Christmas Heart von Ran34 ================================================================================ Kapitel 1: Nearly December -------------------------- „Liam?! Hast du schon wieder meine Schere und meinen Kleber?“, es klopfte an der Tür und der Schwarzhaarige konnte deutlich seine kleine Schwester schnaufen hören. „Liam… ich brauch das für die Schule. Besorg dir doch selber was.“ Grummelnd stand er mit der Schere und dem Kleber auf und ging zur Tür. Bei jedem Schritt klimperten die Ketten an seiner schwarzen Hose und seinem schwarzen Pullover. Die Hand mit den schwarz lackierten Fingernägeln griff zum Schlüssel in der Tür und drehte diesen herum. Als sich seine Zimmertür öffnete, stand seine achtjährige Schwester, die Hände in die Hüfte gestemmt vor ihm und hielt schließlich ihre Hand auf. Seufzend übergab er Schere und Kleber: „Meine Schere ist zu stumpf und meine Klebe ist leer. Ma will mir keine neue kaufen, weil sie meint, ich sei zu alt dafür.“ „Bist du ja auch. Außerdem sind das meine Sachen. Ich klau dir ja auch nicht deinen Nagellack.“ „Doch, das hast du auch schon gemacht.“, schnaubte er. „Das eine Mal.“ „Bitte Lucy, ich will nur noch eine Sache fertig machen und du bekommst die Sachen gleich wieder.“ „Ich brauch sie aber jetzt, ich will meine Hausaufgaben machen.“, damit war das letzte Wort gesprochen. Seine Schwester drehte sich schwungvoll um, wie immer, wenn sie sich Zöpfe gemacht hatte, sodass die brünetten Strähnen zum Schlag ausholten. Er sah der Kleinen noch hinterher, bevor er seine Zimmertür wieder schloss und sich auf den Fußboden setzte. Der erste Advent rückte näher und er wollte doch noch diesen Stern fertig basteln, um ihn an sein Fenster zu hängen. Außerdem war da noch der Weihnachtsmann für seine Tür. Seufzend räumte er die Pappen wieder weg und setzte sich an seinen Schminktisch. Er sah in den Spiegel, während er die schwarzen Lidstriche wegwischte und auch den schwarzen Lippenstift entfernte. Anschließend nahm er die weißen Kontaktlinsen heraus und setzte seine Brille auf, sodass er sich nun durch grüne, statt weiße Augen anschaute. Seine kinnlangen Haare streichelte er hinters Ohr und betrachtete sich selbst. Wenn er sich die beiden ringförmigen Lippenpiercings, das Piercing am Ansatz seiner Nase, fast zwischen den Augenbrauen, sein Nasenpiercing und die unzähligen Ohrringe wegdachte, dann sah er aus, wie jeder andere. Plane Jane, wie sie es bei Viva so schön nannten. Er liebte sein Gothicaussehen, auch wenn er mit seinem normalen Aussehen auch gut klarkam, allerdings machte ihn diese Maske ein wenig selbstbewusster und er fand, dass er dann nicht mehr so feminin aussah. Er hörte immer wieder die verächtlichen Sprüche seiner Mutter über homosexuelle, etwas, was ihn sehr verwunderte, wenn man bedachte, dass sie im Gegensatz zu manch anderen Eltern mit dem Gothicstil sehr gut klarkam. Er ließ seinen Blick durch sein Zimmer schweifen, alles war ordentlich verstaut, sein Zimmer wirkte fast ein wenig steril, doch es durfte nicht anders sein, wenn er nicht wollte, dass seine Mutter eine Ahnung von seinen Neigungen bekam. Liam zog sich seinen Schlafanzug an und setzte sich vors Fenster. Von dem mehrstöckigen Gebäude aus, konnte er in viele Wohnungen sehen, erkannte, dass viele bereits ihre Weihnachtsdekorationen an den Fenstern angebracht hatten. Es war ja auch nur noch eine Woche bis zum offiziellen Weihnachtsbeginn. Das einzige, was ihn am Winter störte, war die Tatsache, dass er morgens immer so schlecht aus dem Bett kam. Seine Ma war immer schon weg, wenn sie aufstehen mussten, sodass er für seine Schwester verantwortlich war. Irgendwann konnte der Schwarzhaarige sich vom Fenster und der Melancholischen Nacht losreißen und krabbelte in sein Bett. In der Biberbettwäsche und dem Flanellbettlaken schlief er jedes Mal aufs Neue wie ein Baby. Am nächsten Morgen stand er, wie immer um 6 Uhr auf und weckte seine Schwester. Er ging duschen, machte sich fertig und frühstückte mit der Kleineren, die schon früh gelernt hatte sich selbst für die Schule fertig zu machen. Anschließend fuhr er sie zur Schule und wünschte ihr einen schönen Tag, ehe er sich auch schon auf den Weg zu seiner ersten Vorlesung befand. Mikrobiologie stand bei ihm auf dem Plan. Seine Mutter dachte noch heute, dass er etwas im chemischen oder biologischen Bereich studierte, was ja auch nicht ganz verkehrt war, allerdings hatte er das kleine Detail ausgelassen, dass er in Wahrheit Kosmetologie studierte. Etwas, was ihn einfach faszinierte. Noch immer wurde er von vielen mit abschätzigen Blicken angesehen, aber das störte ihn nicht sonderlich. Auch nicht, dass er der einzige Junge in seinem Studiengang war. „Oh man, wenn ich deine Nägel sehe, könnte ich kotzen. Guck dir mal meine an, wie bekommst du das nur immer so hin?“, fragte die Blondine, die sich schnaufend neben ihn in die dritte Reihe des Hörsaals setzte. „Übung und Wattestäbchen mit Nagellackentferner?“ „Hilft bei mir alles nicht. Ich hab den Scheiß überall, aber nicht auf den Nägeln.“ „Jetzt übertreib mal nicht.“, ja, Jamie amüsierte ihn immer wieder aufs Neue. Sie hatte eine große, freche Klappe und Vorurteile waren an ihr scheinbar spurlos vorbeigegangen. „Und? Was gibt’s neues?“ „Ich muss in die Stadt und mir eine neue Schere und ein paar Klebestifte kaufen. Kommst du mit?“ „Hast du mal wieder eine Bastelorgie vor?“ „Ja, aber verrats keinem. Vielleicht bekomme ich ja auch noch ein paar Glitzergelstifte.“ „Oh man… Liam, wann rafft deine Alte endlich, dass du schwul bist?“ „Hoffentlich nie.“, schnaubte er leise. „Sei nicht traurig, Schnucki. Ich lad dich nachher zum Kaffeetrinken ein. Und nun richte deine weißen Glubscher grade aus, der Prof ist da.“, sie drehte seinen Kopf nach vorn, was ihn leise lachen ließ. Mit einer besten Freundin wie Jamie, konnte man die ganzen komischen Blicke mehr als nur gut ertragen. Die Vorlesung zog sich mal wieder wie Gummi in die Länge, auch wenn die dargestellten Krankheiten und ihre Verläufe durchaus interessant waren. Es war nur ein kurzer Interkurs, doch es gefiel ihm trotzdem etwas über diese Krankheiten zu erfahren. Als sie schließlich in die Freiheit entlassen wurden, harkte Jamie sich bei ihm unter und sie schlenderten gemütlich in die Stadt. Er wusste, dass sie wirklich ein komisches Bild abgeben mussten. Bei dem Vergleich mit: Die Schöne und das Biest begann er leise zu lachen. „Worüber lachst du?“ „Naja, wenn die Leute uns angucken, dann denken sie sicherlich an die Schöne und das Biest.“ „Man, ich weiß, dass ich mal wieder zu sehr in den Farbtopf gegriffen habe, aber wie sollte ich sonst die fetten Augenringe überdecken?“, wieder musste er leise lachen. Das war noch so etwas, was er an Jamie liebte. Wäre er nicht schwul, würde sie wohl seine feste Freundin sein. „Hey, ich wollte dich fragen, ob ich dich für eine Fotostrecke benutzen darf.“ „Uhm… was genau hast du vor?“, fragte er skeptisch, während er die Scheren im Schreibwarenladen betrachtete und sich eine günstige, aber scharfe aussuchte. „Keiner wird erkennen, dass du das bist. Ich werde dich ein wenig schminken, deine Haare machen und mit deinen Piercings spielen.“ „Soll das ne Anmache sein?“, Liam lachte leise und griff sich drei Klebestifte und eine Tube Flüssigkleber, bevor sie sich an die Kasse stellten. „Oh ja, Liam. Du weißt doch, dass ich immer scharf darauf bin, an dir herumzufummeln.“, raunte Jamie ihm zu und kniff ihm in den Hintern. In diesem Moment sah er sie wohl einen Moment lang genauso schockiert an, wie die Kassiererin, die sich von dem Anblick der beiden räuspernd losriss und dann alles kassierte. Eilig bezahlte der Schwarzhaarige und verschwand dann mit Jamie aus dem Laden. Sobald sie wieder an der frischen Luft waren, begannen beide lauthals zu lachen. Während sie weiter durch die Stadt schlenderten, wuchs die Anzahl der Taschen in Liams Hand merklich, sodass seine Füße wehtaten, als sie endlich in ihrem Stammcafé ankamen. Erschöpft ließen sie sich auf einer der bequemen Eckbänke nieder. Sie schafften es grade mal ihre Jacken auszuziehen, als auch schon eine Bedienung auf sie zutrat: „Was kann ich euch Hübschen bringen?“ Verdutzt sah Liam auf. Das war eindeutig ein neues Gesicht in diesem Café. Während er den jungen Mann an ihrem Tisch noch musterte, schwatzte Jamie schon drauf los: „Ich hätte gern einen doppelten Espresso und kann man dich auch zum Mitnehmen bestellen?“ „Nein, tut mir leid, ich stehe nicht auf der Speisekarte, aber den Espresso bring ich dir gern.“, der Rothaarige lachte und schüttelte den Kopf, während er die Bestellung aufschrieb. „Schade… naja, ich hab ja noch meinen Freund.“, lachte Jamie nach einem theatralischen Seufzen. „Und was kann ich dir bringen, hm?“ Der Schwarzhaarige wurde ein wenig durcheinander gebracht, da er sich noch wunderte, wo Herr Müller war. „Ich… uh… ich nehme einen mittelgroßen Milchkaffee mit Schokolade.“ „Alles klar, kommt sofort.“, schon ging der Rotschopf wieder hinter den Tresen und bereitete die Bestellungen zu. „Na? Ist er dein Typ?“ „Mein Typ?“, fragte er verdattert. „Man, Liam. Du guckst ihn an und plötzlich haste einen Knoten in der Zunge.“ „Nein, das… das hast du falsch verstanden, Jamie. Ich habe mich grade gefragt, wo Herr Müller ist, wenn er jetzt hier den Laden schmeißt.“ „Mein Name ist Joy. Herr Müller ist mein Großonkel. Er macht seinen lang verdienten Urlaub, kommt aber in drei Wochen wieder.“, erklärte Joy, während er mit flüssigen Bewegungen die Tassen vor den beiden abstellte. „Und wie heißt ihr?“ „Ich bin Jamie und das ist Liam, wir studieren Kosmetologie.“, plapperte die Blondine sogleich drauf los und Liam konnte nicht anders, als sich übers Gesicht zu fahren. Es war eine Sache, dass er es studierte, doch eine ganz andere, wenn seine beste Freundin es überall heraus posaunte. „Oh… du auch? Das hätte ich jetzt nicht vermutet, eher etwas im Bereich Psychologie oder Kunst vielleicht.“ „Es ist ja irgendwie eine Form von Kunst.“, erinnerte Liam ihn. „Stimmt, da hast du Recht. Naja, lasst euch den Kaffee schmecken, ich muss weiter arbeiten.“, verabschiedete der Rotschopf sich und bediente die anderen Gäste. In der Zwischenzeit stellte Liam seinen Handywecker, damit er die Zeit nicht vergaß, immerhin musste er seine Schwester heute noch von der Schule abholen. „Hey, ich treff mich in einer halben Stunde mit meinem Freund, kommst du hier alleine klar?“ „Ja, ich bin schon groß, weißt du?“, sie lächelte ihn darauf hin kopfschüttelnd an und trank ihren Espresso. Er würde wohl nie verstehen, wie sie das Zeug auch nur in ihren Mund lassen konnte, aber jedem das seine. Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis Jamie los musste. Sie zog sich an und stand auf, bevor sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte und ihren Lipgloss von seiner Wange wischte, oder mehr, was davon übrig war. „Pass auf dich auf, Kleiner und denk an das Shooting. Donnerstag nach der Uni.“ „Alles klar, bis dann und viel Spaß mit deinem Freund.“ „Keine Angst, den werd ich haben.“, lachte sie und winkte ihm noch einmal, ehe sie ihre Kaffees bezahlte und aus dem Laden verschwand. Er brauchte immer ein bisschen länger für seinen Kaffee, aber dass er nun hier alleine saß, störte ihn nicht. Er holte einen Bleistift hervor und packte einen Teil seiner Einkäufe aus, bevor er zu zeichnen und zu schneiden begann. Plötzlich nahm ihm gegenüber jemand Platz und er sah verwundert auf, als ihm auch schon von Joy ein Zettel in die Hand gedrückt wurde. Er überflog die Zeilen und sah sein Gegenüber verwirrt an: „Was ist das?“ „Eine Aktion, die wir vom Café aus haben. Wir sammeln altes, aber gutes Spielzeug, verpacken es und verschenken es weiter. Das Wochenende vor Weihnachten und an Weihnachten verteilen wir dann die Geschenke an Waisenhäuser und teilweise auch in Krankenhäusern.“ „Klingt nach ner guten Sache, aber was soll ich damit?“ „Wir brauchen noch einen Weihnachtsmann. Wir würden dich natürlich bezahlen.“, versicherte Joy ihm, doch Liam sah ihn nur ungläubig an. „Du hast mich aber schon mal angeguckt, oder? Wenn ich da als Weihnachtsmann auftrete, denken die Kinder es ist Halloween.“, schnaubte er. „Klar, du musst dann die Kontaktlinsen und die Piercings zu Hause lassen, aber was spricht dagegen dich zu nehmen?“ „Warum machst du das nicht?“ „Ich steh nicht so auf Weihnachten…“ „Und woher willst du wissen, dass ich das tue?“, fragte Liam schnaubend, errötete jedoch, als der Rothaarige auf seine Bastelutensilien deutete. „Maah~ Okay, ich mag Weihnachten, aber deshalb bin ich noch lange kein Weihnachtsmann.“ „Du musst dich nicht sofort entscheiden. Gib mir Freitag Bescheid, damit ich sonst noch nach jemand anderem Ausschau halten kann, okay?“ „Okay.“, nickte der Schwarzhaarige, als auch schon sein Handy klingelte. Seufzend packte er seine Sachen zusammen und verließ dann den Laden. Schnurstracks ging der auffällige, junge Mann zu seinem schwarzen Ford Ka. Ja, er hatte einen Ford Ka, aber er war mit seinen 1,75 m auch kein großes Exemplar eines Mannes, also passte er sehr gut in das niedliche Auto. Er stieg ein und schaltete das Radio ein, bevor er den Motor startete und den Wagen auf die Straße lenkte. Liam hielt direkt vor der kleinen Grundschule, die seine Schwester seit drei Jahren besuchte. Während seine Augen über den Schulhof schweiften und nach der Brünetten Ausschau hielten, verzogen sich seine Lippen zu einem feinen Lächeln, als zum ersten Mal wieder Last Christmas gespielt wurde. Ja, dieser Song erinnerte alle daran: Bald begann die Weihnachtszeit. Man konnte einfach nicht umhin es zu bemerken, selbst wenn man den Song nicht mochte oder ein Weihnachtsmuffel war. Liam wurde aus seinen Gedanken gerissen, als seine kleine Schwester auf ihn zugeeilt kam und schließlich auf der Beifahrerseite einstieg und hinten Platz nahm. Sie fuhren nach Hause und unterhielten sich über ihren Tag. Sie mochten sich zwar manchmal hassen, aber eines stand fest: Ob ihres Altersunterschiedes hielten sie doch zusammen, wie Pech und Schwefel. So auch heute, als sie mal wieder nur eine Nachricht neben dem Essen fanden, das Liam schließlich für sie aufwärmte. Schweigend kauend saßen die Geschwister Kastenhase am Esstisch in der kleinen Küche, bis der Ältere das Schweigen brach: „Wir backen heute Kekse.“ „Man, Liam, bis Weihnachten ist es noch ein bisschen hin.“ „Nächstes Wochenende beginnt offiziell die Weihnachtszeit. Du könntest die Kekse mitnehmen und wärst die erste, die sagen kann, dass sie selbstgebackene Kekse dabei hat.“ „Hmmm… okay. Machen wir Zimtsterne?“ „Ja, meinetwegen auch Zimtsterne.“, sagte der Schwarzhaarige nickend und lächelte, als seine Schwester aufsprang und in ihr Zimmer rannte, um kurze Zeit später mit einem Rezept in der Hand wieder in die Küche zu kommen. Er besah sich das Rezept und nickte. Sie sollten noch alles da haben. Mit einer große Backorgie verwandelten sie so am Nachmittag einen grauen Novembertag in eine weihnachtliche Weihnachtsbäckerei, die sogar ihre Mutter ansprach, als sie heim kam und den herrlichen Duft vernahm. Kapitel 2: Advent, Advent... ---------------------------- Erschöpft kam Carolin Kastenhase am Samstagabend nach Hause, zog sich ihre Schuhe von den schmerzenden Füßen und legte Mantel und Schal ab. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es nicht so dunkel im Flur war, wie sie es gewohnt war. Sie richtete sich auf und sah sich um, nur um verwundert festzustellen, dass ihre Kinder den Flur geschmückt hatten. Sich weiter umsehend, erkannte sie, dass auch das Wohnzimmer und die Küche geschmückt waren. Mit einem erschöpften Lächeln klopfte sie an die Türen ihrer Kinder, die fast simultan geöffnet wurden. Sie zog die beiden an sich und schloss sie in ihre Arme: „Danke… es tut mir leid, dass ich momentan so viel arbeite.“ „Schon gut. Es hat uns Spaß gemacht die Wohnung zu schmücken.“, sie konnte gar nicht sagen, wie dankbar sie in diesem Moment für ihren Sohn war, der sich nicht trotzig in seinem Zimmer einschloss, sondern ihr unter die Arme griff und sich so gut um seine Schwester kümmerte. „Ich habe mir zwischen Weihnachten und Neujahr frei genommen. Wir könnten alle zusammen auf den Weihnachtsmarkt gehen und Feuerwerk kaufen.“, schlug sie vor, woraufhin ihre beiden nickten. „Es ist das erste Adventswochenende… wie wäre es, wenn wir uns auf die Couch setzen und einen Film gucken?“ „Ich hol die Kekse.“, verkündete Lucy und war auch schon in der Küche verschwunden. Leise lachend gingen Liam und Carolin ins Wohnzimmer, zündeten die Kerzen an und machten eine DvD an. Am späten Abend war Lucy auf der Couch eingeschlafen, Kekskrümel auf ihrem Oberteil und in ihrem Gesicht. Liam stand auf und hob das kleine Krümelmonster hoch. Er trug sie in ihr Bett und deckte sie zu, ehe er das Zimmer verließ. Er wünschte seiner Mutter noch eine gute Nacht und verschwand dann in seinem Zimmer. Solche Abende, wie heute hatten sie nur noch selten. Er hatte sich schon oft Aushilfsjobs gesucht und versucht seiner Mutter etwas zur Haushaltskasse beizusteuern, doch sie weigerte sich das Geld anzunehmen. Ihr schien nicht klar zu sein, dass Liam und Lucy alles tun würden, damit sie etwas mehr von ihrer Mutter hatten, auch wenn sie nicht immer einfach war. Gedankenverloren sah der Schwarzhaarige wieder mal aus dem Fenster. Merklich mehr Weihnachtslichter leuchteten in den Fenstern und priesen die Weihnachtszeit an. Das Einzige, was er sich jetzt noch wünschen würde, wäre ein Freund, der mit ihm hier säße und in die kalte Nacht schauen würde. Liam merkte erst, wie spät es geworden war, als der plötzlich leicht fallende Schnee ihn aus seinen Gedanken riss und er auf die Uhr schaute. Es war eindeutig Zeit für ihn ins Bett zu gehen. Seufzend setzte er seine Brille ab und legte sich ins Bett. Noch ein wenig aus dem Fenster sehend, schlief er irgendwann in der warmen Biberbettwäsche ein. Am nächsten Morgen tapste er mit wirren Haaren und noch merklich verschlafen durch sein Zimmer, als plötzlich etwas an seinem Fuß kleben blieb. Verwirrt sah er hinab und erkannte, dass wohl ein Zettel von seinem Schreibtisch geweht sein musste. Den Zettel von seinem Fuß lösend faltete er diesen auf und betrachtete ihn eine Weile nachdenklich, bevor er leise fluchte. Er hätte Joy am Freitag Bescheid geben sollen, ob er den Job haben wollte. Seufzend legte er den Zettel wieder ordentlich auf seinen Schreibtisch und ging ins Bad. Während er langsam gänzlich erwachte und mit gemachten Haaren auch schon merklich frischer aussah, entschloss er sich den Job anzunehmen. Was hatte er schon zu verlieren? Liam ging zurück in sein Zimmer, holte sein Handy hervor und schrieb Joy eine SmS, in der er sich entschuldigte, dass er sich nicht früher gemeldet hatte und bestätigte, dass er den Job haben wollte. Das Handy in seiner Schlafanzugshose verschwinden lassend, schlurfte er in die Küche und setzte sich grade zu seiner Familie an Tisch, als er zusammenzuckte, da das kleine Gerät vibrierte. Er schreckte kurz hoch und holte das Handy hervor, ehe er las: Ich hatte schon befürchtet, du hättest es vergessen… Hast du heute Zeit vorbeizukommen, um alles zu besprechen? Bin im Laden. „Von wem ist das?“, fragte seine Mutter neugierig, während Liam schon am Antworten war. „Ein Kumpel, er fragt, ob ich heute vorbeikommen will, um mit ihm zu lernen.“ „Oh! Du hast einen neuen Freund gefunden? Das ist ja super.“ „Mhm. Er arbeitet in dem Café, in dem Jamie und ich immer abhängen.“ „Schön, geh nur. Wenn ihr zusammen lernt, dann finde ich das gut.“, sagte sie lächelnd. „Okay. Ich muss in einer Stunde los. Brauchst du noch irgendetwas? Soll ich etwas vom Weihnachtsmarkt mitbringen? Er wohnt in der Stadt.“ „Nein, nein, schon gut.“, winkte Carolin ab. „Kannst du mir Schoko-Weintrauben mitbringen?“, fragte seine Schwester daraufhin bettelnd. „Klar, mach ich, kein Ding. So, jetzt muss ich aber Frühstücken und michfertig machen.“, gesagt getan. Zwei Stunden später befand er sich in dem kleinen Café, ein Kakao in seiner Hand, gegenüber von Joy sitzend. „Super, dass du es so schnell geschafft hast.“ „Kein Ding, ich hatte eh nichts vor… aber… hätte der Laden nicht schon längst geschmückt sein sollen?“ „Ich steh nicht so aufs Schmücken. Weihnachten ist für mich ein Tag, wie jeder andere.“ „Das wird deinem Großonkel nicht gefallen, der hat immer den ganzen Laden total toll geschmückt.“, da war Liam sich wirklich sicher, zumal die Kunden Weihnachten hier wegen der tollen Atmosphäre häufiger herkamen. „Wo sind die Sachen? Im Keller?“ „Ich glaube schon, da müsste ich suchen.“ „Komm, ich helfe dir, sonst wird das bis Weihnachten nichts.“, frustriert seufzend zeigte Joy Liam den Keller und durchsuchte mit ihm Karton um Karton, bis sie schließlich fündig wurden. Zu zweit schleppten sie die schweren Kisten in den Laden, vier an der Zahl. Joy fragte sich ernsthaft, was man mit so viel Schmuck machten sollte, doch als Liam so ungehindert einfach loslegte, ging er ihm zur Hand. Zunächst hängten sie Plastiktannengirlanden auf, wodurch Joy immer mal wieder einen Blick auf den nackten Bauch oder Rücken und den wohlgeformten Hintern des Gothic bekam. „Du bist gar nicht so blass, wie ich vermutet hatte.“ „Es war ein guter Sommer, da bin ich ordentlich braun geworden, das hält bei mir immer ne Weile vor, auch wenn mein Gesicht meist nicht so braun wird.“ „Hast du`s gut. Ich werde immer nur Krebsrot.“, meinte der Rotschopf leise seufzend. Er wühlte in einer der Kisten und nahm einige Sterne und Engel heraus, ehe er diese nach und nach an den Girlanden anbrachte und irgendwie sogar ein wenig Spaß daran hatte. Er merkte nicht einmal, wie er von dem Schwarzhaarigen beobachtet wurde. Liam war froh, dass Joy endlich ein wenig Freude am Schmücken fand, da das Ganze so viel mehr Spaß machte. „Wie wäre es, wenn du ein paar Fensterbilder bastelst? Wir könnten sie hier aufhängen.“ „Uhm… meinst du? Ich weiß nicht recht.“ „Doch, die gefallen den Kunden bestimmt.“, versicherte Joy ihm, woraufhin Liam sich seufzend ergab und versprach ein paar Bilder zu basteln. „Oh man, ich hab Hunger… wie wäre es, wenn ich uns etwas zum Essen hole? Auf was hast du Lust?“ „Chinesisch?“ „Klingt gut. Machst du hier weiter? Ich gehe schnell zum Chinesen und hole uns etwas zum Essen. Irgendetwas, was du speziell möchtest?“ „Irgendetwas mit Geflügel, ich steh nicht so auf Rind und Schwein.“ „Alles klar, bis gleich.“, schon verschwand der Grünäugige aus dem Café und holte für sie etwas vom Chinesen. Gemeinsam setzten sie sich schließlich hin und aßen gemütlich ihr Mittagessen. „Sag mal… warum bist du eigentlich so ein Weihnachtsmuffel?“ „Ich schätze, weil meine Eltern in der Regel auch an Weihnachten gearbeitet haben. Es war ein Tag, wie jeder andere. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass sie mich mit ihren Geschenken kaufen wollten.“ „Oh… arbeiten deine Eltern sehr viel?“ „Ja, sie haben sich scheiden lassen und haben schon wieder neue Partner, aber es hat sich irgendwie nichts geändert, deshalb wollte ich eigentlich nur weg von zu Hause. Ich warte momentan noch auf einen Studienplatz hier an der Uni und arbeite solange bei meinem Großonkel.“ „Was willst du denn hier studieren?“ „Englisch und Religion auf Lehramt.“ „Oh! Wirklich? Du willst Lehrer werden?“ „Ja, ich würde gern Kinder unterrichten. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob in der Grundschule oder auf einer weiterführenden Schule.“ „Ich glaube, ich hätte nicht die Geduld dafür, aber ich bewundere Leute, die so etwas machen wollen oder machen. Ich lebe ja mit meiner kleinen Schwester und wir haben so eine Art Hassliebe entwickelt… vielleicht wird unser Verhältnis besser, wenn sie älter wird.“, Liam zuckte mit den Schultern und schob sich einen weiteren Bissen in den Mund. „Wie alt ist sie denn?“, fragte Joy interessiert, da er selbst ein Einzelkind war und keine Ahnung hatte, wie es war ein Geschwisterchen zu haben. „Acht. Wir zanken uns oft, aber ich habe meine kleine Schwester schrecklich lieb und mag mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Unsere Mutter arbeitet zwei Jobs, aber sie hat sich dieses Jahr über Weihnachten frei genommen. Allerdings haben wir keinen Vater on top, der dann für uns da ist.“ „Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“, irgendwie hatte er das Gefühl da in ein dickes Fettnäpfchen getreten zu sein, dabei versuchte er nur ein wenig mehr über den piercinggespickten Mann herauszufinden. „Schon okay, wir kommen gut zurecht. Sag mal, wegen dem Job… wir müssten da noch Zeiten und so absprechen.“ „Das machen wir, wenn mein Großonkel da ist, wir könnten aber nach und nach schon anfangen die gespendeten Spielzeuge zu sortieren und zu verpacken.“ „Die Kuscheltiere sollten wir nochmal waschen. Ich bin kein Fan von Milben und Ähnlichem. Seit meinem Studium bin ich, was das angeht merklich empfindlicher.“ „Ich dachte, du studierst Kosmetikologie.“, sagte er leise lachend. „Kosmetologie und ich habe Mikrobiologie und ähnliche biologischen Fächer, sowie Chemie. Viele unterschätzen das Studium.“, sagte Liam leise schnaubend, da es doch dieselbe Reaktion war, die er darauf immer wieder bekam. „Sorry… ich wollte dich nicht verletzen und du hast recht, wir sollten die Kuscheltiere nochmal waschen.“, bestätigte er nickend und fühlte sich ein wenig schlecht, als sie schweigend weiteraßen. War heute der Tag der Fettnäpfchen? Scheinbar… „Soll ich sie in den Waschsalon bringen? Oder wäschst du sie zu Hause?“ „Hmm… wenn es dir nichts ausmacht, wäre das echt super.“ „Es macht mir nichts aus, wenn ich einen Kaffee dafür bekomme.“, Liam schmunzelte, bevor er seinen Teller leerte. „Klar, kein Ding.“ „Sag mal… wenn ich der Weihnachtsmann bin… bekomme ich dann auch ein Rentier oder einen Weihnachtselfen?“, fragte er interessiert und funkelte sein Gegenüber an. „Nein… Nein! Denk nicht mal dran, das kannst du sowas von knicken.“ „Oooch, warum das denn?“, fragte Liam grinsend. „Weil ich nicht dein verdammter Elf oder irgendein doofes Rentier sein werde.“ „Schade.“, Liam war ein wenig über sich selbst überrascht, denn wenn er es nicht besser wusste, würde er sagen, dass er hier tatsächlich Anstalten machte zu flirten. Der Blick seines Gegenübers wollte diese Vermutung auch noch bestätigen. Wusste Joy etwa, dass er schwul war? War Joy vielleicht auch schwul? Mein Gott, was dachte er da? Nur weil ein hübscher Kerl mal nett zu ihm war, dachte er gleich, dass dieser schwul war. Er musste dringend an solchen Wahnvorstellungen arbeiten. Zumal er scheinbar ohne Radar geboren wurde, das ihm sagte, ob jemand ebenfalls schwul war oder doch total auf Frauen stand. Sie schmückten gemeinsam noch das Café, sodass es in weihnachtlichem Glanz erstrahlte, ehe sie sich verabschiedeten. So viel Spaß, wie heute hatte Liam schon lange nicht mehr gehabt. Er warf noch einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter und sah zum Café, bevor er sich zu seinem Auto begab und mit dem kleinen Ford Ka durch die Dunkelheit der Straßen fuhr. Es war schon ziemlich kalt, wie er fand, doch noch fehlten Schnee und Eis. Allerdings sagte die Wetterfee im Radio für das nächste Wochenende Schnee voraus, auch wenn dieser nicht liegen bleiben sollte, aber immerhin wäre es Schnee. Liam freute sich jetzt schon darauf. Seinen kleinen Wagen in seiner Garage abstellend, stieg er aus und schloss die Tür zu dem Häuschen seines kleinen Autos, ehe er die Strecke bis zur Haustür lief. Er schloss sie auf und eilte die Treppen bis in den dritten Stock hinauf, wo sich ihre Wohnung befand. Selbst im Treppenhaus fand man hier und dort schon Weihnachtsdeko. Er wusste einfach, warum er diese Jahreszeit ebenso liebte, wie den Sommer. Die Tür zu ihrer Wohnung aufschließend verschaffte er sich schließlich Zutritt und schloss die Tür hinter sich wieder ab. Den restlichen Abend des ersten Advents verbrachte er mit seiner kleinen Familie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)