Verhasstes, geliebtes Erbe von Enoka ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Mit einem mehr als schlechten Gewissen hockte Akira im Wohnzimmer vor der Couch und blickte auf den bewusstlosen Tsubaki. Er hatte einfach zugeschlagen. Der Jüngere musste ihn auch unbedingt provozieren. Verwunderlich war die Tatsache, dass Tsubaki sich weder gewehrt noch geweint hatte. Er hatte es einfach geschehen lassen, als ob darauf dressiert worden wäre stillzuhalten. Nun lag der Schwarzhaarige mit einem feuchten Tuch auf der Stirn und einer geschwollenen Backe auf der Couch und schlief. „Tsubaki ... Es tut mir Leid.“ Akira ist in die Küche verschwunden und begann aus reiner Langeweile die Schalen wegzuspülen, die sich seit Tagen in der Spüle stapelten. Durch Tsubaki kam nun die doppelte Menge Geschirr ins heiße Wasser. Da das Einweichen unumgänglich war, griff Akira zum Telefon und rief bei einem Augenarzt an. Es nahm schon eine gute Viertelstunde in Anspruch bis er überhaupt die Telefonnummer gefunden hatte. Wenn er eines nicht konnte, dann mit einem Telefonbuch umgehen. Als Entschuldigung für die geschwollene Backe, wollte er sich wenigstens um eine Brille für seinen Mitbewohner kümmern. Es konnte ja nicht sein, dass der Jüngere mit zugekniffenen Augen durch die Weltgeschichte lief. Wo er schon mal dabei war rief er nach dem Telefonat in einer Klinik an, damit er auch dort einen Termin für Tsubaki bekam. Er sollte sich wenigstens frei durch das Erdgeschoss bewegen können ohne dabei den Fußboden zu wischen. Also musste ein Rollstuhl her. Mit den beiden Terminen hatte er sogar Glück. Beide fielen auf den morgigen Tag. Tsubaki wurde von den Klappern des Geschirrs wach. Vorsichtig richtete er sich auf und sah sich um. Sein größtes Problem war seine Sehschwäche. Wirklich alles war verschwommen und so undeutlich, dass er noch nichtmals sagen konnte wie Akira überhaupt aussah. Er wusste nur, dass der Ältere dunklere rote Haare hatte. Mehr nicht. Der Schmerz in der Backe wurde ihm erst jetzt bewusst. „Miau.“ machte es neben ihm. „Oh, na wer bist du denn? Gehörst du Akira?“ fragte Tsubaki das Tier und streichelte es. Der Kater schnurrte und legte sich in Tsubakis Schoss. Der Schwarzhaarige kicherte leise. Akira kam ins Wohnzimmer und setzte sich zu ihm. „Manabu mag dich. Du tut mir Leid wegen vorhin. Ich hätte mich beherrschen sollen.“ Tsubaki strahlte ihn an und schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich wollte, dass du mich schlägst!“ „Wie du wolltest das? Niemand lässt sich freiwillig schlagen.“ Und schon wieder war Akira verwirrt. Irgendwann, und da war Akira sich sicher, würde ihn bei Tsubaki nichts mehr überraschen. „Du hast mir bewiesen, dass du kein Feigling bist! Ich weiß, dass ich aussehen wie eine Frau und ich habe mal gehört Männer schlagen keine Frauen. Vielleicht ... Naja ich dachte ich sei einer Frau zu ähnlich und du hättest nicht die Eier in der Hose mich zu schlagen.“ druckste der Schwarzhaarige rum und sah verlegen zur Seite. „Wieso wolltest du das denn wissen? Es hätte doch gereicht, wenn du mich gefragt hättest!“ Tsubaki wurde mit einem Male knallrot, stammelte dann auf unverständlichste Weise einen Namen und versteckte sein Gesicht dann hinter einem Kissen. „Eigentlich wollte ich dir sagen, dass wir morgen in die Stadt fahren werden. Wegen deiner Probleme und Sachen für dich zum Anziehen. Ich wollte gleich runter und die Kleider aussortieren, die du nicht mehr haben willst. Dich nehm' ich mit runter.“ „Okay.“ Akiras Lippen verformten sich zu einem kleinen Lächeln. Wenn er es genau nahm, war Tsubaki recht unkompliziert. Mit einem Ruck hob er den Jüngeren hoch und trug ihn in die Küche. Es machte Akira kaum was aus den Kleineren durch die Villa zu tragen. Er war ein Fliegengewicht. Doch sorgen brauchte er sich keine machen. Tsubaki hatte einen gesunden Appetit. Besonders heute. Insgesamt vertilgte Tsubaki drei Schalen Reis. Akira war bereits nach der ersten Schale satt. Es schellte. Mit einem Seufzen stand Akira auf und schlurfte zur Tür, die er sofort öffnete. Vor ihm stand sein Arbeitskollege. Ein großer, blonder Mann mitte zwanzig. Ein Europäer, der nach seiner Geburt von einem Ehepaar adoptiert wurde und seither in Japan lebte. „Hey Aki ich wollte nur mal kurz vorbeischauen. Darf ich reinkommen?“ Die Antwort wartete er nicht mal ab und zwängte sich am Kleineren vorbei. „Was machst du hier?“ „Ach Aki wir machen uns Sorgen um dich. Du hast die letzte Probe sausen lassen! Bei keinem hast du dich gemeldet. Dafür muss es schon ‘n triftigen Grund geben!“ Die Schuhe stellte er bei Seite und hang seine Jacke auf. Die gestrige Probe hatte er wirklich nur vergessen. „Willst du mir keinen Kaffee anbieten?“ Damit verschwand der Blonde in die Küche. „Kai warte mal ‘ne Sekunde!“ „Hey wer ist das? Aki versteckst du jetzt auch schon deine Freundin vor uns? Die ist ja niedlich.“ Tsubaki hatte sein Gesicht verzogen. Kai hatte vorher noch eine geraucht, weshalb er nach Zigarettenqualm roch. Er setzte sich neben den Schwarzhaarigen. „Ähm ... Kai das ist Tsubaki. Tsubaki das ist Kai.“ stellte er die beiden einander vor. „Wo hast du die Süße denn aufgegabelt?“ „Ähm ... Also ...“ „Seine Großmutter hat mich bei sich aufgenommen, weil meine Mutter schwer krank ist. Jetzt lebe ich bei Akira.“ antwortete Tsubaki an Akiras Stelle, weil er einfach nichts vernünftiges von sich gab. „Was du bist ein Kerl?!“ Kai war aufgesprungen. „Bist du jetzt schwul Aki?“ Der Angesprochene stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Tsubaki kicherte, was Kai verwirrte. So begann der Schwarzhaarige ihm alles zu erklären. „... Du siehst ich bin nur sein Mitbewohner. Nicht mehr und nicht weniger.“ Kai nickte und stand auf. „Okay. Aki du meldest dich bitte, wenn du nicht kannst. Aber wir hätten auch kein Problem, wenn du Tsubaki mitbringst. Könnte lustig mit ihm werden.“ So schnell wie er aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden. Erleichtert ließ sich Akira auf den Stuhl sinken und atmete aus. „Danke Tsubaki. Da hast du mich aber gerettet.“ „Hab ich gerne gemacht. Du Akira ... was heißt `schwul´?“ In Tsubakis Stimme lag so viel Unschuld. „Das musst du nicht wissen.“, Er war nicht in der Laune es ihm zu erklären. „Komm wir sortieren jetzt die Kleider aus!“ Tsubaki Huckepack nehmend verließ er die Küche. „Mensch hast du jedes dieser Kleider mal angehabt?“ fragte Akira erstaunt. Dabei hielt er ein sehr knappes schwarzes Kleid hoch und hob eine Augenbraue. Tsubaki nickte beschämt. „Ich bin eine Marionette. Was sollte ich denn dagegen machen?“ „Du bist ein Mensch! Wenigstens hättest du widersprechen sollen.“ „Nein ich hatte Angst. Die Alte hat mir dann immer einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf geschüttet. Deshalb hab ich mich gestern so erschreckt, als mir das Wasser entgegen kam. Ich dachte, ich hab was falsch gemacht ...“ „Hat sie dich nicht geliebt? Ich meine sie hat sehr viel Zeit mit dir verbracht.“ Traurig schüttelte Tsubaki den Kopf. „Die Alte hat mich meistens bestraft. Liebe kann man das kaum nennen. Ich wäre lieber in Tomoyukis Besitz übergegangen. Er hatte mich lieb ...“ „Geschieht dir recht! Wegen dir war ich meiner Großmutter immer egal. Der Tod meiner Eltern ebenfalls. Ihr eigener Sohn! Ihr einziges Kind. Verdammt wieso musst du existieren? Ohne dich wäre alles besser!“ schrie Akira und rannte wutentbrannt aus dem Raum. Wenn er es nicht getan hätte, wäre ihm wohl die Hand ausgerutscht. Zurück ließ er einen Tsubaki, der nicht mal ansatzweise darauf zu reagieren wusste. Tsubaki schaute sich um und begann seine zwei Kleider rauszusuchen. Er liebte diese Kleidungsstücke sehr. Es waren seine einzigen Kleider bis zum Tod seines Schöpfers. Ein hübscher heller Kimono, der sogar für Männer war, und ein knielanges dunkelblaues Kleid für den Sommer. Er schleppte sich über den Boden und wurde nach einer halben Stunde fündig. Mit der Ankleidepuppe im Schlepptau suchte Tsubaki nach dem zweiten Kleidungsstück. Anderthalb Stunden später hatte er die beiden Ankleidepuppen bei Seite geräumt. Als er zur Ruhe kam wurden Akiras Sätze immer lauter. Immer wieder hallten sie in Tsubakis Kopf wider. // Verdammt wieso musst du existieren? Ohne dich wäre alles besser!// Er hielt sich den Kopf und kauerte sich zusammen. Diese Worte verletzten ihn sehr und er würde selbst Schläge vorziehen, da dieser Schmerz schnell nachlassen würde. Doch diese Schmerzen fraßen sich in ihn rein. „Tut mir Leid Akira ... Ich wollte dein Leben nicht zerstören ... Nie etwas Schlimmes tun, wofür man mich hassen könnte ... Nie ... ein Mensch sein ...“ Akira saß in der Küche und starrte grimmig auf den Messerblock. Er wusste nicht, ob er das Richtige getan hatte. Tsubaki hatte ihm nie etwas Schlimmes angetan. Zudem kannte er den Jüngeren noch nicht gut genug und konnte nicht einschätzen wie er seine Wort aufnahm und verarbeitete. Eigentlich wusste er gar nichts über ihn. Manabu mauzte in einer unerträglichen Lautstärke und kratzte an der Kellertür. Akira seufzte, stand auf und öffnete die Tür. Sein Kater sprang in den Keller und verschwand in der Dunkelheit. Er selbst setzte sich neben die geöffnete Tür und verharrte dort. Er hörte Tsubaki leise mit Manabu reden. „Er hasst mich ... nicht wahr Manabu? Weißt du, ich wollte nie leben. Und ich wusste auch nichts von Akira. Es war nie meine Absicht gewesen andere unglücklich zu machen. Und ich wollte hier auch nicht sein. All die Jahre wollte ich bei Tomoyuki sein ... Ich vermisse ihn so sehr ... Es ist viel Zeit vergangen. Er muss ein alter Mann sein. Ob er noch lebt? Manabu ... gibt es eine Möglichkeit sich mit Akira anzufreunden? Ich würde gern sein Freund sein ... aber er mag mich nicht ...“ schniefte er. Hatte Akira ihm wirklich diesen Eindruck vermittelt? „Miau~ !“ Diesen langgezogenen Laut machte Manabu immer, wenn er wollte, dass Akira kam. Im Keller fand er Tsubaki mit Manabu im Arm am Treppenende. „Tsubaki, tut mir Leid, was ich gesagt habe. Ich wusste nicht wie du das aufnimmst. Bitte sei mir nicht böse, aber es hat sich leider sehr viel Hass auf deine Marionettenform angestaut. Ich kann dich noch nicht recht von deinem früheren Ich trennen. Nimm‘s mir nicht übel.“ Er strich Tsubaki durchs Haar. Es war wirklich lang, wenn er es offen trug. Mit Zopf gefiel er Akira bei weitem besser. Dann wirkte er weniger feminin. „Dann sag mir hinterher was Nettes, dann weiß ich, dass du es nicht zu meinem jetzigen Ich meintest. Was ich sagen wollte ... Ich hab meine Sachen schon vom Rest getrennt. Du kannst mit dem Rest machen was du willst.“ Da war es wieder dieses Lächeln, was Tsubakis Lippen immer dann zierte, wenn er nicht gerade weinte. „Gut ich ruf morgen eine Bekannte von mir an, damit sie was mit den Kleidern macht. Aber das hättest du nicht machen müssen. Jetzt sieh dich mal an Tsubaki. Du bist ja ganz schmutzig.“ „Dann können wir ja baden gehen. Zusammen!“kicherte der Schwarzhaarige und streckte ihm die Zunge raus. Akira hoffte sich verhört zu haben. „Bitte was?“ fragte er nach und wurde von Tsubaki auf den Boden gezogen. „Tsu-chan würde gerne mit dir zusammen baden gehen. Er traut sich alleine nicht.“ flüsterte er ihm langsam und deutlich ins Ohr. Tsubakis Worte hallten in Akiras Kopf wider. Wenn er genau hinhörte hatten seine Worte etwas Verführerisches. Akira bereute den gestrigen Tag. Das Schlimmste für ihn wäre, dass Tsubaki sich in ihn verlieben könnte. Er wusste so gut wie nichts über den Jungen, aber ließ ihn bei sich wohnen. „Vorher kann Tsu-chan mir noch sagen wie es mit seiner sexuellen Gesinnung steht. Sonst muss er alleine baden gehen.“ Anders wusste Akira sich nicht ans Thema ran zu tasten. Der Jüngere zog einen Schmollmund. „Ach hab ich ‘ne Wahl?“ Die Lebenserfahrung des zweijährigen Tsubakis konnte es nicht wissen. „Ja die hast du! Männer oder Frauen.“ „ Wenn ich die Wahl zwischen dir und deiner Tante hätte dann ... würde ich dich nehmen.“ „Du bist also schwul.“ „Akira ich kenn das Wort mit seiner Bedeutung nicht! Ich mag Frauen, wenn die nicht alle wie deine Tante sind.“ „Na dann können wir baden gehen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)