25 Ways to meet someone von Jyll ================================================================================ Kapitel 7: New Year's Eve ------------------------- Der Zweifler: „Warum nochmal hab ich mich von dir dazu überreden lassen?“ Saga grinste breit. „Warum denn nicht, hm? Du wärst doch sonst nur allein in deinem Wohnzimmer.“ „Allein? Eine Flasche Whiskey würde mir Gesellschaft leisten! Besser ginge es nicht.“ Ruki nippte an seinem Glas Champagner, in dem die Bläschen längst ausgestorben waren. „Jetzt wart doch erst mal ab. Es dauert ja nicht mehr lange! Hauptsache du begehst das neue Jahr nicht alleine. Das bringt Unglück!“ Saga stiess sein Glas gegen Rukis und zwinkerte ihm zu. Gleich darauf hängte sich Tora an Saga dran. „Unglück? Nein, was wirklich Unglück bringt, ist, ungeküsst ins neue Jahr zu rutschen!“ „Un-geküsst?“, wiederholte Ruki. „Wer hat sich das denn wieder ausgedacht?“ „Die Franzosen.“ „Hä?!“ Ruki hob seine gezupften Augenbrauen an. Tora nickte bierernst. Ruki schüttelte den Kopf. „Und wenn schon, das Risiko nehm ich auf mich. Ihr wisst doch eh, dass ich Single bin! Also keine Diskussion nötig.“ „Aww, ich küss dich schon Rukilein!“, bot Tora grosszügig an. Fing sich dabei sofort einen Blick von Saga ein. „Du weisst schon, dass deine Lippen schon besetzt sind, wenn es zwölf schlägt?“ Tora lächelte beschwichtigend - und angeheitert. Ruki wandte den Blick ab und konnte sich gerade so davon abhalten, die Augen zu verdrehen. Für seinen Geschmack waren einfach zu viele Leute im Raum. Die Halle war eigentlich riesig und eine Terrasse gab es auch, von der man später das Feuerwerk beobachten können würde. Dennoch war der Lärm ohrenbetäubend, jedenfalls für Ruki wirkte es so. Wenn Musik laut aufgedreht wurde, störte ihn das nicht. Aber bei den vielen geschwätzigen Mündern, die sich hier drin auslebten, hörte man fast gar nichts von den melodischeren Klängen. Stattdessen ergab sich ein Crescendo, das sich in Rukis Ohren anhörte wie ein wütender Bienenschwarm. Hunderte Ballons hingen richtig kitschig unter der Decke und ständig trat man auf Dinge, die im Getümmel ihren Weg zu Boden gefunden hatten. Ruki hob immer wieder die Füsse an und sah missmutig in sein Glas, das immer noch zu zwei Drittel gefüllt war. „He Fruchtzwerg!“ „Tora, nenn mich nicht so!“, knurrte Ruki sofort angepisst und blitzte zu dem Schwarzhaarigen hoch. „Was auch immer, kommst du rüber? Wir stellen dir unsere neusten Bekanntschaften vor!“ „Bekanntschaften, ja ich kenn eure ‚Bekanntschaften‘. Verzichte.“ „Gott, Ruki, du bist so ein Stinkstiefel!“ Tora rollte die Augen nach hinten. Ruki biss sich auf die Lippe. Er fühlte sich einfach überfordert mit so vielen Menschen. Ausserdem war es für ihn echt nicht angenehm, ein bis zwei Köpfe kleiner zu sein, als absolut jeder hier. Als keine weitere Antwort kam, nutzte Tora das gleich aus, packte ihn am Arm und schliff ihn rüber. „Mädels, das ist Ruki!“, stellte Tora ihn der Männerclique strahlend vor und schupste ihn etwas, weil Ruki kneifen wollte, sobald Tora nur eine Sekunde unaufmerksam sein würde. „Ru, das sind Aoi, Shou, Yuno und R- sorry, war das jetzt Reta oder… -“ „Reita.“ Ruki sah zum Letzten, der – anstelle von Tora – merkwürdigerweise direkt ihn ansah. „Hi.“, raunte der Grössere und lächelte ihn an. Ruki brachte keinen Ton raus, weil er nicht genau wusste, ob er sich erst wundern sollte, warum der Mann ein Band im Gesicht trug, oder warum er ihn so ansah, oder warum er ihn so direkt ansprach. „Tora, hast du schon wieder deine Geschichten über mich ausgeschmückt?“, knurrte Ruki leise dem anderen zu. Dieser schüttelte den Kopf. „Bis jetzt noch gar nichts.“ Die anderen der Runde nickten ihm derweil freundlich zu und Ruki zwang sich, das Nicken zu erwidern. Er war nicht im Grunde schüchtern. Aber wenn er sich in seiner Umgebung nicht wohl fühlte, hielt er lieber den Mund. Und ging lieber an einen Ort, wo er sich besser fühlte. Aber Tora und Saga würden das momentan bestimmt nicht zulassen. Bevor er bei der grossen Flügeltür auf der anderen Seite der Halle wäre, hätte ihn einer der Langbeiner eingeholt und aufgehalten. Ruki hatte schon am Anfang abgecheckt, wo überall die Notausgangstüren waren, doch ein Schild hatte ihn gewarnt, dass er den Feueralarm auslösen würde, sobald er eine davon aufstiesse. Auch jetzt sah er aus Reflex rüber zur Tür, doch der Nasenbandträger versperrte ihm die Sicht. Innerlich seufzend nahm Ruki noch einen Schluck von seinem lauwarmen Champagner. Widerlich. „Soll ich dir einen Neuen bringen?“, raunte die tiefe Stimme wieder. Konnte der Mann nur Raunen? „Eh ja, danke.“ Ruki reichte ihm sein Glas, worauf der Grössere kurz so etwas wie ein Lächeln zeigte und Richtung Buffet verschwand. Ruki atmete durch. Jetzt hatte er einen Moment Ruhe und wurde nicht angestarrt. Der Weg zur Tür war auch frei. Vielleicht sollte er jetzt einen Versuch starten. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Lange würde es nicht mehr gehen, aber Ruki fühlte sich, als würde er es keine Minute mehr aushalten. Er sah zu Saga und Tora, die sich gerade mit…Aoi unterhielten? Shou? Ruki drehte sich um und schob sich zwischen zwei Männern hindurch Richtung Tür. Er wusste nur ungefähr wo sie war, denn sehen tat er nichts. Er umrundete ein junges Pärchen, dann lief er an einer Schar betrunkener Mädchen vorbei und wich einer Säule aus. Ein riesiger Tisch versperrte ihm unerwartet den Weg. Er war beladen mit Bowle, Champagnerflaschen, Gläser und allerlei Leckereien. Das Buffet. Ruki fluchte leise in seinem Kopf und sah den Tisch hinauf und hinunter, um herauszufinden, ob er nach rechts, links oder wieder umkehren musste. Aber alles, was er entdeckte, war dieser Reita. Der mit zwei Gläser Champagner nach etwas Ausschau hielt. Rasch verschwand Ruki wieder hinter der Säule. Von dort startete er kurz darauf einen weiteren Versuch und lief in die entgegengesetzte Richtung, um dann einen Haken zu schlagen, dorthin, wo er den Ausgang vermutete. Hatte es irgendwie noch mehr Menschen mittlerweile? Ruki kam fast nicht durch und mehr als einmal hätte ihn beinah ein Ellbogen im Gesicht erwischt. Manchmal war es einfach nur total beschissen so klein zu sein. Als Ruki sich gerade zwischen zwei korpulenteren Typen durchgequetscht hatte, stand er unvermittelt vor einer Wand. Nach diesmal gemurmeltem Fluchen drehte er abermals um. Das Gedränge wurde immer dichter. Ruki japste leise nach Luft, kam kaum mehr vorwärts. Und hatte genau an dem Punkt völlig die Orientierung verloren, als laut angefangen wurde zu zählen. ZWÖLF ELF ZEHN Ruki stand irgendwo, wahrscheinlich mitten in der Halle. Er sah nichts und er kannte kein einziges Gesicht um sich herum. NEUN ACHT SIEBEN Saga und Tora und die anderen waren sicher auf der Terrasse oder so, aber Ruki wusste auch nicht, in welche Richtung die lag. SECHS FÜNF VIER Das war definitiv das beschissenste Silvester aller Zeiten. Er hätte nie hierher kommen sollen. So einen Fehler würde er nicht mehr wieder begehen. DREI Ruki hob missmutig den Blick vom dreckigen Fussboden und erblickte in drei Meter Entfernung Reita, der ihn anscheinend längst entdeckt hatte. ZWEI Eine Sekunde später war der Grössere keinen Meter mehr entfernt. Er stand genau vor ihm, zwei Gläser immer noch in den Händen und beugte sich zu ihm runter. EINS Ein Lippenpaar auf seinem Mund. Warm, prickelnd. Fest und ehrlich. „Spinnst du? Du kannst mich doch nicht einfach küssen!“ Aber er bekam nur noch einen Kuss auf die Lippen gesetzt. „Ich will dich vor Unglück bewahren…“ Der Vertrauende: „Oh, da ist Ru!“ Tora, halb zur Seite gedreht, entdeckte Ruki, der gerade neben Saga aufgetaucht war. „Wer?“ „Ein alter Freund von uns. Ich stell ihn euch nachher vor.“ Tora grinste Reita zu. „Er brauchte Überredung, viel Überredung, um herzukommen. Silvestermuffel, du verstehst…?“ Reita nickte langsam und leerte seinen Drink, während Tora sich entschuldigte und hinüber ging. Reita fand die Menge bisher überschaubar, aber es kamen ja immer noch neue Leute. Die Dekoration war in weiss und rot gehalten. Viel Firlefanz und Kitsch. Er sah über seine Champagnerflöte hinweg zu Tora, Saga und deren Freund, den er noch nicht kannte. Etwas an ihm war interessant. Wenig darauf zerrte Tora besagten Freund auch zu ihnen rüber, stellte ihm zuerst die anderen vor und zeigte schliesslich auf Reita, der aber bereits mit der Musterung beschäftigt war. Nicht nur interessant, sondern aus der Nähe richtig anziehend. „Hi.“ Reita lächelte und freute sich, als Ruki zu ihm aufsah, obwohl er irgendwie durch ihn hindurch zu sehen schien. „Soll ich dir einen Neuen bringen?“ Der Champagner schien alt zu sein. Sofort bekam er das Glas gereicht. Damit hatte Reita also schon mal angeknüpft. Rasch drehte er sich um und steuerte das Buffet an. Tora und Saga hatten Ruki vorher nie erwähnt. Nicht mal vor diesem Abend, dass er heute kommen würde. Ob das einen bestimmten Grund hatte? Reita stellte die alten Gläser hin und nahm sich zwei Neue. Mit einem Freund war er jedenfalls nicht aufgetaucht, also wahrscheinlich war er Single. Aus einer schlimmen Beziehung vielleicht? Tora hatte etwas von Überreden gesagt. Mit den vollen Gläsern wand sich Reita um, erblickte Ruki aber nicht mehr. Stirnrunzelnd musterte er Aoi, Shou, Saga, Tora…wo war ihr Silvestermuffel? Reita setzte sich in Bewegung. „Wo ist denn Ruki?“, fragte er Tora ruhig. „Eh Ru? Keine Ahnung…mist, ich hab nicht aufgepasst!“ „Schon gut, ich such mal…“ Reita schlug die erstbeste Richtung ein. Er musste Acht geben auf die vollen Gläser, keiner der Gäste sah, wo sie hin stolperten und wen sie dabei anstiessen. Heute war er definitiv froh, so gross zu sein. Aber Ruki war alles andere als leicht zu entdecken. ZWÖLF ELF ZEHN Reita schreckte auf. Gleich war es soweit. Und bisher hatte er sein nächstjähriges Date noch nicht entdeckt. Er blieb stehen, streckte den Hals und drehte sich um die eigene Achse. NEUN ACHT SIEBEN Vielleicht war Ruki auf der Terrasse? Andererseits hatte Tora gesagt, dass Ruki gar nicht hier sein wollte. Also war er wohl eher Richtung Ausgang gelaufen. Falls er durch die Menge gekommen war. SECHS FÜNF VIER Gleich würde der Höhepunkt des Abends sein, und als solchen hatte Reita ihn eigentlich auch geplant. Dafür fehlte aber noch etwas ganz Entscheidendes. DREI Vor ihm. Auf einmal stand er nur wenig entfernt von Ruki. Ein Glück. Er stand sogar still und schien ziemlich verloren. ZWEI Aus den paar Metern war nur noch eine Armlänge geworden, und auch die verschwand, als Ruki auf ihn zukam. EINS Ein fremder Mund auf seinen Lippen. Weich und süss. Zart, aufrichtig. „Spinnst du? Du kannst mich doch nicht einfach küssen!“ Reita lächelte leicht in einen zweiten Kuss. „Ich will das Unglück von dir fernhalten…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)