Das Haus Telcontar von DreamerInHeaven ================================================================================ Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- „Du wolltest mich sprechen, Vater?“ Sie wusste, in der Öffentlichkeit musste sie ihren Vater mit Euch ansprechen, aber hier, in den Gemächern ihrer Eltern, waren sie immerhin allein. Abgesehen natürlich von ihren Zofen, die wie immer wie stumme Schatten ein paar Schritte hinter ihr standen, aber sie waren sowieso immer da und manchmal vergaß Melién ihre Anwesenheit sogar. Aragorn nickte und streckte ihr seine Hand entgegen. „Das ist richtig, meine Kleine. Komm, setz dich zu mir.“ Melién tat, wie ihr geheißen wurde und ihr Vater nahm, als sie neben ihm auf seinem Bett platz genommen hatte, behutsam ihre Hände in die seinen. „Mir wurde berichtet, dass du nun eine Frau bist. Ist das richtig?“ Mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen nickte die Zwölfjährige. „Ja, Vater.“ Aragorn nickte leicht, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. Er sah sie ernst an und schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Du weißt ja, dass das Königreich Rohan unser wichtigster Verbündeter ist, nicht wahr?“ Melién nickte erneut, dieses mal jedoch bedeutend unsicherer als zuvor. Wollte ihr Vater prüfen, ob sie im Unterricht auch aufpasste und ihm keine Schande machte? Ihr Vater atmete tief ein. „Gondor muss alles in seiner Macht stehende tun, um diesen Verbündeten zu halten. König Éomer ist ein alter Waffenbruder aus dem Ringkrieg, den ich hoch schätze, doch eine Freundschaft allein reicht nicht aus, um zwei Königreiche über die Zeit hinaus aneinander zu binden.“ Melién wurde kalt, als ihr klar wurde, worauf ihr Vater hinaus wollte. Kein Laut verließ ihre Lippen und sie brachte es nicht über sich, den Blick zu senken, doch ihr Herz schien in doppelter Geschwindigkeit zu schlagen. „Als dein Bruder geboren wurde, war Königin Lothíriel bereits hochschwanger und Éomer und ich beschlossen, sollte das Kind ein Mädchen werden, würden wie sie mit Eldarion verloben. Sollte die Königin jedoch einen Prinzen zur Welt bringen, versprach ich Éomer für diesen die Hand meiner ältesten Tochter.“ Er schwieg einen Moment, als wartete er darauf, dass Melién etwas sagte, doch als sie weiterhin schwieg, fuhr er fort: „Du hast Prinz Elfwine bereits getroffen, erinnerst du dich?“ Ja, sie erinnerte sich. Damals war sie neun Jahre alt gewesen und König Éomer war zusammen mit seiner Familie zu einem Ball nach Minas Tirith gekommen und der fünf Jahre ältere Prinz war ihr vorgestellt worden. Mit Sicherheit hätte er auf diesem Ball auch mit ihr getanzt, wenn sie nur etwas älter gewesen wäre. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er es damals bereits gewusst hatte; mit Sicherheit hatte er es gewusst. „Ich werde es dir morgen offiziell im Thronsaal eröffnen, als dein König. Aber ich wollte vorher noch als dein Vater mit dir darüber sprechen.“ Melién nickte. „Ich danke Euch, Vater“ Die Worte verließen wie von selbst ihren Mund und sie erhob sich. „Darf ich mich zurückziehen?“ Ihr war immer noch so schrecklich kalt und sie hatte das Gefühl, ein Wort zu viel könnte dafür sorgen, dass sie in Tränen ausbrach und das wollte sie um jeden Preis vermeiden. Sie konnte doch nicht vor ihrem Vater weinen! Aragorn nickte sanft, überging die plötzliche, steife Anrede und stand ebenfalls auf, um sie noch einmal kurz näher an sich zu ziehen und ihr einen Kuss aufs Haar zu geben. Melién knickste leicht und verschwand dann schnellen Schrittes aus dem Gemach ihrer Eltern. Sie war verlobt. Schon fünf Jahre vor ihrer Geburt an den Prinzen von Rohan versprochen. Sie hörte die hastigen Schritte ihrer Zofen, wurde jedoch nicht langsamer. Sollten sie sich doch abhetzen, am Bestem sie blieben wo sie waren. Ihre Augen brannten und es kostete sie all ihre Willenskraft, nicht an Ort und Stelle in Tränen auszubrechen. Ihre Füße trugen sie wie von selbst in den Flügel des Palastes, in dem ihr Schlafgemach und das ihrer Geschwister waren. Ohne weiter darüber nachzudenken ging sie auf die große Doppeltür zu, die zu Béleths' Schlafgemach führte und die Wache, die davor stand öffnete hastig für sie, als er sie näher kommen sah und verbeugte sich, als sie an ihm vorbei ging. Ihre Schwester saß auf dem Schoß ihrer Amme, die ebenfalls schnell aufstand, als sie die Zwölfjährige eintreten sah und schnell knickste. „Hoheit.“ „Meine Schwester schläft heute Nacht bei mir.“ Die Worte hatten ihren Mund verlassen, ehe sie länger darüber nachdenken konnte, aber das war im Grunde auch unwichtig; die Amme würde es mit Sicherheit nicht wagen, Fragen zu stellen und das war gut so. Sie schickte ein stummes Gebet zu den Valar, dass ihre Stimme nicht so schwach und hilflos klang wie sie es gerade wahrgenommen hatte. Die Amme nickte tatsächlich nur stumm, gab ihr Béleth vorsichtig in die Arme, knickste erneut Melién verließ, mit ihrer Schwester auf dem Arm, die Gemächer und ging zu ihren eigenen, wo die Wache ihr erneut die Tür öffnete. Sie bedeutete ihren Zofen mit einer Handgeste, sie ebenfalls allein zu lassen, was diese auch auf der Stelle taten. Für einen Moment glaubte Melién, so etwas wie Mitleid in ihren Blicken zu sehen und wandte sich schnell ab und betrat ihre Gemächer. Sie fühlte, wie Béleths' kleine Finger nach einer ihrer Haarsträhnen griffen, während ihr kleiner Körper sich an sie kuschelte. Als würde das einen Damm in ihr brechen, entwich ein Schluchzen Meliéns Lippen, sobald die Tür sich wieder geschlossen hatte, und sie drückte ihre Schwester fest an die Brust, während sie auf ihr Bett sank. „Sie verheiraten mich, Béleth.“, schluchzte  sie, „An einen wildfremden Prinzen, dem ich erst ein mal begegnet bin. An den meistbietenden verschachert wie eins von Vaters Pferden oder...oder ein Ballen Seide.“ Ihre Stimme zitterte heftig, als die bitteren Worte ihren Mund verließen und die Tränen rannen wie Sturzbäche ihre Wangen hinab. Warum ausgerechnet sie? Das war nicht gerecht, es war nicht gerecht, es war... Sie hörte, wie Béleth ebenfalls leise zu wimmern anfing und begann hastig, sie hin und her zu wiegen, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Melién biss sich auf die Unterlippe und wischte sich mit nach wie vor zitternden Händen die Tränen von den Wangen, ehe sie Béleth behutsam auf ihr Bett legte und sich mehr schlecht als recht das Gesicht abwusch. „Berîl!“ Sie wusste, dass ihre Erste Zofe im Nebenraum darauf wartete, gerufen zu werden und tatsächlich kam das um nur wenige Winter ältere Mädchen nur wenige Herzschläge nach ihrem Ruf herein. „Hilf mir, mich umzuziehen. Ich möchte schlafen.“ Ihre Zofe nickte und half der Prinzessin dann dabei, ihr Kleid gegen ihr Nachtgewand zu tauschen. Melién rechnete es dem Mädchen hoch an, dass sie kein Wort über ihre mit Sicherheit vom weinen verquollenen Augen verlor. Als sie vollständig umgezogen war entließ sie Berîl mit einem freundlichen Lächeln und legte sich dann wieder zu ihrer Schwester ins Bett. Sie schlief noch nicht und sah sie mit großen, erwartungsvollen Augen an. Melién seufzte, bevor sie ihre Schwester an sich zog und begann, ihr ein Schlaflied zu singen. Ein elbisches, über Lúthien Tinúviel, das ihre Mutter oft sang und das sie schon immer sehr geliebt hatte. Tinúviel nin luithannen. Dí elenath, mi loth bain, Ned uial le linnon, Lúthien, Elleth anfaereb, athar aen. O chaered toll ennas, fírion. Le tíriel, breged e le melant. Randir erui, Barahirion, o Daur-e-ndaedeloth, Thalion. Nalant Beren "Tinúviel!" (Tiúviel, Tinúviel,) 'ni mar dîn dregant, Tinúviel, A sí, le estam "Tinúviel" Als sie am nächsten Morgen erwachte, fühlte ihr Kopf sich vom Weinen schwer an und sie fühlte sich noch immer schrecklich müde. Hinter den Vorhängen schien es noch immer vollkommen Dunkel zu sein; offenbar war die Sonne noch nicht einmal aufgegangen. Béleth schlief noch immer seelenruhig und Melién sah sie eine Weile gedankenversunken an. „Genug geweint.“, sagte sie leise, „Ich bin die Prinzessin von Gondor und Arnor, von dem alten Blut der Númenórer und der Hohen Könige der Noldor...ich muss jetzt vernünftig sein.“. Sie atmete tief ein. „Eine Prinzessin muss immer das tun, was für ihre Familie und ihr Volk am Besten ist. Außerdem bin ich jetzt eine Frau. Ja, ich muss jetzt vernünftig sein.“ Sie tat es für ihre Familie. Für ihr Land. Und irgendwie auch für ihre Schwestern – denn wenn sie Prinz Elfwine nicht heiratete, müsste es vielleicht Lúthiel oder Béleth tun und die waren ja noch viel jünger als sie. Mit diesem Gedanken fühlte Melién sich schon ein klein bisschen weniger elend und so klammerte sie sich an den einzigen Gedanken, der ihr ein wenig Trost spendete. Für meine Familie. Für mein Land.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)