25 Ways to meet someone von Jyll ================================================================================ Kapitel 8: Metro Molestation ---------------------------- Der strahlende Ritter: Es ratterte und Reita krampfte seine Finger noch fester um die Stange über seinem Kopf, so dass seine Knöchel weiss wurden. Das unruhige Fahren der Bahn auf den Metallschienen, schüttelte die Passagiere ganz schön durch. Es war keine Stosszeit, trotzdem war die Bahn ziemlich überfüllt. Reita zupfte sein Tuch etwas höher. Dadurch wurden wenigstens die Gerüche der Menschen um ihn herum gedämpft, was Reita echt beruhigte. Mehr als einmal hatte er schon neben einem ungepflegten Mann stehen müssen, der wohl gerade Zwiebelringe gegessen hatte. Oder neben einer jungen Frau, eingenebelt in ihr Parfum, das jedem die Luft zum Atmen nahm. Das Klingeln eines Handys durchschnitt die Luft, was einige aufsehen liess. Reita zupfte wieder am Tuch, diesmal genervt. Welcher Idiot hatte da wieder sein Telefon nicht ausgestellt? Dabei stand es immer gross auf den Plakaten, die überall hingen. Sogar mit idiotensicherem Cartoon. Anscheinend doch nichts so idiotensicher. Die Bremsen quietschten, bis man das Gefühl hatte, das Trommelfell habe einen feinen Riss bekommen. Die Türen schwangen auf und Männer in Anzügen wurden herein geschwemmt, was alles noch enger machte. Reita machte einen Schritt weg von der Tür, da seine Station zum Glück noch länger nicht kommen würde. Die Schiebetüren schlossen sich und die Toei-U-Bahn fuhr wieder an, wobei durch alle Körper ein Ruck ging. Durch die schmutzigen Scheiben sah Reita die Häuser als farbige Schlieren vorbeiziehen. Ein Räuspern hier, ein Zeitungsrascheln da. Im Augenwinkel nahm Reita ein bisschen Bewegung wahr. Das Gedränge wurde dort drüben dichter. Er hob das Kinn an und sah rüber. Das war nicht das erste Mal, dass er so etwas bemerkte. Doch als es wieder ruhiger wurde, widmete Reita sich selbst und zog sein Handy aus der engen Jeans. Gerade las er eine neue Nachricht, als es abermals unruhig wurde. Diesmal blickte Reita nicht nur auf, sondern machte auch zwei Schritte zum kleinen Tumult, wobei es ihm sogar egal war, dass er die Leute um sich mehr als nur streifte. Die Geschäftsmänner bildeten eine schwarze Wand aus Anzügen und Aktentaschen. Reita überragte die meisten, dennoch dauerte es einen Moment, bis er die Wurzel des Ganzen erkannte. Nicht schon wieder. Reitas Zähne knirschten aufeinander, die Kieferknochen traten hervor und sein Blick verhärtete sich. Fast jedes verdammte Mal, wenn er mit der Bahn fuhr, passierte das Gleiche. Reita schob einen der Männer weg und kämpfte sich durch, an der Tür vorbei, bis er nah an der Wand stand. Geschickt liess er seine Hand, die vorhin das Handy zurück in die Jeans geschoben hatte, nach unten gleiten und packte zu. Er drückte das Blut ab, mit seinem stärksten Schraubstockgriff und kniff mit Genugtuung die Lippen zusammen, als er ein ersticktes Keuchen hörte. Sobald er spürte, wie der Mann abliess, schlängelte er sich vor die kleine Person und schob sie nach hinten bis ganz an die Wand mit seinem Körper. Er hatte die fremde Hand losgelassen und sah jetzt runter zu der zierlichen Person mit dem blondierten Haar. Erstaunt riss er die Augen auf. Das war kein Mädchen, sondern ein junger Mann. Klein und zierlich wie eine Frau. Er hatte die Augen stark umschminkt, ein langärmliges Shirt mit grosser, roter Aufschrift und freche Strähnen die ihm ins Gesicht fielen. Reita zupfte sofort an seinem Tuch vor dem Gesicht und wandte den Blick nicht von den schwarzen Kulleraugen ab, die ihn ansahen. Mit seinem ganzen Körper schirmte er den jungen Mann von weiteren Grapschattacken ab. Die Jungfrau in Nöten: Metro. Er hasste Metro. Immer noch zögerlich stand er auf dem Perron und wartete verkrampft auf die nächste Bahn. Die Hände um die Schlaufe seiner braunen Tasche geklammert, die er um die Schulter trug. Eine weibliche Stimme kündigte die Ankunft der nächsten Tokei-U-Bahn an. Rukis Herzschlag beschleunigte kurz, bevor er sich zur Ruhe zwang. Mit quietschenden Bremsen und Funken stiebend fuhr die Bahn ein. Rukis Haare wurden ihm vom Fahrwind ins Gesicht gepeitscht. Sobald die Bahn still stand, stellte er sich neben die aufgehenden Türen, liess die Fahrenden aussteigen und wurde dann selbst von den Wartenden hinein geschwemmt. Viel weiter in die Mitte des Fahrzeugs als er wollte. Er stand am liebsten so nah wie möglich bei der Wand, die zumindest etwas Schutz bot. Aber sein Körper war klein und er konnte nicht gut gegen die Masse anschwimmen. Noch bevor er sich irgendwo festhalten konnte – an die oberen Griffe kam er eh nicht ran – fuhr die Bahn wieder an und ein Ruck ging durch seinen Körper. Ruki wurde gegen eine Frau neben ihm geworfen, die ihn pikiert ansah, auch noch, als Ruki sich entschuldigte und hastig von ihr wegtrat. Es war stickig. Ruki atmete auf einer Höhe, wo alle anderen sich mit Parfum und After-Shave eingesprüht hatten. Die Luft anhaltend quetschte er sich weiter, duckte den Kopf weg, doch weit kam er eh nicht. Er wollte einfach so schnell wie möglich wieder hier raus. Jede der fünf Stationen, die er fahren musste, hasste er. Nach zwei war ihm schon schwummrig, nach vier wollte er nur noch schreien. Erfahrungsgemäss. Die Menschen alleine würde er ja noch irgendwie aushalten. Was ihn wirklich störte und ihm den Magen umdrehte, war das, was er jedes zweite Mal mitmachen musste. Bei der nächsten Station waren sie im Firmengelände und wie jedes Mal war die Bahn nachher voll mit Anzugstypen. Manager, Büroarbeiter, Kanzleiangestellte. Ruki zogen sich die Eingeweide zusammen. Er hob den Kopf und sah an die Decke, wo die Festhalteschlaufen über ihm an der Stange baumelten. Vielleicht hatte er heute Glück. Das musste er, denn wegkommen konnte er nicht, er war eingezwängt. Wie so oft, war ihm das Glück jedoch nicht hold. Es ging keine halbe Minute, da spürte er etwas an seinem Rücken, das schnell nach unten wanderte. Ruki zuckte zusammen, als die Hand auf seinem Arsch landete. Sofort wand er sich und versuchte weg zu kommen, schaffte es sogar, dass die Hand von ihm wegrutschte. Aber mehr als ein Schritt zur Seite konnte er nicht machen. Und dann war die Hand wieder da. Oder vielleicht eine andere, so genau wusste Ruki das nicht. Und noch drei ganze Stationen zu fahren. Sein Frühstück meldete sich, anscheinend wollte es nochmals Hallo sagen. Ruki biss sich auf die Zunge und unterdrückte den Würgereflex, als er zu allem Übel auch noch gestreichelt wurde. Abermals wand er sich, trat dabei jemandem auf den Fuss, der sich halblaut beschwerte. Ruki hielt erschrocken inne. Beschämt über die ganze Situation senkte er den Kopf. Schlimm genug, dass Frauen dies mitmachen mussten, aber anscheinend war wirklich niemand sicher. Manchmal wurde Ruki auch für ein Mädchen gehalten mit seiner schmalen Statur, geringer Körpergrösse und dem blonden, schulterlangen Haar. Hinter ihm bewegten sich die Menschen, jemand trat zur Seite. Die nächste Station war aber noch gar nicht erreicht. Und mit einem Mal war die Hand weg. Ruki fühlte sofort einen Druck von der Brust genommen. Ein Keuchen. Was war da nur los? Ruki blieb das Herz stehen, als ein Mann sich dominant vor ihn schob und ihn einfach nach hinten drückte, bis sein Rücken die kalte Wand berührte. Würde er jetzt hier angefasst werden? An der Wand konnte er überhaupt nicht mehr ausweichen und der andere war breit und gross. Er hätte keine Chance zu entkommen. Ruki merkte, dass er die ganze Zeit den Atem anhielt und einfach wartete. Aber er spürte nichts. Keine fremden Hände auf seinem Arsch, Bauch oder Schritt. Langsam entliess er die Luft aus der Nase und hob den Kopf. Vor ihm stand ein Mann mit blauem Haar und einem Tuch vor dem halben Gesicht und sah ihn erstaunt an. Ruki blinzelte perplex. Jung war er und trug lässige Freizeitklamotten. Und er berührte ihn nicht. Sein ganzer Körper hatte ihn zwar zur Wand gedrängt, aber jetzt war er in respektvollem Abstand. So respektvoll und zurückhaltend wie es auf dem engen Raum eben ging. Das hatte Ruki noch nie erlebt. Er fasste ihn nicht an, sondern schützte ihn wie ein Schild. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)