Geliebter Dämon von Rogue37 ================================================================================ Kapitel 15: Das Gleichgewicht der Erde -------------------------------------- Hallöchen alle zusammen, mein Gott, ich muss mich ja mal selbst loben. Ich hab tatsächlich nur eine Woche bis zum nächsten Part gebraucht. Und dann sind es im Word auch noch ganze 11 Seiten. Gut, gell? :) Und wo ich grad mal dabei bin mich selbst zu loben (soll man nicht machen, ich weiß, ich weiß) stelle ich grad fest, dass ich mit den Überschriften der einzelnen Kapis auch recht zufrieden bin. Für diesen Teil hier hatte ich sogar eine ganze Menge Titel auf Lager, hab mich dann aber doch für das Gleichgewicht der Erde entschieden. Ganz weit vorne stand auch noch: Und plötzlich wurde es dunkel. Aber das klingt so hochgestochen. Na ja, schaut selbst, ob der Titel passt. So, here we go: Sesshoumarus Beine knickten weg und Rijan musste feststellen, dass sie ihn selbst in unversehrtem Zustand nicht auf den Beinen hätte halten können. Sie ging mit ihm in die Knie und umklammerte seinen Oberkörper so fest sie konnte. Mit Mühe gelang es ihr ihn wenigstens insoweit aufrecht zu halten. Doch der Triumph war nur von kurzer Dauer. Alle Kraft war längst aus seinem Körper gewichen, er fiel vornüber und begrub Rijan unter sich. Einen Augenblick lang tat sie gar nichts. Sie lag einfach nur auf dem Boden und umklammerte den leblosen Körper über ihr. Sie hoffte darauf zu fühlen, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Doch irgendwann erfasste sie die reine Panik, denn sie fühlte nichts davon. Kein Zeichen von Leben drang zu ihr durch. Sie bäumte sich auf und drehte Sesshoumaru schließlich sanft auf seinen Rücken. Vorsichtig umfasste sie sein Gesicht und blickte es aufmerksam an. Irgendeine Regung, ein Zeichen oder auch nur ein Reflex. Doch nichts von alle dem konnte sie erkennen. Die Panik in ihr raubte ihr langsam die Luft. Sie begann zu hyperventilieren. Als hätte sie sich an ihm verbrannt, zuckte sie vor ihm zurück. Sie ließ sich nach hinten fallen und stützte sich mit ihren Armen dabei ab. Dann rutschte sie weiter weg und starrte ihn aus sicherer Entfernung an. Was war geschehen? Das konnte doch nicht sein. Sesshoumaru konnte nicht sterben. Nicht so einfach, nicht so unspektakulär. Nein, sie war sich sicher, dass es nicht so endete. Rijan schlug erschrocken die Hand vor den Mund. Ihre Augen schienen ihr ganzes Gesicht einnehmen zu wollen. Das war ihre Schuld. Oh mein Gott, was hatte sie getan? Deutlich schossen die Bilder der vergangenen Minuten wieder in ihr Bewusstsein. Sie hatte ihn aufgehalten. Sie hatte ihn dazu gebracht, Tetsu nicht zu töten und dabei keinen Augenblick daran gedacht, dass Tetsu diesen Moment vielleicht ausnutzen würde. Sie krabbelte wieder nach vorne und schlug hilflos auf seine Brust. "Komm schon.", jammerte sie und schlug immer wieder auf die tiefen Wunden. Blut spritzte dabei auf sie, doch das kümmerte sie nicht weiter. Solange er noch blutete, konnte er doch nicht tot sein. Sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, schrie ihn an, endlich die Augen aufzumachen, verfluchte ihn dafür, ihr einen solchen Schock einzujagen und brach schließlich in Tränen aufgelöst auf seiner Brust zusammen. Sie lauschte auf seinen Herzschlag, doch da kam nichts. Es blieb ruhig in seiner Brust. Hektisch griff sie nach seinem Handgelenk, versuchte einen Puls zu finden, doch vor lauter Verletzungen war das gar nicht so einfach. Sie versuchte es an seinem Hals, doch auch da regte sich nichts. Immer wieder versuchte sie irgendwie ein Lebenszeichen von ihm zu erhalten, doch je länger sie sich bemühte, desto eisiger wurde es in ihr. Es kam einfach nichts. Sie hob seinen Arm hoch und ließ ihn dann los. Ohne eine Reaktion fiel er zu Boden. Wieder und wieder wiederholte sie diese Prozedur. Sie legte ihr Ohr auf seine Brust und versuchte zwischen ihren eigenen Schluchzern einen Herzschlag zu hören. Sie schlug ihn erneut, stieß mit dem Finger in tiefe Wunden und wusste doch längst, dass sich da nichts mehr regte. Rijan erstarrte und blickte auf das leblose Gesicht. Sie strich ihm die dreckigen Haare aus der Stirn und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Versuchte zu begreifen, was sie getan hatte. Er hatte ihr gesagt, sie solle gehen. Er hatte gesagt sie solle gehen, sich nie wieder umdrehen und so weit laufen wie sie konnte. Sie hatte es ihm versprochen. Sie hatte sich umgedreht und war gegangen. Sie hätte es zu Ende bringen sollen. Verdammt, warum hatte sie nicht getan, was er verlangt hatte. Warum zum Teufel war sie umgedreht? Warum hatte sie ihn nicht alleine lassen können? Er hatte doch alles unter Kontrolle gehabt. Er hatte diesen Kampf eigentlich schon gewonnen gehabt. Nichts, aber auch gar nichts, wäre ihm geschehen, wenn sie nicht umgedreht wäre. Sie sah deutlich vor sich, wie seine Hand erstarrt war, wie er den Kopf gewandt hatte und sie angeblickt hatte. Sie sah das so deutlich und dann sah sie wieder Blut spritzen. Sein Blut. Gott, was hatte sie angerichtet? Sie drückte die Hände auf ihre Ohren. Du hast ihn umgebracht! Immer wieder hallten diese Worte durch ihren Kopf. Immer wieder und Rijan konnte die Stimme einfach nicht zum Schweigen bringen. Diese Erkenntnis ergriff von ihrem Herzen besitz. Breitete sich von dort in ihrem ganzen Körper aus und erfüllte sie schließlich ganz. Vollkommen in Trance saß sie auf dem Boden und schlang die Arme um sich selbst. Sie wiegte sich vor und zurück. "Ich hab ihn umgebracht.", murmelte sie. Sie hatte vergessen, wo sie war. Hatte vergessen, warum sie eigentlich hier war. Immer wieder spielte sich vor ihrem geistigen Auge dieser Augenblick ab, in dem Sesshoumaru auf sie reagiert hatte und sein Blick den ihren gekreuzt hatte. Immer wieder sah sie diese blutenden Augen und hörte schließlich diesen schmerzhaften Aufschrei, als der Dolch in seinen Körper eindrang. Wieder und wieder erlebte sie diesen Augenblick. Immer diese blutroten Augen vor sich habend. Je öfter sie hineinsah, desto mehr glaubte sie dort Vorwürfe zu entdecken. Sie glaubte ihn sprechen zu hören. Glaubte, dass er ihr sagte, was für ein verkommener Mensch sie war. Dass sie ihn eben doch nicht liebte. Denn wenn sie es tat, hätte sie dann nicht auf ihn gehört? Wäre es ihr nicht egal gewesen, was aus diesem Tetsu geworden wäre? Hätte sie nicht einfach nur dankbar dafür sein sollen, dass Sesshoumaru das überlebt hatte? Dass er diesen Kampf gewonnen hatte? Sie hatte ihn verraten. Hatte zugelassen, dass ihre Gefühle in den Schmutz gezogen werden konnten. Hatte alles verloren was ihr wichtig gewesen war. Sie ließ sich auf den Rücken fallen und streckte sowohl Arme als auch Beine von sich. Sie hatte den einzigen Menschen getötet, der ihr eine Familie gewesen war. Was war sie für ein Mensch? War sie überhaupt noch ein Mensch? Vielleicht war sie ja nur noch eine abartige Kreatur. Kein Wunder, dass er sich so wenig aus ihr gemacht hatte. Wie hätte man sie auch lieben können? War das nicht in etwa wie einen schmerzhaften Dorn im Finger zu lieben? Er hatte gewusst wie schlecht sie war. Deswegen hatte er sie weggeschickt. Deswegen hatte er sie nicht an seiner Seite haben wollen. Er hatte gewusst, dass sie ihn irgendwann verraten würde. Dass sie sein Untergang sein würde. Richtig, genau so musste es gewesen sein. Sie starrte an den schwarzen Himmel über ihr. Das hier war die Hölle, nicht wahr? Richtig, sie war tot und das vergangene hatte sie alles nur geträumt. Sie war damals als kleines Kind gestorben. Sie hatte sich nur nicht mit ihrem Tod abfinden wollen. Sie hatte Sesshoumaru erfunden. Sie hatte Dämonen und das alles erfunden. Es gab so etwas gar nicht. Sie hatte nur eine Möglichkeit gesucht, nicht dem Tod ins Auge sehen zu müssen. Doch heute und hier, während sie an den schwarzen Himmel blickte und die Flammen um sie herum brannten und alles vernichteten, was irgendwie von Leben zeugte, sah sie dem Tod ins Auge. Heute verstand sie das endlich alles. Ein tiefer Frieden breitete sich in ihr aus. Ja, genau so war es gewesen. Das war das ganze Geheimnis. Sie hatte niemanden verraten, sie hatte niemanden umgebracht. Sie hatte niemanden verloren. Tränen rannen aus ihren Augen, doch Rijan merkte das nicht einmal mehr. "Oh, süßer Frieden, ich hab dich vermisst.", murmelte sie und versank in dieser Welt, in dieser Realität, die sie glaubte endlich gefunden zu haben. "Rijan!" Eine Stimme drang zu ihr durch, doch sie weigerte sich darauf zu reagieren. Sie wusste, dass etwas Furchtbares geschehen würde, wenn sie dieser Stimme Gehör schenkte. Nein, hier war nur sie. Niemand konnte sie rufen. Und doch war da diese Stimme, die immer wieder ihren Namen rief, einfach nicht locker ließ. Langsam konnte sie fühlen, wie ein unheimlicher Schmerz von ihr Besitz ergriff. Sie glaubte nahe dem Wahnsinn zu sein, krampfhaft jedoch darum bemüht, diesen irgendwie zu bekämpfen. "Rijan." Wieder diese Stimme. Männlich, doch nicht ganz so tief wie die von ... Verzweifelt schüttelte Rijan ihren Kopf. Dieser Frieden, der sie umgab schien wie eine steinerne Mauer zu sein. Gebaut auf ein wackeliges Fundament. Jemand zog einen Stein heraus und die ganze Mauer begann zu beben. Bedenklich schwankte sie hin und her. Risse, erst kleine, dann immer größere, zogen sich an der Wand entlang, ließen etwas hindurch, dass Rijan zutiefst ängstigte. Nein, sie wollte nicht wissen, was auf der anderen Seite dieser Mauer war. Sie brauchte diese Mauer um das überstehen zu können, um nicht vollkommen wahnsinnig zu werden. Wahnsinnig vor Kummer! Vor Kummer um den Verlust eines geliebten Menschen. Nein, keines Menschen, schlimmer, ja, wegen des Verlusts eines Dämons. Ein Schrei gellte durch die Luft und es dauerte, ehe Rijan begriff, dass dieser Schrei, aus ihrer Kehle kam. Sie versuchte den Sturz der Mauer aufzuhalten, doch es schien unmöglich zu sein. Sie war zu schwer. Ein Bild drängte sich durch die Risse der Mauer und Rijan weigerte sich hinzusehen. Sie ahnte, was es war und wollte das nicht erneut sehen. Sie presste die Hände auf ihre Augen und bemerkte doch gleichzeitig, wie sich die Finger spreizten, damit sie hindurch sehen konnte. Und was sie sah, wollte sie nicht glauben. Sie sah sich selbst. Wie durch einen Nebel, einen dunklen Schleier hindurch, sah sie -wenn auch nur verschwommen- sich selbst. In den Armen einen toten Dämon haltend, dessen Gewicht sie unbarmherzig zu Boden drückte. Die Risse wurden tiefer und sprengten die Mauer schließlich mit einer brachialen Gewalt. Bilder strömten auf Rijan ein und schienen sie um ihren Verstand zu bringen. Sie begriff wieder wo sie war, warum sie hier war und was geschehen war. Immer noch lag sie alle viere von sich gestreckt auf dem Boden und starrte einen dunklen, düsteren Himmel an, der nur durch die beängstigenden Flammen um sie herum erhellt wurde. Sie rappelte sich auf, von Kummer gepeinigt kaum noch den eigenen Körper aufrecht halten könnend, krabbelte sie auf allen vieren zurück zu dem leblosen Geschöpf, das nicht weit von ihr lag. Sie setzte sich auf ihre Beine und sah Sesshoumaru einen Moment schweigend an. Liebevoll, beinahe ehrfürchtig strich sie über sein blasses Gesicht. Fuhr die Konturen seiner Zeichen nach. "Sess!", flüsterte sie und ließ mit diesem einzigen Namen all ihren Schmerz und Kummer heraus. Die Tränen, die über ihre Wangen liefen, schmeckten salzig und wollten nicht mehr versiegen. Es war als wollte sie mit ihren Tränen alle Brände um sie herum löschen, als wollte sie die Welt in einem einzigen Tränenmeer versinken lassen. Dieser Kummer, der in ihr tobte, schien zu stark für sie zu sein, zu mächtig, als das ein einfacher Mensch ihn überleben konnte. Sie hatte gehört, das man oft sagte Menschen starben an gebrochenem Herzen. Sie hatte es nie geglaubt. Kein Mensch konnte an so etwas sterben. Das waren nur billige Ausflüchte, weil sich die Angehörigen nicht eingestehen wollten, dass der Mensch vielleicht krank gewesen war. Gebrochene Herzen, so etwas lächerliches auch. Doch jetzt und hier begriff sie, dass das keine billigen Ausreden waren. Es gab einen Schmerz, den kein Mensch überleben konnte. Und dieser Schmerz war nicht etwa so heroisch, als das man sagen könnte, es sei die überwältigende Liebe, die einen nicht weiterleben lassen konnte. Nein, es war keineswegs die Liebe, die einen an gebrochenem Herzen sterben lassen konnte. Es war Schuld. Es war die schreckliche Gewissheit, dass man selbst Schuld am Tod dieses geliebten Menschen war. Rijan nahm Sesshoumarus Oberkörper in ihre Arme und drückte ihn fest an sich. Sein Kopf fiel auf ihre Schulter und verharrte dort leblos. Sie legte ihre Hand auf seinen Hinterkopf und hielt ihn fest. Diese Schuld fraß sich in die Überbleibsel ihres Herzens, fand dort nahrhaften Boden und vergiftete alles, was sich ihr in den Weg stellte. Rijan konnte förmlich fühlen, wie ihre Seele langsam schwarz wurde. Wie dieser Kummer in ihr, aus ihr einen anderen Menschen machte. Sie bekam deutlich mit, wie das Lachen, das Glücklichsein, das lustige und vorlaute Wesen in ihr, Stück für Stück, das eigene Leben verlor. Als pflückte man eine Blume ohne Wurzel und wunderte sich darüber, dass sie einging. Genau so ging es in ihrem Inneren zu. Sie schrie und glaubte zu sehen, wie selbst die fürchterlichsten Dämonen kehrtmachten und vor ihrem Laut flüchteten. Dieser Schrei war erfüllt von der schrecklichen Gewissheit, den geliebten Dämon umgebracht zu haben, er war erfüllt von Kummer und Trauer über den Verlust dieses Mannes, geprägt von dem Schmerz, der in ihr tobte und nach und nach alles Gute und Positive in ihr auslöschte. Es war der Schrei eines sterbenden Menschen, der nicht länger auf dieser Erde weilen wollte und doch nicht sterben konnte. Der zusehen musste, wie er innerlich aufgefressen wurde und doch nichts dagegen tun konnte. Der Schrei von jemandem, der Angst vor der Veränderung in sich hatte und doch mit jedem Zentimeter seines Körpers danach verlangte. "Rijan!" Eine Hand griff nach ihrer Schulter und zog sie unbarmherzig auf die Füße. Nicht länger fähig Sesshoumaru zu halten, fiel er zurück auf den Boden. Den dumpfen Knall, der dabei entstand, glaubte Rijan fast körperlich spüren zu können. Benommen starrte sie auf ihn hinab und ignorierte das Schütteln, das ihren Körper erfasste. "Rijan, komm zu dir. Wir müssen hier weg." Sie blickte auf und erkannte erst nach einigen Momenten, dass Tetsu die Worte an sie gerichtet hatte. Unfähig Sesshoumaru zu verlassen, schüttelte sie ihren Kopf. "Ich hab ihn umgebracht.", flüsterte sie und starrte Sesshoumaru wieder an. Er sah so ruhig aus, als würde er einfach nur schlafen. Doch da sie Sesshoumaru nie hatte schlafen sehen, ängstigte sie dieser Anblick nur noch mehr. "Der Wald steht in Flammen. Der Rauch ist schon so dicht, dass man kaum noch bis zu den nächsten Bäumen sehen kann. Wir müssen hier weg, wenn wir nicht ersticken wollen." Rijan schüttelte nur wieder ihren Kopf. Ersticken? Sicher kein sehr angenehmer Tod. Doch etwas Besseres hatte sie sowieso nicht verdient. Es geschah ihr Recht. Genau, sie würde sich hier auf den Boden setzen und an seiner Seite ersticken. Das war der würdige Abgang für eine elende Verräterin wie sie. Er wäre damit sicherlich auch einverstanden. "RIJAN!", schrie Tetsu sie an und zerrte grob an ihrem Arm. Sie blickte ihn aus leeren Augen an. "Das ist der richtige Tod für mich. Ich habe ihn verdient." Er schüttelte nur seinen Kopf und ließ ihre Hand los. "Ich werde hier auf jeden Fall nicht sterben. Verabschiede dich, wenn es sein muss. Du kommst mit mir mit. Ich habe heute schon so viele Menschen verloren. Kein einziger wird heute noch sterben." Seine Worte wollten etwas in ihr berühren, doch der Impuls war zu schwach, als dass er durch diese Gleichgültigkeit, diese Selbstzerstörung durchdringen konnte. Sie fiel wieder auf die Knie und blickte benommen auf den geliebten Dämon. Schließlich fing sie wieder an zu weinen, wimmerte wie leid es ihr tat und hasste sich nur noch mehr für ihre Schwäche. Sie kreuzte die Arme auf seiner Brust und barg ihren Kopf darauf. Heftiges Schluchzen peinigte ihren Körper. "Es tut mir so leid." Wieder und wieder sprach sie die Worte. Vermutlich hoffte sie auf seine Absolution, hoffte darauf, dass er sie wieder aufbaute, so wie er es immer getan hatte, doch wie ein Bumerang kam diese Hoffnung zurück und verwandelte sich dabei in die sichere Gewissheit, dass das eben nicht der Fall sein würde. Dass es nie wieder so sein würde. Und das sie selbst daran Schuld war. "Du könntest mir ruhig helfen.", meckerte Tetsu leicht verärgert. Sie blickte mit tränen- und blutverschmiertem Gesicht auf und merkte, dass Tetsu gerade seine Dolche wieder an seinem Gürtel befestigte. Erneut wollte etwas in ihr darauf reagieren, doch sie war viel zu müde, um das auch zuzulassen. "Du hast sie doch schon gefunden." Er schüttelte seinen Kopf und bedachte sie mit einem Blick, der deutlich sagte, wie wenig intelligent sie sich gerade benahm. "Sein Schwert, Rijan.", meinte er, als wäre damit alles geklärt. Verwirrt schüttelte sie ihren Kopf und sah lieber wieder in Sesshoumarus blasses Gesicht. Sie hatte es nie zuvor so farblos gesehen. Beinahe glaubte sie zu erkennen, dass die Zeichen auf seiner Haut ebenfalls verblassten. Verschwand vielleicht der Ausdruck seiner Macht, wenn er tot war? Der Stich, der in ihr Herz schoss, war so unerwartet, so überraschend, dass sie erschrocken aufkeuchte. Verdammt, sie hatte geglaubt, mittlerweile innerlich taub zu sein. Offenbar war dem aber nicht so. "Du kannst es sowieso nicht verwenden. Sein Schwert ist mit soviel böser Energie erschaffen worden, dass nur ein mächtiger Dämon es beherrschen kann. Dich würde es einfach nur vernichten." Seltsam, sie sprach vollkommen normal und schien doch keine Kontrolle darüber zu haben. "Das glaube ich kaum!", entgegnete er nur und etwas an dem Ton seiner Stimme, ließ sie aufblicken. Er hatte Toukijn gefunden und hob es mit einem etwas dümmlichen Grinsen auf. "Ein mächtiges Schwert!", sagte er ehrfürchtig. Rijan runzelte die Stirn, während sie ihm dabei zusah, wie er versuchte das Schwert zu schwingen. Einmal von rechts nach links und nichts geschah. Seltsam! War das Schwert etwa gereinigt durch Sesshoumarus Tod. Erneut keuchte sie auf. Verdammt, warum tat das noch so weh? Es schien mit mal zu mal sogar schlimmer zu werden. Tetsu hatte ihr Keuchen gehört und blickte sie kurz an. "Alles in Ordnung?" Sie reagierte darauf nicht. Es war auch eine lächerliche Frage. Heute war überhaupt nichts in Ordnung und wenn sie nicht alles täuschte würde es auch nie wieder in Ordnung kommen. Dann plötzlich leuchtete eine schwarze Aura um das Schwert herum auf und Tetsu schrie auf. Er ließ das Schwert los, als hätte er sich verbrannt. Tatsächlich schien wirklich ein Schlag oder etwas Ähnliches von dem Schwert ausgegangen zu sein. "Ich sagte dir doch, dass du es nicht beherrschen kannst." Tetsu blickte mit sehnsüchtigem Blick auf das Schwert, nickte aber schließlich. "Es wäre ja auch ein Wunder, wenn ein Dämon wenigstens einmal nützlich wäre." Erneut traf etwas in ihr Innerstes und ließ es kurz erbeben. Was sollte das alles? Hatte sie etwa etwas Wichtiges vergessen? War da etwas, dass sie außer Acht gelassen hatte. Sie blickte wieder in Sesshoumarus Gesicht. Selbst jetzt noch könnte sie ihn einfach nur stundenlang anblicken. "Ich hatte eigentlich gedacht, dass gerade dieses Schwert auch einen Menschen nach dem Tod seines Besitzers akzeptieren würde." Rijan drehte langsam ihren Kopf. Blut fing plötzlich an in ihren Ohren zu rauschen. Rasende Kopfschmerzen schien ihren Kopf zum Zerplatzen bringen zu wollen. Sie hatte etwas vergessen. Sie konnte es jetzt deutlich fühlen, doch ihr fiel einfach nicht ein, was das war. Sie begegnete Tetsus Blick. Er näherte sich ihr und nahm schließlich ihre Hand. "Wir müssen jetzt wirklich von hier verschwinden.", sagte er, während er zu den näher kommenden Flammen blickte. Dann sah er sie wieder an, bemerkte ihren verwirrten Blick und schien ihn falsch zu deuten. "Nun ja, Tensaiga rettet Menschen das Leben oder gibt es ihnen wieder, wie man es eben nimmt. Man sollte meinen, dass gerade dieses Schwert keine böse Aura hätte." Er drehte ihr den Rücken zu und wollte losgehen. Da seine Hand immer noch die ihre hielt, blieb er abrupt stehen, als sie sich nicht bewegte. Rijan bemerkte das jedoch kaum. Das Blut in ihren Ohren hatte die Worte nur schwach zu ihr durchdringen lassen. Sie sah, dass er wieder etwas sagte, verstand jedoch kein einziges Wort. Was jedoch deutlich in ihrem Kopf nachhallte und damit auch die volle Erinnerung zurück brachte war der Name: Tensaiga. Deutlich hörte sie diesen Namen. Tensaiga! Als würde man mit einem Hammer in ihren Bauch schlagen, breitete sich dort ein unsagbarer Schmerz aus. Sie keuchte auf und ging in die Knie. Wie hatte sie das vergessen können? Wie hatte sie hier mit diesem Menschen stehen und vollkommen normal sprechen können, ohne sich daran zu erinnern, was er nur Minuten zuvor getan hatte? Ihr Verstand schien wirklich ausgesetzt zu haben. Jetzt jedoch arbeitete er auf Hochtouren. Vollkommen richtig, sie war mit Sicherheit schuld daran, dass Sesshoumaru jetzt tot war, doch sie hatte es nicht ausgeführt. Derjenige, der Sesshoumaru tödlich verwundet hatte, war kein geringerer als Tetsu gewesen. Seine Dolche hatten zugestoßen, als Rijan ihm gerade das Leben gerettet hatte. Sie hatte nie zuvor solche Gefühle in sich gehabt. Sie hatte Sesshoumaru einst gehasst oder es sich zumindest eingeredet. Diese Gefühle hatten sie damals vergiftet, und doch waren sie nicht mit dem jetzigen zu vergleichen. Sie blickte nach oben, direkt in Tetsus Gesicht und was immer er in ihren Augen sah, ließ ihn deutlich zurückweichen. "Tensaiga?", fragte sie kalt. Ihre Stimme klang so fremd in ihren Ohren. Hatte das wirklich sie gesagt? Was immer er antwortete drang nicht zu ihr hindurch. Nein, sie verstand es auch ohne Worte. Natürlich hatte er zugestoßen. Er hatte von diesem unglaublichen Schwert gehört, das sich in Sesshoumarus Besitz befand. Das er allein kontrollieren konnte. Um wenigstens die Chance zu haben, es benutzen zu können, musste der Besitzer erst sterben. Rijans Augen wurden größer. Mein Gott, sie war es gewesen, die ihm von Tensaiga erzählt hatte. Sie hatte ihn erst auf die Idee gebracht, sich in diesen Kampf einzumischen. Es war vermutlich nicht einmal darum gegangen, mächtige Dämonen zu vernichten. Tetsu hatte seine Chance gesehen an Tensaiga zu kommen. Darum war es gegangen. Hass breitete sich in ihr aus. Er fand in ihrem Selbsthass äußerst nahrhaften Boden und breitete sich wie eine Seuche in ihr aus. Sie hatte nie geglaubt, jemals derartig hassen zu können. Doch sie konnte es. Das sah sie heute ein. Sie konnte abgrundtief hassen und verdammen. Und was sie noch erst heute zum ersten Mal fühlte, war der überwältigende Wunsch nach Rache. Damals als Sango ihr Sesshoumarus Tod übertragen hatte, war das keine Rache gewesen. Damals war es einfach nur ein Auftrag gewesen. Sie hatte in Sangos Schuld gestanden, was Rache bedeutete verstand sie erst heute. Und diese Rache brachte noch eine andere Eigenschaft ans Licht von der Rijan nie gedacht hatte, dass diese auch in ihr schlummerte. Mordlust. Alles verzehrende, unstillbare Mordlust. Sie wollte den Tod dieses Mannes. Nichts auf dieser Welt wollte sie so sehr wie den Tod dieses einen Menschen. "Du hast ihn umgebracht!", flüsterte sie mit eisiger Stimme. Tetsu blickte kurz zu dem toten Dämon hinüber und dann wieder in Rijans Gesicht. "Ich weiß, dass euch beide etwas verband, Rijan. Aber er ist nur ein Dämon.", versuchte er sie zu beschwichtigen. Nur ein Dämon? Nein, Sesshoumaru war nicht einfach nur ein Dämon. Er war wesentlich mehr gewesen. Mehr als Tetsu vermutlich je verstehen würde. Rijan blickte ebenfalls auf Sesshoumaru hinab. "Er war der Mann, den ich liebte.", erklärte sie schließlich und zog im gleichen Augenblick ihr Schwert. "Was soll das?" Offenbar war Tetsu schwer von Begriff, denn obwohl Rijan kaum eine Minute verstreichen ließ, ehe sie mit ohrenbetäubendem Geschrei auf ihn losstürmte, schien er nicht zu begreifen, dass sie Ernst machte. "Wehr dich!", forderte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Einen Moment glaubte sie ein Knurren käme aus ihrem Mund, doch ihre Sinne waren so überlastet, dass sie es sich vielleicht auch nur einbildete. "Ich werde nicht gegen dich kämpfen.", meinte Tetsu mit festem Blick und wich geschickt ihren wütenden Angriffen aus. "Pech für dich. Denn ich werde dich nicht schonen, nur weil du dich weigerst, dich zu verteidigen." Purer Hass sprach aus ihrer Stimme und Tetsu begann langsam den Ernst der Situation zu begreifen. "Wenn ich in deine Augen sehe, Rijan, sehe ich dort nichts Menschliches mehr." Rijan knurrte jetzt wirklich. Er konnte sich seine Worte sparen. Worte, konnten heute nichts mehr bewirken. Worte konnten grundsätzlich nichts bewirken. Sie hatte versucht heute durch Worte zu schlichten. Das Ergebnis lag in Gestalt eines toten Dämons zu ihren Füßen. "Menschlich?", fragte sie spöttisch und ließ erneut mit brachialer Gewalt das Schwert niedersausen. Sie traf Tetsu deutlich am Arm. Blut spritzte und besudelte ihre Klinge. Menschliches Blut. Nie zuvor hatte daran menschliches Blut geklebt. Einen Augenblick lang starrte sie auf die rote Verfärbung ihrer Klinge, doch es hielt sie nicht von ihrem vernichtenden Wunsch nach Rache ab. "Was erzählst du mir hier von menschlich? Du hast einen schwachen Moment deines Gegners ausgenutzt." Sie schluckte schwer. "Du hast mich ausgenutzt." Tetsu hielt sich den verletzten Arm und wich immer noch Rijans Schwerthieben aus. Von ihrer Wut getrieben, lag eine Menge Kraft in ihren Bewegungen. Sie war schneller als er. Hinzu kam, dass sie vollkommen ohne Verstand kämpfte. Sie handelte impulsiv, ihre Bewegungen vorauszusagen war nicht mehr möglich. "Dich ausgenutzt? Wann soll ich das getan haben.", hielt er ihr entgegen. Rijan blieb stehen, starrte ihn aus hasserfüllten Augen an. Kummer spiegelte sich einen Moment darin. "Ja, mich ausgenutzt. Ich war so ein Narr. Deinetwegen habe ich ihn aufgehalten. Ich wollte nicht, dass er dich tötet und wie dankst du es mir? Du nutzt es aus und tötest ihn." Ihre Stimme brach, als sich ihr erneut diese grausamen Bilder aufzwängten. "Nun, dann sollte ich mich wohl bedanken. Nett, dass dir mein Leben am Herzen lag.", giftete er jetzt deutlich feindselig zurück. "Aber vielleicht ist dir entgangen, dass ich es mit einem äußerst mächtigen Dämon zu tun hatte. Ich hatte nicht vor diesen Kampf zu verlieren." "Schweig!", schrie Rijan. Sie wollte seine billigen Ausflüchte nicht hören. "Er war dabei mich zu töten und obwohl er einen Moment verharrte, Rijan, machte er keine Anstalten, seine verfluchten Finger zurückzuziehen. Hätte ich ruhig dort stehen sollen und darauf warten, dass er mich doch noch umbringt. Hätte ich darauf vertrauen sollen, dass einer der mächtigsten Dämonen dieser Erde auf einen unbedeutenden Menschen hört? Ich bitte dich! Wenn einem ein Geschenk unterbreitet wird, fragt man nicht nach, man nimmt es an." Rijan schüttelte ihren Kopf. Nein, das war wirklich eine billige Ausrede. Und überhaupt wer sprach hier von einem unbedeutenden Menschen? "Du hast ihn kaltblütig ermordet. Und das auch noch ohne Grund.", fauchte sie. Tetsu schüttelte seinen Kopf. "Ohne Grund stimmt nicht. Ich bin ein Dämonenjäger, er ein Dämon. Ich töte Dämonen, Rijan. Das ist eigentlich auch deine Aufgabe." Rijan zuckte einen Moment zurück. Ihre Aufgabe? Die Kopfschmerzen verstärkten sich. "Merkst du nicht, dass du den Falschen bekämpfst? Du stehst auf der falschen Seite." Rijan ließ das Schwert sinken und fasste sich mit der freien Hand an den Kopf. Falsche Seite? "Rijan, erinnere dich. Wir sind Verbündete. Dämonenjäger vernichten Dämonen. Sie können niemals eine solche Gestalt lieben." Er hatte vermutlich versucht, sie damit auf seine Seite zurückzuziehen, doch bewirkte das genaue Gegenteil. Nein, sie waren keine Verbündeten. Sie erinnerte sich an die Augenblicke, bevor sie zu dem Kampf von Tetsu und Sesshoumaru gekommen war. An diesen einen Dämon, der schreckliche Qualen erlitten hatte. Dessen Schrei bis in ihr Innerstes eingedrungen war. "Dann ist die Sache ja geklärt!", meinte Rijan kalt und führte unbarmherzig den nächsten Angriff aus. "Rijan, wir stehen auf der gleichen Seite. Du bekämpfst den Falschen." Rijan blieb einen Augenblick lang still stehen und sah Tetsu aus finsteren Augen an. "Du hast es doch gerade selbst gesagt. Dämonenjäger können keine Dämonen lieben." Tetsu nickte und atmete erleichtert auf. Er entspannte sich merklich, was in Rijan beinahe so etwas wie Mitleid auslöste. "Du irrst, Tetsu. Denn wenn dies wirklich so ist, bin ich keine Dämonenjägerin. Ich liebe Sesshoumaru. Somit können wir niemals auf der gleichen Seite stehen." Mit einer unglaublichen Schnelligkeit schoss sie nach vorne, riss ihr Schwert hoch und bohrte es in die Schulter eines vollkommen überraschten Tetsus. Das Schwert durchstieß Haut, Fleisch, Muskel, trat auf der Rückseite wieder aus und rammte geradewegs in den dahinter stehenden Baum. Tetsu schrie schmerzhaft auf, während das Blut an Rijans Schwertklinge hinunterfloss, über den schönen Griff glitt und geradewegs ihre Finger rot färbte. "Du bist mein Feind!", erklärte sie dicht an seinem Gesicht. Sein Blick verschmolz einen Augenblick lang mit dem ihren, ehe Rijan vom Griff ihres Schwertes abließ und einen Schritt zurücktrat. Er war nun an den Baum genagelt. Jede weitere Bewegung würde ihm unendliche Schmerzen zufügen. Er wusste das genauso gut wie sie. Es gab für ihn im Moment keinen Ausweg. Also blieb er still und sah sie einfach nur an. Rijan griff nach einem seiner Dolche und drehte ihn zwischen ihren Fingern. "Es wäre doch nur Recht, wenn ich meine Rache, mit dem Dolch beende, mit dem du Sesshoumaru getötet hast. Ironie des Schicksals würde ich das nennen, oder? Hättest du damit nicht zugestoßen, bliebe dir das hier auch alles erspart. Sozusagen hast du dein eigenes Grab geschaufelt." Sie blickte eine Weile auf den Dolch in ihren Händen, betrachtete das glatte Eisen, das die Flammen um sie herum reflektierte. "Deine Rache? Rijan, wenn wäre das hier seine Rache. Willst du wirklich zu seinem Werkzeug werden?" Rijan presste den Dolch an seinen Hals und sah ihn fuchsteufelswild an. "Rede nicht so über ihn. Ich bin niemandes Werkzeug." Er lachte. Rijan konnte es erst nicht glauben, doch obwohl sie ihm gerade nach dem Leben trachtete, eigentlich nur die Klinge in seine Haut drücken musste, lachte dieser unmögliche Mensch. "Es ist nicht deine Rache, Rijan.", bekräftigte er nochmals. Rijan umfasste sein Kinn mit ihrer Hand und sah ihm tief in die Augen. "Nun, er kann seine Rache aber nicht mehr ausführen." Tetsu schloss seine Augen, als ihn eine Schmerzwelle überrollte. "Und deswegen willst du es tun? Wer bist du, dass du über Leben und Tod entscheiden kannst? Richter und Henker zugleich?" Rijan wich zurück. Doch nicht etwa, weil seine Worte etwas in ihr bewirkten, nein, sie wollte nur nicht vorschnell handeln. Und seine Worte trieben sie fast dazu, ihm einfach die Kehle aufzuschlitzen. "Und das fragst du mich? Wer hat Sesshoumaru denn getötet? Und komm mir nicht wieder mit dieser fadenscheinigen Ausrede. Wir beide wissen doch ganz genau, worum es dabei gegangen ist. Du hast mich benutzt, Tetsu. Ich denke ich habe alles Recht dieser Erde Rache auszuüben." Tetsu blickte sie an und schüttelte seinen Kopf. "Ich weiß, dass du im Moment verblendet bist, deswegen werde ich das nicht persönlich nehmen." Hatte sie sich verhört? Besaß er tatsächlich die Nerven, ihr hier und jetzt zu vergeben. Das war doch einfach unglaublich. "Sei nicht so überheblich. Ich habe hier die Fäden in der Hand.", mahnte sie ihn, doch er lächelte nur leicht. "Okay, du willst Klartext sprechen. Bitte, an mir soll es nicht liegen. Was glaubst habe ich hier getan?" Rijan umklammerte den Griff des Dolches fester. "Du hast ihn nicht getötet, weil er dein Leben bedroht hat. Du hast diesen Kampf überhaupt nur angefangen, weil ich dir von Tensaiga erzählt habe. Du hast diese Macht haben wollen, nur darum ist es dir gegangen." Und Tetsu nickte. Er stritt es nicht einmal ab, gab sich nicht einmal die Mühe, edlere Motive aus dem Hut ziehen zu wollen. Schlicht und ergreifend bestätigte er, was Rijan den Boden unter den Füßen wegzog. Hatte sie sich wirklich so täuschen können? Offensichtlich. "Tensaiga würde uns vollkommen neue Möglichkeiten eröffnen. Wir sind den Dämonen unterlegen. Sie zu bekämpfen kostet zu viele unserer Leben, aber wenn wir die Unsterblichkeit auf unserer Seite hätten, wäre das etwas anderes. Ja, ich gestehe, ich wollte dieses Schwert, aber du irrst, wenn du glaubst, dass ich niedere Beweggründe als das Allgemeinwohl gehabt hätte. Siehst du nicht, wie viel Macht uns das verleiht hätte? Wir könnten endlich mehr gegen die Dämonen ausrichten." Rijan sank auf die Knie. Die Kraft floss aus ihr heraus und hinterließ nichts als eine unendliche Müdigkeit. "Tensaiga ist eine Chance. Ich hatte das einfach tun müssen. Wenn du nicht so verblendet wärest, würdest du das auch verstehen." Sie blickte zu ihm auf, wie er da von Schmerzen gepeinigt an dem Baum hing. Nur die Zehenspitzen berührten den Boden. Blut floss an ihm herab und tränkte seine Kleidung. "Ich bin nicht verblendet. Du bist es, der nicht richtig nachgedacht hat. Du hast Sesshoumaru nur wegen dieser speziellen Macht getötet?" Wie unnütz dieser Tod dadurch wurde. Es war nicht einmal darum gegangen, dass er einer der mächtigsten Dämonen dieser Welt war. Es war nur um Tensaiga gegangen. Sie blickte zu Sesshoumaru zurück. Aschfahl war seine Haut mittlerweile. "Du hättest mir besser zuhören oder mich mehr über Tensaiga fragen sollen. Du kannst es nicht beherrschen. Sein Vater hat es für ihn geschmiedet. Er allein kann es benutzen. Ihn zu töten, ändert daran nichts." Sie blickte wieder zu Tetsu hinauf. "Ein Mord bleibt ein Mord, Tetsu. Da nützen alle Beweggründe dieser Welt nichts." Er schüttelte seinen Kopf, verzog aber sogleich das Gesicht, weil er dadurch auch seine Schulter bewegte. "Ich habe gesehen wie unzählige meiner Freunde, meiner Familie im Kampf gegen Dämonen gefallen sind. So wird es immer weitergehen. Wir nehmen unzählige Verluste hin. Was hat das Schicksal sich dabei gedacht, ausgerechnet einem Dämon die Macht über Leben und Tod eines Menschen anzuvertrauen?" Das Schicksal. Nein, das war nicht das Schicksal gewesen. "Sein Vater hat sich etwas dabei gedacht. Schicksal hat damit nichts zu tun. Du verstehst die größeren Zusammenhänge nicht." Tetsu runzelte die Stirn. "Größere Zusammenhänge?" Sie nickte und blickte auf ihre blutigen Hände. "Ja, größere Zusammenhänge. Wie viele Dämonen haben deine Freunde und deine Familie getötet? Waren es hunderte, tausende? Sag, wie viele waren es?" "Ich weiß nicht.", meinte er verwirrt. "Lass es hunderte sein. Wie viele Freunde und Bekannte sind gestorben?" Die Antwort kam schneller. Trauer und Wut sprach aus seiner Stimme. "15!" Sie lächelte müde. "15, hm?" Sie blickte wieder zu ihm auf. "Was denkst du? Gibt es mehr Menschen oder mehr Dämonen?" Tetsu fand sie wohl äußerst befremdlich. "Ich denke es hält sich die Waage.", erklärte er schließlich. Rijan nickte. Das dachte sie auch. "Genau so viele Menschen wie Dämonen. Gut und Böse. Es herrscht ein Gleichgewicht, Tetsu. Selbst wenn du Tensaiga beherrschen könntest, selbst wenn du sämtliche Dämonenjäger künftig wieder beleben könntest, du kannst daran nichts ändern. Ein Gleichgewicht von der Natur geschaffen. Es wird immer einen Weg geben, der dieses Gleichgewicht wiederherstellt. Ist dir das noch nie aufgefallen?" Er verneinte dies und erklärte sie offenbar für verrückt. "Du sagtest selbst 15 Menschen haben hunderte von Dämonen getötet. Im Gegenzug vernichten Dämonen ganze Dörfer und töten dabei hunderte von Menschen. Ein Gleichgewicht siehst du? Nimm die Schlacht heute, Menschen und Dämonen starben. Ein Gleichgewicht." "Ich scheiß auf dieses Gleichgewicht, Rijan. Irgendwann werden wir einen Weg finden, einen Vorteil gegenüber den Dämonen zu haben. Das wirst du schon noch sehen. Denn wir Menschen halten zusammen, wir bekämpfen unsere Feinde gemeinsam. Das macht uns stark." Rijan lächelte traurig. "Und du glaubst, Dämonen tun das nicht? Du denkst, Dämonen haben deine Familie getötet. Sicher, das ist wahr, aber was ist mit den Dämonen, die du vernichtet hast? Glaubst du, die haben keine Familie? Töte einen Dämon, Tetsu, und du beraubst eine Familie ihres Vaters. Du tust genau das, was du an Dämonen verabscheust. Es ist kein Wunder, dass Tensaiga ein Einzelstück ist. Keine Seite soll einen Vorteil haben." Tetsu fauchte verächtlich. "Ach nein? Meines Erachtens war er ein Dämon und hatte die alleinige Macht über das Schwert. Er hätte jeden verdammten Dämon dieser Erde wieder beleben können. Das nennst du keinen Vorteil?" Rijan stand auf und ging auf ihn zu. "Ich bin mir nicht sicher, ob er es gekonnt hätte, Tetsu. Aber es ist auch egal, oder nicht? Er hat es nicht getan. Darauf kommt es an." Tetsu schwieg darauf hin. Sie stand dicht vor ihm und hob den Dolch an seinen Hals. "Soll ich dich nun töten?" Er sagte wieder nichts. Vielleicht aber auch nur, weil die Klinge in seinen Hals drückte. Rijan seufzte schwer und zog die Klinge zurück. Sie warf den Dolch weg. "Dieser Wunsch dich zu töten ist in mir. Er ist mächtig und stark. Er verlangt nach Erfüllung. Ich glaube diesen Schmerz könnte ich nur durch deinen Tod lindern." "Warum tust du es dann nicht?" Sie lächelte leicht und zog das Schwert mit einem kräftigen Ruck aus seiner Schulter. Vorsichtig wischte sie das Blut ab. "Das ist nun wirklich die Ironie des Schicksals. Um Sesshoumarus Willen möchte ich dich töten und doch glaube ich zu wissen, was er sagen würde." "Und was würde er sagen?" Rijan ging zu Sesshoumaru und kniete sich nieder. "Er würde sagen: Tu es nicht! Du bist keine Mörderin." Einen Augenblick lang sah sie in sein lebloses Gesicht, dann blickte sie Tetsu wieder an. "Doch damit hätte er Unrecht. Denn ich fühle diesen Teil deutlich in mir. Diesen Wunsch nach deinem Blut. Das geschehene Unrecht durch noch größeres Unrecht zu vergelten. Er würde mir das sicherlich nicht glauben. Er würde verächtlich "Menschen" sagen und mir mein Schwert wegnehmen. Und vielleicht tue ich es genau deswegen nicht. Denn ich möchte sein, wie er mich gesehen hat. Ich habe immer genau so sein wollen, wie er es gewollt hatte." Tetsu bewegte sich unruhig. "Verschwinde, Tetsu! Ich ertrage deinen Anblick nicht mehr." Er wollte noch etwas sagen, doch Rijan schüttelte ihren Kopf. "Nein, geh jetzt sofort. Ich sagte doch, dieser Teil in mir fordert dein Blut. Verschwinde, bevor ich mich vergesse und doch alles zerstöre, was er in mir gesehen hat. Viel bleibt mir deinetwegen nicht mir. Lass nicht zu, dass ich auch noch das verliere." Tetsu nickte und ging ein paar Schritte. "Ich habe nicht gewusst, dass er dir so wichtig war." "Hätte das denn etwas geändert?", fragte sie traurig. Tetsu sah sie einen Moment lang schweigend an, doch dann schüttelte er seinen Kopf und ging weiter. Rijan wollte ihn gehen lassen, wusste es wäre besser, die Frage nicht zu stellen, doch sie konnte nicht anders. "Sag, wenn du Tensaiga gehabt hättest. Wenn du es hättest benutzen können, was hättest du dann gemacht?" Sie sah zu, wie er den Kopf leicht drehte und sie über die Schulter hinweg ansah. "Wie meinst du das?" "Wenn du es hättest benutzen können, hätte es auch jeder andere Mensch gekonnt. Hättest du es trotzdem behalten oder hättest du es jemand anderem anvertraut. Hättest du andere mitbestimmen lassen?" Tetsu schien verwirrt zu sein. "Macht das einen Unterschied?" Sie nickte. "Natürlich! Derjenige, der das Schwert in Besitz hat, hätte nicht kämpfen können. Er hätte im Hintergrund zusehen müssen, wie der Rest fällt um sie hinterher wieder beleben zu können." Er dachte darüber nach, doch Rijan sah ihm die Antwort schon längst an. "Ich denke ich hätte auf Tensaiga aufgepasst." Damit drehte er sich um und verschwand in den Flammen des Waldes. Ja, genau das hatte sie sich gedacht. Tetsu war der Typ Mensch, der zusah, wie seine Freunde und Familie starben, grausame Schmerzen erlitten und nichts unternahm. Und das alles mit der Ausrede auf Tensaiga aufpassen zu müssen. Er war feige, nichts weiter. Das war das wahre Motiv hinter dieser Auseinandersetzung gewesen. Der einzige Weg künftigen Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Sie blickte wieder auf Sesshoumaru. "Keine Sorge, Tensaiga ist bei mir sicher." Ihr Blick glitt zurück zu den Flammen. "Doch weißt du, wenn er anders geantwortet hätte, hätte ich es ihm vielleicht überlassen. Wenn ihm das Wohl seiner Mitkämpfer wirklich am Herzen gelegen hätte. Doch so war es nicht. Ihm ging es nur um seine eigene Haut." Fortsetzung folgt ... So, das war es dann mal wieder für heute. Also ich denke jetzt wird es definitiv noch ein Kapitel und ein Epilog (oder heißt das Nachwort Prolog?). Wenn ich gut drauf bin, schreib ich euch das vielleicht aber auch komplett und lade es zusammen hoch, mal schaun. Ihr wisst ja, auf meine Aussagen darf man sich nur bedingt verlassen. Also ich freu mich auf weitere Kommis von euch. Ach ja, ihr habt mir sage und schreibe schon 93 Kommis beschert. Würd mich freuen, wenn wir die 100 packen, aber bei meinen treuen Lesern hab ich da eigentlich keine Bedenken. :) (einschleimen soll da bekanntlich ja auch helfen) Und natürlich vergess ich auch heute nicht die Widmung. Dieser lange Part ist im besonderen für Akari-sama. Vielen lieben Dank für deine netten Worte und wo ich ja schon mal dabei bin, mach ich hier mal Werbung für deinen Douji. Liebe Leute, da könnt ihr ruhig mal vorbei schauen. Ist eine wirklich gute Story. Knuffelige Grüße von Rogue Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)