Das Leben auf der Cross Academy von Puraido ================================================================================ Kapitel 77: Teil 2 – Kapitel 31 – Ein selten dämliches Geschöpf ---------------------------------------------------------------- Dienstag, 7. Oktober 2009 Tenshi setzte sich langsam auf und rieb ihre Augen. Es war mitten am Tag, kein Wunder also das Yumiko noch tief und fest schlief. Diese war wahrscheinlich in einem schönen Traum, denn ein leichtes Lächeln war auf ihren Lippen zu sehen. Tenshi hingegen langweilte sich. Es kam manchmal vor, dass sie tagsüber aufwachte und nicht mehr schlafen konnte. Wobei man sie eigentlich auch nicht als nachtaktiv bezeichnen sollte. Mal war sie tagsüber wach, mal nachts, selten beides, noch seltener schlief sie Tag und Nacht durch. Im Schnitt brauchte sie ziemlich wenig Schlaf, was aber nicht wirklich ein Vorteil war. Denn oft war Yumiko sehr genervt das Tenshi schon so früh auf war und sie auch noch wach machte. Tenshi hielt es daher für am besten etwas spazieren zu gehen. Leise ging sie zu ihrem Schrank und öffnete ihn. Die Schuluniform hatte sie an einem Kleiderbügel zwischen ihren Jacken hängen und ansonsten strahlte ihr Schrank nur so von weiß und pink. Sie zog ihre Lieblingssachen raus – eine knallpinke Bluse, die hinten etwas länger war und an einen Umhang erinnerte und einen pinken Faltenrock. Dazu dunklere, über die Knie gehende Strümpfe und ihre pinken Lieblingsstiefel. Sie musste sich oft anhören, dass sie zu pink war, aber zu ihren pinken Haaren und gleichfarbigen Augen passte dies einfach am besten. Oft sprach man sie auch auf ihren ungewöhnlichen Nachnamen an. ‚Kamiyari – das ist doch gar kein richtiger Nachname.‘, so was hasste sie wirklich. Sie wollte nicht heißen wie ihre Eltern: Tsubaki. Bei dem Gedanken an ihre Eltern erschauderte sie. Sie wollte nicht an sie denken. Sie hatte sich total ins Zeug gelegt um eine gute Hunterin zu werden und trotz allen Bemühungen, war es nicht so leicht sich von diesem Namen zu lösen. Ihr einziger Trost war, das ihre Mutter früher schließlich Yoshizaki hieß, bevor sie mit Tenshis Vater durchbrannte und daher die meisten nichts mit dem Namen ‚Tsubaki‘ zu verbinden wussten. Aber alle die es wussten und die zu allem Übel auch wussten das Tenshi das Kind von Sakura Yoshizaki war, sahen in ihr nur das Kind von einer Hunterin, welche mit einem Vampir durchgebrannt war. Doch Tenshi vermied es möglichst an deren Blicke zu denken. Oder gar an einen bestimmten Tag in ihrer Vergangenheit. Leise schlich sie sich mit ihren Sachen vorbei an Yumiko, in Richtung Bad. Sie öffnete die Tür und als ein lautes Knarren die Stille zerschnitt, zuckte sie zusammen und schloss die Augen. Wenn Yumiko aufgewacht wäre, wäre es sicherlich ungemütlich geworden. Aber diese drehte sich lediglich einmal. Tenshi war zwar einerseits sehr überrascht, dass Yumiko, welche normalerweise bei dem kleinsten Geräusch aufwachte und der Person die sie geweckt hatte einen Killerblick schenkte, nicht aufwachte, andererseits auch sehr erleichtert. Dieses Mal darauf bedacht, keinen Krach zu verursachen, schloss Tenshi leise die Tür und zog sich an. Dann fing sie an zu grübeln. Sollte sie durch den Haupteingang nach draußen gehen? Aber was wenn dieser verschlossen war? Oder die Tür laut knarrte und viele davon geweckt wurden? Das war wohl keine gute Idee. Also entschloss sie sich dazu durch das Badfenster nach draußen zu verschwinden. Irgendwo war sie froh ein so ungewöhnlicher Vampir zu sein. Denn Sonnenlicht machte ihr bei weitem weniger aus als anderen Vampiren. Es blendete minimal, aber mehr auch nicht. Ob das am Hunterblut lag? Doch da fiel ihr etwas ein: Sie hatte ihren Speer in ihrem Zimmer vergessen! Leise ging sie zurück und schaute unter ihr Bett. Ihr Speer war fast zwei Meter lang und sie konnte ihn ja schlecht einfach ins Zimmer stellen. Also hatte sie ihn notgedrungen unter ihrem Bett verstaut. Sie griff nach dem goldbraunen Speerstiel und zog ihn so leise wie möglich unter ihrem Bett hervor. Die rotweiße Spitze war auf Hochglanz poliert und fast vierzig Zentimeter groß. Er war Tenshis Hunterwaffe und sie hatte ihn fast überall dabei. Ohne ihn fühlte sie sich nur halb so stark. In der Schule ging das natürlich nicht. Nun schlich sie sich wieder zum Bad. Dort angekommen öffnete sie das Fenster und schaute nach draußen. Direkt davor war ein großer Kirschbaum mit langen starken Ästen – perfekt. Vorsichtig stieg sie auf das Fensterbrett und sprang auf diesen Baum zu. In ihrer Rechten hielt sie ihren Speer und mit ihrer Linken hielt sie sich an einem der Äste fest. Als sie noch klein war, lebte sie in einem Tempel mitten im Wald, auf Bäume zu klettern war ein leichtes für sie. Als Yumiko das zum ersten Mal sah, nannte sie Tenshi dafür Baumkind. Da war diese aber so geschockt und traurig, dass Yumiko ihr Geld erst einmal für ordentlich Schokolade verpulvern musste, um Tenshi wieder fröhlich zu stimmen. Tenshi hing noch eine kleine Weile so am Baum, ehe sie sich mit einem ordentlichen Schwung auf den Kirschbaum zog. Von hier aus sprang sie von Baum zu Baum weiter. Sie wusste nicht was sie machen sollte, also wollte sie sich den Unterricht der Day-Class anschauen. Heimlich versteht sich. Nach einer Weile sah sie das Schulgebäude. Nun bewegte sie sich langsamer. Vor den Vertrauensschülern oder dem Rektor hatte sie nicht wirklich Angst, da sie bisher nur Yuki kannte, aber eine wütende Yumiko? Das wäre nicht so toll. Vorsichtig näherte sie sich dem Gebäude. Sie versteckte sich zwischen den Blättern eines Laubbaumes und beobachtete den Raum. Es war Yukis Klasse, das konnte sie sehen. Diese war wohl gerade dabei einen Streit zu schlichten. Anscheinend zwischen dieser Shaira, die total laut und unhöflich war, und einem blonden, hübschen Mädchen. Durch das Geschrei das nach draußen drang, wusste Tenshi auch bald das diese Yui hieß. Worum es in dem Streit genau ging verstand sie nicht. Aber Yuki hatte ordentlich zu tun, die beiden in Schach zu halten und Yagari, welcher den Unterricht wohl eigentlich leiten sollte, beobachtete das ganze Geschehen entnervt. Schien wohl sehr oft vorzukommen. Außerdem fiel ihr Chiko ins Auge: die Schwester von Takashi. Shaira schien ihr ziemlich auf die Nerven zu gehen, mit ihren lauten Kommentaren und ihren Beleidigungen. Wobei man erwähnen musste, dass diese wirklich hart waren: so etwas wie ‚du treibst es doch mit deinem Bruder‘ oder ‚wie macht sich denn dein Bruder im Bett‘, das war ziemlich heftig. Shaira war laut, unhöflich und unfreundlich. Also das Gegenteil von der Sorte Lebewesen die Tenshi mochte. Aber sie war ein Mensch. Ein sehr interessanter sogar. Und Tenshi war sich einer Sache zu hundert Prozent sicher: ein Mensch kann, egal wie hinterhältig und gemein er erscheint, nicht vollkommen böse sein. Denn Menschen haben für so gut wie alles einen Grund. Wenn sie andere verletzten und sich daran erfreuen, dann wurden sie sicher früher oft oder schwer verletzt. Und es gibt immer etwas das sie lieben. Bei Shaira war das wohl ihre Kaori. Aber jemand der so laut wie sie war, der brauchte auch irgendwo eine stützende Schulter. Tenshi dachte da an diese Sori oder Suri oder so. Sie sah Shaira etwas ähnlich und versuchte sie zu beruhigen. Sicher ihre Schwester oder so. Bestimmt war diese auch wichtig für Shaira. Auf Tenshis Lippen breitete sich ein trauriges, aber gleichzeitig auch glückliches Lächeln aus. Menschen sind voller Geheimnisse – wie Vampire und Hunter. Aber in einer Sache unterscheiden sie sich ganz deutlich: nicht nur, dass sie schwächer waren oder eventuell nicht so gut aussahen, es war eher etwas anderes. Denn von einem Menschen ging immer eine gewisse Wärme aus. Egal wie kalt sie erschienen, in ihrem Herzen war doch irgendwo eine wohlige Wärme. Ganz anders als bei Vampiren oder Huntern. Manche Hunter töteten Vampire nur, weil sie sich abregen wollten. Und einige Vampire töteten eiskalt Menschen, nur aus Spaß an der Freude. Schrecklich. Einfach nur schrecklich. Tenshi legte ihre Hand auf die Brust. Leise hörte sie ihren Herzschlag, in einem immer wieder kehrenden Rhythmus. Er war so vertraut. Und doch war er nicht so beruhigend wie der Herzschlag eines Menschen. Eines ihr vertrauten Menschen. Sie berührte mit ihren Fingerspitzen die pinke Brosche, welche mit einem durchsichtigem Faden an ihrer Bluse festgemacht war. Diese Brosche hatte sie einst von der Miko bekommen bei der sie früher lebte. Zumindest bis sie dreizehn wurde … Damals lebte sie mit dieser Miko in einem kleinen Shinto Tempel in Kyūshū. Sie lebten ziemlich abseits und Tenshi beschäftigte sich meist selbst. Sie kletterte auf Bäume um eine schöne Aussicht zu haben, oder spazierte durch den Wald. Oft schwamm sie auch in einem nahe gelegenen See, oder sie las ein Buch. Oft waren dies Manga. Manchmal kamen auch ein paar Menschen die den Tempel besuchen und beten wollten. Die Miko bei der Tenshi lebte, war schon alt. Doch jedes Mal, wenn sie Tenshi umarmte, fühlte diese sich geborgen und hörte den lauten Herzschlag der Miko. Dieses Gefühl und auch das Geräusch des Herzens waren für Tenshi unersetzbar wichtig. Tenshis Eltern waren auf Reisen, sie schickten ihr lediglich Briefe in denen sie schrieben wie stolz sie auf ihre Tochter waren. Und Tenshi war auch stolz. Sie war das Kind der guten Hunterin Sakura Yoshizaki und dem Level C Vampir Tsubaki. Während Tenshi langsam heran wuchs, wurde selbstverständlich auch die Miko älter. Sie starb als Tenshi dreizehn Jahre war. Kurz vor ihrem Tod gab sie Tenshi eine pinke Brosche und entschuldigte sich bei ihr, dass sie es all die Jahre geheim gehalten hatte, weil sie glaubte es wäre noch zu früh Tenshi die Wahrheit zu erfahren. Tenshi wusste nicht was sie meinte. Also wies die Miko sie an den kleinen Tempelschrein zu öffnen. Dort würde sie ein Buch finden was die Wahrheit enthielt. Danach starb sie. Tenshi war sehr traurig über den Tod der Miko, denn diese war so etwas wie eine fürsorgliche Oma gewesen, oder sogar ein Mutterersatz. Doch sie war sehr neugierig was wohl in diesem Buch stand von dem die Miko redete. Was meinte sie mit ‚Wahrheit‘? War Tenshi etwa doch kein Mischling aus einer Hunterin und einem einfachen Vampir? Vorsichtig nahm die das Buch zwischen ihre Hände und begann zu lesen. Doch je weiter sie las, desto trauriger und wütender wurde sie. Ihr Vater war wirklich ein Level C und ihre Mutter eine Hunterin. Das stimmte. Aber die beiden waren gemeinsam durchgebrannt. Anscheinend hatte Tenshis Vater ihre Mutter angestiftet mit ihm zu kommen. Als sie beide Japan verlassen wollten, wurden sie aber von einem Hunter erwischt. Dieser konnte schlecht zulassen dass die beiden einfach verschwanden und wollte es dem Hunterverband sagen. Doch das ließ Tenshis Mutter nicht zu: sie tötete den Hunter und verriet somit den Verband. Sie wollten fliehen, doch ihre kleine Tochter war ihnen dabei ein Klotz am Bein. Sie mussten sie loswerden. Also gaben sie sie einer alten Miko, welche Abseits von Städten oder Siedlungen wohnte. Tenshis Vater drohte sie umzubringen wenn sie nicht auf Tenshi aufpasste und ihr auch nur ein Wort über die wahren Umstände sagte. Die Briefe die sie Tenshi also schickten, waren eigentlich nur eine Wahrung an die Miko und erinnerte sie jedes Mal an ihre Pflicht. Tenshi wurde die ganze Zeit über belogen. Sie wurde unbeschreiblich wütend. Sie zerriss das Buch und schlug alles kurz und klein. Erst als alles in Flammen aufging und niederbrannte, beruhigte sie sich. Die Asche wurde von Winde verweht. Und so auch Tenshis Vertrauen. Sie konnte und wollte damals nicht die Gefühle der Miko verstehen. Es war logisch das sie um ihr eigenes Leben bangte. Doch da hätte sie es Tenshi doch eigentlich gar nicht sagen müssen? Vielleicht wollte sie auch nur das Beste für Tenshi. Sie war wirklich noch sehr unreif und jung gewesen. Doch wäre es besser wenn sie nie über die wahren Umstände Bescheid gewusst hätte? Sicher nicht. Trotz allem war Tenshis Vertrauen futsch. Sie verließ Japan und reiste umher. Sie nahm den Namen der Miko an und trainierte hart, um ein guter Hunter zu werden. Sie wollte nicht in die Fußstapfen ihrer Mutter treten. Denn wer über Tenshi Bescheid wusste, sah nicht Tenshis Leistung. Er dachte meist an Sakura Yoshizakis Kind. Das Kind der Frau die den Verband verraten und einen Hunter umgebracht hatte. Das Kind einer Verräterin. Tenshi gab sich alle Mühe. Sie hatte nicht viel Talent und war keine so gute Hunterin wie Yumiko. Trotzdem gab sie nicht auf und wurde stattdessen immer besser. Irgendwann kam sie nach Amerika. Hier wollte sie fürs erste bleiben und ihr wurde eine Partnerin zugeteilt: Kasumi Yumiko. Diese wirkte gefährlich und unnahbar. Sie war eine sehr gute Hunterin und Tenshi hatte schon längst keinem mehr vertrauen können. Es war wie eine hohe kalte Eismauer zwischen ihnen. Doch mit der Zeit lockerte es sich und die Mauer schmolz immer mehr. Tenshi vertraute Yumiko, wenn auch nicht voll und ganz. Und auch Yumiko war Tenshi gegenüber nicht mehr so abweisend. Sie wurden ein gutes Team und Yumiko Tenshis beste Freundin. Denn sie war das wichtigste für Tenshi. Doch oft wusste sie nicht ganz ob ihre Gefühle Yumiko gegenüber Freundschaft, oder sogar Liebe waren. Sie vertraute Yumiko sehr. Doch Tenshis Vergangenheit ließ sie nicht ganz los und egal wie sehr sie es auch versuchte, sich selbst konnte sie nicht belügen. Sie konnte Yumiko nicht voll und ganz vertrauen. Sicher waren es siebenundneunzig Prozent, aber die letzten drei … Ob Tenshi es jemals wieder schaffen würde jemand zu hundert Prozent zu vertrauen? Sie wusste es nicht … Plötzlich schreckte Tenshi auf. Sie hatte die ganze Zeit nur gegrübelt und währenddessen hatten die Schüler der Day-Class den Raum schon verlassen. Leise vor sich hin fluchend, dass sie zu viel nachgedacht hatte und gar nicht mehr auf den Raum vor sich geachtet hatte, merkte Tenshi das die Sonne bald unterging – der zweite Schock. Denn es war sicher nicht einfach genehmigt, dass sie am helllichten Tag draußen rumlief und die Schüler der Day Class beobachtete. Und Yumiko würde das sicherlich auch nicht dulden. Also sprang Tenshi etwas zu übereilt auf und rutschte mit einem Fuß vom Ast, auf dem sie bis eben noch gesessen hatte. Ihr Speer machte sich dabei selbstständig und fiel zu Boden. Sich mit den Händen am Ast festhaltend, fing Tenshi ihren Speer mit dem Fuß auf und balancierte ihn gefährlich über dem Boden. Sie holte aus, warf den Speer in die Luft und zog sich gleichzeitig hoch. Dann fing sie blitzschnell den Speer und saß wieder, mehr oder weniger, wie vorher auf dem Ast. Sie musste sich langsam beeilen. Also sprang sie auf den Boden und rannte los. Sie war ziemlich schnell, nicht so schnell wie andere Vampire, aber schnell genug um welche von ihnen zu kriegen. Normale Menschen würden sie wohl kaum besiegen. Als hinter ihr ein lautes „HEY!“, ertönte, zuckte sie zusammen. Joshua Sawyer stand, leicht keuchend hinter ihr. Nicht sehr gut … „Ähm, was möchten Sie denn von mir?“, fragte sie vorsichtig. Josh keuchte immer noch etwas. Er konnte ja schlecht sagen dass er eigentlich nur wissen wollte was da für ein verdächtiger, pinker Punkt sich im Wald bewegte. Er dachte es könnte sich dabei wieder um einen hypnotisierten Vampir handeln und musste an Hiroshi denken. Würde etwas komisch klingen. „Erstens heißt das du, ich bin noch nicht so alt das man mich siezen muss und zweitens ist es dir nicht erlaubt tagsüber hierher zu kommen!“ Nun wurde Tenshi etwas panisch. Sie versuchte es sich aber möglichst nichts anmerken zu lassen. Wollte er sie etwa zum Rektor bringen? Vor dem oder Josh hatte sie keine große Angst, aber Yumiko würde das sicher nicht so lustig finden. Tenshi hatte sich schon einmal mit ihr gestritten und Haus hoch dabei verloren. Zusätzlich hatte sie sich sogar ordentlich eine gefangen. Also sah sie nur einen Weg. Den Speer, welcher in ihrer rechten Hand ruhte, hielt sie Einsatz bereit. Dann ging sie auf Josh zu, bis sie circa einen Meter vor ihm stand. Er war sichtlich etwas irritiert. Sie nahm ihren Speer in beide Hände und ließ dessen Spitze zum Boden zeigen. Nun verstand Josh noch weniger. Was wollte Tenshi machen? Sie murmelte ein leises „Tut mir leid“, und stieß ihren Speer mit voller Wucht in den Boden. Um sie und Josh bildete sich ein Pentagramm mit einem Durchmesser von zwei bis drei Metern. Das war nämlich Tenshis Fähigkeit: Sie konnte Illusionen bei den Lebewesen hervorrufen, welche sich in diesem Pentagramm befanden. Zwar schaffte sie dies für gewöhnlich nur für zwei Minuten, höchstens fünf, aber dafür konnte sie auch so schreckliche Vorstellungen der Menschen real machen, dass diese vor Angst starben. Bei Vampiren ging das zwar auch, aber es war sehr viel schwerer. Sie ließ Josh so gut wie möglich glauben, dass er das alles nur geträumt hatte. Das er hier eingeschlafen und eben hier aufgewacht war und Tenshi nie wirklich hier war. Dann löste sie die Kunst auf. Josh sank zusammen und blieb für fünfzehn Sekunden ohne Bewusstsein. Diese Zeit nutzte Tenshi um wegzukommen. Sie rannte so schnell sie konnte zum Haus „Mond“ zurück. Dann fiel ihr ein, das, wenn Yumiko sehen würde, dass das Fenster offen war, würde sie den Braten sicher riechen und Tenshi ordentlich zusammen falten. Den Schritt noch einmal beschleunigend, sah sie schon den großen Kirschbaum vor ihrem Bad. Sie kletterte so schnell sie konnte daran rauf und schwang sich ins Badezimmer. Gerade noch rechtzeitig, denn just in dem Moment öffnete Yumiko die Tür und schaute Tenshi verwundert und verschlafen an. „Was machst du da?“ „Äh, hier war es so heiß und da dachte ich, ich mach das Fenster mal kurz auf …“, log Tenshi schnell. Yumiko zog nur die Augenbraue hoch. In Gedanken fragte sie sich noch warum Tenshi ihre pinke Kleidung trug, aber sie erklärte es sich selbst damit, dass Tenshi sicherlich vergessen hatte, ihre Schuluniform anzuziehen. Tenshi flitzte aus dem Bad und zog ihre Sachen um, während Yumiko sich langsam im Bad fertig machte. In zwischen wachte Josh wieder auf. Als er merkte wo er war, kratzte er sich am Kopf. Die Unterhaltung mit Tenshi schien sehr real gewesen zu sein … Oder hatte er es doch nur geträumt? Naja, zum Rektor konnte er schlecht gehen. Denn wenn es wirklich ein Traum war, dann würde er Tenshi, welche ihm eigentlich beim Projekt ‚Kyra und Lee‘ helfen sollte, ja zu Unrecht beschuldigen. Das wäre wirklich schlecht. Also entschied er sich dafür zu schweigen und erst mal einen Kaffee zu trinken. Wäre sicher das Beste. Das einzige was er sich nicht einfach erklären konnte war: wieso hatte er hier im Gras geschlafen? Naja, konnte ihm jetzt ja egal sein. Yumiko und Tenshi waren nach unten ins Foyer gegangen. Dort waren auch schon Takashi, Kaori, Kumo, Aido, Kuraiko und Ruka. Als die anderen auch kamen, war es Zeit für den Schulwechsel. Die Mädchen der Day Class waren sichtlich begeistert, aber auch die Jungs blieben nicht allzu ruhig. Viele nervte es einfach nur, aber als Tenshi Yui und ein paar weitere aus Yukis Klasse sah, musste sie schmunzeln. Sie hatte die Schule in den USA etwas vernachlässigt und wollte dies hier nachholen. Immer wieder an Yukis Klasse denkend, war sie in Yagaris Unterricht sehr aufmerksam und schrieb alles mit. Yumiko, die ihr Gesicht auf die linke Hand gestützt hatte, beobachtete Tenshi aus dem Augenwinkel. Tenshis Reaktion auf die Day Class ließ Yumiko wissen was diese gemacht hatte. Aber sie war viel zu müde um Tenshi zur Schnecke zu machen. „Du bist ein selten dämliches Geschöpf …“, murmelte Yumiko ehe sie die Augen schloss und Yagaris Unterricht nur noch zuhörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)