Daylight against twilight von Cassia-Clark ================================================================================ Kapitel 5: A nice suprise ------------------------- V. A nice suprise A day like thousand others But still you feel Something is differently The air around you It’s full with breathless excitement (Can you feel it?) Ryuzaki und Cherry sichteten die Aufzeichnungen, die die FBI-Agenten angelegt hatten. Es war eine ziemlich mühselige Arbeit. Denn die Agenten sprachen keineswegs in einem verständlichen Englisch, sondern benutzten für die einfachsten Sachen wie „Überwachung“ oder „zu überwachende Person“ komplizierte Begriffe. Cherry hätte für jedes dritte Wort, welches in den Berichten auftauchte, ein Wörterbuch benötigt, wäre da nicht Ryuzaki. Er kannte scheinbar alle Fachbegriffe, ließ sich nie beirren und blieb sogar vollkommen ruhig, als Cherry aus einem spontanen Wutanfall heraus alle Zettel durcheinanderbrachte. Später tat es ihr Leid. Zudem hätte sie es gut nachvollziehen können, wenn der junge Detektiv sie dafür des Zimmers verwiesen hätte. Doch er begann nur tonlos, die Zettel wieder so ordentlich zu sortieren, wie er es bereits zuvor getan hatte. Sie waren nun seit drei oder vier Stunden dabei, und Cherry tat der Rücken weh. Seit drei Stunden saß sie auf dem Teppich, bekam von Ryuzaki Mappen und teilweise lose Zettel gereicht und sortierte diese dann, nach einem kurzen Überfliegen, auf einen der zwölf Stapel. Jeder dieser Stapel stand für einen Agenten. Und während sie sortierte, versuchte sie, nicht allzu oft zu dem Stapel in der Nähe von Ryuzakis rechtem Fuß zu schielen. Der Stapel ihrer Mutter, Melissa Hitch. Manchmal jedoch bemerkte der Schwarzhaarige ihre neugierigen Blicke, doch dann wandte sie ihre Augen stets in eine ungefährlichere Richtung. Wäre die Situation nicht so anstrengend und ermüdend gewesen, sie hätte gelacht. Während der Arbeit sprachen sie kein Wort; nur ab und an fragte Cherry Ryuzaki etwas und erhielt dann eine Antwort. Diese fiel stets sehr knapp aus. Cherry wünschte, sie könnten ein Gesprächsthema finden, dass die Vertrautheit von dem gestrigen Abend zurückholen würde. Doch ihr fiel keines ein. Also hielt sie ihren Mund, sortierte weiter und versuchte, die pochenden Schmerzen in ihrem Kreuz zu ignorieren. Irgendwann betrat Watari das Zimmer. In den Händen hielt er zwei Becher, aus denen es verlockend dampfte. Während ihrer Arbeit hatte er sich nicht blicken lassen. Cherry hatte den Verdacht, dass er sich nur hatte drücken wollen. „Wie wäre es mit Kaffee?“, fragte er höflich. Cherry war sofort Feuer und Flamme; sie riss ihm den Becher regelrecht aus den Händen. „Vorsicht, es ist-“, heiß, hatte er sagen wollen, doch es war bereits zu spät. Cherry verbrannte sich die Fingerspitzen, und nur Wataris beherztem Eingreifen war es zu verdanken, dass der Becher nicht auch noch auf ihre angewinkelten Beine fiel. Einige Spritzer landeten jedoch dennoch auf dem Boden. Jedoch nicht auf dem Stapel Papier, der vor ihr gelegen hatte. Ryuzaki hatte sie geistesgegenwärtig an sich gerissen. Cherry blickte ihn verschämt an und meinte: „Oops. Sorry, Ryuzaki.“ Er schüttelte den Kopf. Dann betrachtete er den Stapel Papier in seinen Händen, bevor er sich zu Watari um wandte. Er nahm dankend den Kaffee entgegen. Bevor er auch nur fragen konnte, hatte Watari ihm bereits die Schüssel mit dem Würfelzucker zu Füßen gestellt. Ryuzaki nickte ihm zu. Watari betrachtete Cherry, die, nun etwas schlauer als zuvor, mit vorsichtigem Nippen das Koffein einzog. Ihm entging nicht ihr müder Gesichtsausdruck und ihre leicht fahrigen Bewegungen, als sie den Becher abstellte und sich den Papieren zuwendete. Der alte Mann blickte Ryuzaki an. „Wenn Sie mich nicht weiter benötigen, dann werde ich nun die Einkäufe erledigen. Besondere Wünsche?“ „Nein, danke, Watari.“, damit schien das Gespräch für Ryuzaki beendet. Doch er bemerkte dennoch den besorgten Gesichtsausdruck von seinem Partner. Er stieß seinen Atem aus, was beinah wie ein Seufzen klang. Aber nur beinah. „Was noch?“ „Nun, ich denke, dass es vielleicht angebracht wäre, wenn Miss Cherry mich begleiten würde. Sie benötigt, nun ja, andere Lebensmittel wie Sie. Außerdem hat sie nicht gerade viele Kleidungsstücke, nur das Nötigste.“ „Sie schlagen also vor, dass Sie sie begleitet, Watari. Um neue Kleidung und andere Dinge für sich zu besorgen.“ Watari lächelte sein freundliches Opa-Lächeln. „Exakt.“ Cherry blickte auf. Die Aussicht, an neue Kleidung, und zeitgleich einmal wieder an die frische Luft und unter Menschen zu kommen, wirkte berauschend. Aber sie fragte sich zugleich, ob Ryuzaki es ihr einfach so erlauben würde. Denn eigentlich war sie nicht für Shoppingtouren hier, sondern, um ihm im KIRA-Fall helfend unter die Arme zu greifen. Trotzdem kam sie nicht ohnehin, ihm einen hoffnungsvollen Blick zu zuwerfen. Er fing ihn auf. Dann meinte er: „Die Akten sind in ordentlicher Reihenfolge, den Rest kann ich auch alleine sortieren. Geh mit Watari.“ Cherry überlegte, zu protestieren, aber Ryuzaki kam ihr zuvor. Einige Zuckerwürfel in den Kaffeebecher werfend, sagte er: „Außerdem richtest du mehr Schaden an, als dass du hilfst. Vermutlich ist es für alle Beteiligten besser, wenn du etwas Zeitvertreib hast.“ Das Mädchen schnaubte nur. Dann stand sie auf, streckte sich einmal kurz und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Ihr Rücken tat im Stehen noch weitaus mehr weh als im Sitzen. Hoffentlich würde das vergehen, wenn sie sich erst einmal bewegte. Watari lächelte ihr zu, dann verbeugte er sich vor Ryuzaki. Zusammen mit Cherry verließ er den Raum. Wenige Minuten später saßen die beiden in der schwarzen Limousine. Watari bewegte das Gefährt sicher durch den Stau auf den Straßen, immer in Richtung Innenstadt. Cherry hingegen sah staunend aus dem Fenster. Tokio war eine riesige Stadt, genauso groß wie New York und nicht weniger imposant. Überall war etwas los. Auf den Straßen fuhren Unmengen von Autos aller Farben und Klassen, Menschen unterschiedlichen Alters liefen fröhlich lachend an den Geschäften vorbei. Diese boten verschiedenste Waren feil; von Elektronik bis hin zu Obst und Gemüse. Das Mädchen sah blinkende Lichter, bunte Farben, lachende Menschen und herrlich verrücktes Treiben. Bisher hatte sie nicht gedacht, dass es irgendwo auf der Welt eine zweite Stadt wie New York gab, doch Tokio schien die kleine Schwester zu sein. Und sie spürte, wie das Lächeln auf ihrem Gesicht breiter und breiter wurde. Während sie so staunend aus dem Fenster sah, bemerkte sie nicht, wie Watari sie im Rückspiegel beobachtete. Er hatte gewusst, dass ihr ein kleiner Ausflug Spaß bringen würde. In letzter Zeit hatte sie das Hotelzimmer nicht verlassen, und Ryuzaki vergaß immer wieder, dass nicht alle Menschen wie er waren. Ihn störte die Einsamkeit nicht. Cherry hingegen war eine junge Frau, die erst kürzlich ihre Mutter verloren hatte. Sie musste auf andere Gedanken kommen. Und da half nun mal keine Beschäftigung mit dem Mörder ihrer Mutter, sondern nur das Leben um sie herum. Und das Leuchten und die unverfälschte Freude auf ihrem Gesicht ließ ihn nicht im Zweifel, dass er richtig gehandelt hatte. Immer noch schmunzelnd, fuhr er in ein Parkhaus. Während die Beiden ausstiegen und Watari abschloss, fragte er: „Waren Sie jemals in Tokio, Miss Cherry?“ Cherry, die gerade stirnrunzelnd ein Schild mit japanischen Schriftzeichen zu entziffern versuchte, drehte sich zu ihm um. „Nein, bisher noch nicht. Ich war in vielen Städten in Amerika, einmal sogar in Deutschland. Aber noch nie im asiatischen Teil dieser Welt. Ich hatte auch, um ehrlich zu sein, bisher kein Interesse daran.“ „Aber nun haben Sie ihre Meinung geändert?“, hakte Watari nach. Er ging auf einen Ausgang zu. Das blonde Mädchen folgte ihm. „Tokio erinnert mich an New York, meine Heimatstadt. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Es ist zwar noch lang nicht so groß und multikulti wie Amerikas berühmteste Stadt, aber es hat denselben Charme.“ Sie warf Watari ein scheues Lächeln zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass es mir so gut gefällt.“ Watari erwiderte ihr Lächeln, dann betraten sie ein Treppenhaus. Die Wände waren matschgrau, und die Treppenstufen selbst erinnerten an aus Stein gehauene Fassaden. Einen Aufzug gab es scheinbar nicht, als nahmen sie die Treppe. Sie schwiegen, ganze drei Stockwerke lang, doch es störte Cherry nicht. Es war eine angenehme Stille, nicht ein peinliches Schweigen, wie es oft zwischen ihr und Ryuzaki herrschte. Überhaupt, Ryuzaki. Saß er immer noch über den Akten, brütend, was der gemeinsame Faktor war? Oder hatte er es mittlerweile aufgegeben, und saß nun mit Zuckerwürfeln bewaffnet, vor seinem Laptop? Eigentlich war es egal. Denn bis heute Abend würde sie ihn ohnehin nicht mehr sehen. Und bis dahin würde sie einfach einmal nicht an KIRA, ihre Mutter oder ihren Agenten denken, der vermutlich schon das halbe Studio verwüstet hatte, weil sie sich nicht meldete. Nein, nicht einmal an Ryuzaki würde sie denken. Wie, um ihr Hilfe bei ihrem Vorhaben zu geben, meinte Watari beiläufig: „Ich denke, dass Ryuzaki sehr gut allein zurechtkommt. Zudem wollten heute auch die anderen Ermittler einmal vorbeischauen. Sie müssen sich also keine Gedanken machen.“ „Woher wissen Sie, dass ich mir Gedanken um ihn mache?“, konterte Cherry. Nur, um im nächsten Moment am liebsten im Boden zu versinken. Mit ihrer Konter hatte sie seinen Verdacht nicht ausgeräumt, sondern noch bestätigt. Aber statt einer Antwort lächelte Watari nur wissend. Dann waren sie schon in der Innenstadt von Tokio angekommen. Watari blieb stehen. „Ich werde nun einige Besorgungen machen. Da Sie meine Hilfe vermutlich nicht benötigen, schlage ich vor, dass wir uns trennen. In etwa drei Stunden treffen wir uns hier wieder; sollten Sie Probleme haben, dann wenden Sie sich an die Leute. Die meisten Japaner sprechen Englisch; zwar etwas schwer zu verstehen, aber dennoch sprechen sie es. Ist das für Sie in Ordnung, Miss Cherry?“ Cherry nickte. Doch dann fiel ihr etwas ein. Sie kramte in ihrer roten Umhängetasche nach ihrer Geldbörse und fischte einige Dollarscheine heraus. Etwas betrübt hielt sie diese vor Wataris Gesicht. „Ich habe nur Dollars. Aber damit kann ich hier vermutlich nicht bezahlen. Kann ich das Geld irgendwo hier in der Nähe umtauschen?“ „Nun, das Problem können wir im Handumdrehen lösen.“ Er griff in seine Hosentasche und fischte eine kleine, silberne Karte heraus. Diese überreichte er Cherry, die sie neugierig entgegennahm. Bei genauerem Betrachten stellte es sich als eine Kreditkarte heraus. „Dies ist eine japanische Kreditkarte. Sie hat kein Limit, sie dürfte für all ihre Ausgaben reichen. Bezahlen Sie damit alles, was Sie benötigen.“ „Aber... aber ich habe selbst Geld!“ Cherry behagte der Gedanke nicht, mit einer Kreditkarte, die nicht ihre eigene war, alles zu bezahlen. Sie hatte damit das Gefühl, auf Ryuzakis Kosten zu leben. Was sie ohnehin schon tat, aber daran dachte sie gerade nicht. „Ich möchte Ihnen wirklich nicht noch mehr als nötig zur Last fallen, Sir. Es genügt vollkommen, wenn Sie mir eine Bank zeigen...“ Watari unterbrach sie. „Es war Ryuzakis Anweisung. Er wollte, dass ich Ihnen diese Kreditkarte zur Verfügung stelle, bis Sie wieder eigenes Geld haben. Bis dahin können Sie sie uneingeschränkt für sämtliche ihrer Ausgaben nutzen, Miss Cherry. Wie bereits gesagt, sie besitzt kein Limit.“ Cherry betrachtete das glänzende Ding mit einer Mischung aus Freude und Misstrauen. Warum sollte Ryuzaki ihr eine Kreditkarte ohne Limit zur Verfügung stellen? Beinah vermutete sie einen Trick dahinter, aber ihr fiel kein guter Grund ein, warum er das tun sollte. Schließlich hatte er selbst gesagt, dass sie ein Team waren, er hatte also keinen Grund, sie in irgendeiner Weise zu bespitzeln oder auszutricksen. Also zuckte sie mit den Schultern, und tat das Ganze als eine freundliche Geste Ryuzakis ab. Obwohl es ihr schwerfiel. Watari nickte, dann verabschiedete er sich und verschwand in der Menschenmenge. Cherry machte sich ebenfalls auf den Weg, jedoch nicht, ohne vorher die Kreditkarte in ihre Tasche zustecken und sich ihren Platz genau einzuprägen. Erst dann setzte sie sich in Bewegung. Zwei Stunden später ließ sie sich erschöpft, aber glücklich auf einen Korbstuhl fallen. Dieser stand vor einem himmelblau angestrichenen Eiscafé, zumindest vermutete Cherry das. Genauso gut könnte es auch ein Supermarkt sein, aber die aufgestellten Stühle und Tische ließen Ersteres vermuten. Sie stellte die unzähligen Tüten neben sich ab, dann lehnte sie sich zurück. Sie hatte nun zwei Stunden lang ununterbrochen eingekauft, bis sie beinah vor lauter Erschöpfung im nächstbesten Kleidungsgeschäft in Ohnmacht gefallen wäre. Also hätte sie kurzerhand beschlossen, dass sie nun genügend Kleidung hatte und hatte sich auf die Suche nach einem Café begeben. Dieses hier hatte ganz passabel ausgesehen. Müde betrachtete Cherry ihre Füße. Nun tat ihr zwar nicht mehr der Rücken weh, dafür vermutete sie aber, dass sie einige Blasen an den Füßen hatte. Zwar hatte sie extra flache Schuhe angezogen, ihre schwarzen Bikerboots mit den zwei Zentimeter Absätzen, aber trotzdem taten ihr die Füße weh. Ihr war auch warm, obwohl die Luft gerade einmal drei Grad betrug und sie ihr moosgrünes Kleid mit der verspielten Raffung im Dekolletee und der Wickeloptik trug. Darüber hatte sie bloß ihre hellbraune Lederjacke angezogen. Und trotzdem war ihr unangenehm warm. „Ähm, entschuldigen Sie?“ Unerwartet wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie fokussierte ihren Blick. Vor ihr standen zwei Mädchen, beide scheinbar Japanerinnen und etwa in ihrem Alter. Das Mädchen, welches sie angesprochen hatte, war eine große, schlanke Brünette mit auffallend blauen Augen, die wach und klug ihr Gegenüber musterten. Das spärliche Sonnenlicht ließ diese dunkelblau auf schimmern. Sie trug ihre Haare, die ihr offen vermutlich etwa bis zur Hüfte gingen, zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Ihre Kleidung bestand aus einem schwarzen Minirock und einem dunkelroten Tubetop, worüber sie noch eine schwarze Steppjacke trug. Das andere Mädchen stand schräg hinter ihr und sah überallhin, nur nicht direkt in Cherrys Richtung. Sie hatte wunderschöne schwarze Haare, die ihr glatt über die Schultern fielen. Ebenso schön waren ihre schwarzen Augen, die Cherry an die von Ryuzaki denken ließen. Nur wirkten sie nicht wie dunkle Löcher, sondern wie ein sternenloser Nachthimmel im Winter. Ihr Gesicht war blass, aber auch hier war kein unnatürlicher Vergleich zu dem Meisterdetektiv. Bei ihr wirkte es einfach nur gewollt, wie bei einer Porzellanpuppe. Dieser Gedanke wurde von ihrer Größe bestätigt; sie reichte ihrer Begleiterin gerade einmal bis zu den Schultern und auch ihre hohen Wangenknochen und die großen Augen wirkten wie die einer Puppe. Sie trug eine einfache Schuluniform mit Krawatte, Faltenrock und schwarzer Bluse, kombiniert mit schwarzen Kniestrümpfen und Lederschuhen, die so gar nicht mädchenhaft wirkten. Die Brünette räusperte sich. Cherry riss sich von ihrem Anblick los, und blickte dem Mädchen ins Gesicht. „Ja? Was möchten Sie?“, natürlich sprach sie in Englisch. Ein Ausdruck von Erstaunen und Neugier huschte über das Gesicht der Schwarzhaarigen, doch noch bevor Cherry genauer hinsehen konnte, war es wieder so ausdruckslos wie zuvor. So langsam beschlich sie der Gedanke, da Ryuzakis weibliches Gegenstück vor sich zu haben. Die Brünette runzelte die Stirn. „Ich wollte fragen“, begann sie in einem grammatikalisch vollkommen einwandfreien Englisch, bei der jedoch ein unüberhörbarer Akzent mitschwang, „ob hier noch zwei Plätze frei sind? Sonst ist nämlich alles besetzt.“ Cherry nickte eilig. „Natürlich, kein Problem.“ Dann begann sie damit, ihre Tüten alle auf einen der drei freien Stühle zu bugsieren, was gar nicht so einfach war. Es waren mehr als sechs Einkaufstaschen, und Cherry mühte sich ab, sie alle auf den Stuhl zu quetschen. Aber immer wieder fiel ihr eine herunter. Plötzlich war das das schwarzhaarige Mädchen. Sie schnappte sich eine der Tüten und platzierte sie so standfest auf dem Stuhl, dass sie nicht mehr herunterfallen konnte. Cherry warf ihr ein dankbares Lächeln zu. „Vielen Dank.“ Das Mädchen nickte nur, dann wandte sie schnell wieder den Blick ab. Ihre Freundin hingegen ließ sich in der Zwischenzeit auf dem freien Platz fallen. Mit einem tiefen Seufzen streckte sie ihre ellenlangen Beine unter dem Tisch aus. Cherry runzelte lediglich die Stirn; viele Manieren schien das Mädchen nicht zu besitzen. Diese warf ihrer Freundin nun einen auffordernden Blick zu, denn sie stand immer noch stumm da. „Nun setz dich doch endlich hin, Momoka! Gestanden haben wir schon genug.“ Ihre Stimme war laut und tief, beinah wie die eines Mannes. Das Mädchen, welches den Namen Momoka trug, folgte der etwas unfreundlichen Aufforderung und setzte sich. Jedoch blieb sie angespannt, als wartete sie nur auf den Augenblick, in dem sie sofort wieder flüchten musste. Sie erinnerte Cherry an ein ängstliches Tier. Eine Kellnerin kam, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Die Brünette hatte bereits in die Karte geblickt, und bestellte nun eine Cola. Momoka bestellte mit leiser Stimme einen heißen Kakao. Die Kellnerin wandte sich mit freundlichem Blick zu Cherry, die von Momoka die Karte überreicht bekam. Sie bedankte sich mit einem Lächeln – doch als ihr Blick auf die Karte fiel, sank ihr Mut. Alle Speisen und Getränke waren in japanischen Schriftzeichen geschrieben. Cherry begann zu schwitzen. Die Zeichen sahen für sie alle so ziemlich gleich aus. Wie Strichmännchen. Wie sollte sie da etwas aussuchen? Kurzerhand wandte sie sich zu der Kellnerin, die weiterhin ein freundliches Gesicht aufgesetzt hatte. Vermutlich war sie trotzdem von der Kundin genervt, die sich in Japan befand, aber weder Sprache, noch Kultur kannte. „Ähm... einen Kaffee, bitte.“ Damit war die Bestellung für sie erledigt. Insgeheim klopfte sie sich schon auf die Schulter, dass sie sich so gut aus der gefährlichen Situation manövriert hatte, doch die Kellnerin machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Oder war es eher die überholte Freundlichkeit der Japaner? Die Frau stellte ihr eine Frage. Auf Japanisch. Cherry war schon wieder genervt. Warum verstand denn niemand, dass sie die Sprache nicht beherrschte und deshalb sogar auf Englisch bestellte? Musste sie sich ein Schild um den Hals hängen? Sie wand sich innerlich, äußerlich hingegen versuchte sie, Ruhe zu bewahren. Um Zeit zu schinden, starrte sie erneut in die Karte. Was sollte sie tun? Die Kellnerin ignorieren, den Kopf schütteln oder einfach lachen? Diese Situation kam ihr vor wie ein verdammtes De-ja-Vu, wie damals mit Matsuda. Aber da hatte sie wenigstens Ryuzaki gehabt, der ihr das Ganze übersetzt hatte. Aber auch diesmal kam ihr jemand zu Hilfe. Jedoch nicht der schwarzhaarige Meisterdetektiv. Es war die Brünette, die ihr half. Seufzend beugte sie sich zu Cherry vor. „Sie fragt, ob du Milch oder Zucker in deinen Kaffee willst. Sag es mir einfach, dann richte ich es ihr aus.“ Abwartend blickte sie Cherry an, die innerlich gerade in ein Triumphgeheul ausbrach. Doch vollkommen ruhig erwiderte sie: „Milch, kein Zucker. Danke.“ Die Brünette gab es an die Kellnerin weiter, die sich danach endlich trollte. Cherry stieß einen lauten Seufzer aus. Dann wandte sie sich zu ihrer Helferin. „Danke für Ihre Hilfe. Wirklich, danke schön.“ Das Mädchen winkte bloß ab. Dann lächelte sie sogar, was sie gleich viel freundlicher wirken ließ. „Kein Problem. Mädchen müssen sich doch gegenseitig helfen.“ Dann reichte sie Cherry über den Tisch die Hand. „Ich bin übrigens Tatsu. Tatsu Hatori. Studentin an der Touou-Unversität, erstes Semester. Ich bin übrigens für Tatsu und du.“ Cherry ergriff die Hand und schüttelte sie. Endlich jemand, der die Begrüßung der Japaner nicht bei einer Amerikanerin einsetzte. Diese Tatsu wurde ihr immer sympathischer. „Cherry. Ich bin aus... privaten Gründen in Japan.“ Tatsu runzelte die Stirn. „Cherry? Bist du Engländerin?“ „Nein, Amerikanerin. Ich komme aus New York.“ Momoka sprach nun zum ersten Mal, seit sie sich gesetzt hatte. „New York? Das klingt aufregend.“ Ihre Stimme war sanft und leise, das komplette Gegenteil zu Tatsu. Als sie Cherrys Blick auffing, wandte sie nicht ihren Blick ab. Tatsu stieß ihr den Ellbogen in die Rippen. „Los, du unfreundliche Schülerin! Stell dich vor!“ Momoka wurde augenblicklich rot, und sagte: „Momoka Kato, aber die meisten Leute nennen mich Momo.“ „Momo?“, Cherry lachte. „Wie das kleine Mädchen in dem berühmten Buch von Michael Ende?“ Momoka nickte. Dann erinnerte sich die Blondine wieder an ihre vorherige Frage. „Ähm, genau, ich bin Amerikanerin, und stolz darauf. Leider kann ich, wie ihr gerade gesehen habt, kein bisschen Japanisch.“ Sie seufzte gespielt traurig. „Das war mittlerweile schon die dritte peinliche Situation, in die mich dieser Fehler gebracht hat.“ Tatsu lachte laut auf. „Verstehe. Tja, aber wenn man als Touristin nach Tokio kommt und kein Japanisch kann, ist das schon blöd. Das hättest du vorher bedenken sollen.“ „Nun, ich bin keine Touristin. Ich...“, Cherry überlegte. Sie wollte nichts über Ryuzaki und Watari erzählen, und auch nichts über ihre tote Mutter. Nein, sie brauchte eine bessere Ausrede. Dann fiel ihr eine ein. „Ich bin eigentlich aus beruflichen Gründen hier.“ Nun war es Momoka, die aufhorchte. „Aus beruflichen Gründen? Als was arbeitest du denn?“ „Als Sängerin. Ich bin in Amerika recht bekannt und seit ein paar Jahren im Geschäft. Aber ich wollte einmal etwas Neues erleben, und auch wissen, welche Musik die Leute gleichermaßen gerne hören. Deshalb bin ich nach Japan gekommen, um mich hier bekannt zu machen.“ Mittlerweile war die Kellnerin mit ihren Bestellungen gekommen. Tatsu nahm einen großen Schluck von ihrer Cola, bevor sie sich dem Gespräch wieder zu wandte. „Und dafür hast du dir ausgerechnet Tokio ausgesucht?“ Sie klang misstrauisch, aber mit der nächsten Antwort konnte Cherry es ausräumen. Mit einem Lächeln sagte sie: „Tokio ist wie New York; hier fühle ich mich Zuhause und nicht ganz so fremd.“ Momoka nickte. „Neben New York ist Tokio die größte Stadt in der Welt, mit der größten Bevölkerung.“ Cherry nickte gleichzeitig mit Tatsu. Dann wandte Tatsu sich zu Cherry um. „Sag mal, bist du grad auf Shoppingtour oder was sollen all diese Tüten?“ Sie deutete auf den überladenen Stuhl. Cherry lachte, dann nickte sie und trank ihren Kaffee. „Ja, aber ich bin schon durch. In einer Stunde treffe ich mich mit... meinem Opa. Er fährt mich zurück nach Hause in mein Hotel.“ Momoka nippte an ihrem Kakao, als Tatsu plötzlich mit der Faust auf den Tisch haute. „Hast du nicht Lust, bis dahin noch mit uns ein wenig zu bummeln? Ich mein, wo wir uns doch schon ein bisschen besser kennen!“ Momoka lächelte erfreut; ihr schien diese Idee ebenfalls zu gefallen. Cherry hingegen zögerte einen Augenblick lang. Aber was machte es schon, wenn sie noch ein bisschen mit den beiden Mädchen abhing? Watari würde sie eh erst in einer Stunde treffen. Außerdem wollte sie noch in einen Süßigkeitenladen, um etwas für Ryuzaki mitzubringen und dann in eine Buchhandlung. Vielleicht gab es ja auch englische Literatur. Also nickte sie schließlich, stand auf und schnappte sich ihre Tüten. „Also gut. Dann mal los.“ Hero A day like thousand others But still you feel Something is differently The air around you It’s full with breathless excitement (Can you feel it?) The time is passing by Still and unsociable For the others But I know – you can see this The whole world is retain the breath (Can you hear it?) There’s no holding you back There’s nothing to keep you here Any more Run out to see the miracles And only a hero like you Can imagine what will happening next The world is a adventure At every corner waits one To jump at your shoulder You have to stand straight against them So you can take them with a smile (Can you hear them laughing?) There’s no holding you back There’s nothing to keep you here Any more Run out to see the miracles And only a hero like you Can imagine what will happening next Take your courage and pluck them up Cause it’s time To be a little bit Crazy, happy and spontaneous (Can you be that?) There’s no holding you back There’s nothing to keep you here Any more Run out to see the miracles And only a hero like you Can imagine what will happening next Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)