Cejiñu von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Durch Wälder und über Berge -------------------------------------- Hallo *schüchtern wink* dies ist ein besonderer Anlass. Nach ich glaube mehr als einem Jahr habe ich das dritte Kapitel vollendet. Danke, dass ihr dennoch an mich glaubt. Ihr seid toll!!! Viel Spaß! Durch Wälder und über Berge Erschrocken kreischte Susan auf. Wieder einmal war sie in eines der knietiefen Wasserlöcher getreten. Seit Tagen hatte es ununterbrochen geregnet und noch immer tropfte es von den Bäumen. Langsam wurde es dunkel, so dass Gaire die Gruppe an einem hohlen Baumstamm anhielt. Von diesen Baumstämmen gab es in der Gegend erstaunlich viele, aber Gaire meinte, dass es verlassene Wohnungen der Auren waren. Arren stocherte lustlos mit einem Stock in der alten Feuerstelle herum. Der Regen hatte das Holz unbrauchbar gemacht, so dass sie eine weitere Nacht ohne Feuer auskommen mussten. Xeres fing an ihre Sachen zum Trockenen aufzuhängen. Schon jetzt konnten sie die Berge drohend über ihnen aufragend sehen. "Wie lange werden wir bis zum Turm brauchen?" Fragte Susan in die Runde. Arren sah genauso ratlos aus, wie sie es war. Xeres zuckte mit den Schultern, während Shiane und Gaire zu rechnen schienen. Schließlich übernahm Gaire das Wort: "Wir werden noch zwei drei Tage durch die Wälder müssen, dann erreichen wir den Fuß der Berge. Dann sollten wir hoffen, dass der alte Handelspfad noch frei ist, denn über ihn werden wir nur wenige Wochen für die Überquerung der Berge brauchen. Wenn nicht, dann... darüber sollten wir lieber nicht nachdenken." Shiane nickte: "Ja, wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, was wir heute essen. Durch den Regen sind alle Spuren von Wild verwischt und zudem haben sie sich alle in ihre geheimen Schlupfwinkel zurückgezogen. Für Beeren ist es nicht die richtige Zeit und Wurzeln gibt es in diesen Wäldern nicht, zumindest keine essbaren oder schmackhaften." "Und? Warum sollen wir uns Gedanken machen, wenn du sagst, es gibt nichts?" Fragte Arren ungehalten. Ein todbringender Blick von Shiane brachte ihn zum Schweigen: "Wir essen also nichts! Auch gut. Ich kann hungern, aber ob euer königlicher Magen daran gewöhnt ist nichts zu verdauen, ist fraglich." Arren verkniff sich jedweden Kommentar, wofür Susan sehr dankbar war. Die Streitereien der beiden hätten ihr noch den letzten Nerv geraubt. Sie vermisste ihr Zuhause. Sie vermisste die Wärme und sie vermisste ein weiches Bett. Sie vermisste geschmackvolles Essen und ihre Freundin. Sie vermisste sogar ihre Eltern. Dieses Land war ihr fremd, die Menschen eher praktisch veranlagt. Es gab niemanden, der auf ihre Gefühle Rücksicht nahm bis auf einen: Xeres. Er führte sie durch diese fremde Welt mit ihren rauen Sitten. Bei ihm fühlte sie sich geborgen. Den anderen begegnete sie mit Misstrauen. Oh, sie waren nett zu ihr, aber keiner versuchte mit ihr zu reden und niemand fragte, wie es ihr ging. Arren war zu sehr mit seiner Rache beschäftigt. Shiane hatte nicht die Muße sich mit einem so unselbstständigen Mädchen abzugeben und Gaire führte sie, sagte aber selten ein Wort. Oft saß er mit Arren zusammen und die beiden schmiedeten irgendwelche Pläne. Das Schlimmste aber von allen war, dass Susan nicht wusste, wieso sie hier war. Sie wollte den Sinn nicht verstehen. Da war zwar die Prophezeiung, aber wieso sie? Susan kam sich gar nicht wie eine dieser Heldinnen aus Romanen vor. Sie verabscheute das Töten und sah auch nicht die Notwendigkeit. Sie klagte über wunde Füße und sie war hungrig. Ihre Kleidung war durchnässt und ihr war kalt. Am liebsten hätte sie angefangen zu heulen und sie fühlte sich völlig fehl am Platz. "Ich habe Hunger", gestand sie kleinlaut und hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Alle sahen sie an. Shiane lediglich verständnislos, Xeres mitleidsvoll. Gaire lächelte sie an. Arren jedoch stand auf, griff nach seinem Bogen und verschwand im Regen. Susan stiegen die Tränen in die Augen, doch eilig wischte sie sich mit dem Ärmel über die Augen. Als Arren wiederkam, hatte er nicht viel bei sich. Lediglich ein alter magerer Hase war ihm über den Weg gelaufen und einen Beutel hatte er mit Nüssen füllen können. Susan hatte sich in einen der dunklen Schlupfwinkel zurückgezogen, doch Arren kam zu ihr und reichte ihr eine Handvoll Nüsse. Shiane kam kurz herüber um ihm den Hasen abzunehmen und ihn auszuweiden. Susan konnte nicht hinsehen und so schloss sie die Augen. Sie hörte wie Arren sich neben sie setzte und begann die Nüsse zu knacken. "Hast du keinen Hunger mehr?" "Doch, es ist nur... ich will nicht mehr", sie wusste nicht, wieso es plötzlich aus ihr ausbrach, aber nun ließ sich der Redefluss nicht mehr aufhalten. "Ich bin hier nicht geboren und das ist mir auch alles so fremd. Es ist so kalt und ich bin müde. Dieser Regen ist nicht zum Aushalten und es scheint, als gäbe es keine Freude. Meine Welt ist nicht so trostlos wie diese. Ich will nach Hause." "Sei froh, dass du noch ein Zuhause hast!" Erschrocken öffnete Susan die Augen. Arren hatte sich weg gedreht, doch hatte sie den verletzten Ton nicht geträumt. Siedendheiß fiel ihr ein, dass er ja alles verloren hatte, dass es für ihn nichts mehr gab in dieser Welt außer dem Ziel, es endlich dem Schuldigen zurück zu zahlen und danach? Danach blieb ihm nichts mehr. Es gab kein Zuhause, zu dem er zurück kehren konnte. "Es tut mir Leid", gab sie schüchtern zu. Arren starrte an die Decke: "Weißt du?" Begann er mit seiner ruhigen tiefen Stimme, "Meine Welt war nicht immer so trostlos wie in diesen Tagen. Auch bei uns gab es die Freude und es gab Tanz und Gelächter. Ich hatte Freunde und ich hatte ein Zuhause, in das ich zurückkehren konnte. Und nicht nur ich war einmal glücklich, das ganze Reich war glücklich. Jeder hatte eine Familie, jeder ein Zuhause, jeder ein Leben. Jetzt gibt es nur noch wenige, die das von sich sagen können. Und darum, darum, Susan, will ich diesen Mistkerl in die Finger kriege. Ich will nicht nur Rache für mich, sondern für mein Volk. So viele sind gestorben." "Und deshalb töten wir noch einen?" Sie war wütend, so wütend, aber auch Arren erzürnte ihr Einruf: "Ja, damit das Töten dann endlich ein Ende hat." Er stapfte wieder aus dem Baum. Susan sank in sich zusammen. Immer nur töten. Sie verstand ja Arrens Gefühle, aber warum musste die Lösung jedes Problems in dieser Welt der Tod sein? Am nächsten Tag hatte es wieder angefangen stärker zu regnen begonnen, aber Susan fühlte sich besser. Sie hatte in der Nacht ruhig geschlafen und fühlte sich erholt. Ihr Frühstück war zwar karg, doch die Nüsse waren dafür sehr schmackhaft. Erst gegen Mittag machte sich die Gruppe auf den Weg, denn am frühen Morgen hatte es noch stark gewittert. Dann setzten sie ihren Weg durch knietiefe Wasserlöcher fort. Erst nach einer Weile fiel ihr auf das Arren nur halb bei der Sache war, das Gespräch vom letzten Abend schien ihm doch mehr zugesetzt zu haben, als sie gedacht hatte. Sie beschloss noch einmal mit ihm zu reden. "Ich habe über das nachgedacht, was du gesagt hast, und ich finde, dass du zwar Recht hast, aber ich kann nicht anders. Was soll ich denn sonst tun?" Er klang so niedergeschlagen, dass es Susan fast das Herz brach. "Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts und ehrlich gesagt will ich auch nicht in deiner Haut stecken. Ich heiße deinen Blutdurst nicht für gut, aber... "... es ist kein Blutdurst. Wenn ich könnte, würde ich es anders machen, aber mir fällt nichts ein. Xeres, was sagt Ihr?" Der alte Zauberer drehte sich um: "Ihr wollt meine Meinung wissen? Nun, gut, junger Prinz. Euer Reich versinkt im Chaos und Schuld daran ist der Herr des Weißen Blitzes. Töten wir ihn nicht, wird er immer eine Gefahr für uns und für euer Reich sein." Arren nickte verbittert: "Siehst du, Susan! Es gibt keine andere Möglichkeit." "Nun, wenn es so sein muss, kann ich es auch nicht ändern. Das ist nun mal der Weg eurer Welt. Ich habe dich übrigens gestern angelogen. Meine Welt ist auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, wie man bei uns sagt. Es passieren sehr viele grausame Sachen. Grausam auf eine andere Art und Weise und eigentlich mag ich Welten wie eure, denn sie sind ehrlich. Ja, das ist es, sie sind ehrlich. Selbst Kriege werden hier noch auf ehrliche Weise geführt." "Das Gefühl habe ich nicht." Arrens Stimme wurde immer noch nicht weicher. Susan jedoch ließ sich nicht beirren: "Ich sagte ehrlich, nicht fair oder gerecht." Fürs erste war das Gespräch beendet und auch wenn es Susan mit gemischten Gefühlen zurückließ, so verbesserte sich ihre Beziehung zu Arren deutlich und als der Regen endlich aufhörte und sie den Fuß des Berges erreicht hatten freute sie sich auf die abendlichen Stunden, in denen sie einander von ihrem vorigen Leben erzählen würden. "... sie haben mir das Fell über die Ohren gezogen, als sie mich endlich gefunden haben. Ich habe noch Tage später nicht mehr vernünftig auf einem Stuhl sitzen können, aber es hatte sich gelohnt." Die ganze Gemeinschaft lachte über diesen Jungenstreich von Arren. Xeres servierte heißen Tee, der Susans Wohlbefinden noch einmal steigern sollte. Die ganze Herzlichkeit war nur um sie aufzuheitern, aber das war Susan egal. Manchmal musste man eben die Wahrheit vergessen um glücklich zu sein. Mittlerweile hatte sie erfahren, dass Shianes und Gaires Eltern früh gestorben waren und Gaire sich um seine kleine Schwester gekümmert hat. Eigentlich hatte er sie auch erziehen wollen, aber Gaire hatte gestanden, dass da wohl etwas schief gelaufen war. Arren hatte von seiner Zeit an der fernen Schule erzählt, von einem Haufen Lehrer, die ihm alle beibringen wollten, wie er sein Reich zu führen hatte. Und Susan, sie hatte ihnen allen von ihrer Welt erzählt, der Hektik und der Ignoranz anderer Schicksale. Der einzige, der nichts erzählt hatte, war Xeres. Arren hatte einen Scherz darüber gemacht und alle hatten gelacht. So glücklich sie im Moment auch war, so wenig freute sie sich auf den morgigen Tag. Sie waren am Fuß des Berges angelangt und morgen begann ihr Aufstieg. Das hieß nichts zu essen, kein Bett aus Moos und Anstrengung, bis einem alle Knochen weh taten. Susan mochte gar nicht daran denken. Die Nacht war sternenklar und so schlich sie sich, als alle schliefen hinaus um die Ruhe der Nacht zu genießen. Der Anblick, der sich ihr bot war unglaublich. Ohne das Licht einer Großstadt, ohne das Licht jeglicher Zivilisation, schien der Himmel von Sternen nur so zu wimmeln. Der Mond war fast voll und ein helles Band zog sich über den Himmel. Das Rascheln von Laub schreckte sie auf. Xeres kam gerade aus dem Wald auf sie zu. In den Händen hielt er einige Kräuter. Susan mochte den alten Mann sehr. Er war immer so geheimnisvoll und ein mysteriöser Duft hing ihm nach. Oft las er in einer Schriftrolle. Wichtige Zaubersprüche, die er sich merken muss, hatte er ihr mal auf ihre Frage geantwortet und er schien alle Kräuter und Pflanzen der Welt zu kennen. Vielleicht lag ihr Zutrauen auch an dem Handwerk, das er praktizierte. Magie faszinierte sie, hatte sie schon immer fasziniert. Als Kind hatte sie davon geträumt selbst Magie zu besitzen und später hatte sie nach wahrer Magie in ihrer Welt gesucht. Denn irgendwoher musste sie ja kommen, die Idee, dass es Magie gibt, die Vorstellung von all diesen Fähigkeiten. Aber jetzt, wo sie wusste, dass es andere Welten, zumindest eine weitere, gab, war ihr das Ganze nicht mehr ganz so unerklärlich. "Na, was machst du so spät hier noch draußen?" Seine Stimme war immer so wunderschön sanft und liebevoll. "Ich habe mir die Sterne angeguckt. Sie sind hier so unglaublich schön und es sind so viele. Es ist, als wollten sie uns den Weg weisen." Xeres stellte sich neben sie: "Ja, sie sind wirklich schön, doch ihr Schein trügt. Sie sind keine Lichter, die uns den Weg weisen. Sie sind eigenständige Wesen." "Oh, ich weiß. Sie sind riesengroß, ganz weit entfernt und siedend heiß", man sollte ja nicht sagen, ihr mangle es an Allgemeinbildung. Xeres hob eine Augenbraue. Das war sicher nicht das, was er gemeint hatte, aber sie sprachen nicht weiter drüber. Plötzlich war ihr die ganze Situation furchtbar unangenehm, so dass sie noch eine gute Nacht murmelte und sich dann zurückzog. Ihr war es, als hätte sie was gehört, aber als sie nach Arren schaute, lag dieser mit geschlossenen Augen friedvoll atmend wahrscheinlich tief schlafend neben ihrer Bettstatt. Susan hatte Unrecht gehabt. Der Aufstieg war nicht anstrengend, ermüdend und schmerzend. Er war die pure Hölle. Nach dem tagelangen Regen prallte die Sonne auf sie nieder. Ihr Gesicht schmerzte von einem frischen Sonnenbrand. Sie fürchtete um ihre Schultern, welche unter dem Gewicht des Gepäcks zusammenbrechen schienen. Der Schweiß lief ihr über die Haut und Fliegen schwirrten umher. Und noch waren sie nicht beim Handelspfad angelangt. Die anderen waren zu Susans Zufriedenheit auch nicht besser dran. Xeres stützte sich schwerer auf seinen Stab als gewöhnlich. Shiane rannte nicht wie sonst nach vorne um Ausschau zu halten und der wortkarge Gaire hatte seit Ewigkeiten gar nichts mehr gesagt. Nur Arren war von einem Tatendrang erfüllt, der Susan in diesem Moment auf den Geist ging. Ständig trieb er sie zu einem schnelleren Tempo an, was Shiane damit beantwortete, dass sie noch langsamer lief. Die beiden mochten sich ja streiten, aber Susan, die ja mit Arren verbunden war, fühlte, dass es ihm auch ein kleines Quäntchen Spaß machte, mochte er auch noch so dagegen sprechen. Susan kam es sogar so vor, als würde er den Streit mit ihr regelrecht suchen. Als sie endlich Rast machten, rieb sich Susan die zerschundenen Knöchel. Arren kam gerade wieder von einer seiner Wassersuchen zurück. "Wieso macht dir diese Hitze eigentlich nichts aus?" "Weil das Wetter in meiner Schule auch nicht anders war. Nur im Sommer, da war es noch heißer, deshalb kam der Unterricht auch oft zum Erliegen. Ich habe übrigens ein kleines Gerinnsel gefunden." Er deutete mit dem Finger in die Ferne. Die Aussicht auf Wasser belebte sie regelrecht, so dass sie sofort das Tempo anzog. Als sich nach einer halben Stunde immer noch nicht die Spur von Wasser fand, verebbte der neue Elan. Gerade überlegte sie, ob sie nicht einfach hier sitzen bleiben und auf das Ende warten sollte, als Arren plötzlich neben ihr lief. "Als ich an die Schule kam, fand ich das Wetter auch unerträglich", fing er einfach aus dem Leeren an. "Zu dem Zeitpunkt war ich wirklich verwöhnt worden und die Hitze tat mir gar nicht gut. Der Geruch von Schweiß widerte mich an. Die Fliegen fand ich lästig. Aber viel schlimmer fand ich, dass es den anderen nichts ausmachte. Also beschloss ich, nachdem das Wetter nur immer heißer wurde, mir nichts anmerken zu lassen. Ich setzte mich in der Mittagsstunde in die Sonne und rannte fast alle Strecken." Arren stoppte. "Was ist passiert?" Er lächelte anlässlich der Erinnerung: "Ich kippte bereits nach zwei Tagen um und lag im Krankenflügel. Dann lernte ich Shade kennen. Er gab mir zu trinken und zeigte mir, wie man sich Schritt für Schritt an das Wetter gewöhnte. Shade war mein Lieblingslehrer. Oh, er hat mich verprügelt, bis ich grün und blau war und er hat mir nichts geschenkt, aber durch ihn kam ich mir normal vor. All die anderen Lehrer lobten mich nur und verwöhnten mich. Aber ich wollte immer wie alle anderen sein. Ehrlich gesagt, wollte ich alles machen können, was andere können. Ich wollte kämpfen wie die Soldaten. Ich wollte heilen wie die Ärzte. Ich wollte forschen wie die Wissenden. Nur zaubern wollte ich nie." "Aber wieso?" Susan konnte nicht verstehen, wie man solch eine Abneigung gegen das Zaubern entwickeln konnte. Arren sinnierte ein wenig, bis er antwortete: "Ich weiß es nicht genau, aber ich habe seit ich klein war, eine Abneigung gegen die Zauberei. Für mich ist es alles Lüge. Ich finde, man sollte sich nicht in die Geschehnisse des Lebens einmischen. Es ist übernatürlich und es ist übermächtig. Ich meine, du kannst ihr nicht beikommen. Du kannst noch so stark, noch so klug, noch so mächtig sein, ein Zauber und du bist nichts mehr. Ein einziger Zauberer kann ein ganzes Reich vernichten, mein ganzes Reich." "Und schon sind wir wieder versunken im Selbstmitleid", ärgerte Shiane ihn, welche aufgeholt hatte. Arren verdrehte die Augen, doch ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Es brauchte nicht lange und die beiden waren in einen heftigen Streit verstrickt. Susan versuchte ihm zu folgen, doch immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Arren Worten zurück. Sie glaubte nicht, dass er ihr die volle Wahrheit gesagt hatte. Er wusste genau, wieso er die Zauberei hasste, doch in Anwesenheit von Xeres würde er es ihr nie anvertrauen. Seine Worte aber hatten sie erfolgreich von ihren Bedürfnissen abgelenkt, welche sich nun wieder meldeten. Sie waren immer noch nicht auf Wasser gestoßen und langsam wurde es dunkel. Ein Gutes hatte die Dämmerung. Es wurde kühler. Bald war es zu kühl. Die Temperatur hatte sich blitzschnell abgekühlt und die Luft war dünn geworden. Einige Sterne stahlen sich an den klaren Himmel und vereinten sich zu mysteriösen Konstellationen um geschlossen auf die Gruppe hinab zu blicken. Ein scharfer Wind wehte der Gruppe um die Ohren, ließ sie frieren. Susan trabte vor sich hin, in ihren Gedanken versunken. Sie dachte wieder an zu Hause, an Karen und an ihre Klassenkameraden. Bestimmt saßen sie mit ihrer Familie beim Abendbrot, vor dem Fernseher oder telefonierten stundenlang mit ihren Freunden. Ob ihre Eltern sie schon vermissten? Ob sie schon die Polizei informiert hatten? Susan tat es Leid. Sie wollte ihnen sagen, dass es ihr gut ging, dass sie sich keine Sorgen machen brauchten, doch sie war völlig abgeschieden von der ihr bekannten Welt. Sie hatte es nicht bemerkt und so erwachte sie erst aus ihren Gedanken, als sie schon in Arren hinein gelaufen war. Er gab grummelnd etwas von sich, doch sprach er leise und unverständlich. Zaghaft fragte Susan an: "Was ist los?" In der Dunkelheit konnte sie Gaire ausfindig machen, der einen Stein untersuchte. Shiane saß auf einigen Stufen, etwas über ihnen. Xeres wartete ebenso wie sie auf seinen Stab gestützt. Offensichtlich ging es nicht weiter. Fast war Susan froh darüber. Gaire schlenderte zu ihnen herüber. Bedacht sprach er: "Der alte Handelspfad liegt vor uns. Er scheint versperrt, aber ob absolut unpässlich oder mit ein paar Handgriffen wieder frei zu machen, kann ich in der Dunkelheit nicht ausmachen. Ich schlage vor bis zum Morgen zu warten." Innerlich vollbrachte Susan einen Luftsprung. Sie war hundemüde und wünschte sich nichts sehnlicher als sich nieder zu legen und bis zum Morgen zu schlafen. Erwartungsvoll schaute sie Arren an. Der nickte schließlich nach einer langen Bedenkzeit und sofort begann die kleine Gruppe ihr Lager aufzubauen. Innerhalb weniger Minuten schlief Susan tief und fast. Sie kamen in der Nacht. Susan erwachte, als sie ein Gewicht auf ihrem Brustkorb verspürte. Überrascht wollte sie Luft holen, doch da kam keine in ihre Lunge . Sie brauchte eine Weile um zu realisieren, dass man sie geknebelt hatte. Angsterfüllt blickte sie zu der hochgewachsenen Gestalt auf, welche auf ihrem Brustkorb Platz genommen hatte. Diese Gestalt stand leise ohne jedes Geräusch auf und ging hinüber zu Gaire. Der Mond schickte seine silbernen Strahlen und gab die Gestalt zu erkennen. Sie war sehr hoch gewachsen und hatte langes glattes Haar. Sie war schlank und anmutig, in dunkles Leder gekleidet. Susan war fasziniert von ihrem Auftreten, doch dann schrie Arren auf. Die Stille der Nacht war gestört worden und Susan wandte den Kopf zu ihrer Linken. Sie sah Arren sich weg rollen, weg von einer kleinen stämmigen Gestalt. Seine Hände waren schon gebunden und so konnte der junge Prinz es nicht verhindern wieder hart auf dem Boden zu landen. "Gloern! Musst du immer mit dem Essen spielen?" Die Stimme des Hochgewachsenen war nahezu melodisch und doch von beißendem Spott. Der Angesprochene blickte kurz hinüber, doch dann widmete er sich wieder dem Prinzen. Er hob etwas, dass einer Axt nahe kam: "Aber Lorion, du kennst mich doch. Ohne einem unvorsichtigen Wanderer das Licht auszublasen, kann ich so schlecht einschlafen." "Ich helfe dir dabei." Shiane hatte ihren Bogen mit eingelegtem Pfeil auf Gloern gerichtet. Der Stämmige ließ langsam die Axt sinken. Arren kam wankend auf die Füße, doch dann war der Hochgewachsene plötzlich hinter Shiane und hatte ihr ein Messer an die Kehle gelegt. Gloern stürzte sich auf Arren, brachte ihn abermals zu Fall und hieb auf den hilflosen Jungen ein. Genauso hilflos musste Susan dabei zu sehen und konnte doch nichts tun. Gaire neben ihr sträubte sich gegen seine Fesseln, bäumte sich immer wieder auf. Von Xeres gab es gar kein Lebenszeichen. Zu Shiane wagte sie nicht einmal herüber zu sehen. Angstvoll verfolgte sie Arrens Kampf und fieberte wieder mit. Langsam verflüchtigte sich die Wahrnehmung von ihrem eigenen schwachen Körper. Die Schläge, die Arren einstecken musste, begannen auf sie herab zu prasseln. Doch gleichzeitig, wie sie sie Schmerzen übernahm, gelangte Arren zu neuer Kraft, wich nicht mehr zurück und brachte den Angreifer seinerseits zu Fall. Trotz gebundener Arme gelang es ihm Gloern unter sich zu bringen und in den Schwitzkasten zu nehmen, zu gewinnen. "Gnade. Gnade", wimmerte der Stämmige, doch Arren ließ erst von ihm ab, als seine Fesseln gelöst wurden und er eine Hand am Schwert führen konnte. Ein Lachen ertönte, so glockenhell und melodisch wie kein anderes zuvor. Der Hochgewachsene schüttelte sich vor Lachen: "Von einem Gebundenen besiegt. Oh Gloern, sind das deine glorreichen Tage?" "Halt deine verdammte Klappe, Elb!" Widersetzte der Stämmige rot vor Scham. Arren löste derweil Susans Fesseln und entnahm ihr den Knebel. Dann glitt er hinüber zu Gaire und schließlich zu Xeres. Shiane stand zwischen den beiden Angreifern, das Haar wirr und offensichtlich irritiert von dem plötzlichen Stimmungswechsel. Den Mund verkniffen legte Arren nun seinerseits dem Stämmigen das Schwert an den übermäßig großen Kehlkopf. Sein starrer Blick jedoch galt dem Hochgewachsen: "Du! Antworte mir! Was wollt ihr von uns?" "Lass meinen Partner los!" Nichts war mehr geblieben von dem fröhlichen Wesen. Arren jedoch rührte sich nicht. "Was schon? Wir wollten euch ein wenig erleichtern." Arren traute seinen Ohren kaum: "Wegelagerer? Hier? Hier kommt doch kein Mensch vorbei." "Umso erfreuter waren wir, euch gefunden zu haben. Und nun lass ihn frei!" Arren schüttelte den Kopf: "Oh nein. Du wirst jetzt dein Messer auf den Boden liegen und dich von Shiane entwaffnen lassen." Ähnliche Aktionen schon gewohnt ging Shiane fachmännisch ans Werk und erleichterte den Elben von seiner überschüssigen Fracht. Auch Arrens Gefangenen erleichterte sie auf diese Weise und schließlich ließ Arren ihn los: "Wer ist euer Herr?" "Niemand. Wir haben keinen Herrn. Wir sind freie Wegelagerer", erwiderte der Elb fast stolz. "Kein Herr des Weißen Blitzes?" Lorion lachte verächtlich: "Wenn ihm schon der Weiße Blitz gehorcht, was sollen wir da noch?" Arren ließ sich erstaunt zu Boden fallen. Dafür trat Gaire an seine Stelle: "Ihr habt den alten Handelspfad versperrt. Das ist euer Werk!" "Tja, sind wir nicht gerissen? Jeder wird erst einmal Pause machen und uns Gelegenheit geben über ihn herzufallen", antwortete Gloern ihm. Shiane hatte derweil ein Feuer entzündet. Misstrauisch beobachtete sie die beiden Wegelagerer. Susan kroch zu ihr und wärmte ihre Finger. Wenig später kam auch Xeres zu ihnen und zu dritt beobachteten sie, wie sich Arren und Gaire gegen das ungleiche Banditenpaar stellten. Gloern hob seine Axt: "Dann wollen wir den Burschen mal einheizen." Er stürmte auf Gaire zu, doch schon innerhalb Sekunden hatte Arren ihm auch diese Waffe abgenommen. Lorion hob zaghaft die Hände in die Höhe: "Wir wollten euch ja nichts Böses. Ehrlich nicht. Nur ein bisschen erleichtern. Das Leben ist hier hart genug." "Selbst Schuld!" Arren hatte keinerlei Verständnis für die Ausflüchte des Elben. "Na gut, bringt uns um! Wenn ihr euch dann besser fühlt." Arren verstaute sein Schwert wieder an seiner Seite: "Ich habe keinerlei Interesse euch umzubringen. Tut mir wirklich Leid. Ich überlege nur noch, wie ich euch daran hindere, uns gleich wieder die Kehlen aufzuschlitzen." Die beiden Wegelagerer fallen auf die Knie: "Das habt ihr schon, oh Weiser!" Shiane ließ ein Räuspern ertönen, doch Arren überging es mit einem Augenrollen. Wenige Minuten langwierigen Verhandelns später saßen die zwei Wegelagerer mit am Feuer. Gähnend ließ Susan ihren Kopf gegen Arrens Schulter sinken. Weiterhin schläfrig beobachtete sie das Treiben. Lorion und Gloern, seines Zeichens Zwerg hatten sich vor fünf Jahren kennen gelernt und waren durch ein Unglück zu den besten Freunden geworden. Sie hatten beide ihre Familien verloren und auf der ganzen weiten Welt nur noch einander. Ihre Vorliebe für kleine Schurkereien war ein weiterer Faktor, der sie miteinander verband. Seit vier Jahren raubten sie regelmäßig Wanderer aus. Erst vor kurzem hatten sie die vorteilhaften Situation am Handelspfad entdeckt, doch kam relativ selten jemand vorbei. "Ihr meint, wir sind die ersten", warf Shiane ein, die mit den beiden nicht warm wurde. Susan fand sie eigentlich ganz witzig. Gloern rieb der Waldläuferin seinen Finger unter die Nase: "Du kleiner Naseweis. Nein, ihr seid nicht die ersten. Erst vor wenigen Tagen ist hier eine große Gruppe durch gezogen." Arren, der dem Gespräch eher halbherzig gefolgt war, war nun hellwach: "Was für eine Gruppe?" Lorion überlegte lange, wie viel er preis geben sollte, doch Arrens scharfes Argument überzeugte ihn: "Es waren vielleicht zwanzig. Vierzehn von ihnen groß gewachsene Soldaten mit viel Sold, die anderen Gefangene, recht kleinwüchsig. Würde ich nicht Tag für Tag neben einem dieser schnarchenden Fettklöße aufwachen, würde ich sagen, es sind Zwerge. Aber so." "Auren", sprach Xeres das verhängnisvolle Wort aus. "Auren? Ich dachte, die wären längst ausgestorben." Xeres schüttelte bedächtig den Kopf: "Sie sind wenige, aber dennoch nicht verschwunden. Viele haben sich zurück gezogen, weit jenseits der Berge oder des Niemandsland. Das Land der Auren ist nicht mehr, aber sie sind noch da. Es macht mir Sorgen, dass die Soldaten des Weißen Blitzes welche gefangen nehmen konnten." Arren ballte die Faust: "Dann werden wir sie ihnen wieder abnehmen. Sie können nicht weit sein." "Es ist doch immer wieder bemerkenswert, wie schnell du deine Ziele wechselst", stichelte Shiane. "Das Leben geht vor dem Tod", gab Arren giftig zurück. Xeres lächelt angesichts dieser Aussage: "Wie wahr, mein Prinz. Doch würde ich nicht vorschlagen die Soldaten zu suchen. Wenn wir sie einholen, bin ich mit einer gut durchdachten Rettungsaktion einverstanden. Wir sollten sie aber nicht jagen." Auch die anderen stimmten dem Vorschlag zu, so dass Arren schließlich nachgeben musste. Lorion und Gloern boten an, die Felsen weg zu räumen und ihnen auch einen schnelleren Weg durch die Berge zu zeigen, doch sich der Gruppe anzuschließen lehnten sie ab. Zu Susans Freude hatten sie aber noch ein Geschenk. Wasser. Genießerisch ließ sie die kühlen Tropfen ihre Kehle hinunter laufen. Obwohl es leicht ölig schmeckte, war es ihr, als wäre es das Schmackhafteste, was sie je gekostet hatte. Schließlich fiel sie an Arrens Seite in einen tiefen erholsamen Schlaf. Der nächste Morgen war so heiß wie der am Vortag, doch da sie nun mit Wasservorräten ausgestattet waren, konnten sie die Sonne fast genießen. Innerhalb weniger Minuten hatten Arren, Gaire, Gloern, Lorion und Shiane die Steine beiseite gerollt, welche den Blick auf eine alte schon halb verwitterte Handelsstation frei gaben. Hinter einer Tür begann ein langer dunkler Tunnel. Der Zwerg Gloern trug auf einem alten Pergament einen Plan durch die Berge auf, so genau wie die Abrechnungen der Waren auf der Rückseite des Pergaments. Dann verabschiedeten sie sich noch herzlich von den beiden und begingen mit Fackeln ausgestattet den Tunnel. Schon nach kurzer Zeit hörten sie die beiden Wegelagerer streiten, dann waren sie wieder völlig allein nur begleitet von dem Hall ihrer Schritte. Susan dachte über die Zufälle des Lebens nach, wie man in nächtlichen Halsabschneidern doch so gute Freunde finden konnte. Dann fiel ihr auf, dass auch sie in ganz eigenartigen Personen Freunde gefunden hatte. In einem alten Zauberer, einer jungen Waldläuferin, ihrem älteren besonneneren Bruder und einem jungen doch eine schwere Last tragenden Prinzen. Ja, ungewöhnliche Gegebenheiten führten ungewöhnliche Menschen zusammen. Frohen Herzens schritt sie den dunklen Tunnel hinab. Sie war sich sicher, dass dieses Abenteuer ein gutes Ende nehmen würde. So das war's. Da ich mich entschlossen habe, das 13. Kapitel zu streichen (war eh nur Kitsch), haben wir nun das erste Viertel geschafft. Hoffen wir, dass ich bald das vierte Kapitel schreibe. Ich gebe jedem Kommentarschreiber auf jeden Fall Bescheid. Versprochen! Caris ^('v')^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)