Heartlines von Kathey (MShenko One-Shots) ================================================================================ Kapitel 2: ▪ Und all das ▪ -------------------------- "Haben Sie wieder vor, heute hier zu übernachten, Major?" Die Stimme zu seiner Linken riss ihn aus seinen Gedanken, brachte ihn dazu, aufzusehen und zu der Person zu blicken, die gerade in den Raum getreten war. Müde blickte er in ein paar strahlend blauer Augen. Blaue Augen waren verdammt selten geworden in den letzten Jahrzehnten, bedingt durch die neue, multikulturelle Gesellschaft auf der Erde - oder eben in der gesamten Galaxie. Und er kannte wirklich nur ein paar wenige Leute mit einer solchen Augenfarbe, von denen sich bereits zwei in diesem Raum befanden. "Haben Sie etwas dagegen, Miss Lawson?", fragte Kaidan leise und gab ein erschöpftes Geräusch von sich, als er sich von dem doch sehr harten und unbequemen Stuhl erhob, auf dem er die letzten paar Stunden verbracht hatte. Wahrscheinlich sollte er sich lieber merken, dass zu langes Sitzen seinem Rücken nicht gerade gut tat, aber es war auch keine wirkliche Option, allein zurück nach Hause zu gehen. Wozu auch? Das Apartment war ohne ihn nicht dasselbe und würde es auch nie sein, so lange so ein wichtiger Teil fehlte, der die Wohnung zu etwas Besonderem machte. "Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen, ich werde nicht mehr lange bleiben." Miranda trat zum nahegelegenen Tisch und warf ihr Datenpad achtlos darauf, ehe sie sich mit vor der Brust verschränkten Armen zu Kaidan umwandte. Oh, dieses Gesicht kannte er. Sie glaubte ihm nicht, natürlich nicht. Immerhin war sie diejenige gewesen, die ihn schon mehrere Male entdeckt hatte, wie er noch nach Mitternacht hier im Krankenhaus gewesen war. Entweder hatte er auf dem Stuhl geschlafen oder auf der angrenzenden Couch oder er hatte einfach nur da gesessen und in die Dunkelheit geblickt. Und er glaubte bis heute nicht, dass es Zufall gewesen war, dass er an einem Morgen aufgewacht war und jemand seine Jacke wie eine Decke über ihn geworfen hatte. Aber dergleichen würde er niemals fragen und Miranda würde es auf keinen Fall zugeben, wenn es denn wirklich so gewesen wäre. "Ich sollte mich wirklich nicht wegen Ihnen sorgen." Die Biotikerin hob eine Augenbraue und einen ewig anmutenden Augenblick schienen ihre Augen einen Ganzkörperscan an ihm durchführen zu wollen. Kaidan konnte nicht sagen, dass er sich unter diesem Blick sonderlich wohl fühlte, ganz im Gegenteil, aber er schwieg nur auf ihre Worte hin. "Aber nun ja... Da Sie ohnehin immer wieder hierher kommen und wie ein hilfloser Obdachloser auf die Leute hier wirken müssen, da habe ich ja nicht wirklich eine andere Wahl. Und schon allein für ihn muss ich mich ja ein wenig um Sie kümmern." Sie nickte in Richtung des Krankenbetts und Kaidan folgte ihrem Blick, die Brauen ein wenig zusammengezogen und die Stirn in tiefe Falten gelegt, während er die Person betrachtete, die dort lag. Der Biotiker rieb sich über die unrasierte Wange (so viele Stoppeln hatte er wirklich seit Jahren nicht im Gesicht gehabt) und schloss für einen Moment die Augen. "Sie sollten sich ein wenig ausruhen", sagte Miranda ruhig und legte ihm eine Hand auf die Schulter - Es war nur eine kleine und simple Geste. Aber im Moment bedeutete sie ihm unglaublich viel. "Sie werden sich gut um ihn kümmern, nicht wahr?" Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er jedes Mitglied von Cerberus gehasst. Ganz gleich, wer sie gewesen waren, er hatte sie alle über einen Kamm geschert, aber seitdem er Miranda und Jacob kannte, hatte er seine Meinung über diese Organisation etwas geändert. Denn nur weil der Anführer dieser Leute - Der Unbekannte - ein Arschloch war, das über Leichen ging und sich nicht einmal um seine Untergebenen scherte, musste das nicht auf alle zutreffen. Und Miranda Lawson... Nun, es war bereits das zweite Mal, dass sie all das auf sich nahm. Und Kaidan konnte nicht sagen, wie froh und dankbar er darüber war, denn er wusste nicht, was wäre, wäre sie nicht hier. "Ich gewöhne mich langsam daran." Ein schmales Lächeln schlich sich auf die Lippen der Frau, ehe sie ihr Datenpad wieder zur Hand nahm. "Daran, ihn zusammenzuflicken und all das." "Und all das?" Kaidan gab ein leises Schnauben von sich. "Das klingt fast, als wäre er eine alte, kaputte Maschine..." Alles, was er zur Antwort bekam, war ein vernichtender Blick über die Schulter, ehe sich Miranda wieder an die Arbeit machte. "Dann ist es ja gut, dass wir es beide besser wissen, nicht wahr? Und jetzt gehen Sie nach Hause, schlafen Sie und duschen Sie. Es ist mir auch egal, in welcher Reihenfolge Sie das tun." Kaidan zögerte noch einen Moment und zupfte nervös am Ärmel seines Kapuzenpullovers. Es war der schwarze mit dem roten Streifen, der entlang des rechten Arms verlief. Zwar gehörte er ihm nicht, aber so lange er keinen besseren Ersatz dafür hatte... "Kommen Sie, Alenko, ich lasse Sie wissen, wenn sich etwas ändern sollte." "In Ordnung." Letztendlich trat er doch zur Tür, wandte sich aber noch ein letztes Mal um, bevor er den Raum verließ. "Miranda? Vielen Dank." Die Biotikerin hob nur kurz die Schultern, ohne ihn auch nur anzusehen. "Dafür wurde ich gemacht." ~*~ Es vergingen ein paar Wochen, in denen nicht viel passierte (davon abgesehen, dass ihn Miranda drei weitere Male bei einer Übernachtung im Krankenhaus gefunden hatte). Gerade stand er in seinem Klassenraum und unterrichtete seine neue Klasse, erklärte ihnen, wie biotische Barrieren aufgebaut waren, wie man sie erschuf und wie man es verhinderte, dass Leute während des Unterrichts biotisch durch die Luft schwebten. Die Schüler machten ein trauriges Geräusch, als er den letzten Fakt bekannt gab und gerade, als er weiter reden wollte, blinkte sein Universalgerät auf. Kaidan entschuldigte sich kurz und las die Nachricht, die gerade hereingekommen war. Und danach... danach stand er einige Augenblicke lang einfach nur da, starrte auf das Gerät und vergaß seine Schüler, den Klassenraum und einfach alles um sich herum. Die Nachricht war kurz, aber es war der Inhalt, der seinen Herzschlag für einen Moment zu stoppen schien. 'Der Patient hat nach ihnen gefragt. - M. Lawson' "Was... haltet ihr davon, wenn wir heute ein bisschen früher Schluss machen?" Sein Mund war trocken, als er zu sprechen begann und seine Beine zitterten wie Espenlaub. Einen Moment lang dachte er schon, dass er gleich umkippen würde, aber irgendetwas - irgendjemand - hielt ihn aufrecht. Der Patient wartete auf ihn. Was bedeutete, dass er sofort ins Krankenhaus musste. Unverzüglich. Die Klasse stürmte an ihm vorbei, ehe er noch irgendetwas sagen konnte, aber im Moment kümmerte ihn das nicht wirklich. Er tippte etwas in sein Universalgerät ein, und einen Augenblick später hatte er bereits ein Skycar geordert. Denn er selbst würde im Moment sicher nicht fahren können. ~*~ Miranda stand noch immer zwischen ihm und der Tür. Ihr Gesichtsausdruck war nicht wirklich zu deuten und Kaidan hatte im Moment auch wahrlich andere Probleme, als darüber nachzudenken, was genau ihre Sorge war. Er wollte wirklich nur durch die Tür hinter ihr gehen. "Was ist los?", fragte er schließlich etwas entnervt und spürte, wie seine Hände zu zittern begannen, genau, wie seine Beine zuvor. "Im Moment ist er noch instabil. Kaum hatte er nach dir gefragt und kaum, dass ich dir die Nachricht geschickt habe, da versuchte er auch schon, aus dem Bett zu klettern. Wir mussten ihn für den Moment ruhigstellen, ansonsten hätte er sicher versucht, aus dem Krankenhaus und zu dir zu gelangen. Ich weiß nicht, ob es so klug ist, wenn du jetzt zu ihm gehst." Miranda klang mehr als besorgt und natürlich ging seine Gesundheit über alles, aber dennoch, er wollte, er musste ihn sehen, er musste sicher sein, dass es ihm wirklich gut ging. "Miranda, du hast selbst gesagt, dass er nach mir gefragt hat." Und er hatte wirklich keine Zeit für ein derartiges Gespräch. "Wahrscheinlich hast du Recht, Kaidan", meinte sie leise und trat zur Seite. Kaum einen Moment später schloss sich bereits die Tür hinter dem Biotiker. ~*~ Es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit, bis er endlich die Augen öffnete. Seine Lippen waren trocken und rissig und dennoch versuchte er zu sprechen. Viel war nicht zu verstehen, aber Kaidan wusste auch so, dass er versuchte, seinen Namen zu sagen. Selbst, wenn er nicht mehr hören konnte als ein leises 'Kai'. Der Biotiker nahm die Hand des anderen Mannes, hielt sie sanft in seiner eigenen und strich mit dem Daumen über seine erhitzte Haut. "Hey, John", flüsterte er leise. "Willkommen zurück." ~*~ Ihre Hände zitterten. Kaidans, weil er vehement versuchte, die Tränen zurückzuhalten, und Johns, weil er einfach noch geschwächt und erschöpft war. Der Major schluckte einmal hart, es war schwer, John nicht an sich zu ziehen, ihn nicht an sich zu drücken, denn das war alles, was er im Moment wollte. Aber er wusste, dass er ihm damit nur unnötig wehtun würde und das war wirklich das letzte, was er wollte. Der Commander vergrub sein Gesicht zwischen Kaidans Hals und seiner Schulter und der Biotiker spürte nur allzu genau den schwer gehenden Atem auf seiner Haut. Sein Griff um den Körper Kaidans war noch schwächer als erwartet und es tat weh, so weh, den einstmals so starken und resoluten Spectre so schwach und zerbrechlich zu sehen. Aber das waren die zu erwarteten Auswirkungen seines Komas gewesen - und Kaidan war unglaublich dankbar, dass er überhaupt am Leben war nach allem, was ihm passiert war. "W... wie hast...", begann John mit brüchiger Stimme, aber Kaidan befahlt ihm leise, nicht zu sprechen. Er musste sich seine Kräfte aufsparen. "Shh. Alles ist gut, John." Er strich sanft über den nackten Rücken des Mannes, hielt ihn immer noch so nahe, wie es ging, ohne ihm weh zu tun. Und er spürte jede Bewegung, die John tat - oder die er zumindest versuchte zu tun. "Du bist in Sicherheit." Der Commander antwortete nicht, aber Kaidan konnte seinen Atem auf seinem Hals spüren und die Tränen auf seiner Haut. Und sie wussten beide, dass sie es nun gemeinsam überstanden hatten. ~*~ "Hast du nicht gesagt, dass du nicht mehr hier schlafen willst?" "Ich hatte das auch nicht wirklich geplant, Miranda... tut mir wirklich leid." "Tut mir wirklich leid? Dein glückseliges Grinsen sagt aber etwas komplett anderes..." "Ich gewöhne mich langsam daran. Daran, mich um ihn zu kümmern und all das." "Dann sehen wir uns wohl heute Nacht wieder hier."   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)