz abzulenken, nahm sie das Zimmer etwas genauer in Augenschein. Neben einigen gezielt platzierten, überall verteilten schwarzen Regalen, einem großzügigen Wohnzimmertisch aus Glas und Stahl sowie einem gigantischen Flachbildfernseher erkannte sie noch einen geräumigen, offenen Kamin an der Wand links von ihr, vor dem ein weißes Fell lag und einen Schreibtisch, der sich vor der Glaswand befand. In der Ecke rechts von ihr gab es noch einen Essplatz, der aus einem massiven Holztisch und mehreren, gemütlich aussehenden Stühlen bestand. Nach Atem ringend erreichte sie schließlich die Tür und öffnete diese. Unsicher taumelte sie auf einen breiten Flur hinaus, der schon eher einer Diele glich und von dem sieben weitere Durchgänge abzweigten, was Eve nun restlos überforderte. Außerdem war auch hier alles dunkel – war sie etwa alleine in dieser offensichtlich riesigen Wohnung? Ihre rechte Hand tastete nach einem Lichtschalter, den sie leider nicht fand. Erschöpft lehnte sie sich gegen den Türrahmen und überlegte. Es war relativ wahrscheinlich, dass sich die Küche in der Nähe der Essecke und somit dieses Zimmers befand. Blieben also die Räume links und rechts neben diesem und der ihr gegenüber. Sie entschied sich spontan für Letzteren und taumelte auf den Flur hinaus. Sofort versanken ihre nackten Füße in dem flauschigen, warmen Teppich, der den Großteil des Bodens bedeckte und dessen Farbe sie nicht identifizieren konnte, während sie mühsam die Distanz überwand, die sie hoffentlich zu etwas zu Essen führte. Nachdem sie vorsichtshalber angeklopft hatte öffnete die Himmlische die Tür und stieß erleichtert die Luft aus, die sie unbewusst vor Anspannung angehalten hatte. Vor ihr erstreckte sich eine riesige Küche mit Kochinsel, jeder Menge technischem Schickschnack und auch diesmal – wie sollte es anders sein – in glänzendem Schwarz. Der Boden bestand aus schachbrettmusterartig verlegten Fliesen und sogar eine Bar mit Barhockern gab es. Große Glastüren führten hinaus auf eine geräumige Terrasse und ließen auch hier das Mondlicht herein, so dass der Engel diesmal darauf verzichtete, überhaupt nach einem Lichtschalter zu suchen. Stattdessen steuerte sie zielstrebig auf den gigantischen Kühlschrank zu, der dank der chromglänzenden Oberfläche sofort ins Auge stach. Als sie ihn öffnete, lies sie die kühle Luft die ihr entgegenschlug ein wenig frösteln, doch angesichts der vielen Köstlichkeiten, die sie im gelben Schein der angegangenen Lampe erkennen konnte, vergaß sie sämtliche Unannehmlichkeiten. Vorsichtig nahm Eve sich einen der knusprigen Teriyaki-Hähnchenschenkel, die sich direkt vor ihrer Nase befanden und biss herzhaft hinein. Sobald sie ein Stück von dem Fleisch im Mund hatte, zeigte sich, dass sie tatsächlich völlig ausgehungert war, was sie dazu brachte, kurzerhand direkt vor ihrer Nahrungsquelle stehen zu bleiben und mit atemberaubender Geschwindigkeit mehr zu essen. Nachdem sie eine große Portion Sushi, einige Wan Tans, eine kleine Schale scharfen Gemüsereis und etwas Möhren-Avocado-Salat verschlungen hatte, entdeckte sie schließlich eine große Schüssel Mousse au Chocolat, in der sich sogar ein Löffel befand. Der Duft, der ihr entgegen strömte war vielversprechend, süß und vor allem – schokoladig. Ohne lange zu fackeln verleibte sie sich die gesamte zart schmelzende, himmlisch schmeckende dunkelbraune Creme ein, und merkte nun endlich, dass die gähnende Leere in ihrem Magen vollkommen gefüllt war. Die im Moment zwölfjährige Blonde leckte gerade genüsslich ihre schokoladenverschmierten Finger ab, als plötzlich eine raue Stimme hinter ihr erklang, die sie erschreckt zusammenzucken lies. „Normalerweise stecke hier immer nur ich meine Finger in Honigtöpfe.“ Die Zweideutigkeit des Satzes ging vollständig an Eve vorbei, die sich ertappt umdrehte, die leere Schüssel noch immer vergessen im Arm haltend. Sie blinzelte, als sie plötzlich nicht mehr direkt in das Licht des Kühlschranks blickte und brauchte einen kurzen Moment, ehe sie die Gestalt genauer erkennen konnte. Es handelte sich um einen ausgesprochen gut aussehenden jungen Mann mit durchdringenden schwarzen Augen und ebenso schwarzen im Pagenschnitt getragenen Haaren, die ihm ungezähmt in die Stirn fielen. Er trug ein dunkles, halb aufgeknöpftes Hemd, das einen Großteil seiner gebräunten, durchtrainierten Brust entblößte und sie hastig den Blick abwenden lies, als sich verräterische Hitze in ihr Gesicht schleichen wollte, sowie schwarze Jeans. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, sie war sich andrerseits aber sicher, ihn noch nie gesehen zu haben. „Wer ...“ stotterte sie verwirrt, was ihr Gegenüber lediglich dazu veranlasste, spöttisch eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen. Prompt errötete sie und fixierte verlegen den Boden. „Oh ...“ *Wie peinlich. Ich habe ihn in seiner Menschenform nicht erkannt! Dabei wäre die prompte Reaktion auf ihn schon Hinweis genug gewesen ...* „Guten Abend.“ jetzt klang er eindeutig amüsiert, und der Rotton ihrer Wangen vertiefte sich. „Guten Abend Loki. Entschuldige, dass ich mich hier einfach so bedient habe, aber ich hatte ziemlich großen Hunger.“ murmelte Eve verlegen und starrte seine nackten Füße an. Wie beschämend – anscheinend war er zu Hause gewesen und sie hatte sich noch nicht mal die Mühe gemacht, nach ihm zu suchen um ihn zu fragen, ob sie sich was zu essen nehmen durfte. „Kein Problem – nach dem Energieentzug ist dein Hunger nur eine logische Konsequenz. Und du solltest dich hier ab jetzt sowieso wie zu Hause fühlen.“ Langsam hob sie die Augen und lächelte zögerlich, nicht sicher ob ihr diese Aussage gefiel. „Ich hätte vielleicht vorher mal fragen sollen aber irgendwie konnte ich gar nicht mehr klar denken.“ *Und ich merke gerade, dass das offensichtlich nicht am Unterzucker lag. Oh nein ...* Krampfhaft versuchte sie, ihre Gedanken neutral zu halten und vor allem nicht an ihre Überlegungen von vorhin anzuknüpfen. Dennoch kam der Dämon in diesem Halbdunkel ihrer Vorstellung von einem betörenden Blutsauger verdammt nahe. Wie hypnotisiert sah sie ihn an, als er grinsend einen weiteren Schritt auf sie zu machte und ihr auf einmal so nahe war, dass sie glaubte, seine Körperwärme zu spüren. „Ach übrigens ...“ murmelte er, mit einer Stimme wie schwarzer Samt, wobei er sich langsam zu ihr hinunterbeugte und Eve vergaß zu atmen. Ihr Herz raste plötzlich wie verrückt, während sie abwechselnd in diese bezwingenden Augen und auf die sich ihr langsam nähernden Lippen des jungen Mannes starrte. Sie konnte seinen warmen Atem über ihre Haut geistern spüren und überlegte sich gerade, ob er sie tatsächlich küssen würde, und dass sie doch eigentlich etwas dagegen haben müsste, als sie eine sanfte Berührung an ihrem Mundwinkel zusammenzucken ließ. „... du hattest da noch Schokolade.“ vollendete Loki den Satz ruhig, richtete sich gemächlich wieder auf und leckte dabei mit seiner Zunge genüsslich seinen Finger ab ohne diesen hypnotischen Blick von ihr zu nehmen. Der Engel schluckte schwer und biss sich verunsichert auf die Unterlippe. „D … danke.“ brachte sie schließlich mühsam hervor. Der Dämon schenkte ihr noch ein wissendes Lächeln, ehe er sich umdrehte und mit geschmeidigen, vollkommen lautlosen Schritten auf die offenstehende Küchentür zusteuerte. „Wenn du möchtest, zeige ich dir dein Bett.“ Wie schaffte er es nur, einen eigentlich harmlosen Satz so anzüglich klingen zu lassen? Eve spürte, wie ihre Wangen brannten. Ihr Pulsschlag hatte sich noch immer nicht normalisiert, während ihre Finger vorsichtig die Stelle an ihrem Mund streiften, die nach wie vor von seiner Berührung prickelte. Von seiner eigentlich absolut harmlosen Berührung. *Oh mein Gott – ich stecke noch viel tiefer im Schlamassel als angenommen.* dachte sie kläglich. „Übrigens …“ drang seine Stimme an ihre Ohren. „Nicht dass ich etwas dagegen hätte, wenn du ohne Höschen herumläufst, aber im Moment bist du eigentlich ein bisschen jung dafür.“ *:------------------------~*~--------------------------:* TBC. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)