Mondgeflüster von Lilithen ================================================================================ Kapitel 6: Verbrannt -------------------- Der Stoff seiner Jacke raschelte leise, als er sie über die Lehne der dunklen Couch legte. Nervös stützte er sich mit seinem Gesäß gegen die Außenseite der Rückenlehne. Es fühlte sich seltsam an, dass er sich nun in dem Raum befand, welchen er vor gut einem Monat zum ersten Mal gesehen hatte. Der blaue Schein des Aquariums wurde von dem sanften Licht der Deckenbeleuchtung zurückgedrängt, aber auch wenn die Atmosphäre nun eine andere war, das gemächliche Umherschwimmen der bunten Fischschwärme beruhigte ihn dennoch. Sein Puls fand zu einer normalen Frequenz zurück und auch seine Atmung zeugte nun von Gelassenheit. Die idealen Voraussetzungen, um mentalen Abstand zu dem heutigen Abend aufzubauen. Kräftig holte der Hatake Luft und stieß sich von der Rückseite ab, während er seine Hände tief in den Taschen seiner dunklen Jeans vergrub. Abstand war eine gute Sache. Es war etwas, das er für gewöhnlich als seinen Leitsatz ansah, aber in letzter Zeit klang es für den Grauhaarigen eher wie etwas, das er sich vehement einzureden versuchte. Kakashi verstand es selbst nicht so genau, aber je näher der heutige Tag gerückt war, desto stärker protestierte ein Teil von ihm gegen diese Barriere. Resigniert seufzte er auf. Er hatte in den letzten Wochen ungewöhnlich viel Zeit in Gesellschaft verbracht. Es war zwar nur Itachi gewesen, aber immerhin. In dieser Zeit hatte er alle Mauern fallen lassen und sich wirklich mit dem Braunhaarigen beschäftigt. Während sie in der ersten Woche nur zusammen gesessen hatten, trinkend und eher mit sich selbst beschäftigt, war in der darauffolgenden Zeit das genau gegenteilige Szenario abgelaufen. Sie hatten miteinander geredet, sich ausgetauscht. Aber vor allem hatten sie sich auf den jeweils anderen eingelassen, ausnahmslos und ungefiltert. Wahrscheinlich lag es daran, dass es ihm nun umso schwerer fiel die Mauern wieder hochzuziehen. Denn der Hatake musste nicht nur die einzelnen Steine wieder aufeinander setzten, sondern das gesamte Fundament neu modellieren. Etwas, auf das er ehrlich gesagt keine Lust hatte, wie er feststellte, als er sich auf das Polster neben seiner Jacke fallen ließ, die Augen schloss und den Kopf in den Nacken legte. Entspannt lauschte der Polizist den leisen Tönen des Aquariums, die in Verbindung mit seinen eigenen, regelmäßigen Atemzügen eine ausgesprochen angenehme Harmonie bildeten. Erst jetzt, wo sich seine Muskulatur lockerte, registrierte er, dass die Fische doch nicht so beschwichtigend gewirkt hatten, wie zunächst angenommen. Je weiter seine Anspannung abflaute, umso deutlicher spürte der Grauhaarige wie zerschlagen er eigentlich war. Sein Schlafrhythmus war noch immer angeknackst und die wenigen Momente, in denen er sich der Schwärze hingegeben hatte, waren nicht im Mindesten erholsam gewesen. Er war wirklich versucht sich gegen die aufsteigende Müdigkeit zu wehren, aber was würde das ändern? Er war heute sowieso zu früh hier. Katsumi würde erst in zwei Stunden hier aufkreuzen und er kannte sich. Er hatte in den letzten Monaten nie länger als zwanzig Minuten geschlafen. Das war eine unumstößliche Tatsache. Langsam rutschte der Grauhaarige weiter nach vorn und breitete sich auf dem bequemen Möbelstück aus. Zwanzig Minuten, mehr brauchte er nicht, mehr würde er nicht bekommen. Das war sein letzter Gedankengang, bevor er, mit dem schwachen Hauch von Sandelholz in der Nase, in das wohltuende Nichts glitt. Das Erste, das er wieder wahrnahm, war der frische Duft, gefolgt von dem weichen Stoff an seinen Händen und der eindeutig angestiegenen Wärme. Es störte ihn nicht wirklich, im Gegenteil, es war angenehm. So angenehm, dass er sich dem weiter hingeben wollte. Sein Gesicht weiter in das weiche Kissen betten, einfach liegen bleiben, mehr wollte er nicht. Und für einen kurzen Moment gelang ihm das auch, aber dann holte die Realität ihn ein. Er war eingeschlafen, das wusste er. Aber er hatte sich weder hingelegt, und er befand sich eindeutig in einer liegenden Position, noch hatte er sich Kissen und Decke als Hilfsmittel genommen. Ruckartig setzte der Grauhaarige sich auf und öffnete seine Augen, nur um sie gleich wieder mit einem verstimmten Laut zusammenzukneifen. Der Lichtpegel hatte sich keineswegs verändert, aber auch wenn er warm und angenehm war, kurz nach dem Aufwachen stach er in seinen Augen. Für einen Augenblick sammelte er sich und bereitete sich auf das Licht vor, eher er seine Lider erneut öffnete. Fahrig fuhr er sich mit seinen Handflächen durch das Gesicht, um den letzten Schlaf zu vertreiben, als ein leises Lachen seine Aufmerksamkeit erweckte. Katsumi saß ihm gegenüber auf dem Sessel, die Beine angewinkelt und ein breites Buch auf den Knien balancierend. Schlagartig war der Polizist wach und ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er hatte einen Fehler gemacht. Nicht nur, dass der Junge augenscheinlich schon früher hierhergekommen war, wahrscheinlich hatte er ihm auch noch eine Buchung durchkreuzt. Nicht gerade ein guter Start für ihn und seine Ermittlungen, auch wenn er sich ungewohnt ausgeruht fühlte, es machte die Situation nicht besser. Noch einmal strich er über den feinen Stoff des Bettbezuges, bevor er wieder zu dem Schwarzhaarigen sah, ohne zu wissen was er sagen sollte. Es war offensichtlich, dass der Jüngere ihn hingelegt und zugedeckt hatte. Eine Geste, von der er selbst nichts mitbekommen hatte. Die gesamte Situation war neu für ihn. Kakashi konnte weder einschätzen wie viel Zeit tatsächlich vergangen war, noch die Geschehnisse des Zeitfensters rekonstruieren. Er hatte zum ersten Mal den Anfang verpasst. Mit einem kurzen Räuspern schlug er die Decke beiseite und brachte seinen Pullover in Ordnung. Es war ein armseliger Versuch die einnehmende Stille zu überspielen, aber es war das Einzige, was ihm im Moment einfiel. Nur am Rande bekam der Polizist mit, wie er sich resigniert durch sein Haar fuhr, während sein Blick automatisch wieder zu dem Schwarzhaarigen glitt. Kakashi musste sich eingestehen, dass die augenscheinliche Perfektion des Jüngeren nicht nur eine Illusion des Alkohols gewesen war. Mit jedem Moment, den er Katsumi ansah, verstand er mehr und mehr, warum gerade dieser Junge so beliebt zu sein schien. Auch wenn der Grauhaarige nicht viel Wert auf Äußerlichkeiten legte, die nahezu perfekte Symmetrie in dem Gesicht des Schwarzhaarigen beeindruckte ihn. Tief holte der Hatake Luft und öffnete seinen Mund in dem festen Entschluss etwas zu sagen, aber der erwartungsvolle Blick der grauen Iriden ließ ihn einfach nur geräuschvoll wieder ausatmen. Zum wiederholten Male hörte er das milde Lachen von Katsumi. „Es ist in Ordnung“, sanft erreichte die Aussage des Jungen ihn und augenblicklich flaute das ungute Gefühl in seiner Magengegend ab. „Entschuldige“, kurz schloss Kakashi die Augen und massierte seinen Nasenrücken, „Das ist mir noch nie passiert“, ergänze er. Mit einem dumpfen Ton prallten die Buchseiten aufeinander, als der Prostituierte die Lektüre schloss und das Werk auf dem Boden zu seiner Linken platzierte. „Sagen wir einfach, wir hatten heute beide eine Premiere.“ Gespannt beobachtete der Grauhaarige, wie Katsumi aufstand und sich an das andere Ende der Couch setzte. Schwungvoll ließ der Schwarzhaarigen seine Beine auf den dunklen Bezug des Möbelstückes gleiten und während er ihm nun im Schneidersitz gegenüber saß, tat Kakashi es ihm gleich und nahm dieselbe Sitzposition ein. „Wenn ich gewusst hätte, dass du früher kommst-“, der Grauhaarige unterbrach sich selbst, “Ich fasse es nicht, dass Karin mich durchgelassen hat. Du hattest bestimmt noch einen Termin vor mir.“ „Füher?“, ein amüsiertes Grinsen schlich sich auf die Lippen des Jüngeren, „Kakashi, hast du eine ungefähre Ahnung wie spät es ist?“ Verständnislos sah er sein Gegenüber an, verweilte für einen kurzen Moment an den langen Wimpern und riss wieder von ihnen los. „Höchstens neunzehn Uhr.“ Ohne Umschweife entfernte der Polizist die Decke nun vollständig von seinen Beinen. „Ich hätte erst um acht kommen sollen, wie vereinbart. Ich werde später wieder kommen.“ Gerade als der Polizist im Begriff war aufzustehen, beugte sich Katsumi nach vorn, umfasste sanft das Handgelenk des Grauhaarigen und positionierte es so, dass der Polizist ein Blick auf das Ziffernblatt seiner eigenen Uhr werfen konnte. Es war kurz vor Zwölf. Er hatte tatsächlich ganze sechs Stunden geschlafen, ohne auch nur ein einziges Mal wach zu werden. „Ich-“, setzte er an, bekam aber nicht die Chance weiter zu sprechen. „Es ist schön dich wieder zu sehen, Kakashi.“ Deutlich verstand der Grauhaarige die eigentliche Intention des abrupten Themenwechsels und obwohl die Aussage des Jüngeren hauptsächlich als Ablenkung dienen sollte, konnte er spüren, dass die Worte ernst gemeint waren. Und jetzt, wo er es sich selbst erlauben konnte wieder herunterzufahren, stellte er fest, dass es auch auf ihn zutraf. Ja, er hatte den Schwarzhaarigen vermisst. In einem Ausmaß, welches er selbst nicht nennenswert fand, hatte er auf diesen Tag hin gefiebert. Es war weniger die Tatsache, dass er Informationen brauchte, sondern das beständige Gefühl von - ja wovon eigentlich? Kakashi wusste es selbst nicht, aber ihm war schon nach ihrem ersten Aufeinandertreffen klar gewesen, dass er mehr über den Jungen wissen wollte. Nicht der Polizist in ihm, sondern er selbst. Lange hing er seinen eigenen Gedanken nach, in dem Versuch den richtigen Wortlaut für seine Fragen zu finden, aber je länger er darüber nachdachte, desto absurder kam ihm sein eigenes Verhalten vor. Kakashi war hier, in diesem Bereich. Dem Teil des Himitsu, in dem es nicht nur um die rohe Befriedigung ging. Das hatte ihm Karin deutlich gemacht. Entspannt lehnte er sich mit seinem Rücken gegen die hohe Armlehne des Möbelstückes. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Katsumi bist?“, stellte er die Frage, welche ihm über die Wochen hinweg am meisten beschäftigt hatte. „Weil du anders mit mir umgegangen wärst.“ Schnell traf die Antwort den Grauhaarigen. „Versteh mich bitte nicht falsch“, tief holte der Junge Luft und schlug seine Hände übereinander, „Du hast gesehen, wie es hier abläuft. Die Machtverhältnisse und vor allem ihre Demonstration. Es ist nicht mein Stil. Ich suche mir meinen Umgang nicht zu meinem Vorteil aus. Mich interessieren die Personen, nicht ihr Einfluss.“ Mild traf ihn das entschuldigende Lächeln von Katsumi und ja, er konnte ihn verstehen. Er hatte gesehen, wie es im Wohnzimmer abgelaufen war und es hatte ihn selbst nicht im Geringsten angesprochen. Gerade als er dazu ansetzen wollte eine weitere Frage zu stellen, erhob sein Gegenüber erneut das Wort. „Wie waren deine Festtage?“ „Anders“, erwiderte der Grauhaarige knapp und legte anschließend seine Stirn in Falten, „Gesellig.“ „Und das ist schlecht?“ „Nein, wenn er keine Standpauke hält, ist es sogar ganz angenehm.“, wehrte er ab. „Aha, der ominöse beste Freund.“ Kurz stockte der Polizist, ehe ihm einfiel, dass er selbst bei ihren ersten Treffen von Itachi gesprochen hatte. Zwar war es nur ein kurzer Einwurf von ihm gewesen, doch Katsumi schien es sich dennoch gemerkt zu haben. Es überraschte ihn, dass der Prostituierte sich dieses kleine Detail gemerkt hatte, denn es bewies, dass er Kakashi zugehört hatte und in ihm nicht nur eine beliebige Nummer sah. Natürlich, hier unten galten nicht dieselben Konventionen, wie in den anderen Bordellen, dennoch fiel es ihm schwer zu glauben, dass es sich hier nur um die übliche Routine handelte. „Es ist immer schön jemanden zu haben.“ Entschlossen fixierte er die grauen Iriden. „Hast du auch jemanden?“ Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, schallt er sich selbst. Es war erst das zweite Treffen zwischen ihnen. Sie waren noch zwei Fremde für einander und auch wenn seine beruflichen Kompetenzen gerade zu wünschen übrig ließen, so galt dies nur für ihn selbst. Die Wahrscheinlichkeit auf eine ehrliche Antwort, frei von jedweder Professionalität war gleich Null, auch wenn das verdutzte Blinzeln des Jungen einen kleinen Riss in der perfekten Fassade darstellte. „Also“, verwirrt hielt der Junge inne und blinzelte noch einmal, „Die Feiertage waren für mich auch recht gesellig.“ Es klang viel mehr wie eine Frage und es war deutlich, dass der Grauhaarige eine Grenze überschritten hatte, für die es noch zu früh war. Deutlich zu früh. Er hatte einen Fehler gemacht, schon wieder. „So meinte ich das nicht“, die Worte des Hatake überschlugen sich fast, „Das klang falsch. Ich meinte … Bitte vergiss es einfach.“ Resigniert schloss der Polizist die Augen und ließ seinen Rücken erneut gegen die Armlehne sinken. Er hatte verloren, es sich selbst verspielt. Aber sein eigentliches Problem war, dass der Schwarzhaarige für einen kurzen Moment verletzt gewirkt hatte. Kakashi hatte sich nicht entschuldigt um in seiner Rolle zu bleiben, er hatte sich entschuldigt, weil es ihm wirklich leid tat. So sehr, dass er nicht auch nur ansatzweise die Frage zuließ, warum es ihn ausgerechnet hier nicht kalt ließ. Die anhaltende Stille war unangenehm, nicht zuletzt auch, weil sie die sogenannte Gnadenfrist vor dem Rauswurf darstellte. Ein Phänomen, von welchem er bislang nur aus den Berichten der Anderen gelesen hatte. „Ich“, erhob der Junge das Wort. Langsam öffnete Kakashi wieder seine Augen und sah ihn an. Prägte sich jede Linie des Gesichtes vor sich genau ein, memorierte die einzelnen Stränge seiner Mimik und registrierte, dass dem anfänglichen Abwägen des Jüngeren eine Entscheidung gefolgt war. Er würde wieder mit Anko zusammenarbeiten. Kein Umstand, mit dem er nicht zurechtkam, aber es würde anders sein, differenzierter, auch wenn die Lilahaarige eine offenere Art an den Tag legte. „Madara.“ Nun war es an dem Grauhaarigen verwirrt zu sein. Er hatte die Kurve gekriegt, die Balance behalten und zufällig das Gespräch in eine interessante Richtung gelenkt. Aber es bedeutete ihm nichts. „Also hast du niemanden“, stellte er fest. Es war knapp gewesen und doch wollte er aus diesem Missgeschick nicht lernen, zu sehr schürte die Neugierde an seinen Nerven. Er ignorierte das beklemmende Gefühl, welches sich in seinem Magen ausbreitete, als der Schwarzhaarige fassungslos auflachte und seinen Blick zeitgleich durch den Raum schweifen ließ. „Ich habe ein Leben, das mich jeden Tag aufstehen lässt.“ Katsumi war wütend. Seine Stimme befand sich nun in einem ganz anderen Frequenzbereich und seine Lippen bildeten eine dünne Linie. Wie gern würde der Polizist nun von sich behaupten können, dass es ihm egal war. Aber so war es nicht. Er konnte nicht ruhig bleiben, nicht nach dieser, für dieses Milieu, so typischen Antwort. Nicht hier, nicht bei ihm. Der Grauhaarige war ebenfalls wütend. Niemand wusste so genau wie er, dass Katsumis Ansicht durch und durch falsch war. „Gefällt es dir?“, lauter als beabsichtigt und mit dem bitteren Beigeschmack des Vorwurfs stellte der Grauhaarige die Frage. Anstandslos trat er jede Regel, jedes Verhaltensmuster, das er in seiner Ausbildung gelernt hatte, mit den Füßen und es war ihm egal, solange er nur eine Antwort bekommen würde. „Manchmal.“ Fassungslos sah er seinem Gegenüber ins Gesicht. „Du hast mich gebucht“, die Stimme des Prostituierten war ruhig, aber der Ausdruck in den dunklen Augen war um ein vielfaches anklagender als die Tonlage des Grauhaarigen zuvor. „Vielleicht wärst du nicht so müde, wenn du dich nur um dein eigenes Leben kümmern würdest.“ Noch bevor die letzte Silbe seiner Aussage verklungen war, biss sich Katsumi auf die Unterlippe. „Das hätte ich nicht sagen sollen.“ Die Stimme des Jüngeren war wieder vollkommen ruhig. „Ich habe angefangen.“ Es fiel ihm nicht schwer das zuzugeben, aber leid tat es Kakashi nicht. Er hatte es geschafft nach nur so kurzer Zeit eine Seite an Katsumi zu sehen, die ihn unter Einhaltung des Protokolls Monate gekostet hätte. Der Hatake hatte einen kurzen Einblick auf die Person hinter dem Pseudonym Katsumi erhaschen können. „Ich hätte darauf nicht eingehen sollen. Ich sollte mir das abgewöhnen.“ Leise sprach der Schwarzhaarige die Worte aus, fast so, als wären sie nur für seine eigenen Ohren bestimmt. Kurz überlegte der Polizist, fuhr sich geistesabwesend über die Stelle seines Gesichtes, an der schon seit einigen Wochen ein bestimmtes Stück Stoff fehlte. „Alte Gewohnheiten wird man nur schwer los“, resigniert richtete er seinen Oberkörper wieder auf, „glaub mir ich kenne Veränderungen.“ Abschätzig wurde er gemustert. „Erkennst du auch, ob sie gut oder schlecht sind?“ Wie von selbst resümierten die letzten Monate in seinem Kopf. „Jede Veränderung hat dasselbe Potenzial. Sie ist gut oder schlecht. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Entweder man macht es sich gewohnt einfach oder man ist bereit zu investieren.“ „Wenn ich das richtig verstanden habe, dann machst du es dir einfach.“ Fragend hob der Hatake seine Augenbraue. „Alles, was du hier hast, ist gekauft“, ergänzte der Schwarzhaarige und entlockte Kakashi damit ein mildes Lächeln. Sie waren sich nahe. Ihre Knie berührten sich beinahe und der Grauhaarige konnte den Atem des anderen leicht an seiner Wange spüren. Wann genau sie beide in diese Position gekommen waren wusste er nicht, aber das war auch nicht der Gegenstand seines Interesses. „Nein, denn das würde bedeuten, dass es schlecht ist“, federleicht berührten sich ihre Knie, „Und ich bin davon überzeugt, dass du nicht schlecht bist.“ Obwohl ihre Gesichter nahe beieinander waren, konnte er das ehrliche Lächeln von Katsumi erkennen. Erkannte die weißen Zähne hinter der schmalen Öffnung seiner Lippen. „Du hast interessante Ansichten, Kakashi“, nur ein Flüstern und doch hallte es in seinen Ohren laut nach, während er wie gebannt die grauen Augen vor sich fokussierte. „Leichtsinnig trifft es eher.“ Hauchzart stießen ihre Finger aneinander. „Das ist ja das Interessante.“ Immer schmaler wurde ihre Distanz zueinander, immer wärmer der Atem des Schwarzhaarigen. Sein Kopf war angenehm leer, vergessen waren die Fehler die er heute gemacht hatte, bedeutungslos der Streit mit Katsumi vor kurzem. Quälend langsam schloss er die Augen, aber nicht ohne sich noch einmal das nahe Grau genau einzuprägen. Deutlich hörte er jeden einzelnen Schlag seines Herzens und spürte, wie sein Blut prickelnd durch seine Adern floss. Es war das Angenehmste, was er je gespürt hatte. Und dann schreckte er ruckartig zurück und schlug die Augen auf. Sah direkt in die überraschte Mimik seines Gegenüber. „Ich sollte gehen.“ Seine Stimme war gepresst, als er jede Verbindung zwischen ihnen unterbrach und aufstand. „Meine letzte Bahn fährt gleich ab.“ Es war eine Lüge, aber sie war notwendig. Noch bevor Katsumi etwas sagen konnte, hatte er nach seiner Jacke gegriffen und war zum Ausgang gestürmt. „Bis nächsten Monat.“ Und damit war er draußen. Raus aus dem Zimmer. Raus aus dem Flur. Raus aus dem Himitsu. „Scheiße.“ Regelmäßig wiederholte er diesen Wortlaut. Seine Kleidung klebte unangenehm an seiner Haut, aber es half ihm nicht. Ebenso wenig wie die harten Fliesen an seinen Rücken und das eisige Wasser, das auf ihn niederprasselte. Nichts davon half ihm, egal wie sehr er sich auf die Kälte konzentrierte. Sein gerötetes Gesicht spiegelte sich leicht in dem Glas der geräumigen Kabine und gewährte ihm zusätzlich einen Blick auf das schnelle Heben und Senken seines Brustkorbes. Es half nichts. Egal wie lange er nun schon unter der kalten Dusche stand, ihm war immer noch heiß. „Scheiße.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)