Family Bonds von cu123 (~ Sequel zu Close Distance ~) ================================================================================ Kapitel 57: "Du kannst von mir nicht verlangen, dass ich mein Unterbewusstsein kontrolliere" -------------------------------------------------------------------------------------------- "Da gewinnt man doch den Glauben an unsere Organisation zurück, nicht wahr?" Frau Reiß war ebenso zufrieden mit den aktuellen Entwicklungen wie er selbst. Er erwiderte ihr Lächeln, bevor sich seine Miene glättete, als er sich voll und ganz auf das vor ihnen liegende Gebäude konzentrierte, das sie dank Nagis Arbeit gefunden hatten. Die Telepathin folgte seinem Blick. "Es halten sich nur fünf Personen dort auf, wir sind ihnen also nicht nur aufgrund unserer Talente sondern auch personell überlegen. Kein Grund, auf Verstärkung zu warten. Und wer weiß, wenn Parks unter ihnen ist und uns bemerkt, schafft er es vielleicht, sich davonzuschleichen." "Hm, mir wäre es lieber, wenn wir uns vorher sicher sein könnten, ob er wirklich dort ist. Damit wir uns auf ihn konzentrieren können. Denn genauso gut könnte uns Parks entwischen, wenn wir uns zu lange mit den falschen Leuten aufhalten. Vor allem, wenn sie so loyal sind – ob freiwillig oder nicht – wie die anderen, auf die wir bisher gestoßen sind." Er hielt kurz inne, sprach aber weiter, bevor Frau Reiß einen Einwand erheben konnte. "Aber ich stimme Ihnen zu, das von Ihnen genannte Risiko scheint mir größer. Und alle Verstärkung wird uns wohl nicht dabei helfen ihn ohne direkten Kontakt zu identifizieren, wenn Sie es nicht geschafft haben." Nun runzelte die Frau die Stirn. "Ich habe noch nicht erlebt, dass so viele auf einmal so sehr auf ihre Tätigkeit konzentriert sind. Normalerweise lenken sie sich gegenseitig ausreichend ab, dass der eine oder andere interessante Gedanke entkommt. So aber müsste ich tiefer scannen und das würde garantiert dazu führen, dass ein Talent mich bemerkt." Und sie waren sich schließlich schon sicher, dass Parks zu den Talenten zu zählen war. Sein knappes Nicken blieb seine einzige Reaktion, denn weitere Verzögerungen würden ihnen auch nicht weiterhelfen. "Gut, verteilen Sie die Aufgaben in Ihrem Team, wie Sie es für richtig halten." Es wäre widersinnig, wenn er versuchen würde, in die eingespielten Abläufe einzugreifen. "Unser Ziel ist in erster Linie Parks. Wir haben dank Herrn Walter zwar ein Foto von ihm, müssen aber die Möglichkeit berücksichtigen, dass er sein Aussehen geändert hat. Denn was wir aus den Köpfen seiner Mitarbeiter geholt haben, kann sehr wohl manipuliert sein. Wir wissen schließlich nicht, wo seine Einflussmöglichkeiten anfangen oder aufhören." Letzteres mit leichter Ironie. "Wir sollten am Verhalten der anderen Leute merken, wer Parks ist. Und ansonsten gibt es genug Merkmale, die sich nicht so einfach ändern lassen. Keine Sorge, wir sind keine Anfänger und wir haben in den letzten Tagen nichts anderes getan, als uns mit Parks auseinanderzusetzen." Und daher war Frau Reiß jetzt auch um einiges ungeduldiger als er selbst. Nur noch ein Grund mehr, nicht mehr zu zögern, denn wer ungeduldig war, machte schneller Fehler. Dann lieber eine rasche und kontrollierte Durchführung. "Gut", meinte er daher. "Ich werde mit Nagi zusammenbleiben und die Rückendeckung übernehmen. Ich gehe davon aus, dass ich der beste Schütze unter uns bin." Die Telepathin widersprach ihm in diesem Punkt nicht, den scharfen Blick erhielt er aus einem anderen Grund zugeworfen. "Bitte trennen Sie sich wirklich nicht von Herrn Naoe. Ich musste Herrn Jansen versprechen, dass Sie keinen Kratzer abbekommen." Er zog eine Augenbraue hoch. "Sind Sie sich sicher, dass Sie mir das verraten sollten?" Der Telepathin zuckte unbekümmert mit den Schultern. "Hauptsache das Ergebnis stimmt, nicht wahr?" Und dann wandte sie sich dem Rest von Dolch zu, um die Einsatzbefehle zu geben. Er lauschte mit einem Ohr darauf, während er einen langen Blick mit Nagi austauschte. Der Jüngere nickte schließlich knapp und bekundete damit, dass er weder Fragen noch Einwände hatte. Die Waffe war ein vertrautes Gewicht in seiner Hand und verlieh ihm die Gewissheit, dass er sich damit auch durchsetzen würde, falls Parks Leute sich als etwas zu vorbereitet erweisen sollten. Gemeinsam mit Nagi folgte er Dolch und der Rest lief dann sehr schnell ab, so wie es bei solchen Einsätzen meistens der Fall war. Oder jedenfalls schien es anfangs so, als sie ohne Probleme immer weiter ins Innere des Gebäudes vordrangen und dabei nur einer Frau begegneten, die sofort ausgeschaltet wurde. Mittels Würgegriff, der nach wenigen Sekunden zur Bewusstlosigkeit führte. Solange sie die Wahl hatten, würden sie Parks Mitarbeiter natürlich am Leben lassen. Sollte der Mann nicht selbst hier sein, würden sie auf diese Weise wenigstens neue Informationsquellen haben. Doch von einem Moment auf den nächsten war alles anders. Und sein Talent ließ die entsprechende Erinnerung nur eine Sekunde vorher einrasten. "Falle!", stieß er scharf hervor und dieses eine Wort reichte vollkommen aus. Vor ihm flirrte die Luft, als Nagi ein telekinetisches Feld aufbaute, an dem gleich darauf etwas abprallte. Keine Kugel, dazu war es zu groß, und als sich feiner Nebel verbreitete, wurde klar, dass sie ebenfalls jemand lebend haben wollte. Zweifellos mit demselben Hintergedanken, den er selbst gerade gehabt hatte. Natürlich taten sie ihren Gegnern nicht den Gefallen, so lange zu warten, bis das Gas wirkte und sie verteilten sich in alle Richtungen. Nur dass Nagi weiter an seiner Seite blieb. "Es sind viel mehr Personen hier, als wir angenommen hatten", teilte ihm der Telekinet mit. "Sie mussten sich völlig ruhig verhalten haben, deshalb sind sie mir nicht früher aufgefallen." Das war jetzt eindeutig vorbei. Und nachdem der erste Versuch misslungen war, sie zu überwältigen, kam jetzt auch scharfe Munition zum Einsatz, wie ihm das Loch verriet, dass sich plötzlich in die Wand nicht weit von ihm entfernt bohrte. Womit er auch keinen Grund mehr sah, sich zurückzuhalten. Die Wagemutigen, die bereits aus ihrer Deckung hervorgekommen waren, wurden nun durch seine Kugeln begrüßt und dagegen halfen auch keine schusssicheren Westen. Und dann half auch keine Deckung mehr, denn Nagi hatte die Atempause genutzt, die er ihm verschafft hatte, um mittels seines Talents die Positionen der anderen zu orten. Er widmete dem Trümmerwerk, das Nagi hinterließ, kaum eines Blickes, er konnte sich auf den Jüngeren verlassen. Jetzt ging es darum, Parks zu finden, bevor dieser ihnen wieder entwischen konnte. Und auch wenn dieser überraschende Angriff äußerst unwillkommen war, hatte er wenigstens ein Gutes: sie konnten sich nun sicher sein, dass das fremde Talent hier irgendwo war. "An vorderster Front wird er sich nicht aufhalten, aber du wirst mehr Sorgfalt walten lassen müssen, bis wir an den Bewaffneten vorbei sind." Nagi nickte verstehend, blieb aber auf ihre Umgebung konzentriert, so wie sein sollte. Und mit dessen Talent gab es keine echten Hindernisse, was die Talentlosen aber nicht zu entmutigen schien. Jeder vernünftige Mensch hätte längst aufgegeben, doch er bezweifelte, dass ihre Gegner gerade mit viel Vernunft ausgestattet waren. Der Gedanke verschwand wie weggewischt, als etwas seine Schilde berührte, einen seltsamen Eindruck hinterließ. Wie altes Öl, das sich klebrig an ihn heftete. Es war ein widerwärtiges Gefühl und er konzentrierte sich bewusst darauf, seine Schilde zu verstärken, etwas, worauf er nur selten zurückfiel – oder zurückfallen musste. Wenigstens wirkte es, aber er hatte nicht viel Gelegenheit sich darüber zu freuen, denn im nächsten Augenblick erstarrte Nagi an seiner Seite, der Blick glasig. Und da ihm bereits klar war, wer daran schuld war, drehte er die Waffe rasch in der Hand, um sie dann Nagi über den Schädel zu ziehen. Nicht auszudenken, was passieren würde, sollte Parks den Jüngeren nicht nur stoppen, sondern auch kontrollieren können. Er fing den zusammensackenden Körper auf und zog ihn in ein Büro, das sie gerade passierten. Es ging ihm zwar gegen den Strich, sich verstecken zu müssen, aber er konnte Nagi schlecht allein lassen. Und da sie die meisten Gegner bereits überwunden zu haben schienen, bestand die Chance, dass so schnell niemand über sie stolpern würde. Sollte Dolch den Rest übernehmen. Etwas, was er ihnen gleich darauf über ihre Funkverbindung mitteilte. Frau Reiß bestätigte knapp, anscheinend etwas beschäftigter als sie es zuletzt gewesen war und dann dauerte es nicht mehr lange, bis ihre Stimme klar und von Triumph gefärbt zurück kam. "Wir haben ihn geschnappt. Er war abgelenkt und Marek hat sich hinter ihn teleportieren können, ohne bemerkt zu werden. Wir kommen Sie abholen, ein paar seiner Leute treiben sich noch hier herum und wir müssen ja nichts riskieren." Sein Blick wollte sich nicht fokussieren, als er die Augen aufschlug und sein Kopf schwamm nicht minder. Es war der Geruch, der ihm verriet, wo er sich befand, doch er konnte sich absolut nicht erklären, wie er im Krankenhaus gelandet war. Er schloss seine Augen wieder, in der Hoffnung, sich so besser konzentrieren zu können, atmete tief durch. Oder versuchte es jedenfalls, denn ein dumpfes Ziehen lief prompt durch seinen Körper, ließ seinen Atem stocken. "Ruhig", wurde eine Hand auf seine Stirn gelegt und mit der Berührung ging das Prickeln vertrauter Energie einher. "Die Heilung hat deinen Körper viel Kraft gekostet und ich gehe davon aus, dass er den Schock noch nicht ganz überwunden hat." Die Stimme war genauso vertraut und er zwang seine Lider wieder, sich zu öffnen. "Herr Schneider?" Die Worte waren mehr Krächzen als alles andere und als kurz darauf ein Strohhalm an seine Lippen gehalten wurde, nutzte er dankbar die Chance. Kühles Wasser rann seine Kehle herunter, verlieh seinen nächsten Worten mehr Geschmeidigkeit. "Was ist passiert?" Ein leises Knarren, als sich der Deutsche anscheinend näher über ihn lehnte und endlich fokussierte sich sein Blick und Schneiders Gesicht schälte sich aus dem ungewissen Wabern heraus. "Du bist angeschossen worden. Ich muss zugeben, dass ich mir meine Ankunft hier anders vorgestellt hatte." Angeschossen… Erinnerter Schmerz flammte auf, aber mehr war da immer noch nicht. Seine Hand fuhr unwillkürlich zu seiner Brust, eine Bewegung, die unerwartet langsam ausfiel und viel zu viel Mühe kostete. Er fühlte sich schwach wie ein neugeborenes Baby. "Crawford, ich habe dir doch gesagt, dass du erst wieder Kraft schöpfen musst." Seine Hand wurde umfangen und zurück an seine Seite geführt, wo sie ruhen blieb, immer noch von Schneiders Hand umschlossen. "Ich habe Bescheid gegeben, dass du aufgewacht bist. In Kürze sollte dir Essen gebracht werden und dann wirst du wohl oder übel noch etwas schlafen müssen, bis dein Energiehaushalt sich normalisiert hat." Unwillkürlich musste er an Schuldig denken, als er das hörte, schließlich hatte der Telepath schon häufiger mit solchen Problemen zu kämpfen gehabt. Wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Mit stumpfem Humor stellte er fest, dass er auf diese Erfahrung gut und gerne hätte verzichten können. Schneider lachte leise auf. "Stimmt, es fühlt sich so ähnlich an. Auch wenn es nicht dein Talent war, das die Energie verbraucht hat. Der Einsatz eines Heilers kostet den Körper eben auch etwas, man merkt es normalerweise nur nicht so sehr. Bei dir allerdings hat die Kugel nicht nur ein Loch durch dich gebohrt, sondern auch deine Lunge erwischt. Ein Flügel war in sich zusammengefallen. Alles in allem hast du ein paar Leute beschäftigt gehalten, bis du wiederhergestellt warst." Nach den letzten Worten hatte Schneider alles Amüsement verloren. "Mir hat das Messer schon gereicht, das du damals abbekommen hast. Dieses Mal war es eine Kugel. Wenn das so weitergeht, überlebst du das nächste Mal nicht." Er verzog das Gesicht, denn was sollte er darauf erwidern? Schneider wusste genauso gut wie er selbst, dass man bei solchen Einsätzen nicht alle Unwägbarkeiten ausschalten konnte. Dann verengten sich braune Augen, als ihm ein anderer Gedanke kam. "Ich werde mich nicht in Watte packen lassen." Schneiders Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben, dann lehnte sich der Ältere so nahe, dass sein Blick sich aus einem anderen Grund als zuvor nicht mehr fokussieren konnte. "Ich weiß. Was mich nicht davon abhalten wird, dir möglichst viele Aufgaben zu geben, die dich nicht von mir wegführen werden. Aus mehr als einem Grund." Und ein Protest wurde ihm unmöglich gemacht, da er als nächstes geküsst wurde. Viel zu schnell ging ihm der Sauerstoff aus, aber da er es schon mal geschafft hatte, eine Hand zu heben, die Finger in Schneiders Rücken gekrallt, hatte er nicht vor, so schnell wieder loszulassen. Der Ältere atmete gegen seine Lippen, die Pupillen geweitet, und Energie streifte ungezügelt über ihn hinweg. Damit einher ging genug von Schneiders Gedanken und Emotionen, dass er ihn am liebsten ganz auf sich heruntergezogen – oder weggestoßen hätte. Denn egal ob es Schneider bewusst war oder nicht, ein Teil des Deutschen wollte ihn sehr wohl in Watte packen, ihn irgendwo wegsperren, wo er ihn sicher und für sich haben würde. Da sie in diesem Moment viel zu eng miteinander verbunden waren, konnte dem Telepathen gar nicht entgehen, was er gerade dachte und das Lächeln kehrte zurück. "Du kannst von mir nicht verlangen, dass ich mein Unterbewusstsein kontrolliere, niemand kann das. Und dass ich dich haben will, sollte für dich nun wirklich keine Neuigkeit sein." Er wurde einer Reaktion dadurch enthoben, dass es an der Tür klopfte. Schneider zögerte nur einen Moment, richtete sich dann auf und selbst wenn er es gewollt hätte, hatte er nicht die Kraft, ihn zurückzuhalten. Seine Hand rutschte an seine Seite zurück und mit Mühe wandte er den Kopf, um den älteren Mann auf dem Weg zur Tür zu verfolgen. Der seinen Blick zu spüren schien, sich zu ihm umwandte, bevor er öffnete. "Es sieht ganz so aus, als würdest du jetzt endlich was in den Magen bekommen." Und als hätte der Gedanke einige Zeit benötigt, um bis zu seinem Magen vorzudringen, knurrte der in diesem Moment. ~TBC~ Hosted by Animexx e.V. 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