Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku von KamuiMegumi ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Nun erschienen schemenhaft die Schatten einiger Männer an der Brunnenöffnung. Ich konnte beim besten Willen bei den Uniformen keinerlei Farben oder sonstige Abzeichen erkennen, welche mir auch nur den leisesten Hinweis geben würden wo ich genau gelandet war. Innerlich betete ich, dass es nicht allzu weit weg von Shin Makoku sein würde. Die uns angrenzenden Nachbarländer waren uns alle ausnahmslos freundlich oder neutral gesinnt. Alles über deren Grenzen hinaus würde schwierig werden. Ich erinnerte mich an meine „Fehllandung“ mit Murata damals in Caloria. Damals hatten wir wohl Glück gehabt. Murata hatte sich seine schwarzen Haare aus mir fadenscheinigen Gründen zuvor auf der Erde gebleicht und Kontaktlinsen getragen und ich konnte mich doch ganz gut tarnen. Zudem hatte mich Susannah Julias Talisman zu Flynn Gilbit geführt und dies war der Beginn einer länderübergreifenden Freundschaft geworden. Solch Glück dürfte ich nun nicht mehr erwarten, wenn ich denn wirklich in einem Gebiet gestrandet war, indem man Dämonen feindlich gesinnt war. Ich blickte auf meinen blauen Anhänger. Der schwache orange Schein der Fackeln am Brunnenrand schimmerte schwach auf dem strahlenden Blau. „Ist da unten wirklich jemand?“, unterbrach mich eine dunkle Männerstimme in meinen Gedanken. „Ähm, ja. Ich bin hineingefallen!“ „Seit ihr verletzt?“, fragte eine weitere männliche Stimme mit besorgtem Unterton. Also misstrauisch waren sie nicht. Normalerweise waren in Dörfern stationierte Soldaten stets äußerst vorsichtig. „Nein. Mir geht es gut. Wenn ihr mir ein Seil herunterwerfen würdet könnte ich selbst hinausklettern!“ Stille. Die beiden Schatten verschwanden. Dann hörte ich weitere Gespräche und plötzlich landete das Ende eines Seils neben mir: „Bindet es euch um. Wir helfen euch heraus!“ Oh je. Nun war es also soweit. Ich sollte schlimmstenfalls damit rechnen, dass man das Seil vor Schreck los ließ sobald ich den Brunnenrand erreichte. Ich band das Seilende um meine Taille, seufzte nochmals still in mich hinein und begann den Aufstieg. Ich war wirklich ein Waschlappen. Ich hatte doch schon viel schlimmere Situationen gemeistert! Die Soldaten oben zogen kräftig an. Ich hatte kaum eine Möglichkeit mich aus eigener Kraft nach oben zu ziehen. Innerhalb weniger Augenblicke sah ich über den Brunnenrand hinweg auf einen mittlerweile hell erleuchteten Dorfplatz, auf dem sich wohl einige Dorfbewohner zu den bereits versammelten Soldaten gesellt hatten und mich nun alle ausnahmslos anstarrten wie die neuste Attraktion in einem Zoo. Mir stieg dadurch eine leichte Röte ins Gesicht. Ich kannte zwar das Gefühl im Mittelpunkt zu stehen, aber in solchen Situationen war es mir dann doch unangenehm. Schnell versuchte ich die Uniformen näher zu betrachten, um sie dann zuordnen zu können. Die rund zwölf Männer trugen einheitlich blau. Es war ein kräftiges Königsblau mit rot abgesetztem Saum. Diese Uniformen kamen mir verdammt bekannt vor. „Yuuri! Was machst du hier?“, aus dieser Ansammlung von Soldaten trat nun einer heraus und stampfte mit großen und schnellen Schritten auf mich zu. Ich war mir gerade nicht so sicher ob ich jubeln oder schreien sollte. Denn sein Gesicht war weder freundlich noch schien es glücklich über meinen Anblick zu sein. „Wolfram!“, das klang eher freudig überrascht. Also überwiegte wohl mehr dieses Gefühl in mir. Das war bei Wolfram und mir eh ein schwieriges Thema. Eine Armlänge vor mir kam er zum Stehen. Seine Augen funkelten zornig, dennoch konnte ich auch ein wenig Freude darüber mich zu sehen darin erkennen. „Zuerst lässt du dich wochenlang nicht blicken, treibst dich sonst wo herum und machst deinem Ruf als leichtes Bürschchen alle Ehre und nun störst du mich auch noch bei meinem Auftrag! Was willst du hier in Herkas?“ Ich blickte irritiert in sein schönes Gesicht. Herkas? Meine Ehre als was? Mann, war ich froh ihn zu sehen! Ach egal! Ich musste Wolfram erst einmal drücken! Blitzschnell legte ich meine Hände auf seine Schultern und zog ihn an mich heran. Er war darüber wohl so überrascht das keine Gegenwehr erfolgte. Ich legte meine Arme um seine Schultern und presste ihn an mich: „Ich bin so froh dich hier zu sehen! Ich glaube mir wäre niemand gerade lieber als du!“ War Wolfram geschrumpft? Wieso ging er mir plötzlich nur noch bis zur Nasenspitze? War etwa ich so viel gewachsen in der Zeit auf der Erde? Wolfram legte seine Hände auf meine Brust und schob mich abrupt von sich weg: „Nicht hier, du Waschlappen!“ Sein Kopf war hochrot während er sich noch einen weiteren Schritt von mir entfernte. Aber ich konnte deutlich erkennen, dass sich sein erster Ärger über mein Auftauchen hier gelegt hatte und wohl doch der Freude über unser Wiedersehen gewichen war. Ich legte den Kopf schief und grinste: „Tut mir leid, Wolf. Ihr habt mir alle ziemlich gefehlt!“ „Dann komm das nächste Mal einfach schneller wieder zurück!“, zischte er nur leise zurück, „Komm mit!“ Ich nickte und folgte ihm. Wir schritten durch die Gruppe der Soldaten über den Dorfplatz hinweg zum anderen Ende, wo auf einer kleineren Wiese mehrere Zelte aneinandergereiht aufgestellt worden waren. Wolfram schwieg mit gesenktem Kopf. Er schien über irgendetwas nach zu denken. „Herkas heißt dieser Ort also“, versuchte ich die angespannte Stimmung zu lockern, „Ich sollte dann wohl eher fragen was du hier mit deinen Soldaten machst, nicht wahr?“ „Gleich!“, kam fast unverständlich zurück. Okay. Ich kann warten, dachte ich mir. Wolfram war nie der Typ gewesen, der lange mit irgendetwas zurück hielt. Wir gingen zielstrebig auf das größte Zelt zu. Er öffnete die Schlaufen am Eingang und schlüpfte durch den freigewordenen Spalt. Ich tat es ihm gleich und betrat sein angenehm warmes Quartier. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich immer noch in der klitschnassen Schuluniform steckte und in Shin Makoku war es immer um einige Grad kühler als auf der Erde. „Zieh dich aus und wärme dich erst einmal am Feuer“, Wolfram hatte sich mir zugewandt und zeigte mit seiner rechten Hand auf eine kleine Feuerstelle, welche zentral im Zeltmittelpunkt errichtet worden war. Ich nickte nur. Gegen diesen Vorschlag war absolut nichts einzuwenden. Ich setzte mich auf einen kleinen Schemel direkt neben besagter Feuerstelle und begann damit, die nassen Kleidungsstücke abzulegen. Wolfram drehte sich mit dem Rücken zu mir und starrte zu Boden. „Also?“, fragte ich schließlich. „Du hast dich ganz schön verändert, Yuuri“, begann er leise. „Wie?“, ich starrte verwundert an mir herunter. Hatte ich das wirklich? „Nun ja, du bist größer geworden. Und deine Haare länger...“ „Ich habe es vor lauter Prüfungsstress nicht zum Friseur geschafft!“, seufzte ich. Obwohl ich mir eingestehen musste, dass ich meine längeren Haare eigentlich mochte. Durch das Baseballspielen hatte ich mir angewöhnt die Haare stets sehr kurz zu tragen. Doch durch den immensen Lernstoff in den letzten Wochen war auch mein geliebtes Baseball zu kurz gekommen. „Es ist nicht mehr viel Unterschied zu...“, er machte eine Pause, „ ...zu ihm zu erkennen!“ „Ihm?“ „Na, dein anderes Ich. Dem Maou.“ „Wirklich?“, ich stand auf und schritt an ihm vorbei zum großen Standspiegel, um mich näher zu betrachten. Das ich nur noch mit einer Boxershorts bekleidet war schien mich persönlich nicht zu stören. Schließlich hatten Wolf und ich auch schon einige Male gemeinsam in meinem Schwimmbad von Badewanne gebadet, doch Wolfram drehte erneut verschämt sein Gesicht weg. Meine Erinnerungen an mein Aussehen als Maou waren reichlich düster. Sah ich so aus wenn mein „wahres Ich“ hervortrat? Es stimmte schon. Ich wurde erwachsen. Und das war nun auch Äußerlich erkennbar. Vom Körperbau des einst 15-jährigen, der nach Shin Makoku kam, war nicht mehr viel zu erkennen. Das harte Training, ob auf der Erde beim Baseball oder hier mit Conrad, schien endlich Früchte zu tragen. Zudem hatte ich trotz der Lernerei wenigstens mein morgendliches Jogging sowie meine Sit-up's eisern durchgezogen. Es zeichneten sich jetzt deutlich Muskeln ab. Ein stolzes Grinsen huschte mir über mein Gesicht. Wolfram Graf von Bielefeld schritt langsam zu seinem Bett. Es war kein gewöhnliches Feldbett, wie man es in solch einem Lager vermutet hätte. Nein! Wolfram hatte ein riesiges Bett mit Baldachin. Und dieser war ein rüschchenverzierter Spitzenvorhang der mich stark an Urgroßmutters Gardine erinnerte. Ich musste innerlich schmunzeln. Mir war in den letzten Jahren aufgefallen, dass die Dämonen einen seltsamen Geschmack hatten (Fand man mich, einen durchschnittlichen Baseballjungen, hier sehr attraktiv!), aber selbst hier hätte jeder Dämon in Wolfram seinen Meister gefunden! Er nahm sein mir wohlbekanntes rosafarbenes Nachthemd und warf es zu mir herüber: „Zieh das über bevor du dich erkältest und ich mir dann von Günter eine Predigt anhören darf!“ Er sah mich immer noch nicht direkt an. Seinem Blick folgend fand er wohl meine Füße interessanter. Wenig begeistert sah ich mir das Nachthemd in meinen Händen an. „Stell dich nicht so an, du Waschlappen! Dich sieht darin sowieso niemand! Und als dein Verlobter hab ich das Recht dich in allem zu sehen was du trägst... oder auch nicht trägst!“, sein Blick war kurz hoch gehuscht und an meinem Oberkörper für wenige Augenblicke haften geblieben, nur um dann wieder verschämt zu meinen Füssen zu sinken. Was war nur mit Wolfram los? Er war doch sonst nicht so... hm... eingeschüchtert? „Nenn mich nicht immer so!“, kam es von mir zurück. Eigentlich wusste ich, dass ich dies nicht mehr zu sagen brauchte, da es wirklich nichts brachte. Ich versuchte nur durch dieses „Ritual“ Wolfram das Gefühl zu vermitteln, dass ich trotz Wachstumsschub und Zunahme der Muskelmasse immer noch der Yuuri war, der vor fast zwei Monaten in Erdenzeit gerechnet in die Badewanne des Schlosses des blutigen Eides sprang mit dem Kommentar, dass man sich nach der Prüfungsphase wiedersehen würde. „Wie viel Zeit ist hier eigentlich seit meiner Abreise vergangen?“, denn in Shin Makoku liefen die Uhren seltsamerweise etwas anders. „Knapp sechs Monate!“, kam trocken und leicht beleidigt klingend zurück. Er hatte nun auch angefangen, sich seiner Uniform zu entledigen und sich für das Zubettgehen fertig zu machen. „Wow! So lange? Nun denn“, ich versuchte den Eingang des Nachthemdes zu finden. Ich war so ein Kleidungsstück nicht wirklich gewohnt: „Ich werde nun nicht mehr so viel verschwinden! Ich habe die Schule beendet und bleibe euch länger erhalten!“ „Wirklich?“, Wolframs Blick ging schlagartig nach oben und er sah mir direkt in die Augen. Ich konnte ein freudiges Aufleuchten erkennen. „Ja, wirklich!“, bestätigte ich. Wolframs Nachthemd war ganz schön eng. Der Stoff spannte und mein Kopf wollte nicht durch die dafür vorgesehene Öffnung. Ich zerrte wie wild herum. Meine Arme steckten schließlich schon in den Ärmeln. „Das Hemd hat einen Knopf! Du Weichei musst zuerst den Knopf aufmachen!“, Wolfram, ebenfalls nur noch mit der landestypischen Unterwäsche (ein Stückchen schwarzer Stoff welches nicht einmal die Bezeichnung String verdienen würde) bekleidet, schien auf mich zu zu kommen um mir in meiner Notlage zu helfen. Genau sagen konnte ich das aber nicht, denn das Hemd versperrte mir die Sicht. „Oh! Lord von Voltaire! Ihr! Hier!“, der Soldat stolperte nervös zwei Schritte nach hinten und konnte sich gerade noch rechtzeitig abfangen, ehe er auf seinem Hintern gelandet wäre. Eine Gruppe Reiter war wie aus dem Nichts aus dem Dunkel der Nacht zum Zeltlager vor den Toren des Dorfes Herkas gestoßen. Lord Gwendal von Voltaire führte diesen kleinen Trupp an. Sein Blick war mehr als finster, als er sich von seinem Pferd zu dem sich gerade aufrappelnden Wachposten hinunterbeugte und ein: „Wo steckt er?“ , raunte. „Wer?“, der Soldat schien entweder reichlich dumm oder lebensmüde zu sein. Gwendal seufzte. Er hoffte auf Letzteres. Denn dumme Soldaten konnte kein Heer gebrauchen, auch nicht die Leibgarde seines jüngsten Bruders. Seine Augen funkelten noch eine Spur energischer. Der Soldat wusste direkt, dass dies hier eine ernste Lage für ihn war und der Lord keine weitere Verzögerung dulden würde, daher hob er nur seine rechte Hand und verwies auf das Zelt in der Mitte des Lagers: „Da...da...da hinten ist Lord Wolfram Graf von Bielefeld, m...m...meine Exzellenz!“ „Geht doch!“ Konnte der Soldat da gerade etwa ein amüsiertes Lächeln auf dem Gesicht des sonst so ernst und finster dreinschauenden Lords erkennen? Gwendal stieg von seinem Pferd und drückte dem Wachposten die Zügel in die Hand: „Ich wünsche keine Ankündigung. Und keinerlei Störungen. Sollte Lord Weller allerdings eintreffen, so weist ihm ebenfalls so zügig den Weg, wie ihr ihn mir gewiesen habt!“ „N...n...natürlich, meine Lordschaft!“, und mit einer zackig nervösen Verbeugung führte der Soldat Gwendals Pferd zur nächsten Tränke. Gwendal marschierte strammen Schrittes auf das besagte Zelt zu. Vor dem Eingang spannte er seine Schultern und holte tief Luft. Er hatte nun eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, die wohl in den letzten 85 Jahren viel zu kurz gekommen war: die Zurechtweisung seines kleinen Bruders. Anderswo würde man dies auch Erziehung nennen. Aber bei einem jungen Mann wie Wolfram es bereits war, war wohl mit Erziehung nicht mehr viel zu machen. Jetzt halfen nur noch Konsequenzen. Ja, Wolfram sollte nun alle Konsequenzen aus seinem erneuten und sich ständig wiederholenden Ungehorsam ziehen. Ohne auch nur etwas zu sagen oder sich ankündigend zu räuspern schob er den Stoff des Eingangs beiseite und trat ein. „Was...“, Gwendal hatte sich schon alles im Kopf zurechtgelegt für die geplante lange Predigt, die er Wolfram halten wollte, doch das was er nun zu Gesicht bekam, machte ihn sprachlos. Der Anblick fegte durch ihn hindurch und raubte ihm den letzten Inhalt seiner Gehirnzellen. Wolfram sprang, nur in Unterwäsche bekleidet um einen Mann herum, welcher auch nicht viel mehr anhatte, der allerdings mit halben Oberkörper in eines von Wolframs rosafarbenen Nachthemden feststeckte während Wolfram zeternd um Stillstand bat, weil sich Haare um einen Knopf gewickelt hätten. „Wolfram! Wie kannst du nur!“, dröhnte nun Gwendals Stimme durch das gesamte Zelt. Wolfram hielt augenblicklich inne. Sein Blick fiel auf den Eingangsbereich, wo er seinen ältesten Bruder entdeckte. Und dieser war kreidebleich mit hängenden Schultern. „Wie?“, war alles was er in der Kürze der Zeit sagen konnte, ehe sein Bruder anfing, ihn zurecht zu weisen. „Du bist der Verlobte seiner Majestät! Das ist Hochverrat! Er kann dich hinrichten lassen!“, er holte tief Luft: „Wobei ich bezweifle, dass er das tut. Aber du kannst ihn doch nicht betrügen!“ „Was?“, sollte das Wort Verwirrung eine Steigerungsform suchen, so war sie hiermit gefunden: Wolfram. Aber auch das wandelnde Nachthemd schien gerade mehr als überrascht und irritiert zu sein über die plötzlich hinzugekommene neue Stimme im Zelt. Gwendal trat auf Wolfram zu. Seine Falte zwischen den Augen, die zuvor noch aus lauter Ärger und Wut über den Feuerdämonen gepocht hatte wechselte die Form in eine aufrichtige Sorgenfalte: „Wolfram, wenn du solchen Kummer wegen Yuuri hattest, der dich zu diesem Fehltritt gezwungen hat, dann hättest du doch mit mir reden können. Oder mit Conrad. Oder weiß er hier von?“ „Was weiß ich?“ Alle Blicke, soweit sie blicken konnten, gingen wieder zum Zelteingang, wo nun der Mittlere der drei ungleichen Brüder stand und sich nun erst einmal die ganze Situation mit einem Lächeln im Mundwinkel ansehen musste. Das Nachthemd fing plötzlich an freudig auf und ab zu hüpfen und in die Richtung zu stolpern, aus dem es Conrads Stimme vernommen hatte. „Möchte er der Verantwortung entfliehen?“, rief Gwendal aus und zog sogleich sein Schwert. „Nicht, Bruder, das ist doch nur...“, das Nachthemd stolperte nun wirklich und fiel der Länge nach vor Conrads Füße. Dabei zerriss das teure Gewand nun endgültig und heraus strahlten zwei schwarze Augen umrahmt von zerzaustem schwarzen Haar. „YUURI!“ Siehst du, Muraken, ich kann es doch! Ohne deine Fähigkeit als Navigator bin ich dort gelandet, wo ich hinwollte. Sicher. Er ist nicht das Schloss des Blutigen Eides oder Shinous Tempel. Aber was hätte ich auch dort gewollt, wenn sich alle hier, in diesem Zelt vor den Toren eines Ortes namens Herkas, befanden? Nur meinen ganzen Auftritt nach so langer Zeit, die hier verstrichen war, hatte ich mir anders vorgestellt. Ein bisschen weniger chaotisch. Ein bisschen mehr eines Königs würdig. Aber man kann nicht alles haben. Eins nach dem Anderen. Schließlich bin ich noch ein junger König und lerne dazu. „Majestät! Wo kommt ihr denn her?“, Conrad beugte sich zu mir herunter und reichte mir seine Hand, um mir auf zu helfen. Ich seufzte. Es hatte sich nichts geändert: „Conrad! Wie oft denn noch? Ich heiße Yuuri! Und das ist deine Schuld, das ich so heiße! Also sage dann bitte auch Yuuri!“ „Natürlich!“, er lächelte sanft und mir absolut vertraut als er meine Hand nahm und mich hochzog, „Oh! Du bist groß geworden!“ Ich konnte einen fast väterlichen Stolz in seinen Augen sehen. Auch Gwendal war nicht minder überrascht. Und mir fiel diesmal richtig bewusst auf, wie sehr ich wohl gewachsen war. Ich konnte Conrad beinahe geradewegs in die Augen blicken! „Ihr seit doch ihr selbst oder ist es der Maou?“, hörte ich Gwendal hinter mir fragen. Ich wandte mich ihm zu: „Ja, ich bin ich. Anscheinend war meine Erscheinung als Maou bisher immer nur mein Aussehen als Erwachsener. Wir werden uns nun ähnlicher, mein zweites Ich und ich!“ „Das wird es uns aber in Zukunft um einiges erschweren zu wissen, wann es Zeit ist, euch aus dem Weg zu gehen!“, fügte Gwendal nachdenklich hinzu, aber an seinen hochgezogenen Mundwinkeln konnte ich erkennen, dass er darin nicht wirklich einen Grund zur Besorgnis sah. „Also, wo kommst du her und wo ist seine Eminenz?“, fragte Conrad erneut. Ich zog das zerrissene Nachthemd zurecht um mich etwas zu bedecken und sah im Blickwinkel, wie auch Wolfram sich nun etwas überzog. Er schien aus irgendeinem Grund erleichtert zu sein, dass ich nun alle Aufmerksamkeit auf mich gezogen hatte: „Ich bin alleine hergekommen!“ „Ohne seine Eminenz? Wie ist denn das möglich? Sagtet ihr nicht einmal, dass nur er den richtigen Zielort finden kann? War es dann nicht waghalsig diese Reise allein anzutreten?“, Gwendal legte den Kopf leicht schräg. „Ähm. Murata ist verhindert. Er konnte nicht“, dies entsprach ja der Wahrheit. Ohne mich konnte er wirklich nicht, „Und ich dachte, es sei an der Zeit, dass ich selbst nun ein wenig mehr Verantwortung für mein Handeln übernehme und dazu gehört auch, dass ich allein an den Ort komme, wo ich hin möchte!“ Diese Aussage war ja so gesehen auch korrekt. „Aber woher wusstest du, dass ich hier bin?“, kam es nun von Wolfram. „Ehrlich gesagt, wusste ich das ja nicht!“, ich überlegte kurz und sprach dann meine Gedanken wohl laut aus, „Als ich in die Badewanne sprang, um nach hier zu kommen, tat sich zunächst nichts. Ich dachte nur, dass ich unbedingt nach Shin Makoku möchte. Und als es dann losging, dachte ich an euch!“ „An uns?“ „Ja, zuerst schoss mir dein Name durch den Kopf! Ich dachte nur: Wolfram, Conrad und so weiter...ich komme! Vermutlich bin ich daher in der dir am nächsten liegenden Wasserstelle gelandet!“ Ich sah Wolfram direkt in die Augen. Als ich sagte, dass mir sein Name als Erstes in den Sinn gekommen wäre, schien ihn das irgendwie zu freuen. Warum war mir eigentlich sein Name zuerst in den Sinn gekommen? Vielleicht wegen dieser ganzen Verlöbnis-Thematik, die mich so beschäftigte? Hatte ich dann jetzt nicht einen Fehler gemacht indem ich ihm dadurch das Gefühl gab, dass ich an ihn dachte obwohl ich ja eigentlich nur an ihn dachte weil ich diese Verlobung auflösen wollte? Nannte man so etwas nicht jemandem falsche Hoffnungen machen? Mist. Das alles war einfach zu neu für mich. Obwohl... wer sonst steckte in solch einer verzwickten Situation? Das wäre jedem zu neu! „Und warum seit ihr nicht im Schloss?“, fragte ich neugierig und konnte direkt an Wolfs plötzlichem Zusammenzucken erkennen, dass ich das wohl besser nicht angesprochen hätte, denn plötzlich richteten sich auch noch alle Blicke auf ihn. Ehe Gwendal los schimpfen konnte begann Conrad beschwichtigend zu berichten: „Vor einigen Tagen erreichte uns eine Nachricht aus diesem Dorf hier. Es war ein Hilfegesuch. Da du aber noch nicht da warst und es zunächst nicht dringlich erschien, wollten wir erst einmal abwarten!“ „Hilfegesuche sind doch aber immer dringlich!“, gab ich zu bedenken. „Genau meine Rede!“, zischte Wolfram schmollend, wurde aber zuerst durch Gwendals Schnauben und dann von Conrads weiterer Berichterstattung unterbrochen: „Nun ja, es war ja nicht das erste Mal das wir ein Hilfegesuch dieser Art aus diesem Ort hier bekamen.“ „Nicht?“ „Nein. Wir erhalten in regelmäßigen Abständen ein solches Gesuch!“ „Aber warum hilft man denn dann nicht endlich?“ „Hab ich auch gesagt!“ Wieder wütendes Schnauben. Wolf konnte einem richtig leid tun. Bisher hatte er genauso reagiert wie ich es auch getan hätte. „Weil es um die Hexen geht und da gibt es eigentlich keine perfekte Lösung!“, schaltete sich nun Gwendal erklärend ein. „Um die Hexen? Um echte Hexen?“, irgendwie kamen mir gerade ein Haufen alter, bewarzter Frauen auf fliegenden Besen in den Sinn mit einem ganzen Dorf aus Lebkuchenhäusern. Ich sollte mir morgen früh dieses Dorf einmal genauer ansehen! Conrad schien genau diese Gedanken in meinem Kopf zu erahnen: „Die Hexen hier sind nicht zu vergleichen mit den Hexen aus den Märchenbüchern auf der Erde. Sie sind eine kleine Gruppe von Menschen mit magischen Fähigkeiten. Das ist alles.“ „Und diese kleine Gruppe hat also ein Problem und braucht Hilfe!“, schlussfolgerte ich nun. „Nein“, erwiderte Gwendal, „die Menschen in diesem Dorf hier haben ein Problem mit den Hexen!“ „Die Hexen sind eigentlich ein Stamm von Frauen. Amazonen.“ „Frauen? Echte Amazonen?“, jetzt wandelte sich das Bild von einer bewarzten, alten Frau in ein Bild von Wonderwoman.. Anscheinend musste sich dieser Gedanke auf meinem Gesicht widerspiegeln. „Das ist es weswegen ich die Sache erledigen wollte, bevor dieses leichte Bürschchen wieder da ist!“, Wolframs Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig. Ebenso war seine engelsgleiche Mimik Geschichte. Er stand wieder einmal vor einem temperamentvollen Eifersuchtsanfall. Innerlich seufzte ich laut auf. Das war etwas was ich irgendwie nie vermissen würde. Conrad legte beruhigend eine Hand auf die Schulter seines jüngsten Bruders und Wolf schien sich dadurch auch ein wenig zu zügeln: „Im letzten Hilfegesuch stand, dass die Hexen einen Dorfbewohner hier tödlich verletzt hätten. Mittlerweile weiß ich aber, dass dies nur ein Irrtum war und es sich um einen unglücklichen Zufall bei der Feldarbeit gehandelt hat. Die Hexe war zur falschen Zeit am falschen Ort und tot ist auch niemand, sondern nur verwundet!“, berichtete nun Wolfram. „Dennoch hatte ich dir strikt untersagt, hier alleine herzukommen und Untersuchungen jedweder Art anzustellen!“, schnaubte Gwendal nun erneut. „Ich bin ja nicht ganz alleine hier!“, fauchte Wolfram zurück, „Ich habe sehr gute Männer zu meinem Schutz mitgenommen!“ „Ja, die Qualifikation dieser Männer habe ich gesehen!“, entgegnete Gwendal amüsiert: „Zudem ging es nicht um deinen Schutz, sondern um die ganze allgemeine Situation und die Rücksprache mit seiner Majestät!“ „Ich bin der Verlobte seiner Majestät! Es gehört zu den Aufgaben des Verlobten, sich um die Belange seiner Majestät zu kümmern und einen Teil seiner Aufgaben zu übernehmen!“ „Also, weißt du, Wolfram, so ernst brauchst du meine Belange und so nicht zu nehmen!“ „Sei still, Waschlappen!“, fauchte er nun mich an, „Ich wollte diese Situation hier ohne Yuuri klären!“ „Wolfram, du kannst dich nicht immer mit deinem Status des Verlobten seiner Majestät für deine Fehlentscheidungen herausreden. Gwendal hatte schon Recht mit der Entscheidung, erst einmal abzuwarten bis Yuuri wieder zurück ist“, versuchte Conrad die mittlerweile laute und gereizte Stimmung mit ruhigen und leisen Ton zu beschwichtigen. Wolframs Augen sprühten Funken in Conrads Richtung: „Ich diene aber nicht Gwendal und seinen Entscheidungen sondern Yuuri! Er ist mein König UND mein Verlobter!“ Oh je. So würden die Drei noch am nächsten Morgen hier stehen und sich streiten. Ich konnte aber auch alle drei Parteien gut verstehen. Bis auf das mit dem Verlobtenzeugs und so hatte Wolfram auch Recht. Jemand hatte um Hilfe gebeten und er wollte schnellst möglichst helfen. Aber auch Gwendal hatte Recht. Dies war ein Hilferuf mit wohl jahrelanger Vorgeschichte. Überstürztes und unüberlegtes Handeln hätte die Situation noch verschlimmern können. Regieren ist echt nicht einfach. Und es war eigentlich mein Job und ich war, wie so oft, im entscheidenen Moment nicht da gewesen. Daher war es nun meine Pflicht die zerstrittenen Brüder wieder zu versöhnen. „Also, ihr habt beide Recht! Klar hätte man auf meine Entscheidung warten müssen, aber ich bin grundsätzlich der Meinung, dass wenn jemand um Hilfe ruft, erst Recht wenn es schon mehrfach der Fall war, man sofort helfen sollte. Wenn ich ertrinke, hilft es mir schließlich auch nicht weiter wenn erst drei Wochen später der Rettungsschwimmer ins Wasser springt!“ Ich konnte Conrads Grinsen im Blickwinkel erkennen. „Wie ist denn nun die aktuelle Situation? Gwendal?“ „Im letzten Krieg haben die Amazonen ihr Land verloren. Auf diesem Land steht nun unter anderem dieses Dorf, welches während des Krieges ein Auffanglager für Flüchtlinge war. Nun wollen die Amazonen anscheinend aber, dass die Dorfbewohner verschwinden und sie ihr Land zurückbekommen. Die Dorfbewohner sehen dies aber mittlerweile als ihre Heimat an und wollen nicht weg. Somit fällt auch eine Umsiedlung aus. Zur Zeit hausen die Amazonen in einem Wald wenige Kilometer von hier und jedes Mal, wenn ein Dorfbewohner einer Amazone begegnet, geht anschließend ein Hilfegesuch an uns!“ „Okay. Dann wäre es doch mal am Besten, wenn ich mich mit den Amazonen und den Dorfbewohnern zusammensetze und wir nach einer Lösung suchen, nicht wahr?“, fragte ich in die Runde und stellte zu meiner Erleichterung fest, dass nun auch Wolfram wieder strahlte. „Das habe ich bereits alles für dich arrangiert! Wenn du willst sitzen wir morgen alle zusammen bei der Ältesten des Amazonenstammes am Mittagstisch!“, teilte er stolz mit und ich nickte ihm lächelt zu. „Dann wäre ja nun alles gesagt, nicht wahr?“ Meine Frage wurde mit allgemeinem Nicken beantwortet. „Dann möchte ich jetzt gerne schlafen!“, ich streckte mich. Conrad und Gwendal begaben sich zum Zeltausgang und wünschten uns eine angenehme Nacht. Ich konnte erkennen, dass sich Conrad als Wache neben den Eingang des Zeltes positionierte. Es hatte keinen Sinn jetzt hinaus zu gehen und ihn zu bitten, sich selbst hinzulegen und diese Arbeit einem der Soldaten zu übertragen. Er würde nicht auf mich hören. Also begab ich mich in Richtung Bett. Wolfram folgte mir. Ich entgegnete nichts. Denn zur Abwechslung war dies heute mal sein Bett in dem ich schlief. Und ich muss sagen, dass ich überraschend schnell und sehr gut einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)