The Son von Fay_Fee (Der etwas andere Nebenjob) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- „Meine Damen und Herren, der Flug CH1309 nach Tokyo, Japan ist nun bereit. Wir bitten die Passagiere der Economyclass, mit Sitzplätzen in den hinteren Reihen zuerst an Bord zu kommen. Bitte halten sie ihre Bordkarten und Ihre Ausweise bereit. Ladies and Gentleman...“ Immer noch sichtlich müde, stand Ryu auf, nahm seinen karierten Rucksack und seine Jacke und schlenderte hinter den anderen Passagieren her zum Boarding Schalter. Die Stewardess überprüfte seinen Pass und seine Bordkarte. Dann riss sie den markierten Teil mit den Sitzplatzinformationen ab und gab ihm diesen, zusammen mit dem Pass zurück. „Einen angenehmen Flug wünsche ich Ihnen. Der nächste, bitte.“ Gähnend lief Ryu den langen, kalten Weg zum Flugzeug entlang. Vor ihm standen bereits einige Gäste, die bereits genervt darauf warteten ins Flugzeug zu steigen. Er reckte den Hals um zu sehen, was vor ihm los war. In der Tür versuchten zwei Stewardessen ruhig einen Fluggast zu beruhigen. „Wie ich so was hasse!“, grummelte jemand hinter ihm. Ein Mann mittleren Alters, groß im schicken Anzug, sein Blackberry noch in der Hand, schaute wütend in die wartende Menge. Ryu zuckte mit den Schultern. „Solche Leute gibt es doch immer, da kann man leider nichts machen.“ Endlich ging es weiter. Als Ryu vorne stand zeigte er der Stewardess den Rest seiner Bordkarte. „Reihe 31, Platz C. Hinten durch, auf der linken Seite. Sie sitzen am Fenster. Einen angenehmen Flug wünsche ich noch, Sir.“ An seinem Platz angekommen, packte er seine Jacke ordentlich nach oben ins Gepäckfach und setzte sich. Mit seinen 1,90m hatte er kaum Freiraum an den Beinen. Seine Knie drückten gegen den hochgeklappten Tisch am Rücken des Sitzes vor ihm. Er merkte, wie sich neben ihm jemand in den Sitz fallen ließ. „War klar, dass Rogers, der alte Geizhals, nur Holzklasse gebucht hat!“ Es war der Herr mit dem Blackberry, der zuvor hinter ihm gestanden hatte. Aufgeregt beschwerte er sich am Telefon bei jemandem. Ryu hörte sich etwa fünf Minuten lang an, wie der Mann am Telefon sich lauthals über Rogers und Taylor und zig andere Leute aus seiner Firma beschwerte, als er entschied, sich seinen MP3 Player in die Ohren zu stecken und Musik zu hören. Nach einiger Zeit tippte ihm jemand auf die Schulter. Als er sich umdrehte, schauten die Stewardess von Eingang und der Mann mit dem Blackberry ihm an. „Verzeihung Sir, aber während des Starts müssen alle elektronischen Geräte ausgeschaltet werden. Und bitte schnallen sie sich an, wir fliegen in kürze los.“ Genervt packte Ryu den Player in seine Hosentasche. Auch der Mann mit dem Blackberry tippte etwas schroff auf den Tasten herum. Als das Display aufhörte zu leuchten schob er es ebenfalls in seine Hosentasche. Dann drehte er sich zu Ryu um. „Ziemlich nervig, aber was soll man machen.“ Ryu zuckte mit den Schultern. Dann wurde es etwas lauter im Flugzeug. Der Pilot hatte die Düsen angemacht. Während das Flugzeug Rückwärts von seiner derzeitigen Parkposition rollte, machten die Stewardessen ihre üblichen Ansagen. Es war 2.30Uhr am Morgen. Sie würden fast vierzehn Stunden fliegen und in Tokyo um 6.00 Uhr Morgens ankommen. Gut, dass er seit fast vierundzwanzig Stunden wach war. „Ich hasse fliegen und Sie?“ Ryu drehte sich zu seinem Nachbarn. „Wenn ich mehr Platz hätte, wäre es angenehmer.“ Der Mann mit dem Blackberry nickte und lächelte zustimmend. Dann reichte er ihm die Hand. „Peter Foster.“ Ryu nahm sie und schüttelte sie zur Begrüßung. „Ryu Yuan.“ Peter Foster, der Mann mit dem Blackberry und dem Armani Anzug, musterte ihn. „Sie kommen aus Japan?“ Ryu schüttelte den Kopf. „Nicht direkt. Meine Mutter stammt zwar aus Osaka, lebt aber seit über dreißig Jahren mit ihrer Familie in Chicago. Ich bin hier geboren und aufgewachsen“ „Ah, verstehe. Und ihr Vater ist Amerikaner?“ „Nur mütterlicherseits. Mein Großvater kam aus China.“ Mr. Foster lachte. „Das ist ja mal ein bunter Mix!“ Das Flugzeug beschleunigte auf dem Rollfeld und hob nach einigen Sekunden ab. Ein letztes Mal für lange Zeit schaute Ryu auf die Lichter von Chicago hinab. Die große Stadt, die er besser kannte als seinen Kleiderschrank. Die Sporthallen, die Bars, seine alte High School und das College, auf das er fast drei Jahre ging. Und natürlich das kleine Haus seiner Eltern. Er hatte noch nicht einmal den Chicagoer Luftraum verlassen, da vermisste er schon seine Eltern, seine Großeltern und sogar seine nervige, schwer pubertierende, Schwester Yumi. Er dachte an seine Freunde und seine Kollegen vom Judo. Er ließ alles was er kannte und liebte hinter sich. Und das nur für ein Stipendium. Schließlich wurden die Lichter immer kleiner und dann verschwand sein geliebtes Chicago unter einem dichten Schleier aus Wolken in der Dunkelheit. „Was machen sie in Tokyo? Urlaub?“, fragte Mr. Foster ihn. „Nein, ich habe ein Stipendium erhalten.“ „Oh, tatsächlich? In welchem Bereich denn?“ „Engineering for Systems Innovation.“ „Mit anderen Worten Maschinenbau für Fortgeschrittene?“ Ryu nickte. „Wow, nicht schlecht. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg!“ Als das Flugzeug seine endgültige Flughöhe erreicht hatte, schnallte Ryu sich ab und versuchte es sich auf dem winzig kleinen Platz so gemütlich wie möglich zu machen. Zwei Stewardessen kamen mit einem kleinen Servierwagen den Gang entlang. Ryu schaute, was für Angebote zu finden waren. Mr. Foster hatte etwas ganz anderes anvisiert. Auffällig unauffällig schaute er einer der jungen Damen auf den kurzen Rock. Als er bemerkte, dass Ryu ihn dabei erwischt hatte, lehnte er sich ganz cool zu ihm rüber. „Die wären doch sicher auch was für Sie. Jung, hübsch. Und Über die Saftschubsen dieser Airline hört man ja so einige pikante Geschichten.“ Ryu grinste. „Ich hab es nicht so mit Stewardessen.“ Mr. Foster schaute ihn herausfordernd an. „Mit anderen vielleicht nicht, aber diese hier sind schon ziemlich heiß.“ Genauso herausfordernd schaute Ryu zurück. „Um ehrlich zu sein, ich hab es überhaupt nicht mit Frauen.“ Wie immer in solchen Momenten, beobachtete Ryu, wie im Gesicht seines Gegenüber die Peinlichkeit zum Vorschein kam. Damit, dass er auf Männer stand, konnten nicht alle Amerikaner umgehen. Vor allem bei Männern kam das nicht immer gut an. Nach zwei ernüchternden Mahlzeiten, drei Tassen Kaffee, einer Tablette gegen Rückenschmerzen und einer sehr langen Nacht landete das Flugzeug endlich in Tokyo. Mr. Foster hatte den ganzen Flug nicht mehr mit ihm gesprochen. Wohl auch, weil er von seinem ganz persönlichen Zwischenstopp mit einer der Stewardessen auf der Toilette ziemlich geschafft war. Ryu hatte Glück, sein Koffer kam sehr früh auf das Laufband. In der Ankunfthalle schaute er sich um. Sie war riesig. Und obwohl es 6.00 Uhr morgens war, standen überall Leute in Businesskleidung und warteten mit Namensschildern auf die Ankommenden. Er hielt selbst Ausschau nach jemandem, der ihn abholen sollte. Nachdem er einige Minuten lang zwischen den Kaffeebuden umherirrte sah er schließlich seinen Namen auf einem Pappschild. Ein junger Mann mit Brille und zerzauster Frisur stand in der Nähe des Ausgangs. Neben ihm ein junges Mädchen. Ihrem Aussehen nach zu Urteilen war sie Amerikanerin. Er ging auf die Beiden zu. „Yuan, Ryu?“, fragte der junge Mann in gelangweiltem Ton. „Ja, das bin ich.“ Er öffnete seine Tasche und holte einen dicken Ordner heraus, den er ihm schroff in die Hand drückte. „Willkommen in Tokyo, hier sind ein paar Informationen über die Stadt und die Universität. Haltet euch an die Regeln, passt euch den Leuten an und handelt euch keine Schwierigkeiten ein. Ansonsten viel Spaß hier in Japan und so weiter, ihr kennt ja diese Standard-Begrüßungen.“ Ryu empfand diese kalte Begrüßung als ziemlich unfreundlich und irgendwie auch enttäuschend. Das Mädchen aber schien trotz alledem ganz aufgeregt zu sein. „Okidoki! Ich werde mein Bestes geben um eine würdige Japanerin zu werden. Oh man, das wird ein Spaß!“ Ryu verdrehte die Augen. Sie fuhren mit dem Wagen ihres Abholers durch Tokyo. Beeindruckt musterte Ryu die Wolkenkratzer um sich herum. Die vielen Lichter und bunten Menschen, die so früh schon Unterwegs waren, beeindruckten ihn sehr. Chicago war zwar eine große Stadt, aber gegen Tokyo wirkte sie wie ein Dorf. Nach fast einer Stunde fahrt kamen sie an der Uni an. Ihr Fahrer drückte ihnen eine weitere Mappe und je einen Schlüssel in die Hand. „Da vorne links geht es zum Wohnheim der Mädchen, dort hinten rechts zum Wohnheim der Jungs. Für Fragen wendet euch an irgend wen anders, ich geh jetzt pennen.“ Es war halb zehn am Morgen. Ryu hatte inzwischen sein winzig kleines Zimmer bezogen und seine Sachen in den kleinen Schrank gequetscht. Das Bett schien japanische Standartgröße zu haben. Seine Füße ragte ein ganzes Stück über das Ende hinaus. Er hatte sich vom Heimaufseher, der um einiges freundlicher war als der Student, der sie abgeholt hatte, dass Passwort für das freie W-LAN geholt. Nun saß er in seinem Bett und schaltete sein Skype ein. Er wählte seine Schwester an, die gerade Online war. Nach ein paar Sekunden flimmerte ihr Gesicht vor ihm auf. Sie lag im Jogginganzug in ihrem Bett und pustete sich die frisch lackierten Fingernägel trocken. „Sag mal, du faules Stück, warum bist du nicht in der Schule?“ „Dir auch einen schönen Guten Tag! Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du elende Pestbeule tausende von Meilen von hier weg bist!“ Ryu schmunzelte. „Komisch, ich kann mich erinnern, dass du ziemlich geheult hast, als ich heute Morgen zur Tür raus bin. Also nochmal: Warum bist du nicht in der Schule?“ Er konnte hören, wie die Tür zum Zimmer seiner Schwester aufging. „Ist das Ryu?“ Seine Mutter tauchte vor dem Bildschirm auf. „Ryu, mein Schatz, na endlich! Wir waren schon ganz krank vor Sorge! Bist du gut angekommen? Wo bist du gerade?“ Seine Mutter war zwar stets über besorgt, aber dennoch liebte er sie von ganzem Herzen. „Alles in Ordnung, Mum. Der Flug war anstrengend, aber Ereignislos. Ich bin jetzt im Wohnheim. Hier ist es... klein.“ Er drehte den Bildschirm so, dass seine Mutter und seine Schwester das traurige Elend mit dem kleinen Bett selbst bestaunen konnten. Aus den Lautsprechern konnte er sie beide lachen hören. „Tja, mein lieber Junge, da musst du wohl durch. Ich muss jetzt los, in die Apotheke, deine Schwester hat schlimme Magenschmerzen. Melde dich bald wieder. Ich wünsche dir viel Spaß in Tokyo!“ Noch bevor Ryu seiner Mutter erklären konnte, dass seine Schwester lediglich an einem schweren Fall von Schulfaulheit litt, war der Bildschirm wieder schwarz und seine Schwester offline. Er beschloss den Tag nicht auf dem kleinen Zimmer zu verbringen, sondern sich den Campus etwas näher anzuschauen. Es war Mittwoch, sein Studiengang startete am Montag. Auf dem Campus wimmelte es aber bereits von Studenten. Er war es gewohnt immer der Exot unter seinen Mitschülern oder Kommilitonen zu sein, aber hier war er bloß einer unter vielen. Er war sich noch nicht sicher, ob ihm das gefiel oder nicht. Obwohl es bereits Anfang Oktober war, war es noch sehr warm. Ryu entschied sich, unter einem Baum im Campus Park eine Pause von seinem Rundgang zu machen. Er wusste bereits, wo seine Vorlesungen stattfanden, wo sich die Kantine befand und dass er sich einen Job suchen musste, um sich kleine Extras zu leisten, denn absolut alles in Tokyo war teuer. Er konnte sich zumindest nicht entsinnen, wann er das letzte Mal einen Schokoriegel für umgerechnet elf Dollar gesehen hatte. Gelangweilt las er nun in dem Informationsheft über Japan. Vieles wusste er bereits von seiner Mutter. Die berühmte japanische Höflichkeit, von der der Student vom Flughafen wohl noch nie etwas gehört hatte, die eigenwilligen Speisen und die Sache mit den Verbeugungen. Japanische Küche kannte er ebenfalls von zuhause. Er überflog den Teil mit den Speisen und Gebräuchen und landete im Kapitel über die Gefahren, die in Tokyo auf ihn lauern könnten. Sitte und Anstand hatten sich in den letzten dreißig Jahren wohl kaum verändert, jedoch die aktuelle Lage und die modernen Verführungen waren nicht mehr dieselben. In dem Heft standen vor allem Tipps für die Mädchen. Dass sie sich am besten nicht alleine herumtreiben sollen und solche Sachen. Es stand auch eine Menge Zeug über illegales Glücksspiel in Straßenecken und häufige Razzien in zwielichtigen Bars. Vor Gangs wurde ebenfalls gewarnt. Aber Ryu hatte keine Angst vor Schlägertypen. Als kleiner Junge ist er mal von einer Gang überfallen worden, danach hatte sein Vater ihn zum Judo angemeldet. Diesem Hobby ging er seitdem nach und hatte auch schon einige Turniere gewonnen. Im Laufe der Jahre waren auch einige Stunden Karate und Taekwondo hinzugekommen. Er stieß auch auf ein Kapitel über die Yakuza, die japanische Mafia. Ryu klappte die Mappe zu und lehnte sich gemütlich an den Baumstamm um ein kleines Nickerchen zu machen. Ein plötzlicher Tumult weckte ihn nach einiger Zeit wieder auf. Etwas von ihm entfernt standen drei großgewachsene Männer und schrien durcheinander. Es klang, als würden sie jemanden bedrohen. Ryu glaubte schon an einen dieser Gang-Rivalitäten, doch dann erblickte er, wem die Provokationen galten. Den drei Kerlen gegenüber stand lediglich ein junger Mann, wohl noch ein Frischling dieser Uni. Er war etwas kleiner als die Anderen, mit zotteligen ausgeblichenen, orangefarbenen Haaren und von eher dünner Statur. Ryu schaute sich um, ob jemand dem Jungen zu Hilfe kam. Doch alle Anderen, die dieses Schauspiel mitbekamen, wendeten sich ab und suchten das Weite. „Oh Shit, gleich gibt es Ärger!“ hörte er zwei Jungs sagen, die an ihm vorbei liefen. Aber Ryu wollte nicht wegrennen. Schon früher hatte er sich gegen Schultyrannen und und Mobbing eingesetzt. Seine Jahrelangen Kampfsport-Training gab ihm das nötige Selbstbewusstsein dafür. Ohne zu zögern stand er auf und ging geradewegs auf den 'Ärger' zu. „Hey, gibt’s hier ein Problem?“ Überrascht schauten die drei Raudis ihn an. „Was willst n' du? Verzieh dich, sonst kommst du auch noch dran!“ Einer der drei kam auf ihn zu. Er war in etwa so groß wie Ryu, doch sehr viel muskulöser. Es hatte nicht viel gefehlt und man hätte ihn mit einem Kleiderschrank verwechseln können, dachte Ryu sich. Doch davon ließ er sich nicht abschrecken. Ihm fiel auf, dass alle drei dasselbe Tattoo am Hals trugen. Eine graue und eine grüne Schlange, die sich ineinander verknoteten und gegenseitig auffraßen. Ein seltsames Symbol, fand Ryu. „Hast du Tomaten auf den Ohren? Verpfeif dich gefälligst!“ Als Ryu immer noch keine Anstalten machte das Feld zu räumen, knackte der Typ vor ihm bedrohlich mit den Knöcheln. „Gut, ich hab dich ja gewarnt. Wer nicht hören will, muss fühlen!“ Der Kerl schwang seine gewaltige Faust genau auf Ryu's Gesicht zu. Doch der wich Blitzschnell aus, packte den Schrank am Arm und warf ihn gekonnt über die Schulter. Winselnd und keuchend lag der Schrank auf dem Boden. „Und, wie fühlt es sich an?“ fragte Ryu den am Boden liegenden Angreifer. Doch dieser brachte außer einem gequälten Stöhnen nicht mehr viel hervor. „Na warte, du Missgeburt!“ Nun stürzten sich die beiden Anderen, nicht weniger kräftigen Kerle, auf ihn. Ryu duckte sich nach unten weg und trat dem ersten die Füße weg, sodass er ebenfalls zu Boden ging. Dann machte er, mithilfe seiner Arme, ein schwungvolle Drehung und ließ den letzten der Drei die Sohle seiner Schuhe schmecken. Unter dem Applaus einiger schaulustiger Studenten stand er wieder auf und beschaute sich die geschlagenen Schläger. „So, das wäre erledigt. Alles in Ordnung mit...“ Doch als er sich umdrehte, war der Schmächtling verschwunden. Tagelang hielt Ryu Ausschau nach dem jungen Studenten, doch er war nirgends zu finden. Er fragte einige andere Studenten auf dem Campus nach ihm, doch keiner konnte ihm weiterhelfen. Er hätte sich wenigstens bedanken können, wenn er ihm schon nicht half der misstrauischen Campus-Polizei die Situation aufzuklären. Hätte Ryu nicht glücklicherweise ein Paar Augenzeugen gehabt, die seine Version der Geschichte bestätigten, wäre er vermutlich noch an seinem ersten Tag von der Uni geflogen. Es war Montag, sein erster Tag an der Uni. Angestrengt schleppte er seinen Rucksack, gefüllt mit vermutlich sämtlichen literarischen Werken die diese Uni zu bieten hatte über das Gelände zu dem Baum, den er als seinen neuen Lieblingsplatz auserkoren hatte. Auf dem Weg dorthin kam er an den Parkplätzen vorbei. Das erste Mal, seit er hier war, war dieser prall gefüllt mit Autos aller Preisklassen, Motorrädern und einer beträchtlichen, fast schon Klischeehaften, Anzahl von schrottreifen Fahrrädern. Ein Gefährt zog seine Aufmerksamkeit besonders auf sich. Etwas weiter von ihm entfernt stand eine Riesengroße, schwarze Limousine mit rot getönten Scheiben. Ryu erwischte sich selbst dabei, wie er das Luxusgefährt einige Minuten lang anstarrte. Plötzlich ging die Fahrertür auf. Ein elegant gekleideter Herr mit Sonnenbrille und Schirmmütze stieg aus und ging nach hinten um die Tür zu öffnen. Ryu staunte nicht schlecht als er sah, dass niemand anderes als der junge Student, den er die Woche zuvor den Arsch gerettet hatte, seelenruhig auf die Edelkarosse zuging. „Hey“ Du da! Warte mal!“ Ryu rannte auf den jungen Mann zu, den tonnenschweren Rucksack geschultert. Keuchend kam er vor dem überrascht drein blickendem Fahrer und seinem, offenbar, leicht genervten Passagier an. „Hey, erinnerst.. du dich... noch an mich?“ Keine Antwort. „Um dein Gedächtnis... aufzufrischen: ich hab dir am... Mittwoch aus der Patsche geholfen. Du hättest wenigstens 'Danke' sagen können!... Puh! Meine Fresse, das fühlt sich an wie 50kg Marschgepäck.“ Die Tür auf der anderen Seite der Limousine ging auf. Ein groß gewachsener, älterer Herr stieg aus. Er trug einen grauen Anzug, passend zu seinem grauen Haar, ein rotes Hemd und ein Goldkettchen mit einem Phönixanhänger. Er stand nun direkt vor Ryu und musterte ihn von oben bis unten. Dann lächelte er. „So, das ist also der junge Mann, der dich vor den Koyamas gerettet hat, Hiro?“ Der Student nickte stumm. „Wie lautet dein Name?“ fragte er höflich. Ryu wurde zunehmend nervöser. „Mein Name... also der lautet... Ryu Yuan.“ Warum war er denn so furchtbar eingeschüchtert? Gut, die Limousine, der Chauffeur und der sündhaft teure Anzug hätten der Grund dafür sein können. Waren sie aber nicht. Es war die erhabene Ausstrahlung des Mannes, die Ryu immer kleiner werden ließ. „Steig ein, Ryu. Ich lade dich zum Essen ein.“ Ryu war sprachlos. „Zum Essen einladen? Aber wieso?“ Der Mann blickte etwas streng zu dem jungen Mann Namens Hiro hinüber. „Nun, mein Sohn hat es ja offenbar verpasst dir für seine Rettung zu danken. Ich finde, wir sollten das nachholen. Außerdem...“, er lächelte Ryu wieder an „gibt es da eine Kleinigkeit, die ich gerne mit dir besprechen würde. Also, wenn ich bitten darf?“ Es hörte sich mehr wie ein Befehl als eine Einladung an. Und weil Ryu urplötzlich der Gedanke kam, erschossen zu werden, wenn er die Einladung ausschlug, stieg er ein. Vorher reichte der Herr ihm noch die Hand. „Osamu Kunieda.“ Die Limousine, die sogar eine Minibar hatte, war ein Witz gegen das Anwesen, auf dessen Hof sie auffuhr. Nach etwa einer halben Stunde fahrt bogen sie durch ein Tor, das mitten im Herzen eines der nobelsten Stadtteile lag. Bis sie am Haupteingang waren, verstrichen abermals einige Minuten. Die Auffahrt, wenn man sie denn wirklich so nennen konnte, war ein riesiger, wunderschöner japanischer Park. Kirschblütenbäume, Pagoden und sogar ein künstlicher See mit einem Bach und einer Brücke war zu sehen. Ryu konnte kaum glauben, dass all das zu einem Privatanwesen gehören sollte. Und auch der Eingangsbereich des Anwesens war Atemberaubend. Ryu fand sich in einer großen Halle wieder. Polierte, helle Holzböden, Japanische Kunst und ein Springbrunnen raubten ihm fast den Atmen. „Gefällt dir unser bescheidenes Heim, Ryu?“ Bescheiden? Ryu dachte an das Haus seiner Eltern. Das hätte nicht weniger als dreimal in die Eingangshalle gepasst. Ein Mann mit einem Anzug und einer Schürze kam auf sie zu. „Das Essen ist serviert, Herr Kunieda. In welchem Salon wünschen sie zu speisen?“ Bei Ryu Zuhause gab es nur zwei Möglichkeiten zu 'Speisen': Die Küche und das Esszimmer. „Im grünen Salon. Wir haben heute einen Gast, mit dem ich noch großes Vorhabe.“ Ryu spürte, wie er immer blasser wurde. Der grüne Salon war nicht weniger beeindruckend als die Auffahrt und der Eingang. Er war ebenfalls mit polierten Holzmöbeln versehen, allerdings waren diese schwarz. Und überall waren Skulpturen aus Jade. Herr Kunieda lächelte Ryu abermals an. „Ich finde, dieses Ambiente passt zu dir.“ Verlegen strich er sich durch sein zotteliges, schwarzes Haar. Das Einzige an Ryu, was nicht Asiatisch war, was er von seiner amerikanischen Großmutter geerbt hatte, waren seine grünen Augen, die so gar nicht zum Rest seines Erscheinungsbildes passten, wie er fand. Das Essen wurde von einem wahren Meisterkoch zubereitet. Am liebsten hätte Ryu auf Besteck verzichtet und sich alles auf einmal in den Mund gestopft. Herr Kunieda fragte ihn während sie aßen aus. Über seine Familie, sein Studium und seine Hobbys. Vor allem seine Erfahrungen im Bereich des Kampfsportes hatten sein Interesse geweckt. Nach dem Nachtisch, den besten Erdbeerkuchen, den Ryu je gegessen hatte, verließen plötzlich sämtliche Angestellte, die zuvor noch um sie herum gewuselt hatten, den Saal. Nur Ryu, Herr Kunieda und sein Sohn Hiro, der die ganze Zeit keinen Laut von sich gegeben hatte, waren im Raum. „Ich möchte dir ein Angebot machen, Ryu.“ Ryu war gespannt, hörte aber weiter zu. „Wie du gesehen hast, hat unsere kleine Familie viel Geld. Und wie du bereits letzte Woche am eigenen Leibe erfahren durftest, ist das bei weitem nicht ganz ungefährlich.“ „Nun, ja, viel Geld lockt viele Neider an.“ Lächelnd nickte Herr Kunieda. „Du hast es erfasst. Nun, mein Sohn weigert sich, mit entsprechendem Personenschutz zur Universität zu gehen. Was ich durchaus nachvollziehen kann. Es fällt sicher schwer, sich aufs Lernen zu konzentrieren, wenn hinter einem die ganze Zeit ein schwerer Typ mit Anzug und Sonnenbrille über die Schulter schaut.“ Ryu ahnte in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickeln würde. „Sie meinen, es wäre unauffälliger, wenn ihn ein Student begleiten würde?“ Herr Kunieda nickte. „Genau das meine ich. Also, hier mein Anliegen: Ich möchte dich als Personenschutz für meinen Sohn engagieren. Mit entsprechendem Verdienst, natürlich.“ Ryu dachte über dieses Angebot mit gemischten Gefühlen nach, Auf der einen Seite brauchte er dringend einen Job. Die Hälfte seiner bisherigen Ersparnisse für dieses Semester waren bereits für die Bücher drauf gegangen. Aber, als Bodyguard? „Ich habe ehrlich gesagt keine Erfahrungen in diesem Gebiet.“ Herr Kunieda grinste. „Doch, seit letztem Mittwoch. Also, was sagst du?“ Ryu wollte eigentlich ausschlagen, doch in Anbetracht seiner derzeitigen finanziellen Situation war das Angebot zu verlockend. Nach kurzem Überlegen knickte er schließlich ein. „Gut, ich mach es!“ Herr Kunieda klatschte in die Hände. „Hervorragend! Toshi, bereiten Sie alles für den Umzug vor!“ Verwirrt schaute Ryu Herr Kunieda an. „Ehm... Umzug?“ „Oh ja, du ziehst ab sofort in die Wohnräume meines Sohnes mit ein. Also, Toshi, dann legen wir mal los!“ Ryu fühlte sich überrumpelt. Und so ganz hatte er die Situation noch nicht begriffen. AM Morgen war er noch ein ausgebrannter Student aus Chicago. Jetzt war er der Personenschützer für den Sohn eines... Was war Herr Kunieda von Beruf? Und vor wem genau, sollte er seinen Sohn Schützen. „Sagen sie, vor wem genau soll ich ihn eigentlich beschützen? Vor Gangs wie am Mittwoch?“ Herr Kunieda fuhr sich durch sein graues Haar. „Nun, sagen wir mal, ich führe ein sehr erfolgreiches... Familienunternehmen. Und du musst Hiro beschützen vor... anderen... Familienunternehmen.“ Der Schlag traf Ryu mit voller Wucht. Familienunternehmen. Jetzt wusste er auch, wo er den Namen Kunieda schon einmal gelesen hatte. Ryu hatte soeben zugestimmt, der Bodyguard vom Nachwuchs des derzeit mächtigsten Yakuza-Clans in ganz Japan zu werden. „Ach du heilige Scheiße...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)