Lang lebe die Königin von Erenya (Vertrau mir deine Flügel an II) ================================================================================ Kapitel 2: Nächte der Flammen ----------------------------- So schnell sie ihre menschlichen Beine trugen, lief Natsu durch die dunklen, gewundenen Schleichwege nach Shimabara. Während sie lief schnürte sie noch ihren Yukata und gab sich Mühe, nicht aus den Schlappen zu rutschen. Sie hatte schon im langsamen Gang Schwierigkeiten, diese nicht zu verlieren, doch jetzt, da sie es eilig hatte, war es ein noch größerer Kampf. Und doch erreichte sie Shimabara eingekleidet und ohne gefallen zu sein. „Mi-Mi! Chi-Chi, niu!“, rief sie und sah sich überall um. Es war noch nicht die Zeit für die Wächterinnen, dass sie arbeiteten, deswegen mussten sie hier nahe der Sumiyas sein. Zumindest hoffte Natsu das bei der schwerttragenden Geiko. Diese hatte sie immerhin häufiger hier im Wohnbereich gesehen als Mizu. „Was gibt es?“ Natsu hörte wie ein Fenster aufgeschoben wurde und sah nach oben, dahin, wo sie in das verschlafene Gesicht der blonden Geiko sah. Sie schien noch geschlafen zu haben, weswegen Natsu bereits ahnte, dass der Abend zuvor wohl anstrengend gewesen war. „Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen, niu! Es geht um Sannan-san.“ Obwohl Chia nicht wirklich an dem interessiert schien, was Natsu sagte, horchte sie doch mit einem Mal auf. „Sannan? Was hat er nun schon wieder gemacht?“ Ein Grinsen lag auf Chias Lippen, denn so wie sie Sannan kannte, hatte er wieder irgendjemanden Angst eingejagt. Sicher Heisuke, seinem Lieblingsopfer, oder dem Mädchen unter den Wölfen. Sie wollte nun nur noch wissen was es war, um darüber herzhaft diabolisch zu lachen. „Er ist mit Hijikata-san in Osaka gewesen und wurde verletzt!“ Chias Blick verfinsterte sich, als sie die Nachricht hörte. Auch wenn sie äußerlich ruhig blieb, so wusste Natsu, dass sich die schwerttragende Geiko Sorgen um den Mann machte, den sie häufiger traf. „Sannan wurde verletzt? Tödlich?“ Einen kurzen Moment, als ihr die Frage über die Lippen kam, setzte ihr Herz aus. Sie wollte einfach nur mit der Gewissheit leben, dass es ein Kratzer war, denn in der Regel konnte diesen Sadisten nichts erschüttern. „Das nicht. Aber wenn man den Informationen glaubt, wird er sein Schwert nicht mehr führen können.“ Chia stockte der Atem. Es war ja schön, dass Sannan noch lebte, und ihr Herz machte dank dieser Neuigkeiten einen erleichterten Schlag, aber sie wusste nur zu gut, wie sich Sannan fühlen musste. Ihr wäre es wohl nicht anders ergangen, wenn sie nicht mehr kämpfen könnte. Nein, sie wollte darüber nicht nachdenken. „Hat er das Mittel genommen?“ Natsu zuckte zusammen, als Chia das Mittel erwähnte. Es konnte immerhin jede Verletzung heilen, doch der Preis, den man dafür zahlte, war einfach zu hoch. „Davon habe ich nichts gehört. Ich hoffe aber, dass Sannan-san noch nicht auf diese Idee kam.“ Wütend ballte Chia ihre Hände zu Fäusten. Sie kannte Sannan und sie wusste auch, dass er weiter an dem Mittel forschte. Und wenn seine Verletzung nicht nur temporär war und er als Krieger unbrauchbar wurde, würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um die unschönen Nebenwirkungen zu eliminieren. „Gib mir Bescheid, sobald er wieder hier ist.“ Ein dumpfes Gefühl verriet Chia, dass keiner von der Shinsengumi sie über Sannans Zustand informiert hätte, oder ihr auch nur sagen würde, wenn er wieder im Hauptquartier war. Sie musste also auf die Kitsune, von der sie wusste, dass sie bei der Shinsengumi unbemerkt ein und aus ging, auch wenn sie nicht wusste wie, vertrauen. „Mache ich, niu! So schnell wie meine Pfötchen mich tragen.“ Mit diesen Worten wandte sich Natsu von Chia ab, die sich seufzend zurück auf ihren Futon gleiten ließ. Auch wenn sie sich wieder einmal über die seltsame Wortwahl von Yukis ehemaliger Begleiterin wunderte, überwog ihre Sorge um Sannan, den Krieger, auch wenn ihr Herz versuchte, sie zu beruhigen, weil Sannan, der Mann, noch lebte. **~~** „Lasst mich endlich zu ihm!“ Giftig sah Chia zu Nagakura, der sie wie schon am Tag zuvor davon abhalten sollte, zu dem privaten Gemach Sannans vorzudringen. „Chia, beruhige dich. Sannan-san geht es gut. Er braucht viel Ruhe.“ Behutsam legte Shinpachi seine Hände auf Chias Schulter. Doch diese lehnte seine Geste ab. Sie war sauer, denn wie sie es sich gedacht hatte, war sie nur durch Natsu an das Wissen gekommen, dass Sannan wieder im Hauptquartier war. Keiner der Jungs hatte, nicht einmal bei der Bewachung Shimabaras, auch nur einmal ein Wort über Sannan und seine Verletzung, oder seine Rückkehr, verloren. „Beruhigen? Wie soll ich mich beruhigen, wenn ihr nicht ein Wort darüber verliert, wie es diesem idiotischen Sadisten geht! Ich will ihn sofort sehen!“ Chia war es leid, jeden Tag herzukommen und unverrichteter Dinge wieder fortgeschickt zu werden. Sie wollte Sannan nur sehen. Sie wollte mit eigenen Augen sehen, wie es wirklich um Sannan stand. Auf das Wort der anderen Mibu-Wölfe wollte sie da nicht vertrauen. „Hör zu, Chia, die Sache ist etwas kompliziert. Komm mit und ich lade dich zum Essen ein und stehe dir Rede und Antwort.“ Fluchend versuchte Chia Shinpachi auszuweichen, um sich zu Sannan vorzukämpfen, doch der Krieger hatte sie bereits fest im Griff und machte deutlich, dass sie nicht weiter kommen würde. Für heute würde sie wohl aufgeben müssen und selbst wenn Shinpachi wie versprochen alles erklären würde, würde sie wiederkommen. Tag für Tag, bis Sannan persönlich mit ihr sprach. Unbefriedigt, dass sie erneut nicht zu Sannan vorgedrungen war, nippte Chia an ihrem Schälchen Sake. Shinpachi hatte sie zurück nach Shimabara gebracht und sich mit ihr in einem Zimmer für die Gäste niedergelassen, um ein ausgewogenes Mittagessen zu genießen. Mit einem angewinkelten Bein, weswegen ihr Yukata verrutscht war, und offenem blonden Haar saß sie dem Krieger gegenüber, aus dessen Gesicht der rote Schimmer nicht weichen wollte. „Was glotzt du so? Schenk mir Sake ein...“ Murrend hielt Chia ihm ihr Schälchen entgegen. Sie faszinierte Shinpachi erneut. Ihr Ton, ihre Haltung, ihr Schamgefühl. Das alles unterschied sie so deutlich von all den anderen Frauen im Rotlichtviertel. Zwar konnte Chia auch ihre weiblichen Züge zeigen, doch das meist nur bei der Arbeit als Geiko verkleidet. Ihr Wesen hingegen neigte viel eher zum männlichen Verhalten eines richtigen Kriegers. Es interessierte sie nicht, was andere dachten, wenn sie ihren Yukata so weit aufließ, dass man ihr in den Ausschnitt starren konnte, oder sie, wie jetzt, ihre schlanken Beinen in einer unfemininen Haltung präsentierte. Sie forderte die Disziplin eines jeden Mannes heraus, wahrscheinlich weil sie wusste, dass man sie unterschätzen und ihr dadurch unterliegen würde. In genau derselben Weise verlangte sie auch, dass man ihr nicht widersprach.. Seufzend griff Shinpachi deswegen zu seinem Fläschchen Sake und rutschte zu Chia, der er das Schälchen wieder fühlte. „Also... Warum darf ich Sannan nicht sehen? Ist er einer von Ihnen geworden? Hat er nun endgültig den Verstand verloren?“ Ein weiteres Seufzen kam Shinpachi über die Lippen. Von Chia war er nichts anderes gewohnt, dennoch wünschte er sich, dass sie etwas mehr Weiblichkeit an den Tag legte. „Es geht einfach nicht. Sannan-san distanziert sich von uns. Ich denke, er braucht etwas Ruhe. Und noch hat er das Mittel nicht genommen. Er weiß immerhin um die Nebenwirkungen bescheid.“ Vorsichtig hatte Shinpachi sein Tablett zu sich gezogen und sich neben Chia gesetzt, die den Inhalt ihres Sakeschälchens wieder mit einem Zug leerte und Shinpachi entgegenhielt, der es ihr erneut auffüllte. „Was ist das mit dir und Sannan-san eigentlich? Du kommst immer sobald er nach dir schicken lässt. Und wenn das nicht der Fall ist, nimmt er den Weg nach Shimabara auf sich. Seid ihr ein Paar?“ Die Worte waren ihm nicht einmal vollständig über seine Lippen geglitten, als er auch schon Chias Ellenbogen schmerzhaft in seiner Seite spürte. „Rede nicht so einen Unsinn. Wir sind Krieger, Verbündete. Aber kein Paar. Sannan bringt mir einiges aus seiner alten Schule bei, mehr nicht. Mit dir geht wohl wieder deine schmutzige Fantasie durch, Nagakura...“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sich Shinpachi die Seite und entschied sich, vor allem wegen der Schärfe ihres Tones, nicht weiter nachzubohren. März, erstes Jahr der Genji Ära (1864) Bemüht ließ Jandate das Schwert, welches sie einen der Rônins abgenommen hatte, in der Luft schwingen. Sie hatte sich immer noch nicht an diese hinterwäldlerische Waffe gewöhnt, immerhin war sie ihre Sense, die sie dank der Engel verloren hatte, und Schusswaffen viel eher gewohnt. „Versucht es mit beiden Händen, Hoheit. Die Waffe ist zwar leicht, aber doch zu lang, um sie mit einer Hand zu führen. Ihr solltet sie mit der zweiten Hand stabilisieren.“ Böse sah Jandate zu Mio, die immer wieder in einem gleichmäßigen Takt ihren Fächer ein und ausklappte. Sie hatte sich diesen und einen zweiten von ihrem letzten Geld gekauft und wollte sie nun gewinnbringend nutzen. Zumindest waren ihnen bei ihren Rundgängen in Kyoto genug Menschen, vor allem Männer, aufgefallen, die das Leben nicht verdient hatten. Sie auszuschalten und sich ihres Geldes zu bemächtigen war somit kein Verlust für die Gesellschaft, sondern eine Verbesserung. Das hatte Jandate jedenfalls Mio erklärt, um ihre Bedenken, weil sie sich in ein System einmischten, das ihnen völlig fremd war, zu beseitigen. „Ich schaff das schon... zur Not benutze ich meine Hände.“ Ohne etwas zu sagen, denn gegen Jandates eigenwillige Argumente war sie sowieso machtlos, zog sich Mio den Kamishimo fester. Die Kleidung musste sitzen, zum einen, weil sie bequemer als ein Yukata war und zum anderen, weil sie darin mehr Bewegungsfreiheit hatten. Auch wenn es wieder besonders Jandate war, die an ihrer neuen Kleidung und der Tatsache, dass sie ihre Oberweite abbinden musste, meckerte. Eine gewohnte Prozedur, da sie seit ihrer Ankunft an allem zu meckern hatte. „Hoheit, wenn Ihr hier Euren Standard halten wollt, wäre es besser, dass Ihr alles tut um unsere Finanzen aufzubessern. Nur weil wir in Japan sind, heißt es nicht, dass Geld hier keine Bedeutung hat.“ Manchmal fühlte sich Mio mehr wie ein Kindermädchen. Ihre Freundin und Königin ging alles mit ihrer verspielten Weise an und schien sich nicht darum zu scheren, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten stecken konnten. „Schon gut, schon gut...“, murrte Jandate und steckte ihre Waffe in die Schwertscheide, um sich die Haare zusammenzubinden. „Habt Ihr auch nicht vergessen, von wem wir stehlen?“ Sie wollte sicher gehen, dass Jandate sich auch wirklich an ihren Plan halten würde. Einen Alleingang konnten sie nicht gebrauchen. „Nur Diebe, Mörder und Vergewaltiger...“ Ihre Antwort klang wie ein genervter Sing-Sang, der Mio klar machte, dass Jandate verstanden hatte und sie allmählich genervt war von dem ewigen Gefrage. Mio hingegen war zufrieden auch wenn sie erst glaubte, dass Jandate es verstanden hatte, wenn es wirklich soweit war. Immerhin war die Königin doch schon sehr launisch. Die kleinen Seitengassen Kyotos waren ideale Verstecke für die zwielichtigen Gestalten Japans. Und natürlich war es auch das ideale Versteck für Jandate und Mio, die sich nahe des Rotlichtviertels befanden - ihre Erfahrung hatte gezeigt, dass dieser Standort perfekt war. Sie mussten nur warten und aufmerksam die Angetrunkenen beobachten, denn egal wo man sich befand, Alkohol ließ die Menschen schnell ihre Masken vergessen und offenbarte schließlich ihre wahren Gesichter. „Komm schon, Kleine.. Ich kaufe dir ein Haus, wir gründen eine Familie. Einen stärkeren Krieger als mich findest du nirgends, immerhin bin ich ein Hauptmann der Shinsengumi.“ Dicht drückten sich Mio und Jandate an eine Hauswand, als sie unmittelbar in ihrer Nähe die angetrunkene Stimme eines Kriegers gefolgt von der zierlichen Stimme einer Maiko vernahmen. „Lassen Sie mich...“ Jandate seufzte, denn es war erbärmlich wie schwach die Frauen Japans waren. Zumindest unter ihren Regime hätte es so etwas nicht gegeben. Die Frauen hier waren anders. Ruhig, zurückhaltend und nur das Spielzeug dieser wollüstiger Männer. „Gehen wir...“ Diese Männer, die Barbaren widerten sie an. Selbst wenn sie Frauen Japans erbärmlich fand, sie waren doch vom gleichen Geschlecht, weswegen sie dieses unter allen Umständen beschützen wollte. „Hoheit!“ Es war zu spät. Mio konnte Jandate nicht mehr aufhalten. Die Königin war bereits aus ihren sicheren Versteck gestürmt und hatte sich hinter den betrunkenen Mann geschlichen. „Hey, Saufbold...“ Es war eines der wenigen Worte, die Jandate im letzten Monat gelernt hatte. Und für diesen Mann brauchte sie auch nicht mehr, denn die Sprache eines gezogenen Schwertes verstand in diesem Land wirklich jeder. „Was willst du Wicht? Glaubst du, du könntest dich ungestraft mit einem Hauptmann der Shinsengumi anlegen?“ Da Jandate nichts von dem Ruf der Shinsengumi wusste, geschweige denn verstand, was der Krieger ihr sagte, hob sie ihr Schwert, bereit für den ersten Hieb. Nur der Tatsache, dass sie nicht sonderlich gewohnt im Umgang mit einem Katana war, verdankte es der Krieger, dass er rechtzeitig sein eigenes Schwert ziehen und Jandates Angriff noch blocken konnte. „Merde...“ Mio seufzte, als sie den Fluch Jandates in ihrer Landessprache hörte. Die Königin tat sich wirklich schwer mit der japanischen Sprache, anders als Mio, die sie Tag für Tag besser beherrschte. „Ein Ausländer... Kein Wunder, dass du so naiv bist und dich nicht vor dem Namen der Mibu-Wölfe fürchtest. Meine Männer und ich werden dir schon noch zeigen, dass du uns zu fürchten hast!“ Mio beschlich ein ungutes Gefühl. Sie verstand nicht alle Worte, doch die nötigsten, um zu verstehen, dass dieser Krieger nicht alleine war. Aufmerksam sah sie sich in der Gasse um und erkannte eine Gruppe Männer, die wohl schon seit einigen Stunden versteckt hinter den Tonnen und Hauswänden ausgeharrt hatten. Mio wurde klar, dass die kleine Maiko, es hätte wohl auch eine Geiko, oder ein naiver Angetrunkener sein können, in die Falle gelockt werden sollte. Und wofür wollte sie sich nicht ausmalen. Genauso wenig wollte sie sich ausmalen, was passierte, wenn einer der Männer Jandate schlug und diese wieder in ihren masochistischen Blutrausch verfiel. Als ihre Dienerin und vor allem auch als ihre Freundin, musste sie das verhindern. Kampfbereit zog Mio ihre Fächer und schlich sich hinterrücks zu den drei Kriegern, die dasselbe bei Jandate versuchten. Diese bekam davon nichts mit und versuchte weiterhin den angetrunkenen Krieger in die Knie zu zwingen. „Ergreift ihn!“ Sie waren knapp hinter Jandate, als ihr Gegner den Befehl gab. Doch stand der Dämonenkönigin wieder einmal die Sprachbarriere im Weg, sodass sie nicht die anderen bemerkte und dessen Worte als Kampfschrei interpretierte. Sie verdankte ihr Leibeswohl nur Mio, die sich im letzten Augenblick dazwischen geworfen und einen gefährlichen Schlag mit ihrem Fächer abgeblockt hatte. „Noch einer? Macht diese Ausländer fertig...“ Mehr als Wut hörte Mio nicht aus den Worten der Männer, doch das brauchte sie nicht. Ihr Handeln war viel zu offensichtlich, weswegen es nicht einmal Worte gebraucht hätte. Schnell hatte Mio dem Angreifer mit Hilfe ihres Fächers das Schwert aus der Hand gerissen und zurückgestoßen. Sie hatten keine Zeit zu verschwenden, denn die Situation sah alles andere als gut für sie aus. „Hoheit, hört mit dem Katz-und-Maus-Spiel auf! Nehmt das verdammte Schwert in beide Hände und streckt diesen Typen nieder!“ Mio hatte allmählich genug, denn gegen diese drei Typen brauchte sie unbedingt Hilfe. Die Fächer waren nicht stabil genug, um einen langen Kampf durchzustehen. Nur mit Jandate und ihren Schwertern hatte sie wirklich eine Chance. „Hör auf, mich befehligen zu wollen! Ich mache das wie ich will!“ Eines ihrer seltenen, unerfreuten Knurren war von Mio zu hören. Scheinbar überschätzte Jandate sich schon wieder. „Hoheit... ich bitte Euch...“ Bemüht versuchte Mio gerade mit beiden Fächern ihren Gegner abzuwehren und Jandate Vernunft einzuhämmern. Doch wieder einmal reagierte Jandate nicht. Zumindest ließ das Scheppern der Klingen nicht darauf schließen, dass die Königin diesen Kampf so schnell wie möglich beenden wollte. Der erste Fächer hatte ungeahnt schnell das Zeitliche gesegnet. Holz und Papier waren trotz aller Handlichkeit eben nicht für den Kampf geeignet. Sollte sie das hier überstehen, würde sie das dazuverdiente Geld in einen Fächer aus Metall investieren. Und wenn die Schmiede dieses Landes dazu nicht in der Lage waren, würde sie sich ihre Waffe selbst schmieden. „Was denn, schon müde, du Barbar?“ Obwohl Jandate wusste, dass ihr Gegner der französischen Sprache nicht mächtig war, bemühte sie sich nicht einmal ihn in seiner Landessprache zu demütigen. Es reichte schon dieser belustigt verächtliche Unterton, um ihrem Gegenüber klar zu machen, was sie von ihrem Kampf hielt. Sie spielte nur mit ihm, gab sich nicht einmal richtig Mühe, was sie deutlich zeigte, indem sie seine Schläge abblockte, aber nicht aktiv angriff. Mio gefiel das gar nicht, denn im Gegensatz zu Jandate wäre sie froh gewesen, mehr als nur blocken zu können. Sie brauchte Hilfe, denn auf Jandate konnte sie nicht bauen. Sie war viel zu sehr mit ihrem Vergnügen beschäftigt. Noch dazu löste sich ihr zweiter Fächer bereits immer mehr auf. Zumindest war es der letzte Schlag einer ihrer Gegner, der ihn in seine letzten Einzelteile zerlegte. Sie stand nun vollkommen unbewaffnet da. „Hoheit, ich könnte Eure Hilfe nun am meisten gebrauchen...“ Es war ein verzweifelter Hilferuf von dem sie wusste, dass es vergeblich war, weswegen sie sich in ihrer näheren Umgebung umsah, um etwas Praktisches zu finden, das als Waffe nutzbar war. Doch sie sah nichts. Sie verdankte es diesem Moment der Unaufmerksamkeit, dass zwei der Männer kurz davor gewesen wären, sie auszuschalten, wenn nicht jemand ihren Schlag abgewehrt hätte. Erschrocken sah Mio auf und erkannte das dunkle, lilafarbene Haar ihres Retters, das zu einem dünnen Zopf zusammengebunden war. Erst der zweite Blick ließ sie den hellblauen Mantel erkennen. Sie hatte diese Art Mäntel schon öfter gesehen, aber noch nie hatte sie daran gedacht, dass ein Träger mit dieser himmelblauen Tracht sie retten würde. „Shinpachi...“ Seine tiefe Stimme gab ein Signal, einen stummen Befehl, den sein Partner, der sich um die anderen zwei kümmerte, verstand. Sofort machte er kurzen Prozess mit den zwei Kämpfern, die ächzend zu Boden gingen. „Störenfriede!“ Es war Jandates Stimme, die sie zurück in die Realität rief. Sie hatte die beiden Männer mit Staunen und Bewunderung angestarrt und dabei vollkommen ihre eigene Lage vergessen. „Tut mir leid, aber mir wird es zu voll und ich habe keine Lust mehr mit dir zu spielen.“ Ein blutiges, gequältes Gurgeln war von Jandates Gegner zu hören, dicht gefolgt von seinem Körper, der geräuschvoll wie ein Sack Reis zu Boden sank. „Schnappen wir uns das Geld und gehen.“ Mio wusste nicht, woher Jandate diese Ruhe nahm, denn die Fremden hatten sich bereits um die anderen Gegner gekümmert, die Jandate behände ebenfalls um ihr Geld erleichterte. „O-Oi!“ Entsetzt versuchte der Muskelprotz im hellblauen Mantel Jandate aufzuhalten, doch diese schwang zu ihrem Schutz das Schwert. Nur dank dessen Reflexe, die ihn zurückweichen ließen, wurde er nicht getroffen, dafür aber aus dem Gleichgewicht gebracht. „Das sollte für einen Monat oder mehr reichen. Gehen wir, Mio.“ Gelassen und ohne den zwei Kriegern weiterhin Beachtung zu schenken, wandte sie sich von ihnen ab. Sie schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass die beiden Männer sie gerettet hatten. Doch Mio wusste es und wollte sich bedanken. Die einfachen Worte dafür kannte sie, doch etwas in ihr brachte sie einfach nicht über die Lippen, während sie ihren Retter einfach nur ansah. „Kommst du?“ Sie seufzte leise, denn Geduld war wirklich nicht Jandates Stärke. „Danke...“ Sie wandte sich von dem Krieger ab, während sie das Wort in der Sprache des hiesigen Landes aussprach. Sie wusste nicht, was ihr unangenehmer war, dass sie Hilfe gebraucht hatte, oder dass sich Jandate wie die Axt im Wald benahm. April, erstes Jahr der Genji Ära (1864) Es war schon weit nach Mitternacht, als Mizu im Versammlungsraum der Shinsengumi saß. Sie war sofort nach der Arbeit zum Hauptquartier gelaufen und hoffte, dass sie Kondou oder Hijikata nicht zu sehr damit verärgert hatte. Doch sie hatten auch keine Zeit zu verlieren, denn was sie und Chia in den letzten Tagen in Shimabara gehört hatten, war mehr als bedenklich. „Was ist so wichtig, dass eine der Wächterinnen Shimabaras nicht bis morgen warten kann?“ Schwungvoll wurde die Tür zum Versammlungsraum aufgeschoben und Souji betrat diesen. Er war wirklich der Letzte, den sie jetzt sehen wollte, denn viel lieber besprach sie diese Sache mit dem Anführer und den Kommandanten der Shinsengumi persönlich. „Ich hatte darum gebeten mit Hijikata-san und Kondou-san zu sprechen. Es ist wichtig und ich kann nicht zulassen, dass diese Informationen nicht zu ihnen vordringen.“ Ernst sah Mizu Souji an, der sie verspielt anlächelte. Es war dieses Lächeln, das sie vorsichtig werden ließ, auch wenn sie es gleichzeitig mochte. „Ich werde es den beiden ausrichten, wenn es wirklich wichtig ist. Wir haben wichtigeres zu tun, jetzt wo Chôshu mit den Hufen scharrt.“ Sein Lächeln schwand nicht, stattdessen näherte er sich Mizu auf bedrohliche Weise und setzte sich dicht vor ihr hin. Sie wusste, dass weder Hijikata noch Kondou jetzt hier auftauchen würden, sodass sie keine andere Wahl hatte, als Souji alles zu erzählen. „Chôshu ist ja das Problem. Seit einigen Wochen kommen immer wieder Mitglieder des Clans nach Shimabara, um zu feiern. Dabei haben Chia und ich einige Gespräche belauschen können. Sie wollen wohl einen Angriff auf Kondou-san ausführen.“ Soujis Lächeln verstarb, als er die Kurzfassung von dem bekam, was Mizu und Chia gehört hatten. Er verstand, was dies bedeutete. Chôshu versuchte die Shinsengumi zu stürzen, indem sie ihnen ihren Anführer nahmen. Doch unter keinen Umständen würde er das zulassen. Kondou war sein Leben und er wollte es mit diesem beschützen. „Wie lauten ihre Namen?“ Ernst schüttelte Mizu mit dem Kopf. Namen wusste sie nicht. Nicht einmal wann oder wo dieses Attentat stattfinden sollte. Sie hatte einfach nur daran gedacht so schnell wie möglich die Shinsengumi zu informieren. „Holst du nun Hijikata-san oder Kondou-san?“ Mit Sicherheit würde Mizu keine weiteren Informationen geben, ohne dass ein Mann mit Befehlsgewalt im Raum war. Denn alleine wollten sich die Wächterinnen Shimabaras nicht darum kümmern. Es sollte schließlich auch nicht auf die wehrlosen Geikos und Maikos zurückfallen. **~~** Schweigend beobachtete Chia zwei Frauen, die sich für diese besondere Nacht vorbereiteten. Sie hatten alles geplant und nichts davon durfte schiefgehen. „Danke, dass du uns hilfst, Kimigiku. Alleine hätte ich mich nicht um die Männer und Natsu kümmern können.“ Lächelnd sah die schwarzhaarige Geiko, die viel eher in die Gewänder eine Kurtisane gekleidet war, zu Chia auf. Sie kannte die schwerttragende Geiko schon etwas länger und war froh auch mal etwas für sie tun zu können. „Ich schulde dir immerhin etwas. Du hast diesen einen Rônin dazu gebracht, nicht auf dumme Ideen zu kommen.“ Chia konnte nicht vermeiden, dass dieses indirekte Kompliment sie verlegen werden ließ und sich ein rosafarbener Schimmer auf ihre Wangen legte. „Das ist meine Aufgabe. Also musst du mir nicht danken. Ich aber dir, denn der Plan ist weder für dich, noch für Natsu ungefährlich. Wenn die Männer auch nur einen Augenblick zu früh bemerken, dass der Sake mit Schlafmittel versetzt ist, kann es unangenehm werden...“ Zusammen mit der Shinsengumi hatten sie einen Plan geschmiedet, um die Männer des Chôshu-Clans Schachmatt zu setzen, bevor sie ihre Pläne in die Tat umsetzen konnten. „Wenn alles so verläuft wie es soll, werden gut eine handvoll Männer, die Mizu hierher bringen wird, den Sake trinken. Sobald sie einschlafen und der Rest bemerkt, dass etwas nicht stimmt, werden Souji und Mizu über den verdeckten Seitengang reinstürmen. Diesen werden du und Natsu benutzen, um den anderen wie geplant Bescheid zu geben. Heisuke wird euch dann zurück zur Sumiya bringen. Es besteht somit kein Grund zur Sorge.“ Zumindest hoffte Chia, dass es wirklich keinen Grund zur Sorge gab. Vor allem um Natsu, die das Ganze mehr für ein Spiel hielt. „Und mir steht der Kimono und die Perücke?“ Freudig lächelnd betrachtete sich das Fuchsmädchen im Spiegel. Ihr schien zu gefallen was sie sah, zumindest fiel es ihr schwer, den Blick vom Spiegel zu nehmen. „Heisuke-san hatte Recht. Über dem Kimono ist der Obi wirklich viel schöner.“ Chia wollte gar nicht wissen, was das Mädchen damit schon wieder meinte. Sie war sowieso ein Buch mit sieben oder mehr Siegeln. Immerhin wusste sie Dinge über die Shinsengumi, die eine normale Frau ihres Alters nicht wissen konnte. Dinge wie Sannans Verletzung. Doch bisher war sie nie auf die Idee gekommen, ihr Wissen zu hinterfragen. Sie war einfach froh überhaupt etwas über den Sadisten zu erfahren. Doch mittlerweile konnte nicht einmal sie mit Informationen kommen, denn Sannan bevorzugte es scheinbar, sich von den anderen Mitgliedern abzukapseln. Und das bereitete ihr Sorgen. „Wir sind soweit, Chia. Gib Mizu Bescheid.“ Zu allem fest entschlossen, nickte Chia und verließ das Gästezimmer, das bald schon Schauplatz eines Blutbades werden würde. **~~** Atemlos lief Natsu den Weg in Richtung von Heisukes Truppe. Sie hatte es nicht leicht das Tempo zu halten, denn der schwere Stoff des Kimonos drückte fest auf ihren Körper. Kimigiku hatte sie irgendwo verloren, doch sie blieb nicht stehen, schließlich hatte Chia ihr klare Anweisungen gegeben. Hinter ihr erklang das Scheppern aufeinanderschlagender Klingen. Der Kampf war bereits in kürzester Zeit hitzig geworden. Doch das Fuchsmädchen hatte nur ein Ziel vor Augen. Heisuke, der sie in die Sumiya bringen sollte. Dort wollte sie wieder ihre wahre Gestalt annehmen und zurück zur Shinsengumi laufen. „Hierher!“ Sie zuckte zusammen, als sie Heisukes Stimme vernahm. Suchend ließ sie ihren Blick durch die nahe Umgebung schweifen und entdeckte den jungen Samurai in einer abgeschotteten Gasse. Sofort lief sie, mit einem Lächeln auf den Lippen, zu ihm und hielt schwer atmend inne. „Gefunden, Heisuke-san!“ Ihr Lächeln wurde breiter, als sie dicht vor dem Jungen stand, der plötzlich, ohne dass ihr klar wurde warum, errötete. „W-Wie sieht es bei den anderen aus? War der Plan erfolgreich?“ So schnell er konnte, versuchte Heisuke das Thema auf etwas zu lenken, was ihn nicht so erröten ließ wie Natsus atemberaubender Anblick. Er wusste zwar, dass sie süß war, aber in einem Kimono war sie so schön und erwachsen, fast schon eine andere Frau. „Es lief soweit alles gut. Allerdings habe ich Kimigiku verloren. Im Gang war sie noch dicht hinter mir, doch plötzlich war sie weg.“ Heisuke erkannte, dass Natsu sich Sorgen um die andere Geiko machte, doch die Kampfgeräusche näherten sich ihnen unaufhaltsam. Er musste also schnell handeln. „Ich werde sie nachher suchen. Komm jetzt erst einmal schnell mit.“ Lächelnd griff Heisuke nach Natsus Hand. Sie nickte nur und reichte sie ihm freiwillig, was Heisuke verwunderte. Immerhin war er es gewohnt, dass Frauen wesentlich zurückhaltender waren. Doch auf eine seltsame Art und Weise schien Natsu ihm zu vertrauen. Und das obwohl sie einander kaum kannten. Dieses Vertrauen wollte er aber nicht enttäuschen, weswegen er ihre Hand sanft drückte und in Richtung Sumiya lief. Ende Juni, erstes Jahr der Genji Ära (1864) Es war ein Tag wie jeder andere, an dem Mizu viel zu früh aufgestanden war, um noch einen Besuch bei Lhikan zu erledigen. So ganz nebenbei wollte sie bei ihm ihre Vorräte auffüllen, denn vor allem ihr Sack Reis neigte sich dem Ende zu. Gähnend lief sie durch die gut besuchten Straßen und sah sich um. Seit dem Kampf in Shimabara hatte Chôshu sich ruhig verhalten. Zumindest war ihr bei der Arbeit nichts mehr zu Ohren gekommen. Deswegen vermutete sie, dass der Clan sich noch die Wunden leckte und sich im Geheimen neue hinterhältige Taktiken überlegten. Seufzend schüttelte Mizu den Kopf. Solange Chôshu den Mädchen in Shimabara nichts antat, ging es sie nichts an. Das Schlachtfeld war nicht ihr Metier. „Guten Morgen, Lhikan.“ Vorsichtig schob Mizu den Stoff an Lhikans Eingangstür beiseite und betrat den Laden ihres besten Freundes. „Guten Morgen, Mizu. Was führt dich denn hierher?“ Freundlich lächelte Lhikan Mizu an und erhob sich von dem Tresen, auf den er sich abgestützt hatte. Scheinbar war heute nicht viel los, sodass Mizu eine willkommene Abwechslung war. „Mir geht der Reis bald aus. Kannst du mir einen großen Sack verkaufen?“ Obwohl Mizu wirklich nicht viel brauchte, wollte sie gleich einen größeren Sack kaufen. Dieser kostete zwar etwas mehr, aber sie musste Reis dann nicht so oft nachkaufen. Höchstens einmal aller drei Monate. Zumindest hatte der letzte solange gehalten ohne Erenya, wobei selbst mit ihr sparte sie beim Reis. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie abends in Shimabara eine gute sättigende Portion zu Essen bekam. „Warte einen Augenblick, ich hole einen aus dem Lager. Brauchst du sonst noch etwas?“ Lhikan war es gewohnt diese Frage zu stellen, auch wenn er die Antwort im Bezug auf Mizu bereits kannte. „Reis reicht vollkommen.“ Langsam näherte sich Mizu dem Tresen und stützte sich auf diesem ab, während sie beobachtete, wie Lhikan im Lager verschwand. Sie seufzte leise und versuchte die Müdigkeit zu ignorieren. Sie überlegte, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre, Lhikan eine Nachricht mit ihrer Bestellung zu schicken. Es störte sie jetzt schon, der Gedanke daran, dass sie diese ganzen Kilos nach Hause tragen musste. Und dafür war sie eigentlich zu müde. „So, da ist er. Ich hoffe der reicht dir.“ Müde sah Mizu zu Lhikan, der fast schon stolz den gefüllten Reissack präsentierte. Zustimmend nickte sie und zog ihr Beutelchen mit Geld aus dem Yukata. Ohne darüber nachzudenken, zog sie ein paar Münzen heraus und legte diese auf den Tresen. „Danke, Lhikan...“ Fest umklammerte sie den Reissack und hievte ihn mit aller Kraft hoch. Sie spürte bereits jetzt schon die Schwere der Last und bereute immer mehr, keine Nachricht geschickt zu haben. Mit jedem Schritt den Mizu tat wurde der Reissack schwerer. Es wunderte sie daher nicht, dass sie auch immer müder wurde. „Was ist es dieses Mal?“ Mizu wusste nicht warum, aber die Frage eines unscheinbaren Passanten drang zu ihr und ließ ihren Geist hellwach werden. Sofort sah sie auf und erkannte die Krieger im hellblauen Mantel, die ein kleines Restaurant stürmten. Einige der Männer kannte sie, immerhin hatte sie diese Einheit, Soujis Truppe, schon häufiger gesehen. „Bringen sie sich wieder gegenseitig um?“ Die Umstehenden Menschen schienen alles andere als erfreut zu sein. Wen wunderte es? Die Shinsengumi war immerhin berühmt berüchtigt. Leider nicht in positiver Weise. Dennoch, Mizu hatte keine Angst. Auch wenn sie nicht mit allem einverstanden war, was die Shinsengumi tat, erkannte sie doch auch die positivere Wirkung ihrer Existenz. „Was für ein langweiliger Eingriff...“ Die Menschen um Mizu herum hatten sich von dem Schauspiel abgewandt, doch Mizu hatte weiterhin zu dem Haus gesehen. Immerhin wusste sie, welcher Krieger hier Hand des Rechts spielte. Und so wie sie es sich gedacht hatte, trat schließlich Souji aus dem Haus. „Wie immer gehst du nicht sehr direkt vor, Souji...“ Verwundert sah der Krieger auf und blickte zu dem Mädchen, das sich immer noch müde an den schweren Reissack klammerte.“ „Mizu-chan. Was für ein Zufall.“ Mit einem breiten Grinsen grüßte der Samurai Mizu, die sich im näherte, jedoch stehen blieb, als sie Chizuru aus dem Gebäude kommen sah. „Das ist doch nicht dein Ernst, Okita! Du nimmst das Lamm zu so einem Einsatz mit? Da kannst du sie auch gleich auf die Schlachtbank führen.“ Mizu wusste sofort wer das Mädchen in Soujis Begleitung war. Immerhin wusste sie nur von einem weiblichen Wesen, das zwischen inzwischen dem Rudel Wölfe hauste. „Chizuru-chan, darf ich dir deine neue Freundin vorstellen? Sie ist eine der Wächterinnen aus Shimabara und sollte sie Informationen über Kodo-san haben, ist es ihr eine Ehre, dir davon zu berichten.“ In Sekundenschnelle war Mizus Wut auf Soujis Gedankenlosigkeit verraucht und einer guten Portion Fassungslosigkeit gewichen. Nicht nur, dass er einfach entschied dass diese Fremde ihre neue Freundin war, er ging auch noch mit ihrem Beruf hausieren. Dabei war dieser Fakt ihr vollkommen unangenehm. „Bevor du irgendwelche Versprechungen machst, gib mir wenigstens die Chance, abzulehnen.“ Entgegen ihrer üblichen Weise gab Mizu sich beherrscht. Sie war zu müde, um mit Souji zu streiten, noch dazu wollte sie vor Chizuru keinen allzu schlechten Eindruck hinterlassen. „Bitte, wenn Sie meinen Vater sehen, oder gesehen haben, sagen Sie es mir.“ Flehend sah Chizuru mit ihren rehbraunen Augen zu Mizu. Es war einfach unmöglich, selbst für sie, da nein zu sagen. „Spar dir die Höflichkeit. Nenn mich einfach Mizu. Was deinen Vater angeht... Ich werde Augen und Ohren offen halten.“ Mizu konnte nichts genaues versprechen, aber sie wollte Chizuru, die sie so hoffnungsvoll ansah, nicht enttäuschen. Und die Augen und Ohren dafür offen zu halten, war doch kein Problem. Schließlich tat sie das auch für die Shinsengumi. **~~** Fassungslos sah Yuki auf die brennende Hütte, die sie vor wenigen Stunden noch ihr „Zuhause“ genannte hatte. Es war nichts Großes gewesen, aber doch ein Zeichen ihres Neuanfangs. Und nun stand es in Flammen, weil sie unvorsichtig geworden waren. „Yuki!“ Seufzend wandte sich der Schneeengel von dem Bild der Zerstörung ab und sah zu Koji, der mit gezogenem Schwert und atemlos auf sie zugelaufen kam. „Koba sagt, dass er die Stellung halten wird. Wir sollen Erenya und Chihiro mitnehmen und fliehen.“ Yuki verstand genau was Koji sagte, doch sie wollte es nicht glauben. Sie wollte nicht glauben, dass sie als einzige fliehen sollten. Sicher, Erenyas Sicherheit hatte immer noch Priorität, aber ihre neuen Freunde und ihr Vater, den sie erst vor wenigen Wochen wiedergefunden hatte, waren nicht minder wichtiger. „Wir werden so viele mitnehmen und retten wie wir können.“ Entgegen dem Willen des Dorfältesten Koba, zog Yuki ihr Schwert und machte sich bereit, zurück zu den anderen zu gehen, die sich noch wacker gegen die Scharen der Erzengel schlugen. „Yuki!“ Vergebens versuchte Koji den Schneeengel zurückzuhalten. Gegen ihre Entschlossenheit konnte er nichts tun, was er deutlich zu spüren bekam. Dennoch wollte er Yuki nicht ins Verderben rennen lassen, weswegen er ebenfalls den ihnen gegebenen Befehlen strotzte und Yuki zurück auf das Schlachtfeld folgte. Ihre Klinge kämpfte sich erbarmungslos durch Feuer und Feind. Doch mit jedem Schlag wurde ihr das verheerende Ausmaß des Angriffes bewusst. Die Leichen der Flüchtlinge zierten den einst grünen Boden, tränkten ihn mit warmen Rot und ließen nur erkaltendes Braun zurück. Und obwohl sie es mit eigenen Augen sah, wollte sie es nicht wahr haben. Sie wollte nicht glauben, dass ihr friedliches, fröhliches und vor allem freies Leben so schnell zerschlagen werden konnte. Und doch gab es zwischen all dem Grauen einen Hoffnungsschimmer. „Koba!“ Mutig und zahlenmäßig unterlegen, hatte sich der Anführer ihres Dorfes gegen zwei Engel gestellt. Er war schwer angeschlagen und nicht einmal seine Verletzungen heilten trotz seiner dämonischen, schnelleren Regeneration. Vielleicht lag das aber auch an den heiligen Waffen der Engel. Und doch fürchtete er sich nicht davor, noch stärker verletzt zu werden. „Koba!“ So schnell sie ihre Beine trugen, lief Yuki zu dem Oni. Sein schneeweißes Haar war mit Blut verklebt und eines der Hörnchen hatte man ihm bereits gewaltsam abgebrochen. An ihm erkannte Yuki die wahre Grausamkeit ihrer ehemaligen Artgenossen. Ein Abbild ihrer eigenen, nie ausgelebten Grausamkeit. „Yuki, was machst du noch hier?“ Obwohl Koba alle Hände voll zu tun hatte, bemerkte er den gefallenen Schneeengel, der sofort die Aufmerksamkeit seiner Gegner auf sich lenkte. „Ich kann euch nicht alleine lassen. Wir werden so viele wie möglich retten!“ Mit einem gezielten Hieb ihres Schwertes gelang es ihr, die Klinge ihres Gegners zu zerbrechen. Er war chancenlos denn mit dem verbliebenen Schwertgriff konnte er sich nicht mehr wehren. „Vergiss das! Kümmere dich um Erenya und Chihiro. Schnapp dir die beiden und flieh mit Koji. Ich kümmere mich um diese Marionetten.“ Deutlich konnte Yuki die Wut aus Kobas Worten hören. Er hasste es, wenn man ihm widersprach und damit seine Autorität untergrub. Yuki wusste das und doch konnte sie ihn hier nicht alleine lassen. „Aber...“ Erneut erhob sie ihre Stimme, wollte ihm klar machen, dass es von Vorteil war, wenn sie zusammenblieben. Doch mehr als ein Wort brachte sie nicht heraus. „Kein 'Aber'!“ Mit einem geschickten Hieb schickte Koba Yukis Gegner zu Boden und blockte seinen eigenen ab. „Ich bin dir dankbar, Yuki. Aber das hier ist meine Angelegenheit. Erenya hingegen ist deine. Sie ist in meiner Hütte. Hol sie und verschwindet! Ich werde diese Marionetten solange aufhalten.“ Ein verwegenes, kriegerisches Lächeln lag auf Kobas Lippen und Yuki wusste, dass er seinen Entschluss bereits gefasst hatte. Nichts was sie sagen oder tun konnte, würde ihm davon abbringen. „Verstanden.“ Yuki wandte sich um und sah schon Koji auf sich zukommen. Mit einem Nicken signalisierte sie dem Gefallenen, in welche Richtung es gehen würde. Auch wenn sie Koba nur ungerne alleine ließ, respektierte sie seinen Wunsch. Wissend, dass es der letzte Befehl war, den er ihr als Anführer des geheimen Dorfes gab. Wütend rammte Chihiro ihre versteckte Klinge in den Leib eines Engels, der es wirklich gewagt hatte, Kobas Hütte zu betreten. Der Dorfführer hatte ihr eine klare Anweisung gegeben. Sie musste Erenya beschützen bis Yuki und Koji sie abholten. „Dieses Federvieh vermehrt sich wie Ungeziefer!“ Genervt schlug sie die Tür zu und stemmte sich mit ihrem Körper dagegen. Die Scharniere hielten nicht mehr und doch wollte Chihiro die letzte Barriere zwischen den Engeln und sich nicht aufgeben. „Alles in Ordnung, Erenya?“ Ihr Blick glitt zu dem Engel, der sie vor wenigen Monaten gerettet hatte. Sie hielt ein Schwert umklammert, doch anhand ihrer Haltung wusste Chihiro, dass sie noch lange nicht bereit zum Kämpfen war. Aber das was sie konnte, würde vielleicht reichen, damit sie sich verteidigen konnte. „Ist das... Meine Schuld?“ Chihiros Augenbrauen hoben sich, als sie die Frage des Mädchens hörte. Wie sollte sie für dieses Chaos verantwortlich sein? Wenn jemand Schuld war, dann wohl der alte Mann, den Yuki als ihren Vater bezeichnet hatte. Schließlich waren ihre Angreifer den alten verfolgt und hatten so das geheime Dorf entdeckt. „Red nicht so einen Unsinn... Niemand hat daran Schuld...“ Stille kehrte ein und Chihiro lauschte an der Tür. Die Kampfgeräusche waren verstummt, doch Chihiro traute dem Frieden nicht. Kampfbereit stand sie an der Tür. Ihre Sinne waren bis zum Äußersten angespannt und plötzlich klopfte es. „Wir sind es. Yuki und Koji.“ Vorsichtig zog Chihiro die Tür auf, immer bereit zuzustechen, wenn es doch nur ein Gegner war. Sie durfte sich einfach keinen unvorsichtigen Moment erlauben. Doch nicht nur sie war vorsichtig. Auch Yuki, die erst eine Hand in den Raum hielt, machte deutlich, dass sie alles erwartete. „Die Luft ist rein...“, versicherte sie Koji und betrat schließlich die Hütte, die verschlossen wurde, kaum dass der Gefallene eingetreten war. „Und nun? Wie kommen wir ungesehen da raus?“ Fragend sah Chihiro zu Koji und Yuki, während sie ihren Körper gegen die Tür stemmte. Sie wusste wirklich nicht, wie sie dieses Schlachtfeld verlassen wollten. „Die Frage ist doch viel eher, wohin wir gehen sollen, wenn wir das Dorf lebend verlassen haben.“ Nachdenklich sah Koji aus einem der Fenster. Doch außer den Flammen, die schon bald auch diese Hütte erreichen und verschlingen würden, sah er nichts. „Wir müssen nach Kyoto!“ Yuki wandte ihren Blick zu Erenya, die kampfbereit ihr Schwert gezogen hatte. Sie konnte die Entschlossenheit in ihren Augen deutlich aufblitzen sehen. Etwas, das sie bei Erenya selten sah. „Warum Kyoto? Wegen der Shinsengumi? Wir haben genug eigene Probleme und können uns nicht auch noch um ihre kümmern.“ Koji gefiel der Gedanke nicht, dass Erenya dahin zurück wollte, wo das Rudel Wölfe mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hatte. „Es geht nicht nur um Hijikata-san und die anderen. Die Engel haben die Dämonenkönigin dort im Visier, wenn wir nicht schnell handeln.“ Erenyas Blick glitt zu Chihiro, die sie mit geweiteten Augen ansah. Sie wusste, was Erenyas Worte bedeuteten und war bereit sich eigenständig durch die Scharen zu kämpfen, um Jandate beschützen zu können. „Dann gehen wir.“ Zu allem bereit nahm Chihiro Abstand von der Tür, die sofort auffiel und damit das wahre Schlachtfeld offenbarte. Achter Juli, das erste Jahr der Genji Ära (1864) Schwer atmend lief Chizuru durch die verwinkelten Gassen in Richtung ihres Zieles. Sie musste sich beeilen, immerhin war sie die Einzige, die Hijikata noch die wichtige Nachricht überbringen konnte. Yamazaki hatte es in ihre Hände gelegt und sich alleine den Männern Chôshus entgegengestellt. 'Ich muss Hijikata-san die Nachricht überbringen...' Obwohl ihre Lungen bereits vor Schmerz brannten, hielt sie nicht inne und versuchte so schnell wie möglich weiterzulaufen. „Bleib stehen!“ Erschrocken hielt Chizuru inne und sah schwer atmend zu dem Krieger, der sich mit gezogenem Schwert vor ihr aufbaute. Sie wusste sofort, dass er zu den Gegnern der Shinsengumi gehörte und mögliche Boten, in diesem Fall sie, aus dm Weg räumen sollte. Auch wenn die Angst sie zu lähmen drohte, sie durfte nicht aufgeben. 'Ich muss Hijikata-san die Nachricht überbringen!' Entschlossen aber zitternd zog Chizuru ihr Kodachi und nahm eine abwehrende Haltung an. Sie hatte immerhin Kampftraining gehabt und das sollte nicht umsonst gewesen sein. 'Yamazaki-san verlässt sich auf mich, genauso wie Sannan-san.' Egal was geschah, Chizuru wusste, dass sie nicht verlieren durfte. Doch sie wusste auch, dass sie nicht lange durchhalten würde. Deswegen musste sie an dem Krieger vorbeikommen. Nur vorbeikommen und dann laufen, mehr nicht. „Du wirst hier nicht lebend vorbeikommen.“ Mit einem Kampfschrei stürzte sich der Krieger auf Chizuru und schwang sein Katana. Gerade rechtzeitig wich sie, mit einem Rückwärtsschritt, aus und schwang nun selbst ihr Schwert. Doch ihre Klinge stieß auf das kalte Metall des Schwertes, welches ihr Gegner führte. Schon in dieser Abwehr steckte mehr Macht, als Chizuru sie je aufbringen konnte. 'Ich muss Hijikata-san die Nachricht überbringen...' Aufgeben stand nicht zur Debatte. Kein Mitglied der Shinsengumi hätte auch nur im Traum daran gedacht, kampflos aufzugeben. Und obwohl sie genug eigene Probleme mit Chôshu hatten, fanden sie die Zeit nach ihrem Vater zu suchen und sie zu beschützen. Wenigstens mit diesem Botendienst wollte sie ihnen ihre Freundlichkeit zurückzahlen. Mit aller Kraft die sie aufbringen konnte, stieß sie den Mann von sich und zog ihm mit einem Fuß das Bein weg, wodurch er sein Gleichgewicht verlor und zurück stolperte. Es war ihre einzige Chance und das wusste sie nur zu gut. Ohne auf den Krieger zu achten, lief sie los, das Schwert fest umklammert für den Fall, dass der Mann ihr folgen würde und sie wieder angriff. Keuchend klammerte sich der Mann an die Barriere, die ihn daran gehindert hatte zu fallen. Er brauchte einige Sekunden, um sich zu fassen, denn sein Gegner hatte ihn kalt erwischt. „Dieser verdammte Bengel...“ Seine Stimme glich einem Zischen und offenbarte dennoch nicht im vollen Maße wie wütend er war. Er musste das Bürschchen aufhalten, doch als er loslaufen wollte, spürte er das runde, fasrige Holz an seiner Kehle. „Ich kann dich nicht gehen lassen, niu. Immerhin hat sie alles dafür riskiert, niu!“ Etwas wandte der Krieger seinen Kopf um und erkannte die rotbraunen Ohren zwischen dem rotbraunen Haar, die bedrohlich zuckten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)