kyoosha - the answer to his questions von ivy-company ================================================================================ Epilog: Epilog -------------- „Tut mir Leid, dass ich neulich so ausgetickt bin. Kommt nicht wieder vor, versprochen!“ Ich starre auf die Nachricht auf meinem Handy. Ich kenne die Nummer zwar nicht, aber mir fällt niemand anderes ein, von dem die Nachricht sein könnte. Reita und ich haben immer mal wieder irgendwelche kleineren Auseinandersetzungen und wenn je nach Laune kann er sich sogar manchmal für seine Fehler entschuldigen – etwas, was früher nicht so oft vorgekommen ist. Wahrscheinlich bezieht sich seine Entschuldigung auf gestern, als wir mal wieder darüber diskutiert haben, wer eine bessere Intuition beim Bassspielen hat. Was ja natürlich klar ist. Die Nachricht auf meinem Handy macht mich aber sprachlos. Und zwar nicht, weil ich diese Entschuldigung so rührend finde. „Fangen wir dieses Spiel etwa wieder von vorne an?“ Ich tippe die Worte und sende sie an die unbekannte Nummer. Wir sind beide der Meinung, dass diese ganze Geschichte mit dem „Stalker“ vielleicht hilfreich war – das muss ich schon zugeben – aber trotzdem nicht weniger bescheuert. Und jetzt fängt er wieder damit an?? In den vier Monaten, in denen ich jetzt schon mit Reita zusammen bin, haben wir Probleme zwar nicht immer auf die direkteste Art und Weise angesprochen, aber so weit, dass er wieder diese dämliche Nummer mit dem unbekannten Absender abzieht, ist er nie gegangen. Mein Handy piept wieder leise. „Es tut mir wirklich Leid, okay?“ Das kann doch echt nicht wahr sein. Er ignoriert mich einfach! „Hör auf mit dem Scheiß, okay? Wir sind zusammen und da geh ich doch davon aus, dass du auch einfach direkt mit mir reden kannst, wenn du irgendein Problem hast! Und entschuldigen kannst du dich auch persönlich!“ Dabei ging es mir gar nicht so sehr um eine Entschuldigung. Solche Auseinandersetzungen wie gestern sind ja nicht wirklich Streits. Wir streiten nicht ernsthaft. Es gehört einfach zu uns dazu. Zu unserer Beziehung. Hat es schon immer, deshalb hab ich auch kein Problem damit. Ich bin eher froh, dass Sachen wie die so geblieben sind, auch nach der ganzen Stalker-Geschichte und auch nachdem wir zusammengekommen ist. Natürlich hat sich auch einiges verändert. Viele dieser Veränderungen waren toll. Der erste nervöse Kuss. Der erste Sexversuch bei Reita, der ein abruptes Ende fand, als Aoi total unwissend ins Zimmer platzte. Der zweite Versuch bei mir als Reita auf unserer stürmischen und chaotischen Reise Richtung Schlafzimmer auf Chikins Schwanz treten musste, der ihm seitdem nur noch böse anfaucht. Natürlich sind nicht alle Veränderungen gut. Eine Beziehung bedeutet immer auch Arbeit. Wir haben beide ein stressiges Leben und mit einem Sturkopf befreundet zu sein ist noch immer etwas anderes, als eine Beziehung mit ihm zu führen. Und wie ich gerade mal wieder feststelle, ist mein Freund der König der Sturköpfe. „Ich mach’s wieder gut, versprochen! Abendessen um 20 Uhr? Ich lad dich ein.“ Ich schüttel genervt den Kopf. Will der mich komplett verarschen? Schließlich stehe ich bereits seit 20 Minuten vor einem Lokal und warte darauf, dass der Herr aufhört seine Haare zu stylen und seinen Hintern hier her bewegt! Ich atme drei Mal tief durch und versuche mich darauf zu konzentrieren, weshalb ich mit so einer nervigen und emotional inkompetenten Person überhaupt zusammen bin. Schon während des ersten Atemzugs fang ich an zu grinsen. Es gibt auf diese Frage so unendlich viele Antworten. Mir fallen all unsere Witze ein, die nur wir verstehen und die meistens ein warmes Lächeln auf unseren Gesichtern hinterlassen. Ich denke daran, wie Reita seine kleinen Sticheleien sofort einstellt, wenn er sieht, dass ich einen harten Tag hatte und mir stattdessen ein Bier und eine Rückenmassage anbietet. Ich sehe die Morgen bei Reita und Aoi vor mir, die meistens darin enden, dass Kanon und ich gemütlich miteinander frühstücken, während die beiden Streithähne sich an die Gurgel gehen. Das alles ist es Wert mit Reitas nervigen Eigenschaften klarzukommen. „Sei froh, dass ich dich liebe, sonst würde ich dich für diese Nummer sicher umbringen,“ antworte ich dem „Stalker“. Die Nachricht ist abgeschickt und ich wende mich wieder anderen wichtigen Fragen zu. Was soll ich später nur Essen. Der Fisch ist hier super, aber eigentlich… Warte… Oh. Oh! Shit! Und damit hätten wir schon das nächste „erste Mal“ abgehakt. Wie konnte ich mich denn bitte selbst so emotional aufwühlen, dass ich Reita eine solche Nachricht schreiben konnte?! Das war das erste Liebesgeständnis zwischen uns überhaupt. Und dann übers Handy! „Fuck!“, rufe ich laut, sodass sich eine Oberschülerin zu mir umdreht. Ich sehe genau, wie sie mich mustert und ich hoffe, dass sie mich nicht erkennt. Das würde ja auch noch fehlen. Aber sie geht weiter. Zum Glück. Und da vibriert auch schon das Handy in meiner Hand. „Sorry, falsche Nummer.“ Das ist alles. Mehr steht in der Nachricht nicht. Ich starre auf die drei Worte, bevor ich meinen Gesendet-Ordner öffne und mir meine letzte Nachricht nochmal durchlese. Und dann seine. Das ist jetzt nicht sein Ernst. Ich mach mich hier zum Trottel und reg mich darüber auf, dass mein erstes Liebesgeständnis an ihn so dermaßen dämlich und unpersönlich war, und von ihm kommt nur ein „Sorry, falsche Nummer.“?? „„Sorry, falsche Nummer“? Ernsthaft?? Also DAS nenn ich wirklich feige. Ich hab hier ein schlechtes Gewissen und du willst mich mit einem „Sorry, falsche Nummer“ abspeisen?? Wenn du keine bessere Erwiderung darauf hast, dann weiß ich auch nicht, was das hier überhaupt soll. Du bist ein feiges Arschloch.“ Ich bin in Rage. Ich meine, die ganze anonyme Anrufer-Nummer schon wieder hat mich ja so schon wütend gemacht, aber jetzt nicht mal anständig auf ein „Ich liebe dich“ antworten können? Gott, bin ich angepisst. Deshalb schicke ich die Nachricht auch ab, ohne nochmal darüber nachzudenken. Und weiter warten werde ich sicher auch nicht. Der Idiot scheint sich ja sowieso sonst noch die Zeit zu vertreiben – oder unsere Verabredung sogar ganz vergessen zu haben, wenn er vorschlägt, mich heute Abend zum Essen einzuladen. Mit dem Handy in der Hand mache ich mich auf den Weg zur Bahn, als das kleine Ding plötzlich anfängt zu klingeln. Das Display verrät mir, dass der Anruf von Reita kommt – bzw von dem Handy, von dem er mir eben die Nachrichten geschrieben hat. Widerwillig nehme ich den Anruf entgegen: „Ich hoffe für dich, dass du eine gute Erklärung dafür hast, weshalb ich dir nicht in den Arsch treten soll für diese total beknackte Nummer. Findest du das etwa komisch?!“ „Ähm… nein, “ kommt die kleinlaute Antwort aus meinem Telefon. Ich bleibe abrupt stehen, was einen Geschäftsmann hinter mir zum Fluchen bringt, der dann direkt genervt an mir vorbeistürmt. „Reita?“, frage ich verwundert nach. „Nein. Hier… hier ist Toki.“ Einen Moment bin ich still und denke nach. Das ist wirklich nicht Reitas Stimme. Selbst, wenn er sie verstellen würde, könnte er sich nicht so anhören. Das lässt für mich nur einen Schluss zu: Der feige Idiot hat sich einen Komplizen geangelt, der für ihn jetzt das Alibi gibt? „Mir ist so ziemlich egal, wer du bist, aber wenn du nicht sofort Reita an den Apparat holst, bist du morgen um diese Uhrzeit ein toter Mann“, knurre ich. Ich habe inzwischen wirklich genug von diesem Spielchen. „Hör zu, ich habe keine Ahnung, was dazwischen dir und deiner Freundin abgeht, aber vielleicht solltet ihr mal mit einem Paar-Therapeuten darüber reden. Fakt ist, dass ich mich verwählt habe und mich persönlich bei dir entschuldigen wollte. Scheinbar hab ich da echt etwas losgetreten und ich würde gerne verhindern, dass Morgen die Yakuza vor meiner Wohnungstür steht.“ Also entweder Rei hat sich auf die schnelle einen verdammt talentierten Improvisationsdarsteller geschnappt, oder aber der Typ sagt wirklich die Wahrheit. „Du willst also sagen, dass du keine Ahnung davon hast, wer Reita ist und wo er sich befindet?“ „Ich hab’s doch schon gesagt! Ich weiß nicht wer… Warte? Reita ist ein Kerl?“ Ich verdrehe bei der Antwort genervt die Augen. Willkommen im 21. Jahrhundert, Volldepp. „Ja, das ist er“, beginne ich genervt zu erklären. „Und er ist mein fester Freund und ich dachte, dass du er seist und mir von einer fremden Nummer schreibst.“ „Was dachtest du?!“ Ich drehe mich langsam zu der Person um, die gerade die Worte gebrüllt hat. Jap, da steht Reita vor mir. Und seinem Blick nach zu urteilen, hat er tatsächlich keine Ahnung mit wem ich da gerade telefoniere. „Hat sich da etwa jemand als ich ausgegeben und mit dir geschrieben?!“ Nein, er hat scheinbar wirklich keinen Schimmer. Ich will ihm gerade die Situation erklären, als er mir aufgebracht mein Handy aus der Hand reißt und den armen Toki anfaucht: „Hast du nen Schaden?? Du kannst dich als jeden ausgeben, aber nicht als mich! Und schon gar nicht als Toras Freund! Da bin ich nämlich der Einzige!“ Ich kann die Erwiderung von „Toki“ nicht hören, allerdings wird sie von Reita mit einem genervten „Wieso?“ kommentiert und dann wandert sein Blick zu mir. Und er sieht mich ganz komisch an. Ich bekomme ein bisschen Angst und da fällt es mir auch sofort wieder ein: Das Einzige, was die Person am anderen Ende der Leitung sagen könnte, was Reita so einen Blick aufsetzen kann. Er starrt mich für einen Moment an und ich kann nicht anders als peinlich berührt wegzusehen. Oh Gott, das war zum im Erdboden versinken. Und gleichzeitig will ich mich selbst schlagen für meine Dummheit. Reita beendet den Anruf ohne ein weiteres Wort und gibt mir das Handy zurück. Wortlos nehme ich es entgegen, immer noch unter seinem Blick, der mich eingehend mustert. „Sorry, ich dachte echt, du wärst das…“, bringe ich schließlich raus. Wir stehen immer noch an der Ecke des Restaurants und die Menschen drängen sich an uns vorbei. „Sonst hätte ich das doch nie gesagt…“ Es war völlig klar, was dieser Toki Reita erzählt hat. Nichts anderes könnte so eine Reaktion bei ihm hervorrufen. Dieser Arsch hat Reita verraten, welche Worte mir rausgerutscht sind! Worte, die ich meinem Freund direkt sagen wollte. Wenn ich sie das erste Mal aussprach zumindest! „Das hoffe ich doch. Ansonsten würde ich dir nen ziemlichen Arschtritt verpassen.“ Und noch bevor ich irgendwas sagen kann, spüre ich, wie mein Herz einen Moment aussetzt. Wegen Reitas Lippen. Die liegen nämlich auf meinen. Nur ganz kurz und als ich es realisiere, sind sie auch schon wieder weg, aber das Gefühl bleibt. Meine Gedanken spielen verrückt. Nur durch diesen einen kurzen Moment. Ich sehe Reita an. Er hat sich zwar wieder von mir entfernt, steht aber trotzdem noch ziemlich dicht vor mir und sieht mich an. Mein Herz klopft schnell. Verdammt, ich fühl mich wie ein verliebtes Schulmädchen! Aber schließlich ist heute auch ein besonderer Tag. Ich habe ihm indirekt gesagt, dass ich ihn liebe, und er hat mich geküsst. Auf offener Straße. Das hat er noch nie gemacht. Das ist einfach nicht Reitas Art und meine irgendwie auch nicht, aber er hat es trotzdem getan. Meine Knie fühlen sich an wie Gummi. „Ich will das selbst hören. Von dir.“ Seine Stimme ist leise, aber ich habe keine Probleme damit, ihn zu verstehen. Schließlich hat er sich noch ein Stück vorgebeugt. Ich will schon ansetzen, aber soweit komme ich gar nicht. „Nicht jetzt und hier. Später.“ Ich bringe nur ein leichtes Nicken zustande, was Reita wiederum dazu bringt, sich mit einem zufriedenen, kleinen Lächeln von mir zu entfernen und nach meiner Hand zu greifen. Sie ist ganz warm. Mir ist warm. Und ich bringe kein Wort zustande, so sehr wirft mich dieser Mann manchmal aus der Bahn. Immer wenn ich glaube, ich hätte ihn verstanden, lerne ich eine neue Seite an ihm kennen. Aber das ist ein weiterer Grund, warum ich ihn liebe. Er zieht mich in das Restaurant, wo wir den Abend damit verbringen werden, uns vollzustopfen und gegenseitig für unbedeutende Kleinigkeiten zu triezen. Dann werden wir nach Hause gehen und ich werde endlich die Worte sagen, die schon seit Wochen gesagt werden wollen und die ich heute endlich aussprechen kann. 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