A Journey of Lifetime von KFutagoh89 (Eine Reise endet nie) ================================================================================ Kapitel 1: Anfang ----------------- Es war das Jahr 1550 vor Christus. Also eine Zeit, die völlig von unserer abwich. Eine Zeit, in der Mensch und Natur noch mehr miteinander verband, als wir es heute kennen. Willkommen in der mittleren Bronzezeit. Das Europa nördlich der Alpen wurde von Wäldern und kleinen Steppen beherrscht. So wie wir es heute aus der ungarischen Puszta oder dem Yellowstone Nationalpark in den Vereinigten Staaten kennen. Nadel- und Mischwälder dominierten die Landschaft. An einigen Stellen lichtete sich das Gehölz und gab offenes Grasland frei. Nur hier und da fand man ein paar Büsche vor. Reine Weidefläche. Hier lebten die Herden der Wildpferde und Auerochsen. Auch kleine Gruppen von Rothirschen fanden sich darunter. Kleine Flüsse und Seen mit klarem Wasser durchzogen ebenfalls die Landschaft. Sie dienten als Wasserquelle, Lebensraum für Fische, Enten und Bieber, sowie Orientierungspunkt für Wanderer. Auenlandschaften fügten sich nahtlos in die restliche Umgebung ein. Optimale Bedingungen für Jäger, wie Wölfe, Bären, Luchse und Menschen. Sie alle waren Nahrungskonkurrenten, die ihre Stärke und Autorität immer wieder untereinander bewiesen. Das markante Geheul der hundeartigen Raubtiere hallte durch den dichten Wald. Die Jagd wurde somit eröffnet. Jedes Beutetier musste sich von nun an vorsehen. Plötzlich erfüllte ein verzweifeltes Atmen und Gestöhne das Unterholz. Wie aus dem nichts tauchte ein Junge zwischen den Büschen auf. Er rannte zwischen den Bäumen durch das Grün. Das schwarze Haar, das wie Samt von seinem Kopf hing und im Zugwind wehte, korrelierte mit seinen Bernstein funkelnden Augen. Atemlos, nassgeschwitzt und völlig erschöpft flüchtete er vor seinen gefräßigen Verfolgern. Auf Schritt und Tritt verfolgten ihn die Wölfe, voller Erwartungen auf ein Abendmahl. Herabgefallene Äste, umgestürzte Bäume, Felsen und kleine Hügel erschwerten dem Fliehenden den Fluchtweg. Voller Panik blickte der Junge immer wieder zurück und vergaß dabei auf seine Umgebung zu achten. Da verlor er auch schon den Boden unter den Füßen und stürzte eine Böschung hinab. Den ganzen Abgrund rutschte er bergab. Der schlammige Untergrund und das feuchte Laub ließen ihm keine Möglichkeit sich zu fangen. Unbeholfen und mit Schrammen übersät bremste ein schmaler Bach seinen Sturz ab. Seine Blicke geisterten noch benommen gen Himmel, bis sein Kopf wieder klar wurde. Er fixierte sich auf den Vorsprung der Klippe. Reihe an Reihe standen sie da oben, zielstrebig mit ihren steinernen Blicken, die ihn wie Messer durchbohrten. Die Zähne blitzten im Sonnenlicht, voller Gier lechzten sie nach Blut. Jedoch noch aneinander gepresst, als wollten sie das innere Monster noch zurück halten. Das Herz des Jungen raste. Ein verzweifelter Schrei verbreitete sich rasend in der Umgebung, bis er in den Kronen der massiven Eichenbäume verstummte. --- Ortswechsel. Domino City stand heute gänzlich im Zeichen des Frühlings. Die Kirschbäume kleideten sich in einer Blütenpracht umgeben von Schmetterlingen die in der Luft tanzten. Der Gesang der Vögel untermalte die feierliche Atmosphäre mit zarten Tönen. Die Schulglocke durchdrang das Festspiel der Natur. Ein neues Schuljahr an der Minato-Oberschule begann. Das Zeichen für die Schülerschaft, sich in ihren angestammten Klassenzimmern zu versammeln. Unter ihnen Yugi, dessen auffälligstes Merkmal seine Haare waren. Deckhaar, das sich schwarz-rot zeigte, dominierte das Bild. Parallel dazu schmiegten sich blonde Strähnen an, die über die Stirn verliefen. Ja, ohne Zweifel. Es handelte sich um Yugi Muto. Unweit seiner selbst saß seine beste Freundin Tea Gardner, deren Augen man nur zu gerne mit Lapislazuli verwechselte. Ihren Augen zum Trotz hatte sie die Angewohnheit sich eher unauffällig zu geben. Einfache Jeans und ein Silberarmreif kamen mit einer beigen Jeansjacke aus. Die Blicke der Leute wurden ohnehin von ihren Augen eingefangen. Nicht zu vergessen waren noch Joey Wheeler und Tristan Taylor, die ebenfalls zu der kleinen Clique gehörten. Die beiden Jungs saßen einige Reihen hinter den Anderen. Joey zeichnete sich durch sein blondes Haar und seinen verwegenen Charakter aus. Tristan spielte in der gleichen Liga, machte dabei aber das Gegenstück aus. Seine Haare waren dunkel und auffallend frisiert. Die vier Freunde verband eine Freundschaft die bereits seit der Mittelschule bestand und diese wie Pech und Schwefel zusammen hielt. Viele Abenteuer lagen bereits hinter ihnen, die sie nicht zuletzt durch das Spiel „Duel-Monsters“ erlebten. Doch mit Beginn des ersten Jahres an der Oberschule sollte sich so manches für sie ändern. Doch in diesem Moment ahnte keiner von ihnen etwas. Ganz vorbildlich stellten sie sich hinter ihre Schulbänke und begrüßten augenblicklich ihren neuen Lehrer, der in diesem Moment das Klassenzimmer betrat. Herr Ito – Keiji Ito lautete sein vollständiger Name. Sein Gesicht vermochte nicht viel über sein Alter zu verraten. 30, oder höchstens 33 konnte man ihn einschätzen. „Liebe Schülerinnen und Schüler, ich möchte sie herzlich als neue Oberstufler an unserer Schule begrüßen. Mein Name ist Keiji Ito und ich werde sie für die nächsten drei Jahre als Klassenlehrer begleiten“ „Guten Morgen Herr Ito“, erwiderte die Klasse freundlich mit einer Verbeugung. Mit einem weiteren Nicken legte Herr Ito seine Bücher und die Aktentasche auf dem Lehrerpult ab. Die anderen Anwesenden setzten sich derweil wieder auf ihre Stühle. „In Ordnung“, begann Keiji den Unterricht. „Bevor wir mit der Anwesenheitsprüfung beginnen, gibt es noch zwei Dinge, die ich gerne ansprechen möchte.“ Während er sprach schrieb er seinen Namen mit der Kreide auf die Tafel. „Da es sich um wichtige Dinge handelt, möchte ich auch ihre Aufmerksamkeit haben.“ Mit diesen Worten verschaffte sich der Sprecher die volle Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Gespannt wanderten die Blicke hin und her. Erst jetzt bemerkten einige, dass bereits ein bekanntes Gesicht fehlte. Am ersten Tag? Das hinterließ sicher keinen guten Eindruck. Herr Ito krempelte die Ärmel seines Hemds hoch und lehnte sich an seinen Schreibtisch. „Wie sicher schon einige von euch bemerkt haben, sind wir heute nicht vollzählig. Nun, dafür gibt es einen Grund. Als Firmenleiter und Unternehmer wird Seto Kaiba in diesem Jahr unregelmäßig zum Unterricht erscheinen. Dafür bitte ich um Verständnis, denn durch seine Arbeit ist er, was das betrifft, eingeschränkt.“ Bei diesen Worten verdrehte Joey die Augen. Sein Lieblingsangriffsziel schien sich gekonnt aus seiner Reichweite fern zu halten. Für den blonden Schüler gab es kein besseres Katz und Maus Spiel, wie das Ärgern des älteren Mitschülers. In der Pubertät spielten die Hormone einfach verrückt. Da musste es einfach ein Opfer geben, an dem man seine angestaute Energie ablassen konnte. Andererseits wunderte sich Joey gar nicht mehr darüber. Schon im letzten Schuljahr machte sich Seto rar. Die Verantwortung schien mit jedem Schuljahr zu wachsen. Seufzend bettete Joey seine Wange in seine Hand, deren Arm sich auf der Tischplatte abstützte. „Der zweite Tagespunkt betrifft einen Neuzugang an unserer Schule. Er kommt aus Deutschland und wird seinen Abschluss an unserer Schule machen.“ Während er sprach erhob sich der Lehrer und ging an die Eingangstür. Dort stand bereits hinter dieser die angekündigte Person. Ermutigend schob der ältere Mann den Neuling in den Raum. Seine Mitschüler verfolgten jede Regung aufmerksam. Selbst der gelangweilte Joey bewegte seinen Kopf. Da stand er nun vor der Klasse, den Blicken der neugierigen Schüler ausgesetzt. Wie bei einer Prüfung musterten sie den Neuling um ihn einschätzen zu können. Sein halblanges Haar artete in einzelne Strähnen aus und ergoss sich wie ein Wasserfall schließlich in einen zurück gebundenen Zopf. Zwischen den Strähnen lugten, fast versteckt, seine unsicheren grauen Augen hervor. Ein spärlicher Bartwuchs zeichnete sich an den Wangen und dem Kinn ab. Seine Schuluniform ging in der Masse unter. „Wie wäre es, wenn du dich der Klasse vorstellst“, schlug Herr Ito dem Jungen vor. Er sah ihn aber nur fragend an. Da fiel ihm wieder ein, dass er ihn nicht verstand. „Could you introduce yourself please?“, fragte er ihn erneut und lächelnd. Der Junge erwiderte mit einem Nicken: „Sure. Hello, i'm Thomas Kazumi. But my friends call me Toto. I come from Germany, a country in the middle of Europe. My parents are working in Domino City at this year. So my family comes back to Japan. Nice to meet you all.“ Toto verbeugte sich. Da staunten alle Bauklötze. Niemand hatte mit solch einer Ansprache gerechnet, noch weniger auf Englisch. Verdutzt und erstaunt zugleich sahen sich die Schüler an. Das reservierte Verhalten seiner Mitschüler verunsicherte Toto noch mehr. Entgegen seines Auftrittes bei seiner Ansprache, war er alles andere als selbstbewusst. Sein Blick neigte sich zum Fußboden. Herr Ito erkannte seine Unsicherheit und versuchte, die Situation zu retten. Er legte seine Hände auf die Schultern von Thomas und sagte: „Hört mal zu. Sicher, Thomas kann noch nicht fließend Japanisch sprechen. Aber er hat als Kleinkind einige Zeit hier gelebt, bis seine Familie nach Deutschland ausgewandert ist. Gebt ihm einfach ein bisschen Zeit und eine Chance.“ Dies unterstrich er mit einem warmen Lächeln in seiner Mimik. Die Jugendlichen nickten zustimmend. Damit wurde die erste Hürde genommen. „Dann fangen wir auch gleich mit dem Unterricht an. Thomas, setz dich bitte an den freien Platz hier vorne links. Als nächstes werde ich jeden einzeln aufrufen. Dann siehst du zu den Namen das Gesicht, was sicher hilft.“Keiji wiederholte seinen letzten Satz auf Englisch, und teilte so dem Neuankömmling seinen zukünftigen Sitzplatz zu. Dann fuhr er wie angekündigt mit der Anwesenheitsprüfung fort. Einer nach dem Anderen bestätigten sie ihr Dasein. Angesichts der Klassengröße von 20 Leuten, ging es vergleichsweise schnell von statten. Der erste Schultag wurde komplett von Herr Ito begleitet. Die Stundenpläne wurden detailliert besprochen und jeder notierte sich, was er für die klassischen Fächer wie Mathematik, Physik und Biologie benötigte. Eben die lästige organisatorische Planung, am Anfang eines jeden Schuljahres. Das Erlernen des japanischen Schriftsystems nahm ebenfalls einige Unterrichtsblöcke in Anspruch. Zum Ausgleich wurden noch künstlerische und sportliche Einheiten ergänzt. Alles im allen blieb es bei einem straffen Gesamtüberblick. Einige der Anwesenden seufzend schwer. Bevor es überhaupt losging, sehnten sich die Meisten noch zurück in die Zeit der Mittelstufe. Sie alle standen nun am Anfang eines neuen Lebensabschnittes. Alles wurde etwas Ernster. Sie wurden mehr gefordert. Es war die Zeit, wo sie nun langsam auf das Ende ihrer Schulischen Laufbahn hinarbeiteten. Schon fast errettend kündigte sich der Pausenton an. „Well. Dann genießt eure erste Pause. Wir sehen uns später wieder. See you later“, beendete Keiji seinen Unterricht und entließ seine Schüler in ihre kurze Freizeit. Der geordnete Marsch verlor sich zunehmen in eine wilde Masse, die sich ihren Weg durch die Gänge ins Freie bahnte. Immer in Richtung des Sonnenlichts. Schließlich verließen auch die letzten Schüler die Räumlichkeiten. Die Clique um Yugi machte es sich unter einen der Bäume bequem. Tea und Yugi saßen auf einer Bank, während Tristan und Joey neben ihnen standen. „Wie fanden ihr den bisherigen Unterricht?“, fragte der Kleinste von ihnen die Freunde. „Also ich fand es sehr interessant und informativ“, antwortete Tea. Bei der Gelegenheit zückte sie ihren Notizblock und schrieb weitere Stichworte, die ihr einfielen auf. Die anderen Jungs hingegen zuckten erst einmal mit den Schultern. „Das ganze Gelaber war öde und langweilig.“ Joey verschränkte seine Arme hinter seinen Kopf. „Die Zeit hätten wir besser nutzen können“, fuhr er fort. Tristan nickte und stimmte seinem Kumpane zu. „Auf jeden Fall. Herr Ito ist zwar ganz nett, aber das ständige Zuhören nervt irgendwann nur. Vor allem dieses English. Ich kann es heute nicht mehr hören.“ Während der braunhaarige Junge sprach wanderte sein Blick in eine andere Ecke des Schulhofes. Dort saß auf einem Treppenabsatz Thomas und las konzentriert ein Buch. Seine Freunde folgten Tristans Blick und sahen eine Weile zu ihrem ausländischen Mitschüler. Doch dann erhob sich Tea und verpasste mit ihrer Faust ohne Vorankündigung Tristan eine kräftige Kopfnuss. „Schäm dich!“, fauchte sie ihn an. Der Verletzte hielt sich jaulend den Kopf und rieb die betroffene Stelle. „Au! … Wofür war das?“, harkte er verwundert nach. Mit ihrer strengen Mimik musterte Tea ihn missbilligend. „Wofür? Dafür, dass du intolerant gegenüber unserem Mitschüler bist. Er kann ja nichts dafür, wenn er in eine neue Schule muss, nur weil seine Eltern in einem anderen Land anfangen zu arbeiten. Ist doch klar, dass er dann nicht alles versteht so wie du, Herr Besserwisser!“ „Ich stimme Tea zu“, mischte sich nun auch Yugi in das Geplänkel ein. Die Freunde sahen zu ihm. „Ich denke, dass es für Toto nicht einfach ist. Neues Land, neue Menschen, fremde Sitten und Bräuche. Von der Fremdsprache mal abgesehen. Also ich kann mich gut in ihn hineinversetzen.“ Nach einer kurzen Zeit fand Joey die ersten Worte wieder. „Ich verstehe, was du meinst Yugi. Wenn ich da an damals denke. Vielleicht sollten wir unserem neugebackenen Landsmann beim Schulstart helfen?“ „Hey, das ist eine tolle Idee Joey“, kam es von Tea. „Das finde ich klasse. Wir sollten Toto besser kennen lernen und vielleicht hilft es ihm sich besser zu Recht zu finden.“ Die Jungs nickten. Die Pausenglocke ertönte wieder. Seufzend erhoben sich alle sitzenden Jugendliche und die Schülergruppen liefen in Richtung Schulgebäude. Auch die Clique trottete dem Rest nach. Vor der Eingangstür hielt Tristan kurz inne. „Mal aber eine kurze Frage: Weshalb sagt ihr zu dem Neuen Toto?“ Die Gefragten blieben stehen und sahen sich kurz gegenseitig an. „Nun ja, er hat gesagt, dass seine Freunde ihn Toto rufen. Also wieso nicht?“, antwortete Yugi ihm. Und Tea fügte hinzu: „Und außerdem kann man sich Toto super gut als Namen merken!“ Bei diesen Worten konnte sich keiner ein Lächeln verkneifen. Die Jungs mussten ihrem Mädchen einfach recht geben. --- Langsam nahm ein verschwommenes Bild Konturen an. Unheimliche Dunkelheit verblasste und schuf Raum für Farben, Formen und helles Licht. Ein kleiner Junge rieb sich benommen die Augen. Ihm tat dabei jede Bewegung weh. Erst nach und nach erholte sich das Kind aus seinem Schock Zustand. Verwundert sah es sich langsam um. Wo waren seine Verfolger, die Wölfe? Warum lebte er noch? Zunächst Begriff der Junge nicht, was geschah. Dann wurde ihm allmählich bewusst, wo er sich befand. Ein junger Mann, er konnte geschätzt 15 Jahre alt sein, trug das Kind auf seinem Rücken. Auf dem ersten Blick erkannte man die unzähligen, blutigen Flecken und Schrammen, die sich über seine Kleidung und Haut verteilten. Was war nur zuvor geschehen? Der ältere Junge bemerkte, dass sich das Kind auf seinem Rücken regte. Er verharrte in seinem Schritt und wendete sein Gesicht zum Kleinkind. „Hey Balles!?! Na? … Bist wieder wach?“ Der Angesprochene gähnte laut. „Was ist passiert Bruder? Wie komme ich hier her? … Ich habe geträumt, dass mich Wölfe verfolgen.“ Allein der Gedanke daran machte dem Jungen große Angst und seine kleinen Hände umklammerten den Stoff des Bruders fest. Seufzend setzte der Träger das Kind ab. Er kniete sich zu ihm herab. Ein ernster Blick umspielte seine Mimik. Sein rotbraunes Haar wehte sanft im Wind. „Nein Balles. Es war kein Traum. … Und eigentlich gehörst du verprügelt! Wieso bist du nur vorhin einfach abgehauen?“ Während er seinen Zuhörer zu Recht wies, tippte der blutverschmierte Krieger mit seinem Zeigefinger auf die Stirn des Kleinkindes. Tränen traten in die Augen des Junges. „Ich wollte doch nur paar Beeren essen. Ich hatte solchen Hunger.“ Im gleichen Moment knurrte der Magen des Weinenden. Eine kurze Zeit lang betrachtete der Ältere die Szenerie. Doch schließlich zog er das kleine Häufchen Elend zu sich in die muskulösen Arme und presste es an seinen Körper. „Ist doch gut Balles. Ist doch wieder alles gut. … Ich hatte einfach Angst um dich. Vater, Mutter und ich wollen dich einfach nicht verlieren“, tröstete der Ältere, der auf den Namen Thore hörte, seinen kleinen Wildfang. Die Geschwister verband ein sehr inniges Verhältnis. Seit Balles auf der Welt war, kümmerte sich Thore um ihn. Seit kurzem hatte er auch die Aufsichtspflicht über Balles, während die Männer des Dorfes auf die Jagd gingen. Als aber der Kleine spurlos im Wald entschwand, unternahm der große Bruder alles, um ihn wieder zu finden. Auch wenn dies bedeutete, sich mit einer Meute hungriger Wölfe anzulegen. Nach einiger Zeit löste Thore die Umarmung, nahm einen Teil seines Stoffs, den er von seiner Kleidung riss und wischte Balles damit das Gesicht ab. „So. Nun siehst du wieder ordentlich aus. Sonst macht sich Mutter nur Sorgen.“ Dabei lächelte Thore. In seinem Lächeln steckte so viel Wärme und Fürsorge. Nur er konnte auf diese Art und Weise seinen kleinen Bruder beruhigen und das Gefühl von Geborgenheit schenken. Balles rieb sich erneut die Augen und erwiderte das Lächeln mit einem breiten Grinsen. Zufrieden erhob sich Thore. „Komm Brüderchen. Wir gehen nach Hause. Daheim warte schon alle auf uns.“ Als Aufforderung streckte der Größere Balles die Arme entgegen. Das Kind lief auf ihn zu und wurde auf dessen Schultern erhoben. Auf den Schultern sitzend liefen sie den Fluss entlang in Richtung Heimatdorf. „Du Thore?“, fragte Balles zögerlich. „Ja?“ „Wie hast du die Wölfe vertrieben?“ Bei dieser Frage seufzte der Gefragte innerlich. Immer diese Kinder. Sie wollten immer alles genau wissen. Balles schien hier keine Ausnahme zu sein. Thore stapfte weiter, während er erzählte. „Nun ja. Ich habe dich schreien gehört. Dann bin ich zu dir gerannt. Habe die Wölfe mit Vaters Schwert getötet oder verjagt. Mehr war da nicht.“ Ehrlich gesagt, konnte sich der Krieger an die Ereignisse kaum erinnern. Dies war sehr seltsam. Normalerweise besaß er keine Blackouts. Doch in diesem Zweikampf zwischen Mann und Bestie schien es, als hätte Thore die Erinnerung an diese Situation verloren. Er wusste nur noch, wie er mit bronzenen Schwert auf die Wölfe gestürzt ist und dabei einen von ihnen enthauptete. Nach gewonnener Schlacht blinzelte er mehrfach und bemerkte die toten Kontrahenten und den bewusstlosen Bruder. Auch sein Blut verschmiert und mit Schrammen übersäter Körper wurde ihm in diesem Augenblick erst bewusst. Den wichtigen Teil, das Kampfgeschehen selbst wusste er nicht mehr. Je länger er darüber nachdachte, desto weniger bekam er eine plausible Antwort zu Stande. Nach dem Kampf trug er das Geschwisterchen vom Tatort fort, in Richtung Heimat. Auf den Weg dorthin erwachte Balles wieder. Dieser holte den grübelten Thore wieder zurück aus seinen Gedanken. „Oh“, staunte der Kleine nur. Sie schwiegen kurz. Doch dann ergänzte Balles: „Wenn ich auch mal so groß bin, will ich genauso stark und mutig sein wie du Bruder!“ Zufrieden, mit einer leichten Schamröte um die Wangen, nickte Thore. „Eines Tages wirst du das bestimmt sein. Eines Tages bestimmt.“ An einer baumfreien Stelle erhob sich Rauch aus dem Gehölz. „Sieh mal. Dort ist unser Dorf.“ Thore zeigte auf die graue Säule, die sich in Richtung Himmel erhob. „Gleich sind wir bei Mutter und Vater.“ „Mama. Papa!“, rief Balles entzückt. Thore konnte sich kein Lächeln verkneifen. Sein Bruder schaffte es immer wieder, mit seiner kindlichen, verspielten Art ihn zum Lachen zu bringen. „Also dann. Halt dich gut fest!“ Der Träger trabte langsam los. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis die Geschwister das Dorf erreichen sollten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)