The Dark Legend von ilinga ================================================================================ Kapitel 5: Chapter 5 - ...weit durch den Schnee... -------------------------------------------------- Ihre Spuren zogen sich wie eine Narbe durch das reine Weiß der schneebedeckten Hänge. Kara lief wie hypnotisiert hinter Raven her, sie hatten sich zu ihrer Sicherheit aneinander festgebunden, Targras trottete gemächlich hinter ihr und versuchte nur ab und zu nach vorne zu springen, wurde jedoch jedesmal vom Seil zurückgehalten. Die Sonne stand inzwischen hoch über den Gipfeln der von ihnen überquerten Berge, ihr Licht wurde auf dem reflektierendem Schnee langsam zu einer Qual, sie konnten kaum noch sehen wohin sie eigentlich liefen. Aber Kara schien von alldem nichts mitzubekommen. Ihre Augen waren klar und leer, auf keinen festen Punkt fixiert. Sie starrte einfach nur vor sich hin und keine Regung schien ihrem Gesicht innezuwohnen. Ihre Schritte folgten genau denen Ravens, sie trat in seine Spuren und führte wie er ihr Pferd neben sich her. Diese waren inzwischen zu erschöpft, um sie noch tragen zu können. Jedoch wusste Raven, dass sie das heilige Land bald erreicht haben würden. Ihr Weg fürhte durch ein tiefes weißes Tal, die sie flankierenden Hänge leuchteten Blau im Schatten der Sonne, der reine Schnee glitzerte durch die geringsten Sonnenstrahlen wie viele kleine Abermillionen von Glassplittern. Karas Blick blieb irgendwann an diesem Glanz haften. Ihr kopf lag schief zwischen ihren Schultern, ihren Mund umspielte ein Hauch eines Lächelns, doch ihre Augen wirkten noch immer so gläsern. Sie schien ganz weit fort zu sein und diese, die wahre Welt hier nur durch einen Spiegel oder ein fest verschlossenes Fenster wahrzunehmen, welches sie anscheinend auch nicht öffnen wollte. Ihr Anblick erinnerte Raven an eine Puppe. Eine sehr zerbrechliche und gleichzeitig wunderschöne Puppe. Ob sie wohl länger in diesem Zustand bleiben würde? Der Gedanke war ihm nicht recht, er wollte lieber die aufgeweckte, motzende und sture Kara wieder um sich haben, als dieses stille Geschöpf, dass im eigenen Körper wie in einem Käfig gefangen schien. Was wenn sie nie wieder normal werden würde? Was wenn diese Trance nie wieder aufhörte? Kaltes Grauen ergriff ihn, das wollte er sich keinesfalls vorstellen. Nie wieder ein lautes Lachen von ihr. Nie wieder ihren sturen Blick sehen. Nie wieder diese sanften Augen strahlen sehen. Was war blos mit ihr geschehen? Bei Sonnenaufgang schien sie so lebendig, so sprühend vor Leben und nun war sie das genaue Gegenteil. Warum? Was war blos mit ihr passiert? Und vor allem wann? Er war doch die gesamte Zeit um sie gewesen, hatte sie keine Minute aus den Augen gelassen. Wenn der Weg sich weiter so hinziehen würde, würden sie bei Einbruch der Nacht die Schneefelder noch nicht passiert haben und eine weitere Nacht in dieser Kälte, würden sie und die Pferde sicherlich nicht überleben. Was sollte er tun, wenn sie es nicht schaffen würden? Noch ein Gedanke, der ihm alles andere als angenehm war. Sie mussten es einfach schaffen. Ihr plötzliches Zusammenzucken ließ ihn herumfahren. Sie duckte sich ganz klein am Boden und hielt ihre Hände schützend über den Kopf. Er sah sich prüfend um, konnte jedoch nichts entdecken, doch im selben Augenblick, in dem er ihre Hand ergreifen wollte, fingen die Pferde an zu scheuen und Targras bellte wie verrückt in die Luft. Jetzt bemerkte er den Schatten, der unter ihnen auf der Schneefläche immer größer wurde. Die breiten Schwingen verursachten einen ohrenbetäubenden Lärm, als der Drache sich im Sturzflug auf sie stürzte. Mit einem Ruck hatte Raven Kara auf Miko gepackt und sich selbst und Targras auf ihr Pferd geschwungen. In wilder Panik und mit letzter Kraft stoben die Tiere über die weite weiße Landschaft, noch immer dicht gefolgt von dem immer größer werdenden Schatten. Kara sahs vollkommen zusammengekauert auf Miko und klammerte sich ängstlich am Sattel fest. Das war nicht das Mädchen, dass er kannte, sie hätte nicht solche Angst, sondern würde strategisch versuchen aus dieser Situation zu entkommen oder gar kämpfen. Was zum Henker war blos mit ihr passiert?!? Das Donnern der Flügel wurde immer lauter, nicht mehr lange und er würde sie erreicht haben, die Pferden hetzten mit letzter Kraft in ein weiteres verschneites Tal, ihre Leiber dampften von der Anstrengung und der Geruch ihres Angstschweißes hing Raven in der Nase. Vor ihnen tat sich eine Klamm auf, wenn sie diese erreichten, wären sie vielleicht vor dem Drachen sicher. Der Schnee stob von den Hufen und hinterlies eine dichte weiße Wolke hinter ihnen. Der Schatten rückte ihnen bedrohlich näher, Stück um Stück wuchs er an und verdunkelte fast schon den Himmel über ihnen. Es war der größte Drachen, den er je gesehen hatte und ausgerechnet dieses Exemplar schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, sie auf keinen Fall entkommen zu lassen. Sie kamen der Klamm immer näher, nicht mehr lange und sie würden dort in Sicherheit sein. Doch das Schicksal schien etwas dagegen zu haben, den Drachen leer ausgehen zu lassen. Knapp vor dem rettenden Spalt im Gletscher vor ihnen stürzte Karas Pferd und überschlug sich mehrmals. Raven konnte Miko nicht herum reißen, das Pferd flüchtete in die Klamm und war erst dort bereit anzuhalten. Er sprang ab, keine Rücksicht auf Targras nehmend, der noch immer auf seinem Schoß gesessen hatte und nun mit nach untern gerissen wurde. Ein lautes Jaulen bekundete seinen Aufprall, aber Raven sah nicht zurück, er rannte nur zurück zum Eingang der Klamm, hinaus auf das weite Feld, immer auf Kara zu. Diese lag noch am Boden und sah mit weit aufgerissenen Augen mit an, wie der inzwischen gelandete Drache ihr Pferd zerfleischte. Der dunkle Leib bewegte sich unglaublich schnell und wendig für seine Größe, seine Pranken ließen die Erde erbeben, im Kampf mit dem sich noch immer währenden Tier. Das Entsetzen in Kara schwoll mehr und mehr an, bis sie wieder zur Besinnung kam und sich ruckartig nach hinten kriechend aufrichtete und erst rückwärts, um den Drachen nicht aus den Augen zu lassen, dann bei einiger Entfernung sich umwendend auf die Klamm zulief. Noch bevor sie Raven erreicht hatte, hatte der Drache ihr Pferd verschlungen und wollte sich nun auf sie stürzen. Er sprang kurz in die Luft, nur um dann von dort Schwung holend auf sie zu zuhalten. Ihr Rücken wurde von den riesigen Krallen gestreift, als sie sich zu Boden warf. Der Schmerz brannte in ihr auf und nahm ihr den Atem. Raven hatte inzwischen sein Schwert gezogen und hielt auf den Drachen zu. Dieser hatte sich in der Nähe von Kara niedergelassen und wollte sie frontal attakieren. In diesem Moment hatte Raven sie erreicht und stellte sich schützend vor sie. Sein Schwert klirrte gegen die scharfen Zähne, als das riesige Maul nach ihnen schnappte. Der Drache wich zurück und zog eine große Runde um die beiden, Raven immer im Auge behaltend, und versuchte eine Attacke mit seinem Schwanz. Ravens Schwert verursachte ein schürfendes Geräusch auf den äußerst wiederstandsfähigen Schuppen. Kara war inzwischen wieder in der Lage aufzustehen und lehnte sich an Ravens Rücken. Beide behielten das Untier weiterhin im Auge und versuchten ihre Fluchtchancen abzuschätzen. Momentan sah ihre Lage vollkommen aussichstlos aus... Das riesige Tier zog noch eine Runde um sie und beäugte beide aus den furchterregend grün glühenden Augen. Kalte Angst stieg in Kara hoch, sie klammerte sich fester an Ravens Rücken und musste sich wirklich zusammen reißen nicht vor Angst loszuweinen. Der Drache zog noch weitere Runden um sie und schien den Krieger genau einzuschätzen zu versuchen. Kara blickte das Wesen eindringlich an. Der Schmerz wich langsam und Wut breitete sich in ihr aus. Seit Anbeginn ihrer Reise war sie angegriffen, verletzt und über den Boden geschliffen worden, sie hatte kaum geschlafen und wenig gegessen und ihre Geduld war auch langsam am Ende. Ein Zittern ergriff ihren Körper, je stärker der Schmerz zu verspüren war, desto größer wurde ihre Wut. Konnte das Vieh nicht einfach verschwinden, sich eine andere Beute suchen und sie in Ruhe lassen? Raven vernahm von ihr ein Zähneknirschen, sie richtete sich an seinem Rücken mehr und mehr auf und schnaubte wütend. Eine starke Aura ging von ihr aus, ihm war fast als könnte er diese leuchten sehen. Auch der Drache schien es zu bemerken, er hielt an und musterte sie. Kara blickte ihm direkt in die Augen und ihr war fast, als könnte sie direkt in seine Seele sehen. Fast als könnte sie seinen Geist greifen. Sie schien auch wirklich tief zu gehen, der Drache stand nur noch wie angewurzelt da und starrte sie an. Raven kam sich vor, als würde er zwei Kinder beim Indianerblick beobachten, nur konnte einer von beiden hier sein Leben verlieren... Das Untier schien absolut nicht weiter auf ihn zu reagieren. Er wusste, dass er alleine unmöglich gegen ihn ankommen würde, also schnappte er kurzerhand Kara, warf sie über seine Schulter und rann auf die Klamm zu. Der Drache starrte noch wie eine Weile ins Leere, dann merkte er, dass der Einfluss der sein Bewusstsein gefesselt hatte, verschwunden war und sah sich um, um festzustellen dass sein Futter sich gerade aus dem Staub gemacht hatte. Raven schaffte es noch im letzter Kraft in die Schlucht, bevor der Drache wieder zu sich kam. Er setzte Kara ab, welche kurz darauf freudigst von Targras begrüßt wurde und verschnaufte erst einmal. Der Drache konnte sie nicht mehr ausmachen und erhob sich wieder in die Lüfte. Raven verfolgte ihn kniend am Himmel, soweit er ihn noch sehen konnte. Sie saß hinter ihm an der eisig kalten Wand, den Kopf in den Nacken gelegt und schaute in den kühlen blauen Himmel über ihr, der durch die engen Felswände zu erkennen war. Die Schmerzen waren noch immer stark zu spüren und unter ihrem Hintern war eine kleine Blutlache zu sehen. Als Raven diese bemerkte, kroch er auf allen Vieren auf sie zu und zog sie am rechten Schulterblatt nach vorne, um sich ihre Wunde anzusehen. Sie war nicht groß, aber tief jedoch hatten die Krallen glücklicherweise keine Knochen oder Wirbel verletzt. Wiedereinmal ging er zu Miko, griff in die Satteltasche und verarztete Kara mit der grauenvollen Salbe. Es war schon fast zu einem Ritual geworden, die Härten, die ihre Reise bisher angenommen hatte, waren auch ziemlich unmenschlich und er zollte Kara großen Respekt, dass sie noch immer so tapfer war. Ein Gutes hatte die Sache wenigstens, sie schien wieder normal zu sein, nur hätte es seiner Meinung nach wirklich nicht so eines Auslöser dafür bedarft. "Es sieht so wunderschön aus..." ihre Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. "Was?" er schaute sie verwundert an. "Der Himmel, und das Eis, das herrliche Blau..." sie klang wie betrunken, anscheinend machten ihr die Anstrengungen und Verletzungen sehr zu schaffen. Oder... nein! Das durfte nicht sein! Ihm fiel etwas ein, dass sein Freund ihm einmal erzählt hatte. "Kurz bevor ein Mensch stirbt, wird ihm erst richtig die Schönheit der Welt bewusst." Die Worte hallten in seinem Kopf wieder und brachten etwas mit sich, was Raven auf diese Weise schon lange nicht mehr verspürt hatte: Eiskalte Angst und Verzweiflung. Er nahm sie in die Arme und sah ihr tief in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick und verlor sich in dem tiefen Braun. Was sie dann tat, konnte sie sich selbst nicht erklären, vielleicht war es der übermächtige Schmerz, der ihr den Verstand zu nehmen schien, vielleicht war es Dankbarkeit, vielleicht aber auch nur die Reaktion auf eine uralte Erinnerung. Sie schloss die Augen und küsste ihn. Ihre Tat ließ ihn erstarren, damit hatte er nun absolut nicht gerechnet. Und aus welchem Grund auch immer ihn dieses Bedürfnis überkam, er kämpfte dagegen an den Kuss zu erwidern. Noch hatte er sie nicht vergessen, noch konnte er nicht... aber warum wollte er dann doch irgendwie den Kuss erwidern? Bevor er sich von ihr lösen konnte, tat sie es bereits und lehnte sich wieder zurück, den Kopf in den Nacken gelegt, erneut den Himmel betrachtend. Er saß immer noch wie zu Eis erstarrt da und starrte sie an. Ok..., dachte er sich. Sie ist entweder hart mit dem Kopf aufgeschlagen und dreht langsam durch, oder sie hat Fieber. Letzteres war wohl am wahrscheinlichsten. Erst küsst sie einen und dann starrt sie wieder in den Himmel, als wäre nichts gewesen. ARGH!!! Seine Gedanken rotierten wild um seinen Kopf und bevor sie ihn noch in den Wahnsinn stürzten, stand er auf, um die Pferde heranzuholen, damit Kara und er wieder aufsteigen konnten. Sie mussten sich beeilen, die Drachen würden nun bald alle von ihrer Anwesenheit wissen. Als er sich vor sie stellte und ihr seine Hand entgegenhielt, löste sie endlich ihren Blick wieder vom Himmel und ließ sich von ihm auf's Pferd helfen. Verdammt, dachte er, anscheinend hat diese komische Trance sie wieder. Was sollte er blos tun? Sobald sie das Lager erreichten, würde er sie erst einmal von Ncham untersuchen lassen, sie hatte mehr Erfahrung mit solchen Zuständen. Sie war sowieso die beste Schamanin, die er kannte. Die Klamm endete an einem Tal, dass er sehr gut kannte. Hier war er schon auf seinem Weg zum Eremiten hindurchgekommen. Von den Drachen war bisher nichts zu entdecken. Sie ritten noch eine Weile an der Gletscherwand entlang, welche ihnen noch etwas Sichtschutz bot. Doch bald mussten sie über offenes Gelände und Raven befand es am besten, jenes im Gallopp zu durchqueren. Trotz Karas besorgniserregenden Zustand hielt sie sich gut um Sattel. Auf der Mitte der Ebene konnte sie in der Ferne die Grenze zu einem Wald erkennen. Die Bäume waren starr vom Frost, der Schnee lag schwer auf ihren Ästen. Hier wuchsen hauptsächlich Nadelbäume, deren Grün kaum unter dem schweren Weiß zu sehen war. Als sie endlich den Wald erreichten, hörten sie das schon zuvor vernommene Surren von Flügeln in der Luft. Die Drachen hatten sie wieder ausgemacht. Aber hier im Wald kamen sie nicht an sie heran. Und sie würden nun auch keine Gefahr mehr für sie sein. Raven stoppte vor einem kleineren Felsen mitten im Wald. Er stieg ab, was Kara stutzig werden ließ. Sie fühlte sich eigenartig, alles was sie sah, schien hinter einem schweren Schleier zu liegen, doch es schien die Realität zu sein. Er hieß ihr auch abzusteigen und ihm zu folgen. Sie tat es ihm nach und folgte ihm, Miko an den Zügeln führend. Er umrundete mit ihr den Felsen und flüsterte dabei etwas, was sie nicht verstehen konnte. Als sie den Felsen erneut umrundet hatten, glaubte sie ihren Augen nicht trauen zu können. Vor ihnen war kein Fels mehr, sondern ein schweres Steintor mit ihr völlig unbekannten Verzierungen und Schriftzeichen. Wie war das möglich? Er schritt hinein und sie folgte ihm, alles um sich herum aufmerksam beobachtend. Der Weg war trotz der Dunkelheit zu erkennen. Von irgendwoher kam ein bläuliches Schimmern, welches den Gang erhellte. So also, war er aus dem Heiligen Land gekommen! Er kannte einen Weg, den sonst nur die Bewohner des Landes kannten! Und das was sie hier spürte, konnte nur Elfenmagie sein. Auch fühlte sie, wie der Dolch sich in ihrem Stiefel langsam erwärmte, ja regelrecht zu glühen begann. Eine starke Aufregung ergriff sie, alles um sie herum wurde plötzlich so klar und deutlich, dass ihr die Augen schmerzten. Dieser Ort war ihr eindeutig bekannt und auch dieses Gefühl. Dieses Déja Vu begann ihr langsam Kopfschmerzen zu bereiten. Es war fast so, als würde eine Stimme ihr von tief innen versuchen etwas zuzurufen, aber sie verstand sie nicht. Was war das hier? Sie war doch zum ersten mal hier, da war sie sich sicher. Woher kam dann diese Gewissheit, diesen Ort so gut zu kennen? Raven stoppte abrupt vor ihr. Da war etwas, sie konnte es nicht genau erkennen. Ja, es war wieder ein Tor! Er sprach erneut etwas im Flüsterton und das Tor öffnete sich. Sie wurde von Schritt zu Schritt mehr in Erstaunen versetzt. So mystisch und geheimnisvoll, dieser Ort fesselte ihren Geist vollkommen. Hinter dem durchschrittenen Tor erblickte sie einen Wasserfall, der schier aus dem Nichts zu entspringen schien. Das blaue Leuchten, dass sie zuvor geführt hatte, schien von dem herrlich klaren Wasser auszugehen. Es war atemberaubend schön. Kara verhielt einen Moment, um den Anblick auf sich wirken zu lassen. Raven drehte sich zu ihr um und musste lächeln. In diesem Licht sah sie schön aus. Wunderschön. Er wandte seinen Blick auf das Wasser und sog etwas von der Energie ein, die dieser Ort austrahlte. Als er sie wieder ansah, erschrak er kurz. Er sah nicht sie, sondern eine alte Erinnerung dort stehen und das Wasser betrachten. Ihr langes schwarzes Samtkleid schmiegte sich sanft um ihren Körper, ihre Haare fielen über ihre schmalen Schultern und das Wasser warf diesen herrlich blauen Schimmer auf ihr Gesicht, der ihre wunderbaren grauen Augen zum Glühen brachten. Sie war das pure Leben und unbeschreiblich schön. Sie war die erste Frau, der er sein Herz geschenkt hatte und weiß Göttin, er hätte es ihr wahrscheinlich nie entrissen, um es einer anderen zu schenken. Warum nur musste sie ein so grausames Schicksal ereilen? Sein Blick richtete sich zu Boden und er kämpfte gegen die Emotionen an, die mit diesem Ort verbunden schienen und ihn zu übermannen drohten. Kara ging auf ihn zu und mit jedem Schritt wuchs etwas in ihm, was er noch nicht zu verstehen glaubte. Er wandte sich nach vorn und nahm den Weg wieder auf. Was war das gewesen, eben in seinen Augen? Sie konnte sich das nicht erklären, nur schien eine Emotion von ihm auf sie überzuspringen. Lag das an diesem Ort? Von einem auf den anderen Moment hatte sie plötzlich bedingungslose Liebe empfunden. Sie wusste nicht für wen und auch nicht, woher diese Regung plötzlich kam. Das Gefühl schien einfach nur übermächtig zu sein. Als sie Raven ansehen wollte, blickte er zu Boden und schien irgendwie verkrampft. Sein Blick war so strikt und hart. Was ihm wohl durch den Kopf ging? Kam dieses Gefühl vielleicht von ihm? Wenn ja, wem galt es? Sie spürte etwas, was sie so nicht für möglich gehalten hatte. Eifersucht, eindeutig keimte da Eifersucht in ihr auf. Sie? Sie und eifersüchtig? Wegen ihm? Sie kannte ihn doch kaum. Oder etwa doch? Dieses Gefühl der Gewissheit machte sie rasend, warum nur konnte sie ihre eigenen Gedanken und die Signale ihres Unterbewusstseins nicht deuten? Himmel, das brachte sie noch um den Verstand! Sie schüttelte nur leicht den Kopf und ging auf ihn zu, um ihm das Zeichen zu geben, dass sie weiter gehen konnten. Als er sich in Bewegung setzte, wirkte er noch immer irgendwie bedrückt. Auch schwieg er schon seit sie den Tunnel betreten hatten. Ob es sich hier nicht geziemte etwas zu sagen? Oder ob dann die Magie zusammenbrach? Zerstört durch Worte oder den klang einer menschlichen Stimme, für immer verloren in den Weiten des Nichts... Dieser Gedanke ließ sie erschauern, da wollte sie lieber auf ewig schweigen, als diesen wunderbaren Ort durch den leisesten Laut aus ihrem Mund zu vernichten. Vielleicht sprach er auch nicht, weil ihm so viel durch den Kopf ging. Er schien zu in Gedanken versunken, so unerreichbar für sie. Und doch war er irgendwie da, aber eben nicht komplett. Fast war ihr so, als könnte sie ihn seufzen oder den etwas entrückten Schlag seines Herzens hören. Eine grausame Traurigkeit schien von ihm Besitz ergriffen zu haben. Wann war eigentlich dieser komische Schleier verschwunden, der ihre Sinne zuvor benebelt hatte? Hier erkannte sie alles klar, konnte auch wieder normal denken. Lag das an der hier so sehr wahrnembaren Magie? Woher war dieser Schleier überhaupt gekommen? Vergraben in den eigenen Gedanken bemerkte sie nicht, wie sie das letzte Tor erreichten und Raven erneut die Formel leise aussprach. Erst als das grelle Sonnenlicht ihre Augen blendete, wurde ihr bewusst, dass ihr Weg nun vorerst ein Ende fand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)