Interdependenz Buch 1 von abgemeldet (Die schweigende Lilie) ================================================================================ Kapitel 20: Isolation --------------------- Hilflos saß Luca neben Ayco und sah ihn an. Der Schlag tat zwar nicht wirklich weh, wie die wenigsten Ohrfeigen, aber irgendwo, tief im Verborgenen brach etwas in Luca. Er wusste nur zu gut, dass auch er in Ayco irreparablen Schaden angerichtet hatte, aber allein der Gedanke daran brachte ihn nah an den Rand völliger Verzweiflung, denn dieser Junge würde ihn hassen und verabscheuen und eher verdammen, als ihn je wieder an sich heran zu lassen... Woher aber wusste er es?... Unsicher setzte sich der Magier vor das Bett auf den Fußboden und stützte seine Ellenbogen schwer auf seine Knie. Das Gesicht vergrub er in Händen. Er wollte nicht dass Ayco oder die zwei Drachen etwas von seinen Gefühlen mitbekamen, von seinen Ängsten und dem Schmerz. Tränen sickerten durch seine Finger und fielen zwischen seinen Beinen auf den kalten Steinboden. Er bemerkte es nicht einmal. Sein Verstand hatte andere Wege betreten. Ein Geist, dachte Luca... Sie alle haben einen Geist gesehen. Die beiden Drachen waren verschreckt, Aycolén nur wütend. Hat er überhaupt den Geist gesehen? Luca sah nun doch hoch, zu dem Jungen, der sich völlig zusammengerollt und die Decke über den Kopf gezogen hatte. Luca hörte nichts von ihm. Er wusste aber, dass Ayco nicht schlief. Angespannt belauerte der Junge ihn, ängstlich, dass Luca ihm noch mal etwas vergleichbares antun könnte. Luca musste sich nicht auf das Bewusstsein des Jungen konzentrieren, um das zu wissen. Er spürte es einfach. Und er wusste, dass alles, was er erreicht hatte verloren war. Aycoléns schwaches Vertrauen, diese zaghafte, kleine Flamme, war erstickt, und der Elf würde ihm, wenn überhaupt noch, nur mit eisiger Kälte und Misstrauen begegnen. Hass, Verachtung. Was sollte Luca sagen? Dass es ihm leid tut und er es nicht tun wollte? Nein, sicher nicht. Sein Körper wollte nur zu gerne mit Aycolén schlafen, ihn befriedigen, sehen, wie der Junge Mann auf ihn reagierte, seine Pulsierende Lust in seinen Händen spüren... Aber da war mehr. Viel mehr. Luca wusste, dass er Ayco liebte, wirklich liebte, ihn nicht nur begehrte. Für dieses zerbrechliche Geschöpf würde er alles tun, solang es ihm nur gut ging... gut...? Er verschuldete ja den Zustand in dem sich Ayco befand. Lucas Selbsthass blühte auf, in dem Moment mehr denn je. Er wünschte sich nun nur noch für Ayco dazusein und ihm zu dienen, gleich was geschah. Insgeheim schwor er sich, Ayco immer als stiller Begleiter zur Seite zu stehen, um wenigstens ein wenig davon gut zu machen, was er getan hatte. Er würde es nie ganz schaffen. Nicht wirklich. Aber er wollte es wenigstens versuchen. Wenigstens ließen ihn die beiden Drachen in ruhe. Tambren schlief friedfertig in seinem Hemd und Goldy, sie saß bei Ayco. Luca senkte wieder den Blick und starrte zu Boden. Wenn das alles Stimmte, und er war sich sicher, dass Goldy und Tambren einen Geist gesehen hatten, was wollte dieses Geschöpf von Aycolén? Wollte es ihm schaden oder helfen? "Goldy, meine Kleine, was habt ihr gesehen? Bitte, lass mich zugriff auf Dein Wissen, dein Gedächtnis, nehmen..." Sie krabbelte über die Decken des Elfen zu Luca und sah traurig über den Rand zu Luca. "Er denkt, du hast ihn vergewaltigt," sagte sie leise, zusammenhangslos. Luca antwortete im ersten Moment nicht darauf. Er senkte nur noch weiter den Blick, ernst, traurig. In ihm tobte der Schmerz. Etwas zeriss seien Seele, zerrte seien Gefühle ans Licht und zerstörte ihn Stück um Stück. "Ja, Goldy. Vielleicht liegt das näher an der Wahrheit als alles sonst. Vielleicht habe ich wirklich etwas vergleichbares getan..." "Aber du hast doch nur mit dem weiter gemacht, was ihm gefiel...!" Tränen rannen über ihre roten Schuppenwangen... "Lass gut sein, suche nicht einer Entschuldigung," murmelte er. "Ich habe alles zerstört..." Sie sah ihn plötzlich grimmig an. "Das ist wieder typisch! Du akzeptierst einfach alles, nimmst alles hin, ohne vielleicht darüber nachzudenken, dass du nie einen anderen vergewaltigen würdest! Du könntest das gar nicht. Jemand, der schon so oft, über Jahrzehnte hin vergewaltigt wurde wie Du würde es nie selbst tun!!!" Luca sah sie nur still an. Er wollte etwas sagen, wollte sich irgendwie rechtfertigen für etwas, was keiner Rechtfertigung bedurfte... Doch alter Wunden, von Goldy angesprochen platzten langsam wieder auf. Wortlos senkte er nur den Kopf und begann seine Vergangenheit erneut, mühsam einzumauern, in der Hoffnung, sie würde nie wieder aufreißen. Tambren regte sich leicht in Lucas Hemd... Aber er erwachte nicht. Luca umklammerte den kleinen blau geschuppten Drachen und kuschelte sich an ihn. Damals gab es keinen Tambren, der für ihn da war, keine Goldy, die ihn immer wieder ermahnte, sich nicht aufzugeben. Luca schloss die Augen und senkte den Kopf ganz, legte ihn auf die Knie und begann still zu weinen. "Denkst Du daran, dass sie Dich vergewaltigt haben...?" fragte Goldy leise, mitleidig. "Wenn dann tut wes mir leid, das ich davon angefangen habe." Luca sah nach einigen Sekunden auf, lächelte unter Tränen und streichelte dem roten Drachen über den Kopf. "Mein kleines Mädchen," murmelte er. "Ich bin im Moment völlig unwichtig. Er ist mir wichtig, Goldy, niemand anderes. Nur dieser schöne, zerbrechliche Junge..." Langsam, schwerfällig erhob sich Luca. Goldy sah ihm nachdenklich nach. So erschöpft und hoffnungslos kannte sie Luca gar nicht. Er schien kaum die Kraft zu haben, sich bis zu dem etwas entfernt stehenden Diwan zu schleppen, die Kerzen zu löschen... Dann brach er daneben weinend zusammen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)