Heartlines von Kathey (MShenko One-Shots) ================================================================================ Kapitel 1: ▪ Sag's noch einmal ▪ -------------------------------- "Huh, das war wirklich gut." Er sah zu, wie sich John gegen die Rückenlehne der Couch lehnte und einen Moment die Augen schloss. Der leere Teller auf dem Tisch vor ihm sprach Bände, denn scheinbar hatte das Essen wirklich, wirklich gut geschmeckt. "Das habe ich doch von Anfang an gesagt!" Kaidans Stimme klang gespielt empört, wie hatte John denn nur jemals daran zweifeln können, dass es wirklich so sein würde? "Hey, ich wurde fast von meinem eigenen Klon umgebracht, wer sagt, dass sie nicht den Klon meines Freunds schicken, um mich zu vergiften?" Der Commander sah mit einem kecken Gesichtsausdruck in die Richtung des Biotikers, ehe er aufstand und nach den Tellern griff, während Kaidan ihn nur ansehen und missbilligend eine Augenbraue heben konnte. Manchmal hatte der Spectre schon einen sehr derben Humor - wenn er sich denn einmal so weit entspannte, dass er überhaupt einen Witz machte. Kaidan machte sich daran, sich ebenfalls zu erheben, allerdings schüttelte John schon bei der leichtesten Andeutung einer Bewegung den Kopf. "Du hast gekocht, ich wasche ab", meinte der Commander lächelnd, während er sich auf den Weg in die offene Küche machte. "Du entspannst dich jetzt." Nur ungern ließ sich Kaidan, der sich trotz allem schon halb erhoben hatte, wieder auf die Couch fallen. Fein, wenn der Commander einen Befehl gab, dann widersprach man besser nicht. Und das Abwaschen bestand ohnehin nur daraus, das gesamte Geschirr im Spüler zu verstauen... dabei brauchte er nun wirklich keine Hilfe. Schweigend betrachtete der Biotiker den anderen Mann, wie er das Geschirr einräumte und die Tür der Maschine ganz galant mit dem nackten Fuß zutrat, ehe er zum Kühlschrank trat und diesen öffnete. "Wie wäre es mit einem Whiskey?" John hielt die Flasche in die Höhe, ehe sein Kopf wieder hinter der Kühlschranktür hervor lugte und er zu Kaidan sah, der es sich auf der Couch bequem gemacht und das Kinn auf die auf dem Seitenkissen verschränkten Arme gelegt hatte. Die Tür schloss sich und John zuckte die Schultern. "Was frage ich eigentlich? Natürlich möchtest du einen!" Mit geschickten Fingern, die sonst nur Waffen führten und Fausthiebe verteilten, holte er zwei Gläser aus dem Schrank über der Spüle und öffnete dann die Flasche. "Du kennst mich zu gut", meinte Kaidan von der Couch her und lächelte dem Commander zu, der schnell den Whiskey im Kühlschrank verstaute, ehe er mit beiden Gläsern in der Hand zurück kam. Wussten die meisten Menschen eigentlich, was sie für ein Glück hatten? Sie konnten so etwas Normales immer haben. Sicher, nicht, wenn die Reaper vor der Tür standen, aber noch vor ein paar Jahren, ach, sogar noch vor ein paar Monaten, da hatten sie jeden Tag so leben können. Das war etwas, das ihnen beiden nie vergönnt gewesen war. Und Kaidan wollte jede einzelne Minute genießen, in denen John und er einmal nicht an den Krieg und die Verluste denken mussten... In denen er nicht daran denen musste, dass er John bereits verloren hatte, dass jeder von ihnen jederzeit fallen konnte und - "-ten zu kennen." Kaidan blickte überrascht auf, als John plötzlich neben ihm stand, die Gläser noch immer in der Hand und ihn mit schief gelegtem Kopf ansah. "Oh... wie bitte?" "Ich sagte, ich gebe mir ja auch Mühe damit, dich von allen am besten zu kennen." Ja, da hatte er wohl Recht, John kannte gerne jede einzelne Facette seiner Kameraden und Freunde und... ja, er kannte ihn wohl wirklich besser als Kaidan sich mitunter selbst. Commander John Shepard könnte wahrscheinlich von jedem Wesen im Universum geliebt werden - und dennoch war er mit einem biotischen Freak zusammen, dessen soziale Kompetenzen ziemlich schnell aufgezählt waren. "Ja", flüsterte Kaidan, während er mit einem sanften Lächeln zu John hinauf sah. "Genau deswegen liebe ich dich so sehr." Einen Moment lang war es still im Raum, während der Commander einfach nur zu Kaidan hinunter sah, der nach einem Moment der Realisierung zur Seite sah und leise vor sich hin stammelte. "Also, eh... Ich..." Er hörte die Gläser leise klirren, als sie etwas härter als wahrscheinlich geplant auf dem Tisch aufkamen und starrte darauf, da er ja nicht wie eigentlich geplant in den Ritzen der Couch versinken oder sich unsichtbar machen konnte. Erst, als er Johns Hand an seiner Wange spürte (sie war nass, er hatte in der Eile sicher etwas von dem Whiskey verschüttet), sah er wieder auf und begegnete dem Blick des Commanders. "Was hast du gerade gesagt?", fragte John mit rauer Stimme, während seine blauen Augen die gesamte Zeit über auf Kaidan ruhten, der geradezu spürte, wie die Hitze in sein Gesicht stieg. Schweigend biss er sich auf die Unterlippe, bis die zweite Hand des Spectre ebenfalls sein Gesicht umschloss. "Ich liebe dich", wiederholte der Biotiker in genau dem Moment, als sich Johns Lippen bereits auf seine pressten. Noch vollkommen überrumpelt sah Kaidan den Mann vor sich an, der ihn rücklings in und auf die Polster der Couch drückte, während er selbst über ihn kletterte. Johns Augen wirkten so dunkel, als er sich von Kaidan löste und mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen zu ihm hinunter sah. Der Biotiker atmete mit einem leisen Stoß aus, und ein Schauer lief ihm über den Rücken, als die Hand des Commanders über seine noch von Stoff bedeckte Brust strich. Schweigend. Und noch ehe Kaidan irgendetwas sagen oder tun oder an irgendetwas zweifeln konnte, da fühlte er bereits die Lippen des Spectre an seinem Hals, spürte, wie sich die Zähne des anderen Mannes in seine Haut gruben, wie die Zunge über die hinterlassenen Bissspuren fuhr. Der Major keuchte auf, schloss fest die Augen, als Johns Lippen sich weiter über seinen Hals vorarbeiteten und seine Hände an den Schnallen seiner Uniform zugange waren. "Sag's noch einmal", verlangte der Commander mit viel zu sanfter Stimme, während seine Fingerspitzen über Kaidans nun bereits nackte Haut strichen. Immer weiter hinunter, bis zum Bund seiner Hose. "Ich liebe dich", brachte Kaidan leise hervor und schlang die Arme um Johns Hals. Eine Antwort bekam er nicht, aber so, wie John über seine Haut strich, so, wie er sich daran machte, all die lästige Kleidung zwischen ihnen zu entfernen - Da konnte er es doch nur genauso empfinden... nicht wahr?   "Erinner mich daran, dass wir Tali nie wieder nach Filmen fragen..." Kaidan lag auf der Couch vor dem überaus großen Fernseher (wie viele Möbelstücke und Elektrogeräte hatte dieses Appartement eigentlich?), lediglich mit Johns T-Shirt und seiner eigenen Unterwäsche bekleidet. Was auch immer das für ein Film war, er war wirklich überladen mit Klischees und schlechten Witzen und unrealistischen Begebenheiten. Laut der Quarianerin war es aber ein Kassenschlager, was Kaidans Meinung nach an dem dann doch etwas kruden Geschmack dieser Rasse liegen musste. Oder daran, dass er wohl wirklich für das weibliche Publikum gemacht sein musste. "Hmhm..." Das müde wirkende Grummeln hinter ihm ließ ihn aufmerken. John lag an ihn geschmiegt auf der Seite da (nur gut, dass es nicht nur viele Möbelstücke hier gab, sondern, dass sie auch noch riesig waren!), einen Arm um den Biotiker geschlungen, um ihn mit dem Rücken gegen seine Brust zu drücken. Ebenso wie Kaidan war er lediglich mit seiner Unterwäsche bekleidet, und mit seinem Hoodie, der aber ohnehin offen war und damit mehr präsentierte, als dass er etwas bedeckte. Johns Hand strich abwesend über die Haut unter Kaidans Oberteil, und seine Augenbrauen waren gefährlich zusammengezogen, während er auf den Bildschirm starrte, wahrscheinlich, ohne überhaupt etwas von dem Film zu sehen oder zu hören. Einen kurzen Moment lang betrachtete Kaidan den Mann über die Schulter, ehe er sich wieder in Richtung Fernseher drehte und seinen Kopf an Johns Arm schmiegte, den der unter ihn geschoben hatte. Sie schwiegen beide und Kaidan verharrte noch einen Moment in dieser Haltung, ehe er den Kopf schüttelte. "Du..." Er wollte anfangen zu reden, aber der Kloß in seinem Hals und das leise Pochen in seinem Hinterkopf machten das im Moment ziemlich schwer. "...du musst nichts sagen. Das solltest du wissen." John sollte sich nicht verpflichtet fühlen, so etwas sagen zu müssen, nur, weil Kaidan es getan hatte. Nicht, wenn es dann gezwungen wirken würde. Oder sich für John selbst nicht richtig anfühlen würde. "Kaidan..." Erneut schüttelte der Biotiker den Kopf, als John zu sprechen begann und unterband damit vorerst jedes weitere Wort. "Es ist in Ordnung, John." Es war nur ein kurzer Moment, ehe der Commander Kaidan gepackt und sich irgendwie trotz der dann doch nicht so gewaltigen Breite der Couch über ihn gerollt und unter sich zum Liegen gebracht hatte. Der Major blinzelte ein paar Mal heftig und blickte zu dem Mann herauf, der lächelnd auf ihn hinab blickte, ehe er sich hinunter beugte und Kaidans Lippen gerade einmal so leicht mit seinen berührte, dass Kaidan ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Könnte es sein, dass...? "Ich habe überlegt, für wie lange schon", sagte John leise, während er sich vorsichtig auf Kaidan legte und ihm mit einer Hand durch die Haare fuhr. "Das hat eine ganze Weile gedauert." Kaidan sah ihn nur fragend an und versuchte, den immer wiederkehrenden Kloß in seinem Hals los zu werden. Was nicht einfach war, wenn einem zusätzlich noch das Herz so laut und stark gegen die Brust schlug. "Für wie lange schon?", wiederholte er etwas ungläubig, ehe John die Stirn an seine lehnte. Eine Hand strich noch immer durch Kaidans Haar, während der Commander Kaidans Frage leise bejahte. Seine Lippen fuhren sanft über die des Biotikers, ehe er sich wieder ein Stück weit von Kaidan löste. "Ich liebe dich", sagte er schließlich leise und der Major hatte einen Moment lang das Gefühl, als würden seine Innereien einmal in seinem Körper einen Radschlag machen, ehe er mit einem erstickten Keuchen ausatmete. "Schon... seit ich denken kann. Vielleicht war es nicht Liebe auf den ersten Blick, aber so viel länger hab ich eigentlich auch nicht gebraucht. " Seit er denken konnte? Das war eine lange, lange Zeit. Eine, die Kaidan gerade verloren erschien, wenn sie beide schon immer dasselbe gefühlt hatten. Denn so viel mehr Blicke als der Commander hatte er auch nicht gebraucht, wenn er denn ehrlich zu sich selbst war. "Ich komme mir gerade wirklich blind vor", flüsterte er und betrachtete den Mann über sich nachdenklich. Wenn dem denn wirklich so gewesen war... wieso hatte er denn niemals etwas davon bemerkt gehabt? "Nur, weil ich mein Bestes getan habe, es vor dir geheim zu halten." John lächelte sanft und ließ sich wieder etwas zur Seite fallen, ehe er einen noch immer recht verdutzten Major wieder mit dem Rücken an seine Brust zog. "Ich war gerade dein kommandierender Offizier geworden, Kaidan. Ich wollte es nicht gleich von Anfang an versauen oder falsch machen." Wahrscheinlich war das auch das einzig Richtige gewesen, aber all die verlorene Zeit, alles, was sie schon früher hätten haben können... Doch wer war er schon, sich darüber jetzt Gedanken zu machen? Immerhin hatte er es doch nicht anders gehandhabt. Als Lieutenant hatte er es schon nicht gewagt, irgendetwas auch nur ansatzweise preis zu geben (egal, wie sehr Ashley auch gestichelt hatte) und dass er es nun getan hatte, das war für ihn selbst am überraschendsten gewesen. "Wir sind wohl beide gute Schauspieler", meinte Kaidan schließlich leise lachend, wenn auch nicht ohne ein gemisses Maß Selbstironie in der Stimme. Und ein leises "Hmm, scheint so" war alles, was er zur Antwort bekam. Schweigend strich er über Johns Arm, den Abspann des Films beachtete schon keiner mehr wirklich. Und erst nach einem Moment sah Kaidan lächelnd über die Schulter zu John. "Sag's noch einmal", bat er leise und sah das herzliche Lächeln, das sich auf das Gesicht des Commanders legte. "Ich liebe dich, Kaidan." Kapitel 2: ▪ Und all das ▪ -------------------------- "Haben Sie wieder vor, heute hier zu übernachten, Major?" Die Stimme zu seiner Linken riss ihn aus seinen Gedanken, brachte ihn dazu, aufzusehen und zu der Person zu blicken, die gerade in den Raum getreten war. Müde blickte er in ein paar strahlend blauer Augen. Blaue Augen waren verdammt selten geworden in den letzten Jahrzehnten, bedingt durch die neue, multikulturelle Gesellschaft auf der Erde - oder eben in der gesamten Galaxie. Und er kannte wirklich nur ein paar wenige Leute mit einer solchen Augenfarbe, von denen sich bereits zwei in diesem Raum befanden. "Haben Sie etwas dagegen, Miss Lawson?", fragte Kaidan leise und gab ein erschöpftes Geräusch von sich, als er sich von dem doch sehr harten und unbequemen Stuhl erhob, auf dem er die letzten paar Stunden verbracht hatte. Wahrscheinlich sollte er sich lieber merken, dass zu langes Sitzen seinem Rücken nicht gerade gut tat, aber es war auch keine wirkliche Option, allein zurück nach Hause zu gehen. Wozu auch? Das Apartment war ohne ihn nicht dasselbe und würde es auch nie sein, so lange so ein wichtiger Teil fehlte, der die Wohnung zu etwas Besonderem machte. "Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen, ich werde nicht mehr lange bleiben." Miranda trat zum nahegelegenen Tisch und warf ihr Datenpad achtlos darauf, ehe sie sich mit vor der Brust verschränkten Armen zu Kaidan umwandte. Oh, dieses Gesicht kannte er. Sie glaubte ihm nicht, natürlich nicht. Immerhin war sie diejenige gewesen, die ihn schon mehrere Male entdeckt hatte, wie er noch nach Mitternacht hier im Krankenhaus gewesen war. Entweder hatte er auf dem Stuhl geschlafen oder auf der angrenzenden Couch oder er hatte einfach nur da gesessen und in die Dunkelheit geblickt. Und er glaubte bis heute nicht, dass es Zufall gewesen war, dass er an einem Morgen aufgewacht war und jemand seine Jacke wie eine Decke über ihn geworfen hatte. Aber dergleichen würde er niemals fragen und Miranda würde es auf keinen Fall zugeben, wenn es denn wirklich so gewesen wäre. "Ich sollte mich wirklich nicht wegen Ihnen sorgen." Die Biotikerin hob eine Augenbraue und einen ewig anmutenden Augenblick schienen ihre Augen einen Ganzkörperscan an ihm durchführen zu wollen. Kaidan konnte nicht sagen, dass er sich unter diesem Blick sonderlich wohl fühlte, ganz im Gegenteil, aber er schwieg nur auf ihre Worte hin. "Aber nun ja... Da Sie ohnehin immer wieder hierher kommen und wie ein hilfloser Obdachloser auf die Leute hier wirken müssen, da habe ich ja nicht wirklich eine andere Wahl. Und schon allein für ihn muss ich mich ja ein wenig um Sie kümmern." Sie nickte in Richtung des Krankenbetts und Kaidan folgte ihrem Blick, die Brauen ein wenig zusammengezogen und die Stirn in tiefe Falten gelegt, während er die Person betrachtete, die dort lag. Der Biotiker rieb sich über die unrasierte Wange (so viele Stoppeln hatte er wirklich seit Jahren nicht im Gesicht gehabt) und schloss für einen Moment die Augen. "Sie sollten sich ein wenig ausruhen", sagte Miranda ruhig und legte ihm eine Hand auf die Schulter - Es war nur eine kleine und simple Geste. Aber im Moment bedeutete sie ihm unglaublich viel. "Sie werden sich gut um ihn kümmern, nicht wahr?" Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er jedes Mitglied von Cerberus gehasst. Ganz gleich, wer sie gewesen waren, er hatte sie alle über einen Kamm geschert, aber seitdem er Miranda und Jacob kannte, hatte er seine Meinung über diese Organisation etwas geändert. Denn nur weil der Anführer dieser Leute - Der Unbekannte - ein Arschloch war, das über Leichen ging und sich nicht einmal um seine Untergebenen scherte, musste das nicht auf alle zutreffen. Und Miranda Lawson... Nun, es war bereits das zweite Mal, dass sie all das auf sich nahm. Und Kaidan konnte nicht sagen, wie froh und dankbar er darüber war, denn er wusste nicht, was wäre, wäre sie nicht hier. "Ich gewöhne mich langsam daran." Ein schmales Lächeln schlich sich auf die Lippen der Frau, ehe sie ihr Datenpad wieder zur Hand nahm. "Daran, ihn zusammenzuflicken und all das." "Und all das?" Kaidan gab ein leises Schnauben von sich. "Das klingt fast, als wäre er eine alte, kaputte Maschine..." Alles, was er zur Antwort bekam, war ein vernichtender Blick über die Schulter, ehe sich Miranda wieder an die Arbeit machte. "Dann ist es ja gut, dass wir es beide besser wissen, nicht wahr? Und jetzt gehen Sie nach Hause, schlafen Sie und duschen Sie. Es ist mir auch egal, in welcher Reihenfolge Sie das tun." Kaidan zögerte noch einen Moment und zupfte nervös am Ärmel seines Kapuzenpullovers. Es war der schwarze mit dem roten Streifen, der entlang des rechten Arms verlief. Zwar gehörte er ihm nicht, aber so lange er keinen besseren Ersatz dafür hatte... "Kommen Sie, Alenko, ich lasse Sie wissen, wenn sich etwas ändern sollte." "In Ordnung." Letztendlich trat er doch zur Tür, wandte sich aber noch ein letztes Mal um, bevor er den Raum verließ. "Miranda? Vielen Dank." Die Biotikerin hob nur kurz die Schultern, ohne ihn auch nur anzusehen. "Dafür wurde ich gemacht." ~*~ Es vergingen ein paar Wochen, in denen nicht viel passierte (davon abgesehen, dass ihn Miranda drei weitere Male bei einer Übernachtung im Krankenhaus gefunden hatte). Gerade stand er in seinem Klassenraum und unterrichtete seine neue Klasse, erklärte ihnen, wie biotische Barrieren aufgebaut waren, wie man sie erschuf und wie man es verhinderte, dass Leute während des Unterrichts biotisch durch die Luft schwebten. Die Schüler machten ein trauriges Geräusch, als er den letzten Fakt bekannt gab und gerade, als er weiter reden wollte, blinkte sein Universalgerät auf. Kaidan entschuldigte sich kurz und las die Nachricht, die gerade hereingekommen war. Und danach... danach stand er einige Augenblicke lang einfach nur da, starrte auf das Gerät und vergaß seine Schüler, den Klassenraum und einfach alles um sich herum. Die Nachricht war kurz, aber es war der Inhalt, der seinen Herzschlag für einen Moment zu stoppen schien. 'Der Patient hat nach ihnen gefragt. - M. Lawson' "Was... haltet ihr davon, wenn wir heute ein bisschen früher Schluss machen?" Sein Mund war trocken, als er zu sprechen begann und seine Beine zitterten wie Espenlaub. Einen Moment lang dachte er schon, dass er gleich umkippen würde, aber irgendetwas - irgendjemand - hielt ihn aufrecht. Der Patient wartete auf ihn. Was bedeutete, dass er sofort ins Krankenhaus musste. Unverzüglich. Die Klasse stürmte an ihm vorbei, ehe er noch irgendetwas sagen konnte, aber im Moment kümmerte ihn das nicht wirklich. Er tippte etwas in sein Universalgerät ein, und einen Augenblick später hatte er bereits ein Skycar geordert. Denn er selbst würde im Moment sicher nicht fahren können. ~*~ Miranda stand noch immer zwischen ihm und der Tür. Ihr Gesichtsausdruck war nicht wirklich zu deuten und Kaidan hatte im Moment auch wahrlich andere Probleme, als darüber nachzudenken, was genau ihre Sorge war. Er wollte wirklich nur durch die Tür hinter ihr gehen. "Was ist los?", fragte er schließlich etwas entnervt und spürte, wie seine Hände zu zittern begannen, genau, wie seine Beine zuvor. "Im Moment ist er noch instabil. Kaum hatte er nach dir gefragt und kaum, dass ich dir die Nachricht geschickt habe, da versuchte er auch schon, aus dem Bett zu klettern. Wir mussten ihn für den Moment ruhigstellen, ansonsten hätte er sicher versucht, aus dem Krankenhaus und zu dir zu gelangen. Ich weiß nicht, ob es so klug ist, wenn du jetzt zu ihm gehst." Miranda klang mehr als besorgt und natürlich ging seine Gesundheit über alles, aber dennoch, er wollte, er musste ihn sehen, er musste sicher sein, dass es ihm wirklich gut ging. "Miranda, du hast selbst gesagt, dass er nach mir gefragt hat." Und er hatte wirklich keine Zeit für ein derartiges Gespräch. "Wahrscheinlich hast du Recht, Kaidan", meinte sie leise und trat zur Seite. Kaum einen Moment später schloss sich bereits die Tür hinter dem Biotiker. ~*~ Es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit, bis er endlich die Augen öffnete. Seine Lippen waren trocken und rissig und dennoch versuchte er zu sprechen. Viel war nicht zu verstehen, aber Kaidan wusste auch so, dass er versuchte, seinen Namen zu sagen. Selbst, wenn er nicht mehr hören konnte als ein leises 'Kai'. Der Biotiker nahm die Hand des anderen Mannes, hielt sie sanft in seiner eigenen und strich mit dem Daumen über seine erhitzte Haut. "Hey, John", flüsterte er leise. "Willkommen zurück." ~*~ Ihre Hände zitterten. Kaidans, weil er vehement versuchte, die Tränen zurückzuhalten, und Johns, weil er einfach noch geschwächt und erschöpft war. Der Major schluckte einmal hart, es war schwer, John nicht an sich zu ziehen, ihn nicht an sich zu drücken, denn das war alles, was er im Moment wollte. Aber er wusste, dass er ihm damit nur unnötig wehtun würde und das war wirklich das letzte, was er wollte. Der Commander vergrub sein Gesicht zwischen Kaidans Hals und seiner Schulter und der Biotiker spürte nur allzu genau den schwer gehenden Atem auf seiner Haut. Sein Griff um den Körper Kaidans war noch schwächer als erwartet und es tat weh, so weh, den einstmals so starken und resoluten Spectre so schwach und zerbrechlich zu sehen. Aber das waren die zu erwarteten Auswirkungen seines Komas gewesen - und Kaidan war unglaublich dankbar, dass er überhaupt am Leben war nach allem, was ihm passiert war. "W... wie hast...", begann John mit brüchiger Stimme, aber Kaidan befahlt ihm leise, nicht zu sprechen. Er musste sich seine Kräfte aufsparen. "Shh. Alles ist gut, John." Er strich sanft über den nackten Rücken des Mannes, hielt ihn immer noch so nahe, wie es ging, ohne ihm weh zu tun. Und er spürte jede Bewegung, die John tat - oder die er zumindest versuchte zu tun. "Du bist in Sicherheit." Der Commander antwortete nicht, aber Kaidan konnte seinen Atem auf seinem Hals spüren und die Tränen auf seiner Haut. Und sie wussten beide, dass sie es nun gemeinsam überstanden hatten. ~*~ "Hast du nicht gesagt, dass du nicht mehr hier schlafen willst?" "Ich hatte das auch nicht wirklich geplant, Miranda... tut mir wirklich leid." "Tut mir wirklich leid? Dein glückseliges Grinsen sagt aber etwas komplett anderes..." "Ich gewöhne mich langsam daran. Daran, mich um ihn zu kümmern und all das." "Dann sehen wir uns wohl heute Nacht wieder hier."   Kapitel 3: ▪ Zucker im Kaffee ▪ ------------------------------- Er hatte noch immer Albträume. Zwar war Kaidan trotz all seiner biotischen Fähigkeiten nicht dazu in der Lage, Gedanken zu lesen, aber an der Art und Weise, wie sich John im Schlaf zuweilen an ihn klammerte und an manchen Tagen sogar um sich schlug, daran konnte er nur allzu gut ablesen, dass die Psyche des Commanders noch mehr Schäden davon getragen haben musste, als es sein Körper im Reaper-Krieg getan hatte. Schweigend betrachtete Kaidan den Mann neben sich, dessen Hand sich schon fast schmerzhaft in seine Haut krallte. Sein Gesicht war eine undeutliche Maske aus den verschiedensten Gefühlen - und auf keinen Fall waren es angenehme Träume, die ihn da gerade heimsuchten. Der Körper des Biotikers war gespickt mit blauen Flecken und Kratzern. Die Nächte waren nicht immer leicht, aber Kaidan beklagte sich nicht. Zumindest waren die Verletzungen ein Zeichen dafür, dass John hier bei ihm, dass er am Leben und dass er auch bis zu einem gewissen Grad gesund war. Und es würde doch ohnehin so enden, wie es immer endete: Am nächsten Morgen würde Kaidan in der Küche stehen und Kaffee und Frühstück zubereiten und John würde irgendwann zu ihm kommen. Er würde wieder einmal auf die Gehhilfen verzichten und sich stattdessen am gesamten Mobiliar entlang in seine Richtung fortbewegen. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde er genau dann auch die Blessuren sehen, die er selbst dem Major in der Nacht beigebracht hatte - sofern Kaidan nicht zuvor wieder daran gedacht hatte, seine Jacke überzuziehen. Aber selbst dann wusste sein Freund in den meisten Fällen bereits Bescheid. Also würde John zu ihm kommen, die Arme um ihn schlingen und das Gesicht einen Moment an Kaidans Schulter vergraben, um ihm dann einen Kuss auf die warme Haut hauchen und sich dafür entschuldigen, dass er ihm einmal mehr Schmerzen zugefügt hatte. Dagegen würde der Biotiker seinerseits nur fragen, wie viel Zucker der Spectre in seinen Kaffee haben wollte. Und irgendwann... irgendwann würde es sicher wieder besser werden mit Johns schlechten Träumen. Immerhin kümmerten sich die besten Psychologen der Allianz um ihn und es war bereits mehr als deutlich, dass der Geist des Commanders nun langsam all die Geschehnisse der letzten Jahre aufarbeitete - immerhin war während des Krieges keine Zeit dafür gewesen. Wie für so viele Dinge keine gewesen war...   "Hey..." Er war kaum dazu gekommen, den Kaffeekocher einzuschalten, als sich Johns Arme schon um ihn legten und er näher an den anderen Mann herangezogen wurde. Johns Hände krallten sich in den Stoff von Kaidans blauem Kapuzenpulli und dem Biotiker blieb nicht viel mehr übrig, als sich an den Spectre zu schmiegen und über die Schulter zu ihm zu blicken. "Guten Morgen", antwortete Kaidan leise und küsste Johns stoppelige Wange, während der dem Kaffee dabei zusah, wie er langsam in die Kanne tröpfelte. "Wie fühlst du dich?" Der Commander gab ein leises Geräusch von sich, irgendwo zwischen Seufzen und Grollen und legte sein Kinn auf Kaidans Schulter. "Heute ist TfA..." Das erklärte natürlich seine Laune. TfA. Therapiesitzung für Allianzmitglieder. Einzelsitzungen für diejenigen, die den Krieg nicht so gut überstanden hatten wie andere. Kaidan hatte selbst einige wenige Sitzungen mitgemacht, aber der Kampf um die Galaxie hatte bei ihm nicht so viele Spuren hinterlassen wie etwa bei John und vielen anderen Soldaten. Seine größte Sorge war ohnehin gewesen, dass er den Commander - wieder einmal - verlieren könnte, und diese Angst hatte sich mittlerweile in Wohlgefallen aufgelöst. "Es sind nur ein paar Stunden, John. Danach hast du erst einmal wieder deine Ruhe." Zwar wusste der Biotiker, dass diese Sitzungen der Meinung des Commanders nach unnötig waren. Dass er es auch alleine schaffen konnte, mit alledem klarzukommen. Dass er niemanden brauchte, der in seiner Psyche herumdoktern wollte. Aber sie wussten es beide besser, diese paar Stunden waren wichtig, sehr wichtig sogar und er würde ganz sicher nicht zulassen, dass John diese Sitzungen einfach so unter den Tisch fallen ließ oder als nicht wirklich nötig abtat. Kaidan wollte sich vorbeugen, um nach den Kaffeetassen zu greifen, aber die Arme des anderen Mannes hatten sich so fest um ihn geschlungen, dass er einen Moment keine Luft mehr bekam. "John...", brachte er leise hervor und sofort wurde der Griff um seinen Brustkorb etwas leichter, doch der Atem des Spectre ging dafür umso schwerer. Es war nicht selten, dass er solche Überreaktion zeigte und Kaidan wusste, dass John es hasste, wenn so etwas passierte... Aber er verstand auch, warum der Commander instinktiv so reagierte, wie er eben reagierte. Und übel nahm er es ihm erst recht nicht, das könnte er nie. Schweigend griff John nach Kaidans Schultern und drehte den Biotiker zu sich herum, betrachtete ihn eingehend, ehe er den Reißverschluss des Hoodies nach unten zog. Wortlos strichen seine Finger über die noch immer sichtbaren Striemen auf Kaidans Haut, die Johns Nägel in der Nacht hinterlassen hatten und weiter über den rötlichen Fleck auf seinen Rippen. Der Major beobachtete John genau bei seiner Untersuchung und blickte ihm ins Gesicht, als der Commander leise seufzte. "Ich sollte in einem der anderen Zimmer schlafen", schlug John bedrückt vor, aber Kaidan schüttelte nur den Kopf. "Das hatten wir schon, John, das funktioniert nicht." Er erinnerte sich nicht gerne daran, wie sie das einmal wirklich versucht hatten. Das Ergebnis war ernüchternd gewesen, denn wenn man daran gewöhnt war, dass jemand neben einem schlief... nun, die Panikattacke hatte ihn bis ihn Mark erschüttert. "Hast du nicht gesagt, dass wir von jetzt an zusammenbleiben?" "Literarisch gesprochen", murmelte John vor sich hin, während er endlich zuließ, dass Kaidan sich wieder umwandte und ihnen beiden jeweils eine Tasse Kaffee eingoss. "Realistisch gesprochen wäre es für dich besser, wenn-" "Wie viel Zucker möchtest du in deinen Kaffee?" Ein leises, müdes Lachen entkam dem Commander, er wusste scheinbar, dass es jetzt gar keinen Sinn mehr hatte, Kaidan irgendetwas aus- oder einzureden. Und außerdem wusste der Biotiker mittlerweile ganz genau, wie viel Zucker er denn nun wollte, dieses Gespräch führten sie immerhin fast jeden Morgen! "Hast du heute Abend Zeit für eine ausführliche Entschuldigung?", fragte John schließlich leise und platzierte einen Kuss hinter Kaidans Ohr. Der Major zuckte die Schultern und genoss den leichten Schauer, der über seinen Rücken lief. Er löste sich ein wenig von dem Spectre und drückte ihm mit einem Lächeln die mit brühend heißem Kaffee gefüllte Tasse in die Hand. "Für Sie doch immer, Commander... Vorausgesetzt, Sie halten sich auch an Ihre Pflichten." Er ignorierte Johns genervtes Aufstöhnen dezent und machte sich auf den Weg in das angrenzende Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch sinken ließ und neben sich auf das Polster klopfte. "Komm her. Noch haben wir ein wenig Zeit, ehe wir uns in den Kampf stürzen." Denn auf die ein oder andere Weise taten sie das schließlich noch immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)