Dämonenblut von Mangamoon (Verirre dich nicht in der Nacht) ================================================================================ Kapitel 2: Gefangen! -------------------- „Wach auf!“, flüsterte Sera eine eindringliche Stimme ins Ohr. „Wir müssen von hier verschwinden!“ Mit einem Murren setzte Serafina sich genervt auf und streckte sich. Die Nacht auf dem harten Boden ihres Versteckes hatte ihr ziemlich zugesetzt und sie fühlte sich wie ein einziger blauer Fleck. Neben ihr kniete Noriko und versuchte Chace zu wecken. Vergeblich. „Er schläft wie ein Stein“, beklagte sie sich bei ihrem Bruder. Während Niko nun Seinerseits an Chace` Schultern rüttelte, fragte Sera was denn eigentlich überhaupt los war. „Die Regierung sucht dich. Ihre Späher sind bereits auf dem Weg hierher. Wenn sie die Luftbahn* benutzen, sind sie in circa fünfzehn Minuten hier.“ „Woher wissen die denn dass ich noch lebe?“, erkundigte Serafina erstaunt. „Die Schattendämonen werden dich verpetzt haben“, meinte Niko während er ein feuchtes Tuch über Chace auswrang. Dieser fuhr mit einem Laut des Erschreckens senkrecht in die Höhe und Sera bemerkte erstaunt, dass er anscheinend schon fast wieder völlig hergestellt war. Nur seinen gebro-chenen Arm hielt er noch ein wenig hilflos vom Körper weg. Doch von dem verletzten, erschreckend zerbrechlich wirkenden Chace von letzter Nacht war nichts mehr zu erkennen. Im Gegenteil: er schien vor Energie förmlich zu strotzen. „Wir müssen abhauen. Die Regierung hat ihre fähigsten Späher ausgeschickt: fünf ihnen gehorchende Lichtdämonen. Sie sind auf dem Weg hierher“. „Woher willst du das wissen und wer seid ihr überhaupt?“, fragte Chace herausfordernd. „Nun ich habe meine Informationsquellen. Und Noriko und ich sind die, die dich und das Menschenmädchen gestern gerettet haben. Und jetzt komm endlich!“, gab Niko zur Antwort und verließ den Raum, um die Wendeltreppe zu erklimmen. Kurz darauf kletterten sie alle aus der Bodenklappe und sahen sich um. Nein, kein feindlicher Dämon weit und breit. Zusammen rannten sie los, weg von der Linie der Luftbahn und stark befahrenen Straßen, in dunkle, menschenleere Gassen. Es war noch früh am Morgen und der feuchte Nebeldunst hing wie ein grauer Schleier über den Straßen. „Ohne Sera wären wir schon längst aus dem Bezirk, aber sie ist wie ein Klotz am Bein. So kommt man ja kaum von der Stelle“, maulte Chace. „Wieso lassen wir sie nicht einfach stehen und machen uns auf und davon?“ Serafina biss die Zähne zusammen. Was sollte nun das schon wieder? Am liebsten wäre sie einfach stehen geblieben und hätte verschnauft, denn der Atem brannte in ihren Lungen und ihre Füße schmerzten. Und das nach nur fünfzehn Minuten. Das war so fies. Die anderen drei waren Dämonen und kaum außer Atem. Sie wirkten so wie Sera bei einem entspannenden, gemächlichen Abendspaziergang. „Sie werden uns bald eingeholt haben“, meinte Niko nervös ohne auf die Bemerkung von Chace einzugehen. Noriko nickte beipflichtend. „Die Lichtdämonen werden uns bereits dicht auf den Fersen sein“. Chace, der den Ernst der Lage allmählich zu begreifen schien drehte sich erschrocken um. Wie auf Kommando erscheinen hinter ihm zwei schwarze, menschliche Gestalten mit erhobenen Schwertern. Mit einem wütenden Zischen kommen sie näher. Fluchend geben die vier Verfolgten noch einmal Fersengeld, als vor ihnen in der Straße zwei weitere Gestalten auftauchen. Aus einem kleinen Ne-bengässchen kommt ein weiterer Lichtdämon geschritten, mit einem zynischen Lächeln auf dem Gesicht. „Das ist ein guter Tag“, dachte er bei sich. Er ist der Jäger und hat die unterlegene Beute mit seinen Untergeben eingekesselt. Langsam kommt er auf Sera zu während die anderen Dämonen drohend ihre Waffen auf Noriko, Niko und Chace richten. Vorsichtig weicht Sera zurück, denn der Lichtdämon vor ihr sieht alles andere als vertrauenserweckend aus: seine Augen leuchten rötlich, das dunkle Haar ist leicht fettig und hängt ihm bis auf seinen Mantelkragen hinab. Sein Gesicht ist von Narben durchzogen und die schmutzigen Fingernägel sind unnatürlich lang. Mit einem Aufschrei stolpert Sera erschrocken zurück, als der unheimliche Dämon seine Finger nach ihr ausstreckt, doch er schnellt nach vorne, packt sie am Kragen und lässt sie lachend in der Luft baumeln. Sein Gesicht ist ihrem so nahe, dass sie seinen widerlichen Mundgeruch riechen kann. „Dir ist sicher bewusst, dass du etwas weißt, das du nicht wissen sollst“, flüstert er bedrohlich. „Deshalb werde ich dich wohl leider töten müssen!“ Lachend reist er sein Messer hoch und lässt es auf ihren Rücken zu sausen. Doch Sera hat nicht um-sonst jahrelang Kampfsport trainiert. Mit einem Aufschrei tritt sie ihm so fest sie kann zwischen die Beine, um dafür zu sorgen, dass der fiese Dämon ein anderes Problem als ihre sofortige Ermordung bekommt. Der Griff an ihrem Kragen lockert sich und der tödliche Messerstoß bleibt tatsächlich aus. Sie ergreift eiskalt die Gelegenheit um dem Lichtdämon ihre Faust mit aller Kraft in das Gesicht krachen zu lassen. Er schreit und Blut spritzt, doch der feste Griff an ihrem Kragen lockert sich nicht weiter. Fluchend schlägt Sera noch fester zu, so dass Niko mitfühlend die Augen zusammenkneift. Doch das Einzige, dass Serafina erntet, ist das wilde Lachen ihres Gegners. „Siehst du diese Narben da?“, zischt er aus seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und hält Sera noch näher an sein Gesicht. „Da hat mir ein Facettendämon beinahe das Gesicht zerstört. Meinst du nach so einer Erfahrung spüre ich die Faustschläge einer einfachen Menschenfrau noch?“, brüllt er aufgebracht und wirft Sera grob in den Staub. „Aber jetzt bin ich wütend und werde deine Freunde vor deinen Augen abschlachten“, lacht er voller Genugtun und packt Sera von hinten, so dass sie sich nicht mehr bewegen kann. „Bringt die drei um“, befiehlt er seinen Lakaien und seine Stimme scheint auf einmal aus reinem Stahl zu bestehen. Zufrieden, dass sie nun endlich zur Sache kamen, heben die vermummten Dämonen ihre Schwerter. Niko und Noriko haben keine Zeit mehr zu reagieren, doch Chace schafft es. In einer einzigen, fließenden Drehung schlägt er seinen Gegnern die Schwerter aus der Hand. Da es ihm leider bei dieser Attacke schmerzhaft das Handgelenk verdreht hat, fällt ihm Seines ebenfalls aus der Hand. Lachend holt der ihm nächststehende Dämon mit einem langen, glänzenden Messer aus und lässt es auf Chace´ Kopf niedersausen. Aber Noriko ist schneller. So kommt es, dass Messerklinge auf Maschinengewehrlauf trifft. Doch es sind zu viele. Chace´ Wunde an der Schulter scheint wieder zu bluten begonnen zu haben und Nikos Arm ist mit einem hässlichen, klaffenden Riss verunziert. Einzig und allein Noriko ist unverletzt und wirbelt wie ein geschmeidiges Raubtier um ihre Gegner herum. Einer ihrer bedauernswerten Feinde liegt bereits tot auf der Straße und regt sich nicht mehr. Auch Chace und Niko kämpfen wie Löwen. Es ist tatsächlich nicht vorauszusehen wer siegen wird, dachte Serafina erstaunt und erschreckt zugleich. Sie kann sich immer noch nicht regen, da sie weiterhin fest im Arm gehalten wird. Und dann geschieht es: ein einzelner Mensch kommt um die Ecke gelaufen - sieht die Kämpfenden - und rast mit einem wilden Aufschrei des Entsetzens davon. „Verdammt!“, flucht der Anführer der Auftragskillerdämonen, hebt die Hand, ruft etwas und auf einmal werden die Glieder von Sera und ihren Freunden schwerer und schwerer. Schließlich fallen ihnen ihre Augen zu, und sie gleiten in eine tiefe Ohnmacht. Es war kalt und dunkel. Stöhnend setzte Sera sich auf und sah sich um. Sie lag in einem dunklen, kellerartigen Raum und etwas pochte laut in ihrem Kopf. Benommen langte Sera sich an den Hinterkopf und zog ihre Hand erschrocken zurück – ihr Kopf schien eine einzige, große Beule zu sein. Neben ihr im Dunkel regte sich etwas. Es war Noriko. „Mist, diese verdammte Schlafmagie hat uns wohl voll erwischt!“, fluchte sie wütend und rieb sich ihren nicht minder schmerzenden Kopf. „Ich fühle mich wie durch die Mangel gedreht“. Da entdeckte sie Sera. „Schlafmagie beherrschen nur besonders starke Lichtdämonen. So was wird vererbt. Der Nachteil davon ist nur, dass der Weggetretene ein unbewusstes, undurchdringbares Schutzschild aufbaut. Sonst wären wir wohl kaum noch am Leben“; erklärte sie ihr. Sera brachte nur ein müdes Nicken zustande. Eigentlich war ihr egal, was genau sie erwischt hatte, wenn nur dieses schmerzhafte, dumpfe Pochen in ihrem Kopf aufhören würde. Da hörte sie einen lauten, verzweifelten Schrei. Erschrocken fuhr Sera zu Noriko herum. Diese wuselte wie ein aufgescheuchtes Huhn zur Tür und schlug hart gegen diese. Dabei zeterte und jammerte sie unverständliches Zeug. „E –ehm – Noriko? Was ist?“, fragte Sera besorgt und belustigt zugleich. „Meine Waffen! Mein MG! Meine Revolver! Mein Dämonenschwert! Meine lieben kleinen Kinderchen! Gebt sie mir zurück!“, heulte Noriko und schien die Stahltür niederreißen zu wollen. „Anscheinend habe ich gerade eine neue Seite an Noriko kennengelernt“, dachte Sera trotz ihrer misslichen Lage amüsiert, während Noriko auf die Tür einhämmerte. Wenig später hatte Noriko sich wieder beruhigt. Mit übereinander geschlagenen Beinen saß sie auf dem kalten Steinboden und mampfte an einem Apfel. Diesen hatten die Dämonen wohl als ungefährlich eingestuft und nicht konfisziert. Irgendwo schlug eine Turmuhr. „Wie kannst du in so einer verfahrenen Situation nur so ruhig dasitzen und an einem Apfel kauen?“, fragte Sera neidisch. Ihr zitterten nämlich bei dem Gedanken an die ihr bevorstehenden Zukunft die Knie. „Oh, ich habe schon schlimmeres durchgestanden“, meinte Noriko mit ungebrochenem Frohsinn. „Damals zum Beispiel, in Kallyphos, als Niko und ich…“. So durfte sich Sera eine gefühlte Stunde lang haarsträubende, gefährliche und spannende Reiseberichte anhören. Sie wusste auch nicht wieso, aber ihr schwebte die ganze Zeit das Wort “Seemannsgarn“ im malträtierten Kopf herum. Bald darauf, Sera war schon am Einschlafen, hörten sie Stimmen vor ihrer Tür. Es waren aufgeregte, diskutierende Stimmen. Dann wurde die Eisentür aufgerissen, und ein Nachtdämon – anscheinend der Wächter vor ihrem Gefängnis – stieß ein junges verschrecktes Mädchen herein. Ihm folgte eine hochgewachsene, schlanke Frau. „Aber nur fünf Minuten!“ knurrte der Wächter und schlug die Tür wieder zu. „Ernesta mit ihrer Tochter Tilla – ich wusste ihr würdet kommen!“, flüsterte Noriko er-leichtert. „Wir Rebellen haben unsere Spione und Saboteure nun mal überall!“, erklärte sie der verdutzten Serafina. „So“, sagte Ernesta, „das ist der offizielle Grund meines Kommens“. Damit stellte sie einen Krug mit Wasser und ein wenig Brot vor die beiden Gefangenen. „Und das der inoffizielle“, quietschte Tilla vergnügt - und zog Norikos Dämonenschwert unter ihrem weiten Kleid hervor. Ernesta brachte daraufhin auch noch Norikos Maschinengewehr zum Vorschein. Sie legten die Waffen so hinter die Tür, dass sie vom Eingang her nicht sichtbar waren. Dann verließen sie kichernd und am wütenden Wächter vorbeirauschend den Raum. Natürlich nicht, ohne vorher Noriko ein „wenn die Turmuhr drei Uhr schlägt ist Wachablösung“, ins Ohr zu flüstern. Dann schlug die Tür zu und ließ eine erleichterte Sera und eine grinsende Noriko zurück. Schweigend machten sich die beiden über das Brot her, während die Turmuhr zwei Uhr verkündete. „Ich frage mich, warum Ernesta meinte, wir sollen mit dem Abhauen bis zur Wachablösung warten“, fragte Sera nach einer Weile nachdenklich. „Keine Ahnung, ich denke wir werden es noch herausfinden“, antwortete Noriko. Es dauerte eine Weile, aber als die Turmuhr drei Uhr schlug, wurden Schritte und Stimmen vor ihrer Zellentür laut. Noriko legte ihr Ohr an die Tür. „Der erste Wächter ist weg. Wir warten noch kurz.“ Schließlich holte Noriko ihr lilafarben leuchtendes Schwert hervor und schnitt damit das Schloss wie Butter in zwei Teile. Das ganze passierte ohne ein Geräusch. Serafina war höchst beeindruckt. Als sie schließlich aus ihrem Gefängnis heraustraten, wussten sie wieso es besser gewesen war bis zur Wachablösung zu warten: in dem niedrigen, von Fackeln! Erleuchteten Gang saß an einem heruntergekommenen Holztisch ein noch heruntergekommener Nachtdämon und ratzte was das Zeug hielt. Mehrere hochprozentige Getränke standen um ihn herum und es roch nach Alkohol und Zigaretten. Er trug schmuddelige Kleidung und ein rostiger Schlüsselring war an seinem Gürtel befestigt. Noriko kicherte. „Die Festung Linna ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Anscheinend haben Ernesta und Tilla ganze Arbeit geleistet“. „Warst du denn schon mal hier?“, fragte Serafina interessiert und erstaunt zugleich. „Ja, ich war hier mal Spionin in ihren Reihen. Daher weiß ich, dass es nicht allzu viele benutzte Verließe gibt. Wir werden Niko und Chace bald gefunden haben“, antwortete Noriko stolz. Tja, nix war’s. Nachdem die beiden schon eine halbe Ewigkeit durch die finsteren Gänge geeilt und sämtliche Türschlösser zerstört hatten, waren die anderen zwei immer noch nicht gefunden. Wenigstens wussten sie, dass diese Flasche von einem Wächter ihr Verschwinden aus dem Verließ wohl nicht so bald bemerken würde. Plötzlich blieb Noriko stehen, murmelte etwas und rannte davon. So schnell, dass Sera kaum mitzuhalten vermochte. So ging es treppauf, treppab, einen Gang entlang um tausend Ecken – ohne dass sie einer Menschen- oder Dämonenseele begegneten. Schließlich blieb Noriko stehen und spähte um eine Ecke. „Da, das ist eine Art Verhör- und Folterkammer“, flüsterte sie Sera zu. „Hä? Verhören und Foltern? Was wird man denn von denen wollen?“, fragte Serafina verdutzt, doch Noriko antwortete nicht. Die Kammer befand sich hinter einer schweren Eichenholztür und zwei Wächter standen davor. Ehe sich Sera versah, wischte Noriko um die Ecke - auf die Wächter zu. Sie schien auf das Überra-schungsmoment zu setzten. Serafina kam nicht umhin, Noriko zu bewundern: drei, vier gut geführte Attacken, und die Wächter lagen tot am Boden. Kurz darauf rauschten zwei Fledermäuse an Seras Kopf vorbei. „So viel zum Thema “Wächter“, meinte Noriko zufrieden. Dann hieb sie mit ihrem Dämonenschwert auf das schwere Türschloss ein. Es rührte sich nicht. Noriko begutachtete erstaunt das Schloss näher. „Och nö, es ist aus dämonischem Eisen! Das ist nicht kaputt zu kriegen. Und Eichenholz ist aus unerklärlichen Gründen Dämonenmagie resistent“, ärgerte sie sich. Was nun? „Ich habe eine Idee“, überlegte Sera. „Hatte unser Wärter nicht einen großen Schlüsselring am Gür-tel?“ „Du bist genial! Ich hole den Schlüssel und du besorgst uns am besten Waffen. Die Waffen-kammer ist weiter geradeaus und dann zweimal rechts. Du wirst es leicht finden. Versuche am bes-ten, die Schwerter von Chace und Niko zu finden. Schneide das Schloss mit diesem Messer auf“. Sie reichte sie Sera ein kleines Messer. „Viel Glück!“ Damit war Noriko auf und davon. Zögernd und um alle Ecken spähend schlich Serafina in die von Noriko angegebene Richtung. Eine Waffenkammer finden…was war, wenn ihr auf einmal jemand entgegen kam? Ein Dämon zum Beispiel? Sie wäre in null Komma nix Dämonenfutter. Ein beklemmendes Gefühl der Angst überkam sie. Doch sie erreichte die angegebene Stelle ohne Zwischenfälle. Die Tür war schwarz, und ein silberfarbenes, aufgemaltes Schwert zierte sie. Schon von weitem spürte Sera die Aura unzähliger Dämonenschwerter. Jedenfalls erfüllte sie ein seltsames Gefühl von Macht und Dunkelheit bis in die Fußspitzen. Vorsichtig, damit sie sich nicht verletzen würde, holte sie Norikos Messer hervor und bearbeitete das Türschloss. Sie quetschte das Messer in eine kleine Lücke zwischen Tür und Schloss. Doch wie sehr sie auch drückte und rüttelte, das Schloss rührte sich keinen Zentimeter. Zudem meldete sich der Schmerz in ihrem Kopf und machte ihr mit einem wütenden Pochen klar, dass sie das lassen sollte. Doch bald hatte sie eine bessere Idee: statt des Türschlosses bearbeitete sie nun die Scharniere der Tür. Knack! – hatte sie das erste Türscharnier herausgebrochen. Bald darauf folgte das Nächste. Mit einem zufriedenstellenden Krachen flog die Türe nach innen und bot Serafina einen unglaubli-chen Anblick: der Raum war mit in verschiedenfarbig leuchtenden Dämonenschwertern gefüllt, die alle an der Wand hingen. Begeistert von dem unglaublichen Anblick betrat Sera den Raum. Da mel-dete sich ihr Kopf stärker denn je: sie spürte das Pochen nun bis in die Fingerspitzten und verstörende Bilder blitzten in ihrem Hinterkopf auf. Stöhnend knickten Seras Knie ein und sie stürzte zu Boden. Vor ihrem inneren Auge blitzte das Bild eines Sonnenuntergangs auf. Dann das Gefühl - die Erinnerung an einen stechenden, plötzlich auftretenden Schmerz. Dunkle Kellerräume, Angst und Verzweiflung. Schmerz. Eine schmutzige, mit Unrat übersäte Straße, das gütige Lächeln einer alten Frau…Dunkelheit. „Sera! Wach auf!“ Es war Chace. Erst verschwommen, dann immer klarer, nahm Serafina ihre Umgebung wahr. Sie lag nun vor der Waffenkammer, und um sie herum knieten Chace, Niko und Noriko mit besorgten Gesichtern. Als Sera die Augen ganz öffnete, verwandelte sich die Sorge in Chace´ Gesicht in den gewohnten, herablassenden Blick. „Was ist denn passiert?“, fragte Niko und half Sera auf die Beine. „I - ich weiß nicht…es scheinen Erinnerungen an eine vergangene Zeit gewesen zu sein. Meine Vergangenheit. Ich habe an die Zeit vor meinem zwölften Lebensjahr keine Erinnerungen. Alles ist so dunkel und leer.“ „Seltsam, dass du diesen Erinnerungsschub gerade dann bekommst, wenn du dich in der Nähe von so vielen Dämonenschwertern befindest.“ Noriko war nun wieder bis an die Zähne bewaffnet. Sie schien die Waffenkammer bereits ausgiebig geplündert zu haben, und hatte sich dabei wohl nicht entscheiden können, was wirklich wichtig war. „Wir müssen schnellstmöglich verschwinden! Höchstwahrscheinlich hat man unsere Flucht bemerkt. Hört doch!“, zischte Chace. Und tatsächlich! In der Ferne war das Trappeln vieler Stiefel, lautes Rufen und das Dröhnen hochtechnischer Maschinen zu hören. Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Noriko, mit ihrem Maschinengewehr im Anschlag, bildete die Vorhut. Den Schluss bildete Chace mit Niko, und in der Mitte tappte Sera, welche sich verletzlich und hilflos fühlte. Wieso konnte nicht auch sie “Superkräfte“ besitzen? Es gefiel ihr nicht, auf den Schutz anderer Leute so angewiesen zu sein. Sie wollte sich selbst wehren können. Da erscholl hinter ihnen ein wütender Ausruf: „Da sind sie! Hierher!!!“. Bald war die Luft hinter ihnen von den Schritten einer großen Menschenmenge erfüllt. „Lauft, lauft so schnell ihr könnt! Wir geben euch Deckung!“, brüllte Niko Sera und Noriko zu, ganz Gentlemen-like. Doch auch vor Noriko war ein Trupp Lichtdämonen aufgetaucht. Sie hatten im Gegenzug zu den Anderen High-Tech Kampfanzüge an, und riesenhafte, Panzerfaust ähnliche Waffen. Und schon war die Luft voller Geschosse, die wenn sie auf Wiederstand trafen, explodierten. Man zielte seltsamerweise nur auf Noriko. Serafina, die voll in der Schusslinie stand, wurde nicht getrof-fen. Es wurde sorgfältig an ihr vorbei gezielt. „Sie wollen mich lebend!“, wurde Sera klar. „Aber wa-rum?“ Noriko war schier unglaublich. Geschmeidig wie eine Schlange und ebenso wendig wich sie den Geschossen aus und warf sich in atemberaubende Schlachten. Die Welt der Dämonen war eine Welt voller Adrenalin. Bis auf die Zeit im Verließ hatte Sera keine ruhige Minute verbracht. Immer zu tauchte ein neuer Feind auf, den es zu vernichten galt. Auf einmal sehnte Serafina sich nach ihrer ruhigen Wohnung, ihrem langweiligen Job und nach den widerlichen Instantnudeln. Nach sterbend langweiliger Normalität. Aber dort war ihre Lebenserwartung wenigstens höher. Und da geschah es: ein lautes Krachen ertönte, und Niko flog wie im Comic gegen die Wand. Ein riesenhafter, silberfarbener Roboter schob sich durch den Gang. Im folgten fünf grimmig und stark aussehende Lichtdämonen. Rasselnd fuhr der Roboter seine Art Wurfstern an einer Kette wieder ein. Er hatte Niko damit heftig erwischt. Chace wich rückwärts auf Sera zu und zog Niko mit sich. Gegen das riesen Ding hatten sie nicht mal zu dritt eine Chance. Auch Noriko schien das begriffen zu haben, denn sie stellte sich neben sie. Der Roboter holte erneut mit dem Wurfstern aus. Die Fünf Lichtdämonen schrien erschrocken auf. „Nicht! Sonst wird auch das Zielobjekt getroffen!“ Doch es war zu spät: Der Wurfstern raste bereits rasselnd auf die vier Gefährten zu. „NEIN! So darf das nicht enden!“, dachte Sera panisch. Ein Wunder musste her. Dies ließ nicht lange auf sich warten: ein seltsames, warmes Gefühl durchströmte Sera, und plötzlich war der Gang von einem gleisenden, grellen Licht erfüllt. Als Sera schließlich irgendwann vorsichtig ihre Augen öffnete, erblickte sie um sich herum das totale Chaos: schwelende Nachtdämonen lagen am Boden, die Überreste des seltsamen Roboters klebten an den Wänden und ihre Freunde starrten sie mit heruntergeklappten Kinnladen an. Noriko fand als erstes die Sprache wieder: „Was zum Teufel ist das gewesen?“ „Das ist jetzt egal, wir müssen schnellstmöglich hier heraus!“ So trieb Niko sie alle zur Eile an. Keuchend stolperten sie durch die dunklen Gänge der Burg und suchten einen Ausgang. Noriko hatte die Führung übernommen. „So geht das nicht weiter!“, stellte Chace fest, nachdem sie schon fünf Umwege genommen hatten, um keinen Wachen in die Arme zu laufen. Die gesamte Burg war in hellem Aufruhr, alles rannte und schrie umeinander. Ohne Umschweife hatte Chace inzwischen die nächstbesten Nachtdämonen zur Strecke gebracht und zog sich die Wächterkluft von einem der fünfen über. Niko, Noriko und Sera taten es ihm gleich. Serafina schauderte, als sie in die schwere, leicht verschwitzte, schwere Uniform kletterte. Sie fühlte sich unbequem an und behinderte sie bei ihren Bewegungen. Aber sie hatten keine Wahl. So schlichen sie verkleidet durch die Reihen ihrer Feinde und suchten einen Ausgang. Sera hätte nur zu gerne gewusst, wer der Kopf dieser chaotischen Anlage war. Irgendwie schien es keine richtige Struktur zu geben, und Dämonen in mittelalterlich anmutenden Rüstungen und Uniformen wuselten zwischen technisch ausgerüsteten Kampfrobotern herum. Niemand warf ihnen auch nur einen Blick zu als sie sich durch die Massen quetschten. Bald ging der mittelalterlich anmutende Teil der Burg mit seinen kahlen Steinwänden und seine Fackeln in futuristisch wirkende Flure über. Alles um sie herum war silbern, perfekt und hochtechnisch. Inzwischen wichen die mittelalterlich angezogenen Dämonen langsam aber sicher Robotern und Dämonen in silbernen Anzügen die Maschinengewehre und anderes modernes Mordwerkzeug lässig über ihren Schultern trugen. Irgendwann fielen Sera und die anderen auf wie eine Giraffe zwischen Hamstern. Aber es ergab sich keine Gelegenheit das Outfit zu wechseln, da um sie herum ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Auch waren die Dämonen hier viel wachsamer. So trottelige Schlafmützen wie ihren Gefängniswächter gab es hier nicht. „Verdammt, dieser Teil der Burg ist völlig neu! Seit wann gibt es hier so viel modernen Schabernack? Ich hab keine Ahnung wo wir hier sind!“; zischte Noriko schließlich bald nervös. Auch Sera hatte Schwierigkeiten, sich auf einmal an das moderne anzupassen. Es war wie ein Zeitschock. So standen sie nun völlig verloren in der Menge. Und es kam wie es kommen musste: ein Lichtdämon der seine langen schwarzen Haare zu einem seiner Meinung nach unglaublich modischen Pferdeschwanz zusammengefasst hatte und eine der silbrigen futuristischen Rüstungen trug, sprach Noriko an: „Na, du hübsche? Was machst ‘n hier mit deinen Kameraden? Statisten für euer nächstes Ritterspektakel anheuern?“ Er lachte laut und ausgiebig über seinen gelungenen Witz. „Ja, und Sie würden wir gerne als Narren unter Vertrag nehmen!“, erwiderte Noriko spitz. „Ihre Witze sind wirklich unglaublich sensationell.“ „Noriko…!“, flüsterte Niko warnend. Mit einem zuvorkommenden Lächeln wollte er sich mit Noriko an dem Lichtdämonen vorbeischie-ben. Doch Leutnant Carell war nicht der Typ Mann, der sich solche Unverschämtheiten bieten ließ. Und schon gar nicht von einer Frau. Drohend baute er sich vor den Vieren auf und wurde dabei glatt fünf Zentimeter größer. Er schob sein Kinn vor und funkelte Noriko wütend an. „Das lasse ich mir nicht bieten. Niemand nennt mich ungestraft einen Narren!“, polterte er wütend. Noriko machte alles nur noch schlimmer. Sie betrachtete scheinbar gelangweilt ihre Fingernägel und pfiff dazu eine hübsche Melodie. „Lass den Unsinn Noriko!“, warnte Niko. Chace stand ungerührt neben Sera und betrachtete das Geschehen. Doch es entging Sera nicht, dass er die Hand an seinem Schwertgriff hatte. Leutnant Carell verlor inzwischen die Geduld. Wütend zog er sein durchsichtiges, scharfes Schwert und schnitt Noriko in einer einzigen, fließenden Bewegung eine Strähne ihres wunderschönen, langen Haares ab. Mit einem triumphierenden „Ha!“, steckte er sein Schwert wieder ein und erwartete gespannt die Reaktion seines scheinbar schwächeren Opfers. Doch Noriko war nicht der Typ Frau, der sich solche Unverschämtheiten bieten ließ. Und schon gar nicht von einem Mann. Niko sog scharf die Luft ein und ging ein paar Schritte rückwärts. Er wusste, auf Norikos Prioritätenliste kam nach den Waffen ihre sorgsam gepflegte Haarpracht. Mittlerweile hatte sich um die beiden Streithähne ein Ring aus anderen Lichtdämonen gebildet, die das Geschehen aufmerksam verfolgten. Niko, Chace und Sera wurden langsam nervös. Mit einem Knurren riss Noriko ihr Schwert heraus und richtete es auf Carells Hals. Dieser war auch nicht langsam und zog sein Maschinengewehr. Er blockte den Schwertstreich mit dem Gewehrlauf und schoss noch Noriko. Diese wich aus und stürmte scheinbar in Lichtgeschwindigkeit auf den Leutnant zu. „Niemand zerstört“ - sie kürzte Carells adretten Pferdeschwanz ebenfalls um einige Zentimeter – „ungestraft meine“ – Noriko schlug dem völlig perplexen Leutnant seine Waffe aus der Hand – „Haare!“ Mit einem Fauchen zerkratzte Noriko nun genüsslich die silbrige, hochtechnische Rüstung ihres Gegners. Natürlich nicht ohne dabei so viel Schaden wie möglich anzurichten. An Carell selber kam sie nicht heran, da das Schwert nicht durch die Rüstung kam. So lag der bedauernswerte Leutnant Carell auf dem Boden und harrte aus, bis Noriko sich wieder beruhigt hatte. Nach einer Weile ließ diese tatsächlich wieder von ihrem Opfer ab. Die Dämonen um sie herum applaudierten zufrieden. Endlich hatte jemand dem überheblichen, geradezu schleimigen Carell die Hörner gestutzt. Mit einem zufriedenen Lächelnd stolzierte Noriko hoch erhobenen Hauptes durch den Kreis der Lichtdämonen, die ihr respektvoll Platz machten. Die anderen folgten ihr, und Sera hörte wie Carell wütend „Verdammte Furie!“ zischte. Auch Noriko hatte es gehört. Mit einem wütenden, furchtein-flößenden Funkeln in den Augen drehte sich auf dem Absatz herum und sah dem Leutnant in die Augen. Dieser suchte mit einem erschrockenen Aufschrei das Weite. Die anderen Dämonen amüsierten sich prächtig, während Serafina und ihre Freunde um die Ecke verschwanden. Doch dort wartete Jemand bekanntes auf sie. „Beeindruckende Leistung, Gratulation!“, sagte der ungepflegte Lichtdämon und strich sich das fettige Haar zurück, sodass alle sein mit Narben überzogenes Gesicht sehen konnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)