My other Self von Erenya (Persona 4 Golden mit weiblichen MC) ================================================================================ Kapitel 9: Tomoe Gozen ---------------------- April 17 Mit aller Macht zogen Yosuke und Otome die Türen zu einem abgelegenen Raum zu, gerade rechtzeitig, denn die Welle an Shadows, durch die sie sich gekämpft hatten und die sie nun verfolgten, prallte an den Toren ab. Erleichtert, weil die Türen groß und schwer genug waren um den Shadows stand zu halten, ließen sich Otome und Yosuke erschöpft an dem verzierten, roten Holz hinab gleiten. „Uff... ich frage mich wie Chie hier durch gekommen ist. Ich meine, kaum dass wir hier rein gegangen sind haben uns diese... diese... Dinger angegriffen.“ Tief holte Otome Luft und versuchte sich wieder zu fangen. Sie war mit dem Kräften fast vollständig am Ende. Das beschwören der Persona und zusätzlich noch die eigene Verteidigung nagten an ihrer körperlichen Verfassung. Doch nicht nur an ihrer. Auch Yosuke schien langsam aber sicher an seine Grenzen zu kommen. Sie mussten wieder Kraft danken, durften aber nicht zu lange ruhen, denn hier standen mit einem Mal zwei Leben, dass von Chie und das von Yukiko, auf dem Spiel. „Geht es euch gut, kuma?“ Otome horchte auf, als sie Kumas Stimme vernahm. Der Bär war draußen vor dem Schloss geblieben und gab ihnen von der Entfernung, wie auch immer er das schaffte, seine Unterstützung. Nur dank ihm, hatten sie diesen leeren Raum gefunden, in dem nur eine einzelne, einsame Schatzkiste stand. „Alles in Ordnung, Kuma. Wir haben den Raum sicher erreicht. Kannst du Chie in dieser Etage irgendwo spüren?“ Obwohl eine Pause für beide notwendig war, wollte Yosuke gleich sicher gehen, dass sie nicht zu weit hinter Chie herhingen. Allerdings würden sie wohl noch weiter zurückfallen, egal wie groß die Distanz zu ihrer Mitschülerin war. „Sie ist nicht mehr in eurer Nähe, kuma. Aber vor den Raum in dem ihr seid, sammelt sich eine gewaltige Horde Shadows, kuma. Ihr müsst da so schnell wie möglich weg.“ Das war mit Sicherheit keine Information, die Otome und Yosuke hören wollten. „Kannst du herkommen und uns helfen? Wir haben hier das ein oder andere Problem mit der Menge.“ Otome konnte nicht anders als auf Yosukes Worte zu schmunzeln. Die Art wie er Kuma um Hilfe bat war nicht nur niedlich, sondern auch lächerlich. Sie wussten immerhin beide, dass der Bär absolut nutzlos war, wenn es um den direkten Kampf ging. Als Support hingegen war er super. „Vergiss was ich sagte. Sag uns lieber, ob die Gegner irgendwelche Schwachpunkte haben. Wir regenerieren uns in der Zeit.“ Das klang doch schon eher nach einem möglichen Plan. Einer, der auch Otome gefiel. Denn bei der Maße an Gegner mussten sie mit wenig Schlägen viel Großes bewirken. „Roger, kuma. Wo ihr euch gerade befindet, steht eine Schatzkiste. In der könnte etwas nützliches sein, was euch im Kampf oder zur Regeneration hilft, kuma. Schaut einfach rein. Und vergesst nicht die Pfirsiche die ich euch gegeben habe.“ Die Pfirsiche. Otome erinnerte sich dunkel an den kleinen Beutel, den Kuma ihr vor dem Eintritt in das Schloss überreicht hatte. Sie hatte es für eine nette, aber überflüssige Geste gehalten, doch wenn es ihnen helfen sollte, warum sollten sie es dann nicht versuchen? Beherzt griff Otome in den kleinen Beutel, den sie sich am Eingang um ihre Hüfte geschnürt hatte. Sofort fanden zwei kleine Pfirsiche ihren Weg in Otomes Hand. Mit einem Lächeln reichte sie Yosuke diesen der perplex auf die Frucht sah. Scheinbar war für ihn nun nicht der richtige Zeitpunkt um ans Essen zu denken. „Gutes Essen stärkt Körper und Seele“, erklärte Otome kurz angebunden. Es war ein Spruch den ihr vor einigen Jahren jemand gesagt hatte. Sie wusste zwar nicht mehr in welchem Zusammenhang, aber wenn sie sich vollkommen ausgelaugt fühlte, neigte sie gerne dazu etwas gutes zu essen. Vielleicht lag es an diesen Worten, dass Yosuke nun doch anders darüber dachte, oder es war Otomes Lächeln, denn er griff nun nach dem Pfirsich und biss sogleich in diesen. Zufrieden, dass ihr Partner ihr selbst in diesen Dingen vertraute, biss Otome ebenfalls in das Stück Obst und ließ sich den süßlichen Geschmack der Frucht auf der Zunge zergehen. Es war seltsam, aber mit einem Mal, fühlte sie sich besser. Ihr Körper schmerzte nicht mehr so arg von den Strapazen. „Es hilft wirklich?“ Etwas fassungsloses lag in Yosukes Stimme. Etwas, dass sie verstehen konnte, denn es war wie Magie, dass mit einem Mal, der Schmerz gemildert wurde. Ihr Körper fand wieder seine Kraft zurück. „Natürlich hilft es, kuma. Hier gibt es viele Dinge, die euch nützlich sein können. Öffnet deswegen jede Schatztruhe die ihr seht, kuma. Der Beutel den Sensei hat, kann unendlich viele Sachen tragen. Und er ist aus echtem Kumafell gemacht, kuma.“ Verwundert sah Otome zu dem Beutel. Sie wusste nicht was gruseliger war, die Vorstellung dass er aus Kumafell gemacht wurde, oder dass er unendlich viele Sachen in sich tragen konnte. „Dann schauen wir doch einmal, was in dieser Schatzkiste ist.“ Mit dem verspielen Lächeln eines kleinen Jungen auf dem Gesicht, erhob sich Yosuke und ging auf die Schatzkiste zu. Otome erhob sich ebenfalls und näherte sich der Kiste. Erst jetzt bemerkte sie das leichte zittern, dass kaum wahrnehmbar war, wenn man nicht genauer hinsah. Otomes Misstrauen war geweckt, anders als Yosukes. Er bemerkte nichts, stattdessen öffnete er den Verschluss der Truhe, deren Deckel sofort aufsprang. „VORSICHT!“ So schnell Otome konnte, griff sie nach Yosukes Schuljacke und zog ihn zurück. Gerade rechtzeitig, denn eine dunkle Aura entstieg der Kiste und formte sich zu zwei Shadows, deren Blicke mordlüsternd auf Yosuke und Otome lagen. „Was soll das? Kuma! Warum hast du uns nicht gewarnt!“ Sie hatten keine Zeit um sich darum zu kümmern. Kampfbereit zog Otome ihr Schwert und fixierte sich auf die Gestalten, die wie zwei fliegende Fische aussahen. Sie hatten schon einige dieser Schatten gesehen, und obwohl sie nicht sehr stark aussahen, durften sie nicht nachsichtig werden. „Ich wusste es nicht, kuma. In der Kiste war ihre Präsenz vollkommen verborgen.“ Das Kuma wirklich auf Yosukes Gezeter antwortete, war gerade unpassend. Wirklich unpassend. „Findet ihren Schwachpunkt heraus, kuma! Dann könnt ihr sie schnell besiegen.“ Hilfreich war dieser Hinweis nun nicht gerade. Es gab zwar hier eine Art Shadows von denen Otome bereits die Schwäche in Form des Elektroangriffes Izanagis kannte, aber diese Wesen gehörten nicht dazu. Sie waren Neuland. Nicht einmal bei ihrer Flucht hatte sie auch nur einen mit ihrer Persona angekratzt. „Überlass die mir!“ Otome war gerade in Kampfposition gegangen, als Yosuke an ihr vorbei stürmte. Seine Karte Jiraiyas leuchtete blau vor ihm auf, und mit einer flinken Handbewegung, zerschnitt er sie mit seinen Kunai. Es war das erste Mal, dass Yosuke sein „anderes Ich“, vor Otome, beschwor, doch wie Otome den Tag zuvor, schien er schon genau zu wissen, was zu tun war. Ob er auch diese Stimmen in seinem Kopf hörte? Die Stimme Jiraiya, die ihm genau sagte, was es zu tun gab? „Jiraiya, blas diese Dinger weg!“ Elegant, wie es sich für einen heldenhaften Ninja aus alten Zeiten gehöre, stürmte die Persona auf die Shadows zu. Es war nur eine Handbewegung, die sie benötigte um einen grünlich aussehenden Wirbelsturm zu beschwören und diesen auf die Monster zu schicken. „Ihr habt ihren Schwachpunkt gefunden, kuma!“ Obwohl der Windstoß die beiden Shadows nicht vollständig vernichtete, konnte Otome sehen wie geschwächt diese Shadows waren. Sie sahen nicht einmal mehr den Angriff Yosukes, der seine Kunai warf durch denen ihnen endgültig der Gar aus gemacht wurde. Misstrauisch beäugten Otome und Yosuke die geöffnete Kiste. Beide wussten nicht, ob es noch gefährlich war, allerdings erkannte Otome auch keine Bewegungen mehr. Als sich nach einigen Minuten immer noch nichts tat, entspannten sich beide Schüler wieder und atmeten tief durch. Sie hatten es geschafft. „Der Schatz ist noch da, kuma! Holt ihn euch.“ Aufgeregt klang Kumas Stimme, die beiden Schülern verdeutlichte, dass die ganze Schatzsuche noch nicht beendet war. Obwohl beide noch immer misstrauisch waren, näherten sie sich der Kiste, die von ihrem aktuellen Blickpunkt leer zu sein schien. Erst als sie über den Rand lugten, erkannten sie eine leuchtende Kugel und zwei Karten auf dem Boden. Verwundert, griff Otome hinein und zog die leuchtende Kugel und die Karten raus. „Was ist das?“ Es schien Yosuke alles andere als zu gefallen, dass sie ihr Leben dafür riskiert hatten und wenn Otome ehrlich war, ging es ihr nicht anders. „Unglaublich! Ihr habt eine Snuff Soul gefunden, kuma. Sie kann eure seelischen Qualen einmalig absorbieren und euch so erneut für weitere Beschwörungen eurer Persona stärken, kuma. Dasselbe gilt auch für die Seelentropfen die ich euch mitgegeben haben. Allerdings können sie nicht soviel seelischen Schaden revidieren wie eine Snuff Soul, kuma.“ Staunend sahen Otome und Yosuke auf die leuchtende Kugel. Es schien fast schon absurd zu sein, dass dieses Ding magische Kräfte besitzen und ihnen ihr seelisches Leid nehmen sollte. Allerdings war die Sache mit den Personas auch nicht gerade normal, weswegen sie nicht anders konnten, als das ganze einfach nur hinzunehmen. „Die könnte noch nützlich sein, vor allem nachdem wir uns aus diesem Raum heraus gekämpft haben. Allerdings, was ist mit diesen Karten?“ Um sich die beiden Karten genauer anzusehen, ließ Otome die Snuff Soul in ihren kleinen Beutel gleiten und drehte die Karten um. Sie hatten, wie die Karten ihrer Personas dasselbe Zeichen auf dem Rücken, das konnte doch kein Zufall sein. „Das ist...“ Otome erkannte die Yen-Münze auf der Vorderseite, doch sie kam nicht dazu, ihre Gedanken auszusprechen, denn die Karten leuchteten, kaum dass ihre Vorderseite aufgedeckt worden war, auf und verwandelten sich in vier 500 Yen Münzen. 'Langsam wird das albern. Wir sind in der Realität nicht in einem Videogame.' Es war ein seltsames Gefühl auf einmal Dinge zu erleben, die sie aus Spielen kannte. Sie fühlte sich mit einem Mal so beobachtet, fast so, als wäre sie just in diesem Moment, selbst Teil eines Spiels. Irgendwie war das unheimlich. „Hier, Yosuke. Dieser Anteil gehört dir.“ Lächelnd hielt Otome ihrem Partner 1000 Yen entgegen. Er hatte immerhin diesen Schatz erreichbar gemacht und die Shadows besiegt. Warum sollten sie dann ihren Gewinn nicht gerecht aufteilen, soweit es möglich war? Es war zwar nicht viel, aber es war immerhin etwas. „Danke. Die Frage ist, was machen wir jetzt? Da draußen wartet eine Horde Shadows auf uns. Die Snuff Soul und die Soul Drops sollten wir aber aufheben, bis wir bei Chie sind.“ Nachdenklich sah Otome zu Boden. Yosuke hatte Recht. Sie mussten etwas unternehmen, allerdings in Anbetracht der Tatsache, dass die Shadows in der Überzahl waren, schien ihre Lage aussichtslos. „Einige der Shadows kann Izanagi sicher beseitigen. Ich habe die aus Sakis Welt gesehen. Die waren schwach gegen Elektrizität. Das wäre ungefähr die Hälfte die schon einmal nicht mehr im Weg ständen.“ Nachdenklich verschränkte Otome die Arme und sah zu der Tür, hinter der die Armee dunkler Wesen auf sie wartete. Die Frage war nur, was sie mit den anderen fischähnlichen Dingern machen sollten. „Okay, dann kümmere ich mich um die anderen. Ich glaube, die haben Jiraiyas Windangriff nicht all zu gut vertragen. Verlass dich auf mich, Partner.“ Otome sah verwundert zu Yosuke. Sie hatte nie bemerkt, dass die anderen Wesen so empfindlich auf die Windangriffe Jiraiyas reagiert hatten. Das Yosuke doch noch so aufmerksam gewesen war, ließ in ihr einen Funken Respekt aufkeimen. Wie konnte sie sich da nicht auf ihn verlassen, wenn er für die Augenblicke, in denen sie nicht aufmerksam gewesen war, alle Aufmerksamkeit auf den Gegner gerichtet hatte? Nein, dass hier war nicht wie ein Videospiel. Wäre es das gewesen, hätte sie als Anführerin wohl versagt. Yosuke allerdings, war viel geeigneter für die Rolle des Protagonisten. Er hatte sein eigenes Ich akzeptiert, sie schon einmal heute beschützt und er war noch während ihrer Flucht aufmerksam genug gewesen um zu wissen, was die Schwäche des Gegners war. Mit ihrem Schwert in der Hand, bereit anzugreifen, stand Otome vor der großen Tür die ihre einzige Sicherheit gegen die Shadows war. Yosuke stand hinter ihr, beschwor seine Persona und war bereit ihren Plan zu verwirklichen. Noch während sie sich nämlich erholt hatten, hatten sie über einen geeigneten Schlachtplan gesprochen. Nun waren sie gekräftigt genug um sich diesem anzunehmen und das Gemetzel erneut zu erleben. „Bereit?“ Sorgen klangen aus Yosukes Stimme heraus. Ihm war bewusst, wie gefährlich das für Otome sein würde, wenn sie nun die Vorhut mimte und alle Shadows, die auf Elektrizität empfindlich reagierten, aus sondierte. In der Zwischenzeit, während sich Izanagi um diese Shadows kümmerte, musste sie sich um die anderen selbst kümmern. Doch das hatte sie bereits dutzende Mal in ihrem Kopf durchgespielt. Sie war kein schwaches Mädchen, hier, in der Welt hinter dem Fernseher, war sie wieder die alte Otome. Das Mädchen, dass ohne mit der Wimper zu zucken einen Gegner zu Boden streckte. „Legen wir los!“ Sie war wirklich zu allem entschlossen. Denn es war die einzige Möglichkeit hier aus diesem Raum zu kommen, der mehr wie ein Gefängnis als eine Sicherheit anmutete. Noch dazu konnten sie Chie nicht sich selbst überlassen, oder Yukiko. Sie mussten beide retten. „Okay, packen wir es an, Jiraiya!“ Obwohl sich Yosuke immer noch nicht sicher war wegen Otome, nutzte sie ihre Chance befreite seine Persona aus seiner Karte, indem er diese mit seinen linken Kunai zerschnitt. Kaum das Jiraiya beschworen war entließ die Persona einen kräftigen Wind, der die Tür aufstieß. Allein wegen diesem spontanen Stoß, wurden die Shadows zur Seite gedrängt wodurch einige von ihnen bereits das Zeitliche segneten. „IZANAGI!“ Laut und deutlich beschwor Otome ihre Persona, zerdrückt die Karte Izanagis in ihrer Hand und entfesselt damit die Kräfte ihrer Persona. Sofort wusste Izanagi, was zu tun war und stürzte sich todesmutig auf die Shadows und griff jene, die ihm selbst bereits bekannt waren, mit seinen elektrischen Stößen an. Otome stand ihrer Persona aber in nichts nach. Todesmutig stürzte sie sich auf die Shadows, beseitigte jene, die sich ihrer Persona in den Weg stellten und nicht schwach gegen seine Angriffe waren. Sie bemerkte nicht einmal, dass Yosuke ihr folgte, ihr den Rücken freihielt und sie vor dem ein oder anderen Shadow bewahrte. Jiraiya hingegen kümmerte sich um die fliegenden Fische. **~~** Misstrauisch sahen Otome und Yosuke auf eine weitere Schatzkiste, die sie in einem weiteren leeren Raum, auf der Suche nach den Treppen, gefunden hatten. Der Schock ihrer ersten Truhe saß beiden noch tief in den Knochen, allerdings wollten sie auch unbedingt wissen, was genau darin war. Kuma hatte immerhin erwähnt, das einige nützliche Dinge in diesen Kisten verborgen waren. „Ob wir es riskieren können?“ Fragen sah Yosuke zu Otome, deren Blick ebenfalls wie gebannt auf der unbeweglichen Truhe lag. Immerhin das war anders als bei der ersten. Diese bewegte sich nicht. Entweder waren die Shadows darin ruhig oder es saß keiner darin. Herausfinden würden sie das sowieso nur, wenn sie nun dieses Ding öffneten. Daran bestand kein Zweifel. Mutig, oder viel eher wissend, weil sie ahnte, dass kein Shadow in dieser Truhe hockte, griff Otome nach dem Truhendeckel und stieß diesen nach oben. Der Anblick war wirklich seltsam. Sie hatten hier eine etwas höhere Kiste, die 30 Zentimeter tief war und doch lag nur ein einzelner Pfirsich am Truhenboden. „Das ist doch ein Witz, oder?“ wie ein Witz sah das für Otome nicht aus. Auch wenn es lächerlich wirkte, das der Schatz in einem Schloss ein einzelner Pfirsich war. Aber sie wollte sich nicht beschweren, denn Kleinvieh machte ja bekanntlich auch Mist. „Gehen wir weiter, Yosuke. Wir haben nicht die Zeit um uns über dürftig gefüllte Kisten aufzuregen.“ Noch während Otome den Pfirsich aus der Schatzkiste angelte und diesen in ihren Beutel steckte, hielt Yosuke ihr den Rücken frei, denn es waren bereits wieder die Laute ankommender Shadows zu hören. Ein Geräusch, dass Otome in naher Zukunft wohl bis in ihre Träume verfolgen würde, wenn sie nicht aufpasste. Es war die letzte Tür, die in der gesamten ersten Etage noch blieb. Die letzte, hinter der sich wirklich die Treppe befinden konnte. Sie hatten sich bereits durch ganze Horden von Shadows gekämpft und spürten, wie es an ihrer Kondition nagte. „Das ist die Letzte. Bist du bereit, Otome?“ Von bereit konnte keine Rede sein. Otomes Körper schmerzte und sie erwischte sich immer wieder dabei, dass sie psychisch schwächelte, wenn sie Izanagi beschwor. Langsam aber sicher kam sie an ihre Grenzen, weswegen sie betete, dass hinter dieser Tür wirklich nur die Treppe verborgen war und nicht eine weitere Legion von Shadows. „So bereit wie man im Angesicht des Todes und der Hölle sein kann...“, murrte Otome leise als Antwort. Dass ihre Worte nicht gerade vor positiven Gefühlen strotzten, war ihr klar. Sie brachten aber sehr gut zum Ausdruck, was sie in diesem Moment empfand. „Keine Sorge, ich bin bei dir.“ Verwundert sah Otome zu Yosuke, der sie wirklich anlächelte während er versuchte die starke Schulter zu sein, die sie gerade so dringend brauchte. Dieses Lächeln, von dem sie wusste, dass er sich dazu zwang, weil es ihm genauso dreckig ging wie ihr. Dieses Lächeln, dass ihr Hoffnungsschimmer in einer scheinbar aussichtslosen Situation sein sollte. Dieses Lächeln, dass ihr plötzlich so vertraut war. So, als hätte sie es schon einmal gesehen. Es war einfach absurd, aber diese Situation kam ihr wie ein Dèjá-vu vor. Wie etwas, dass sie schon einmal erlebt hatte. Einfach absurd, immerhin hatte sie ein ganz normales Leben gelebt. „VORSICHT!“ Otome war zu sehr in ihren Gedanken versunken gewesen um zu bemerken, wie Yosuke die Tür geöffnet hatte. Natürlich war ihnen das Glück nicht hold gewesen und dahinter lag ein Shadow lauernd auf sie wartend. Kaum dass die Tür aufgeflogen war, stürzte sich das fischähnliche Wesen auf das Mädchen, dass ihr Schwert nicht kampfbereit hob. Otome sah schon ihr Leben an sich vorbeiziehen, zumindest den Teil ihres Lebens, der wichtig war. Miwako, ihre Eltern, die Mitglieder des Schauspielclubs. So viele Menschen aus ihrem Leben waren mit einem Mal vor ihrem geistigen Auge zu sehen, in der letzten Minute ihres Lebens. Doch... Sterben fühlte sich seltsam an. Sie fühlte sich so lebendig. Langsam öffnete sie wieder die Augen und erkannte Yosuke, der sie schützend im Arm hielt, während Jiraiya dem Shadow den Gar ausmachte. Sie erkannte seinen schmerzverzerrten Gesichtsausdruck, der ihr verriet, dass er wohl einen Treffer eingesteckt hatte und das nur um sie zu schützen. „Alles okay?“, fragte er, und bemühte sich erneut zu einem Lächeln, damit Otome nicht bemerkte, wie es ihm wirklich ging. Doch das war schon längst zu spät. Er war verletzt, wegen ihr. Er hatte sich erneut heldenhaft zwischen sie und den Feind geworfen und sie damit gerettet. Wie konnte sie das nur jemals wieder gut machen? Ich bin du und du bist Ich Dein geschlossener Bund gab dir die Macht, zu sehen was noch in dir steckt. Wenn du sie nutzen willst, nenne meinen Namen. Verwundert sah sich Otome um. Sie hörte klar und deutlich diese Stimme und es war nicht die Izanagis. Oder die andere, die sie seit Tagen hörte. Sie klang zierlich, schwach und doch niedlich. Anders als alle anderen Stimmen, die sie je gehört hatte. „Der Weg ist frei... Wir sollten weiter.“ Otome nickte schwach, als sich Yosuke von ihr löste und in die Richtung der Treppe wandte. Mit einem Mal erschien es ihr so unwirklich, dass sie es geschafft hatten. Wobei, dass verdankten sie wohl nur Yosuke. 'Ich bin schon einmal wieder weiter weg davon die Protagonistin dieser Geschichte zu sein. Wenn passt das doch wohl eher zu Yosuke. Er hat sich seinem eigenen Ich gestellt und ist nun in der Lage mich zu beschützen.' Otome wusste nicht, warum sie dieser Gedanke auf einmal so störte. Immerhin war sie Tage zuvor davon genervt gewesen, die Heldin einer so unglaublichen Geschichte zu sein. Doch nun wäre sie gerne die Heldin gewesen, jemand besonderes, der Yosuke mit seiner Gabe beschützen konnte. **~~** „Hier.“ Mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht, hielt Otome Yosuke die Snuff Soul entgegen. Sie hatten zwar noch Seelentropfen, aber diese würden weder ihr noch sein Leid vollständig lindern und sie bereit für weitere Kämpfe machen. Zumindest vermutete Otome, dass hinter der nächsten Tür nicht nur Chie war, sondern auch ein mächtiger Gegner, für den sie alle ihre Kräfte sammeln mussten. Yosuke hingegen schien nichts dergleichen zu ahnen. Er sah Otome nur verständnislos an und schüttelte den Kopf. „Wir sollten das gut aufheben. Nur für den Fall der Fälle. Mir geht es soweit noch ganz gut, es wäre also Verschwendung, wenn wir sie jetzt benutzen.“ Otome wusste nicht wieso, aber sie fühlte sich abgewiesen wie schon einmal, vor langer Zeit. 'Vor langer Zeit? Wurde ich schon einmal in ähnlicher Art abgewiesen?' Nachdenklich sah Otome auf die Snuff Soul. Das alles, Yosukes Lächeln, seine fürsorgliche Art und auch dieser Moment, kamen ihr so bekannt vor. Sie hatte nur keine Idee woher. Öffne deine Augen, Und sieh was der Nebel umhüllt. Da war sie wieder, diese Stimme, die sie zuvor gehört hatte. Die Stimme, die gesagt hatte, sie solle ihren Namen rufen, wenn sie Hilfe benötigte. Dabei kannte sie ihren Namen nicht. Woher sollte sie ihn auch kennen? In ihrem Kopf arbeitete und angestrengt versuchte Otome den Namen dieser Stimme zu finden. Sie musste ihn doch wissen. Genauso wie sie wissen musste, wann sie abgewiesen worden war. Warum fiel es ihr einfach nicht ein? Warum? Wieso konnte sie sich an nichts aus ihrem Dèjá-vu erinnern? Wieso? Ihr wurde schwarz vor Augen. Ihr Körper versagte ihr jegliche Funktionen. Fast so, als brauchte ihr Hirn, oder ihre Seele nun alle verbliebenen Reserven, um sich an diese Erinnerungen, die sie unbedingt wieder erlangen wollte, zu heften. „Oi! Otome!“ Yosukes Stimme schien nur noch ein weit entfernter Hall zu sein, bevor Otome das Bewusstsein verlor und ihren Geist auf die Reise durch den Nebel der Erinnerungen schickte. Es roch nach verbrannten Fleisch, als Otome wieder zu sich kam und um sich herum alles in Flammen sah. Das Haus... Was war das für ein Haus? Sie wusste es nicht mehr. Die Flammen hatten es bereits bis zur Unkenntlichkeit gezeichnet, genauso wie die Menschen, die um sie herum lagen und den Flammen nicht so wie sie entkommen waren. Seltsam, immerhin befand sie sich noch inmitten dieses Hauses. Es brannte alles um sie herum, doch dort wo sie lag, war sie geschützt. „Hey, alles in Ordnung?“ Fragend sah Otome auf zu dem Gesicht, dass von einem undurchdringbaren Nebel verhüllt war. Sie kannte diese Stimme oder viel mehr, hatte sie sie erst vor wenigen Tagen kennengelernt. Er war männlich, ein Wunderkind. Soviel wusste sie noch. Sie sah dieses Wunder sogar mit eigenen Augen. Ein Wesen, mit großer mächtiger Statur, langem Mantel und einem gewaltigen Schwert kämpfte gegen seltsame Wesen, die für dieses Feuer verantwortlich gewesen waren. Um ihn herum, schwebte eine kleine Fee, die dafür sorgte, dass sich die Flammen nicht zu ihnen durch fraßen. Zwei Personas. Er war wirklich ein Wunderkind. Otome zweifelte auch nicht, dass er mehr als nur zwei Personas beschwören konnte, anders als sie, die nur eine in ihrem Inneren trug. „Ich könnte etwas Hilfe gebrauchen... Hast du noch Kraft?“ Zaghaft nickte Otome und erhob sich vorsichtig. Sie zuckte aber zusammen, als etwas von ihrem Schoß zu Boden fiel und auf das Wunderkind zurollte. Sie wusste sofort was das war. Sie hatte es hier geschenkt bekommen. Von irgendwem den sie nicht kannte, der ihr sagte, dass sie es nutzen sollte, wenn es kritisch wurde. Kritisch... Das war doch so ein Moment. Dem Wunderkind stand immerhin die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Zwei Personas zu beschwören grenzte fast schon an Wahnsinn. Langsam wankte Otome auf ihn zu, bückte sich und hob die Kugel auf, die, so hatte man es ihr erklärt, Snuff Soul hieß. Sie hielt sie dem Wunderkind entgegen, dass ebenso gut wusste, was sie bewirkte, wie sie selbst. Er wusste, dass sie damit das Blatt wenden konnten und doch... „Sie gehört dir. Nutze sie, wenn DU es am dringendsten brauchst. Sie sind immerhin richtig selten.“ Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Ein gequältes Lächeln und doch gab es Otome Mut und Kraft. Sie wusste, dass sie an seiner Seite kämpfen wollte. Denn diesen Gefallen den er ihr gerade bot, musste sie zurückzahlen, und wenn es mit ihrem Leben war. „Sensei!“ Es war Kumas quickige Stimme, die Otome zurück in die Realität holte. Es dauerte etwas, bis sie realisierte, wo genau sie sich befand. Sie war nicht mehr in diesem brennenden Haus bei dem Jungen, an den sie sich nur schwach erinnern konnte. Nein, sie war hier, in der Gegenwart bei Yosuke und Kuma. Nicht in der Vergangenheit. „Otome, geht es dir gut? Ist alles in Ordnung?“ Ihr Kopf wandte sich etwas nach links, dahin, wo Yosuke hockte und sie besorgt fixierte. Erst realisierte sie, dass ihr Körper ihr seinen Dienst versagt hatte um sie zu einer vergessenen Zeit zu führen. Eine Zeit, die immer noch so unwirklich und im Nebel gehüllt war wie zuvor. „Kuma... Yosuke... Wir... müssen...“ Otome erinnerte sich wieder. Sie waren hier in Yukikos Schloss und mussten Chie retten, bevor etwas unsagbar schreckliches passierte. Langsam und vorsichtig, erhob sich Otome, richtete ihren geschwächten Körper auf und spürte den Widerstand, den Kumas Arme erzeugten und sie zurück zu Boden drängen wollten. „Sensei, bleib noch liegen, kuma! Du bist noch nicht ganz bei Kräften.“ Bei Kräften? Kuma scherzte wohl. Natürlich war sie noch nicht ganz bei Kräften, aber warum sollte sie jetzt inne halten, zum Stillstand gelangen, wenn Yosuke selbst am Ende aller Kräfte war und sich doch zwang weiterzumachen. Nein, sie durfte ihm in Nichts nachstehen. Sie musste kämpfen, mit allem was sie noch hatte. „Kuma hat Recht, du solltest dich wirklich noch etwas ausruhen. Du siehst blass aus.“ Wieso? Wieso mussten es nun ausgerechnet die Jungs dieser kleinen Truppe sein, die ihre Stimme der Vernunft mimen wollten? Es mochte ja sein, dass sie wirklich blass aussah, und die Ohnmacht zeugte auch nicht von sonderlich viel körperlicher Stärke, aber sie musste einfach durchhalten. „Egal. Wir müssen weiter. Chie und Yukiko sind in Gefahr. Ich kann später ausruhen.“ Otome war klar, wie heldenhaft dieser Satz klang. Sie hatte ihn häufiger aus dem Mund von Hauptfiguren aus Anime und Spielen gehört. Aber diese Geschichte gehörte Yosuke, da durfte sie sich diesen Spruch leisten, noch dazu war er wahr. „Nach schön, aber sobald es zu anstrengend wird, ziehst du dich zurück und überlässt mir alles weitere.“ Yosuke verstand, dass er nichts mehr gegen Otomes eisernen Willen tun konnte und gab nach. Allerdings wollte er sich dieses Versprechen dennoch geben lassen. Er brauchte für sein Gewissen eine Rückversicherung, dass sie sich nicht in unnötige Gefahr bringen würde. Otome verstand das und nickte schwach, bevor sie sich von ihrem Mitschüler auf die Beine helfen ließ. „Wo kommt eigentlich Kuma so schnell her?“ Es war erst just in diesem Moment, in dem Otome verstand, das ihr Support in Form des Bären vor Ort war. Dabei hatte dieser ihnen noch klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er außerhalb des Schlosses Stellung beziehen und sie von dort aus unterstützen würde. „Ich habe gemerkt das es Sensei nicht gut geht, kuma. Da bin ich sofort hergekommen um zu helfen, kuma!“ Mit stolz geschwellter Brust, zumindest vermutete Otome, dass es so war, denn anhand von Kumas rundlicher Figur war das schwer zu erkennen, erzählte Kuma von seiner furchtlosen Tat. Wie er vorgedrungen war in dieses Schloss, vorbei an all den gefährlichen Shadows und das nur um seine Sensei zu beschützen und wieder in die Welt der Lebenden zurückzuholen. Natürlich war die Erzählung des Bären etwas halsbrecherischer, als es wohl wirklich stattgefunden hatte. Mal abgesehen davon, dass Yosuke und sie die unterste Etage fast vollständig von allen Shadows befreit hatten, wusste der Bär sicher auch, wie man an den unliebsamen Gegnern vorbeikam. Er hatte sich also wenn nötig an eben jene vorbei geschlichen und war so bis zu ihrer Etage vorgedrungen. „Danke, Kuma“, wisperte Otome leise und sammelte ihre letzten Kraftreserven, um auch ohne Yosukes stützende Schulter stehen und laufen zu können. Sie musste nur noch etwas durchhalten. Wenn ein Bär seinen kaum vorhandenen Mut zusammenkratzen konnte, um letzten Endes die Höhle des Löwen zu betreten, war sie doch wohl auch in der Lage noch etwas Standhaftigkeit zu besitzen, um diesen Kampf, der hoffentlich nicht stattfinden würde, zusammenzubekommen. Mit einem lauten, lang hallenden Quietschen schoben Otome und Yosuke die Tür auf, die ihnen den Blick in das Innere des großen Raumes versperrte. Erst als sie diese weit genug geöffnet hatten, erkannten sie den grünen Pullover Chies. Sie hatten das Mädchen endlich gefunden und so wie es schien, war ihr Shadow nicht aufgetaucht. 'Ein Glück.' „Chie! Geht es dir gut?“ Eilig lief die kleine Gruppe auf das Mädchen zu, dass geistesabwesend zu der Tür vor ihr starrte. Chie schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass jemand herein gekommen war, und das obwohl die Tür ein lautes Quietschen von sich gegeben hatte. „Sie sagte, dass Rot mir steht...“ Aus dem Nichts erklang Yukikos Stimme. Wie schon damals bei Yosuke, hallte sie und schien vollkommen aus dm Zusammenhang, wenn es überhaupt einen gab, gerissen worden zu sein. „Ich hasste meinen Namen... Yukiko... Schnee... Schnee ist kalt und schmilzt schnell. Er ist flüchtig... Aber es passt zu mir... Abgesehen davon, dass ich das Gasthaus übernehmen soll, bin ich wertlos. Und dennoch... Chie sagte mir, dass rot mir steht.“ Es war wirklich in Sakis Bereich. Was sie hier hörten, waren Yukikos innerste Gedanken. Traurige Gedanken, die in Otome nun aber umso mehr den Eindruck sicherten, dass ihre Klassenkameradin nicht glücklich war. Zumindest hatte sie am Samegawa River so gewirkt, als sie sich dort unterhalten hatten. „Chie war die Einzige, die meinem Leben einen Sinn gab. Sie strahlt so hell, ist stark und sie kann alles tun. Sie hat alles, was ich nicht habe... Verglichen mit ihr... bin ich... bin ich... Chie beschützt mich. Sie gibt auf mein wertloses Leben acht und Ich... Ich verdiene nichts davon. Chie ist so nett.“ War sie genauso? Das war eine Frage, die Otome plötzlich durch den Kopf ging. Sie hatte auch schon öfter daran gedacht, dass es Miwako war, die ihrem Leben einen Sinn gab, auf die sie sich verlassen konnte, die ihr sagte, dass es nicht schlimm war sich an diverse Dinge nicht erinnern zu können. „'Chie ist nett.', was? Das ist doch ein Witz...“ Alarmiert sahen Yosuke und Otome zur Tür, die wohl eine Etage höher führen sollten. Es war eine zweite Chie, die aus dem Nichts aufgetaucht war und sich nun ihrem Ebenbild entgegen stellte. Eine Situation von der Yosuke und Otome wussten, dass sie gefährlich werden würde, denn mit Sicherheit würde Chie nicht eingestehen, dass egal was dieses Ebenbild sagen würde, es ihren innersten Gedanken waren. So wie Yosuke. Es würde ihr ebenso unangenehm sein. „Reden wir wirklich über diese Yukiko? Sie sagt, dass ich sie beschütze! Sie sagt, dass sie wertlos ist. So sollte es sein, nicht wahr?“ Ein breites Grinsen lag auf dem Gesicht der Shadow Chie. Sie schien zu genießen, was Yukiko sagte und fühlte, anders als Chie selbst, die in verlegenes Stottern kam. „W-Was sagst du denn da?“ „Yukiko sieht sooooo gut aus... soooo alabasterhäutig... sooo weiblich. Sie ist diejenige, bei der die Jungs ins sabbern geraten. Wenn Yukiko so eifersüchtig auf mich ist, dann sollte ich doch das beste da herausholen. Yukiko weiß wie es läuft. Sie kann nichts tun, wenn ich nicht in der Nähe bin. Ich bin besser als sie... Viel, viel besser!“ Chies Gefühle waren nun ein offenes Buch. Ein Buch, dass Chie unangenehm war. Nicht nur wegen Yosuke und Otome, sondern auch wegen sich Selbst. Es waren Gefühle, die sie sich über Monate, Wochen, vielleicht sogar Jahre, nicht hatte eingestehen wollen. „Nein, so etwas habe ich nie gedacht...“ Verzweifelt versuchte Chie sich gegen das aufzulehnen, was ihr Ebenbild sagte. Verzweiflung weil alles das was Shadow Chie sagte wahr war und sie die ganze Zeit gegen diese Gedanken angekämpft hatte. „W-Was sollen wir jetzt machen?“ Es war merkwürdig, dass Yosuke diese Frage stellen musste. Immerhin war es offensichtlich, was es für sie nun zu tun gab. „Wir müssen Chie beschützen. Sonst läuft ihr Shadow Amok und das können wir beide uns nicht leisten!“ Es war für Otome das Worst Case Szenario schlechthin, wenn Chies Shadow nun durchdrehte und Amok lief. Sowohl Yosuke als auch sie waren körperlich und seelisch an ihre Grenzen geraten und ein weitere Kampf konnte nicht nur strapazierend werden, sondern würde auch noch die letzten Reserven aufbrauchen. Noch dazu war es fraglich, ob sie eben jenen Kampf gewinnen konnten. „N-NEIN! Kommt mir nicht näher! Seht mich nicht so an!“ Es war also wahr. Daran gab es nun keinen Zweifel mehr. „Nein... Nein, das bin nicht Ich.“ Ein Lachen erklang von Shadow Chie. Sie hatte sichtlich Spaß daran ihre eigenes Ich zu provozieren, sie in Verlegenheit zu bringen und dazu zu nötigen, dass sie es ablehnte. „Richtig. Ich bin diejenige, die nichts alleine auf die Reihe bekommt... Ich kann nicht als Mädchen gewinnen, geschweige den als Mensch. Ich bin so erbärmlich. Aber Yukiko... Ach Yukiko... sie ist von mir abhängig. Deswegen ist sie doch meine Freundin. Ich habe niemals die Gewalt über sie verloren, dafür ist sie immerhin zu wichtig für mich.“ Die Worte von Shadow Chie klangen alles andere als erfreulich, aber nachvollziehbar. Niemand wollte die Person verlieren, die einen das Gefühl gab wichtig zu sein. Auch wenn es einem selbst unangenehm war. Mit Sicherheit ging es aber auch Yukiko nicht anders. Immerhin vertraute sie auf Chie, hing sich schützend an sie und wich nicht von ihrer Seite, weil dort die gewohnte Sicherheit vorfand. Otome kannte dieses Gefühl. Ihr ging es immerhin bei Miwako nicht anders. „Nein, so denke ich überhaupt nicht über sie.“ Es waren Chies letzte Versuche ihren Blick von der Wahrheit abzuwenden. Etwas, dass aber vollkommen unmöglich war. Es wurde damit immer deutlicher, dass Chies Shadow sie provozierte um frei zu sein. Denn sie genoss diese Ablehnung und lachte herzlich darüber. „Du wendest mir also den Rücken zu und lehnst mich erneut ab? Aber alles ist nun anders. Wenn die Zeit reif ist, werde ich aufrecht stehen bleiben. Da hast du doch nichts dagegen, oder? Immerhin bin ich du.“ Es wurde gefährlich und doch konnten sie das was kam nicht mehr aufhalten. Chie war für ihre Worte nicht mehr erreichbar. Sie wollte nur noch ablehnen, was ihr so unangenehm war und was andere, die vor Ort waren, nicht sehen sollten. „Du bist nicht ich!“ Es war ein Schrei, von dem Chie hoffte, dass er sie von diesem Ebenbild erlösen würde. Doch nichts. Es gab keine Erlösung für sie, nicht jetzt, nachdem sie abgelehnt hatte, was ein Teil von ihr war. Es war ein vertrautes Bild, dass sich Otome bot. Eine dunkle Aura umgab Shadow Chie. Eine Aura, die ihr Kraft gab, und Chie jeglicher Macht raubte. Wie schon Yosuke, verlor Chie unter diesem Prozess das Bewusstsein und brach zusammen. „E-Es kommt! Setzt eure Kräfte ein um Chie zu retten!“ Otome reagierte so schnell sie konnte und lief zu Chie um ihren reglosen Körper so gut es ging in Sicherheit zu ziehen. Doch sie kam mit dem Gewicht nicht klar und wurde von der Druckwelle, die Shadow Chies Verwandlung erzeugte, weg geschleudert. „Ich bin ein Schatten... das wahre Ich... Was glaubt ihr Jungs da zu tun? Wollt ihr das 'wahre' Ich beschützen? Dann sollt ihr auch den Preis dafür bezahlen.“ In Otomes Kopf drehte sich alles. Der Aufprall auf dem Boden hatte ihr wieder einmal klar gemacht, dass sie körperlich am Ende war. Doch noch durfte sie nicht aufgeben. Sie musste jetzt noch einmal durchhalten. Ächzend erhob sie sich wieder und schüttelte den Kopf. Sie hatte nur ein Ziel und darauf musste sie sich fokussieren. Sie konnte Yosuke nicht alleine die ganze Arbeit überlassen. Dieser hatte sich nämlich bereits mutig in den Kampf gestürzt und griff Chies Shadow mit allem an was er hatte. „Jiraiya! GARU!“ Geschickt war Yosuke einem Peitschenhieb des wankenden Shadows ausgewichen. Otome erkannte jetzt erst, dass die drei Figuren, die den eigentlichen Teil des Shadows trugen, Chies waren. Es war schon sehr bezeichnend, dass dieser Shadow eine Peitsche trug, sich Hoheitsvoll von ihrem unterdrückten Ich tragen ließ, während sich der Shadow um Yosuke kümmerte. „Wir werden dich retten, versprochen, Chie.“ Zu allem entschlossen hob Otome das Schwert vom Boden auf und ging auf ihren Gegner zu. Die Klinge des Schwertes schleifte schwach, aber dennoch bedrohlich über den unechten Marmor, der hässliche Kratzer bekam und davon zeugte, wie schwach Yukiko sich im Augenblick fühlte. Auch wenn sie Yukiko nicht vergessen hatte, war Chie für den Moment wichtiger. Genauso wie Yosuke. „AH!“ Von einem erneuten Windangriff getroffen, gaben die drei Chies, die die Beine des Shadows waren, nach. Das war ihre Chance. Ohne zu zögern lief Otome, mit erhobenen Schwert auf ihren Gegner zu und machte sich bereit für einen Angriff. Sie sah, wie der Kopf des Shadows sich hob, doch das konnte nicht verhindern, dass Otome ihre Klinge auf sie niedersausen ließ. „Nein!“ Ganz knapp wich der Shadows aus, indem ihre Sklavenbeine sich mit ihr weg rollten. Dennoch schnitt Otomes Klinge in den Arm des Shadows, der dies mit Missgunst und Wut wahrnahm. Doch ihr Zorn fixierte sich nicht auf die Trägerin des Schwertes, sondern auf Yosuke, der sie zu Fall gebracht hatte. „Wie langweilig! Ihr macht damit schon ernst? Dabei haben wir doch gerade erst angefangen.“ Mit Schwung ließ Shadow Chie ihre Peitsche auf dem Boden knallen, worauf eine Art Schild sich vor ihr aufbaute und wieder verblasste. „Wir sind noch nicht fertig hier! Jiraiya, noch einmal Garu!“ Yosuke hatte ganz klar erkannt, dass Shadow Chie empfindlich gegen die Angriffe seiner Persona war und immer wieder ins schwanken geriet. Wenn sie das für sich nutzen konnten, war der Kampf ein Kinderspiel. Das war selbst Otome klar, weswegen sie es bereute, dass Yosuke nicht die Snuff Soul angenommen hatte. Schließlich kostete das beschwören der Persona und ihre magischen Angriffe, genug psychische Kraft. Mit den Seelentropfen hatte er davon höchstens ein viertel regenerieren können. Doch es lief anders. Der Tornado prallte einfach so an Shadow Chie ab, die lachend auf den jungen Kämpfer sah. „Sie hat einen Schutzwall um ihren Schwachpunkt aufgebaut, kuma! Passt auf!“ Einen Schutzwall. Dahin war die Chance auf einen schnellen, effektiven Sieg. Jetzt war alles was sie einsetzen konnten, ihre körperliche Stärke und vielleicht Izanagis Angriffe. Allerdings fühlte sich Otome nicht mehr in der Lage ihre Persona zu beschwören. Sie war ausgelaugt und es grenzte mehr an einem Wunder, dass sie überhaupt noch stehen und kämpfen konnte. „Dann eben anders!“ Staunend sah Otome zu Yosuke, der noch nicht aufgeben wollte. Für ihn schien es keine große Sache zu sein, dass ihre effektivste Waffe keinen Nutzen mehr hatte. Im Gegenteil. Todesmutig stürzte er sich mit seinen Kunais auf Shadow Chie, die seinen Angriffen wankend, aber doch in gewisser Weise grazil auswich. Otome bewunderte Yosuke dafür, dass er gerade jetzt nicht aufgeben wollte. Es war inspirierend und zeigte ihr, dass sie nicht alleine war. Zusammen hatten sie eine Chance, egal was Shadow Chie ihnen noch entgegen schleudern sollte. „Was seid ihr nur für Dummköpfe? Warum beschützt ihr sie so sehr? Sie ist doch nichts als ein Häufchen Elend!“ Shadow Chie konnte nicht es nicht glauben, als sie auf die Kämpfer sah, die schwer sich schwer atmend erneut für einen weiteren Angriff sammelten. Yosuke und Otome hatten sie unentwegt angegriffen und obwohl Shadow Chie nicht einmal zu wanken schien, nagte diese Welle an Angriffen auch bereits an ihren Kräften. „Warum wir sie beschützen? Weil Chie unsere Freundin ist!“ Auch wenn die Worte Yosukes ein wahres Klischee waren, stimmten sie doch. Selbst Otome empfand so, auch wenn sie Chie noch nicht so kannte. Aber sie hatte mit ihrer Mitschülerin schon einiges mehr erlebt, als man es nur mit treuen Kampfgefährten tat. Noch dazu war es Chie gewesen, die sie als erste angesprochen und Kontakt zu ihr aufgenommen hatte. Es war, aus Otomes Sicht an der Zeit, diesen Gefallen doppelt und dreifach zurückzuzahlen. „Du! Die Neue... Ich habe dich durchschaut. Deswegen werde ich dir zeigen, dass du genauso machtlos wie Yukiko bist!“ Lachend hob Shadow Chie ihre Peitsche und machte sich bereit diese auf Otome loszulassen. Otome wusste, dass sie dem nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Selbst mit dem Schwert wäre es ihr unmöglich diesen Angriff auszuweichen. „OTOME!“ Sie spürte einen Druck in ihrer Seite, der sie zu Boden schickte und gleichzeitig aus dem Schussfeld Shadow Chies brachte. Als sie aufsah, erkannte sie Yosuke, um dessen Armen sich das Leder der Peitsche geschlungen hatte und Shadow Chie vor Begeisterung erzittern ließ. „In die Falle gegangen!“, lachte sie hysterisch und beschwor einen Angriff, durch ihre Peitsche, die wie ein Leiter wirkte. Zu spät erkannten Otome und Yosuke, dass Shadow Chie all das geplant hatte und sie ihr gnadenlos in die Falle gegangen waren. Otome konnte selbst nur m ansehen, wie die volle Macht des Angriffes auf Yosuke wirkte. Schreiend, brach der Junge zusammen, ließ seine Kunai fallen und war den Angriffen Shadow Chies ausgeliefert. „Weißt du, Yosuke. Ich habe dich schon immer gehasst. Du bist wirklich eine Qual. Immer so Happy go lucky. Du schleimst dich überall ein, ohne es wirklich ernst zu meinen. Ich habe mich nur mit dir abgegeben, um dich von Yukiko fernzuhalten und jetzt werde ich dich beseitigen, damit du nicht mehr den großen Helden für die Neue spielen kannst.“ Das hysterische Lachen des Shadows hallte durch den Raum, als sie ihre Peitsche hob und den Schwanz immer wieder auf Yosuke sausen ließ, der gelähmt von dem elektrischen Schlag, keine Chance hatte dem auszuweichen. Otome sah fassungslos auf Yosuke, der ächzend am Boden lag und immer wieder versuchte auf die Beine zu kommen. Ihm war der Schmerz den er empfand auf dem Gesicht geschrieben. Schmerzen die er empfand, weil er sie gerettet hatte und sie war gerade so unfähig ihn zu retten. Einfach weil ihr die Kraft fehlte. Sie war schwach. Wäre Miwako hier gewesen, sie hätte wie paralysiert mit ansehen müssen, wie ihre einzige, wahre Freundin von einem unwirklichen Monster umgebracht wurde. Nimm die Snuff Soul. Kaum dass sie die Stimme Izanagis in ihrem Kopf hörte, glitt ihre Hand in den Beutel. Aber konnte Izanagi wirklich etwas tun? Konnte er, wenn sie ihre seelischen Schmerzen linderte wirklich Yosuke retten? Unsicher hielt Otome inne, während die Schreie Yosukes den Saal erfüllten und ihr durch Mark und Bein ging. Wenn sie versagte, würden sie beiden sterben. Doch wenn sie nichts taten, würden sie auch sterben. Es war demnach egal was sie tat. Sie würden hier nicht mehr lebend herauskommen. Das ist aber nicht die Otome die ich kenne. Hast du es schon vergessen? Es ist erst vorbei, wenn es wirklich vorbei ist. Und momentan ist hier nichts entschieden. Ein kalter Schauer fuhr Otome über den Rücken, als sie so klar und deutlich eine andere männliche Stimme hörte, die nicht zu Izanagi gehörte. Sie war ihr vertraut und doch flüsterte ihr ein Teil ihres Unterbewusstseins zu, dass diese Stimme nicht real sein konnte. Dennoch, konnte Otome den Reflex nicht verhindern, der dafür sorgte, dass sie sich umsah um den Urheber dieser Stimme auszumachen. Jetzt benutze schon die Snuff Soul. Du bist die einzige, die ihn jetzt noch retten kann. Warum vertraute sie dieser Stimme? Warum war sie so glücklich sie zu hören? Das waren Fragen die Otome nicht beantworten konnte. Aber diese Stimme war der letzte Push den sie brauchte, um sich ihre Sache sicher, die Snuff Soul aus dem Beutel um ihrer Hüfte zu ziehen und ihre seelischen Schmerzen von diesen zu absorbieren zu lassen. Als die kleine blaue Kugel genug von ihrer Aufnahmekapazität verbraucht hatte, zerplatzte sie in Otomes Hände. Sie würde nicht versagen, denn sie durfte es nicht. Wenn sie aber zweifelte, würde kein Weg an einer Niederlage vorbeiführen. „Izanagi! Zerstör die Peitsche!“ Aktuell würde ihre Kraft reichen, um mit Izanagi gemeinsam den Kampf gegen Shadow Chie führen zu können. Allerdings war Shadow Chie nicht ganz so angeschlagen wie sie und Yosuke. Doch wenn sie Yosuke irgendwie heilen könnte und er noch genug seelische Kraft beschwören um Jiraiya zu rufen um mit ihr zusammen Shadow Chie zu vernichten. Allerdings... Sie hatte weder Pfirsiche noch einen Seelentropfen bei sich, um irgendetwas zu drehen, dabei brauchte sie so dringend etwas um Yosuke noch zu unterstützen, während Izanagi für die Ablenkung sorgte. Ruf meinen Namen. Da war sie wieder diese Stimme. Die Stimme die ihr versprochen hatte zu helfen, wenn sie nur ihren Namen rief. Aber sie kannte den Namen nicht. Woher sollte sie ihn auch kennen? Woher sollte sie wissen, was für eine physische Form dieses Wesen hatte? Du kennst mich und meinen Namen. Erinnere dich und sage ihn. Angestrengt dachte Otome nach. Hatte sie Recht? Hatte die Stimme wirklich Recht und sie wusste wer sie war? Nur woher? Wann hatte sie die Stimme schon einmal gehört? Klar und deutlich hörten Otome und das Wunderkind die Hunde hinter sich. Vollkommen außer Atem liefen sie durch die Dunkelheit der Nacht, wissend, dass in wenigen Minuten eine Stunde beginnen würde, in der sie genügend Abstand zwischen sich und ihren Verfolgern bekommen würden. „Ich kann nicht mehr...“, keuchte Otome und umklammerte die Hand des Wunderkindes fester um ihn nicht zu verlieren und wieder in die Gewalt dieser Irren zu gelangen. Sie wollte nur weg von dieser Anstalt, dieser Schule, die vor wenigen Minuten in die Luft geflogen war. In der Ferne hörte sie die Rufe der Wächter, die gerade einen ihrer Mitgefangenen erwischt hatten und Otome wollte sich gar nicht ausmalen, was sie nun mit ihnen machten. „Halte durch. Ich helfe dir. PIXIE!“ Es schien ihrem Freund nicht schwer zu fallen, auch mitten im Lauf und am Ende seiner Kräfte dennoch eine Persona zu beschwören. Seine kleine Fee, die sie schon im Feuer vor dem schlimmsten bewahrt hatte. Und gerade jetzt heilte sie ihren Körper und gab ihr die Kraft noch länger durchzuhalten. Es durchzog Otome wie einen Geistesblitz. Genau, sie wusste den Namen und sie kannte auch die Stimme des Wesens, ebenso ihre Gestalt. Es musste jetzt nur noch schnell gehen, denn im Gegensatz zu dem Wunderkind in ihren Erinnerungen konnte sie keine zwei Personas auf einmal beschwören. Mit einem Blick auf ihre Persona, zog sie Izanagi zurück und machte sich bereit für die neue Beschwörung. Im Geiste rief sie den Namen der Persona die jetzt noch das Blatt wenden konnte. „Pixie, heile Yosuke mit Dia!“ Es war ihre einzige Möglichkeit und sie durfte nicht verpuffen, weil Shadow Chie ihre Aufmerksamkeit nun wieder auf sie gerichtet hatte. Der Kampf gegen Izanagi hatte sie schon etwas an Kraft gekostet, doch es würde Teamarbeit benötigen um ihr endgültig den Gar auszumachen. „Mach dich nicht über mich lustig... Ihr seid ein Nichts im Gegensatz zu mir!“ Wieder holte Shadow Chie mit der einzigen Waffe aus, die sie hatte. Ihre Peitsche. Sie wollte Pixie daran hindern Yosuke genug Kraft zum stehen zu geben, doch da hatte sie die Rechnung ohne Otome gemacht. Ohne zu zögern stellte sie sich vor ihren Freund und ihre Persona und blockte mit dem Schwert den Hieb der Peitsche ab, deren Schwanz sich um ihre kühle Schwertschneide schlang. „Ihr seid so dumm, ihr macht denselben Fehler immer wieder“, lachte Shadow Chie hysterisch und ließ einen elektrischen Stoß durch ihre Waffe gleiten. Otome machte sich für den Schmerzt des Schlages bereit, doch sie spürte nichts. Es schien fast so, als kamen die elektrischen Stöße nicht einmal bei ihr an. „W-Was?“ Genauso überrascht wie Otome, sah Shadow Chie das an. Unfähig so schnell auf den Sturm zu reagieren, der sie erfasste und zu Boden schleuderte. „Jetzt, mit allem was wir haben!“ Kurz sah Otome hinter sich zu Yosuke, der wieder auf den Beinen stand und schwer atmend zu Otome sah. Neben ihn schwebte seine Persona Jiraiya, die bereit war noch einige weitere Angriffe auszuführen. „Warum? Warum beschützt ihr sie?“ Keuchend kam Shadow Chie wieder auf die Beine, doch sie schwankte bedrohlich, was deutlich machte, dass nicht mehr viel fehlte um sie zu besiegen. „Warum? Weil sie mehr ist! Weil sie es wert ist, deswegen. Es ist doch egal ob Yukiko femininer ist, oder ob die Jungs sich nur für sie interessieren. Das ändert doch nichts daran, dass Chie selbst auch wichtig ist. Ebenso ihr Leben. Und wenn sie in Gefahr ist, werden wir nicht einfach nur wegsehen und sie sterben lassen. Sie ist schließlich unsere Freundin!“ Otome wusste nicht, woher es kam, aber es fühlte sich richtig an, eine große Rede zu schwingen und klar zu machen, dass sie nicht eher gehen würden, bis Chie gerettet war. „Es tut mir ja leid, dass Chie sich deiner schämt, auch wenn es keinen Grund dafür gibt. Denn ich weiß, dass ihre Freundschaft zu Yukiko mehr als nur Mittel zum Zweck ist. Zwar mögen diese Gedanken auch ein Teil ihrer Freundschaft ausmachen, aber nicht nur. Chie kennt so viele Geheimnisse von Yukiko, sie verbringen ihre Freizeit miteinander und wenn etwas nicht stimmt, dann sorgen sie sich umeinander. Was soll also so schlimm daran sein, aus niederen Zwecken eine Freundschaft zu haben, wenn es dennoch eine wahre Freundschaft ist, die aus Geben und Nehmen besteht? Nichts! Denn wir alle schließen Freundschaften mit einem Sinn dahinter. Um jemanden näher zu sein, um nicht einsam zu sein, um etwas über jemanden zu erfahren, aus Dankbarkeit. Es gibt so viele Gründe, aber diese werden niemals definieren, was in Zukunft aus dieser Freundschaft werden kann!“ Otome hatte genug nachgedacht. Ihre Freundschaft zu Miwako war nicht einfach nur eine Zweckbeziehung. Sie beide kannten Dinge über den anderen, die Außenstehende nicht kannten. Auch wenn immer dieser eine Zweck hinter ihrer Freundschaft stand, würden sie doch wahre Freunde bleiben. „Richtig! Und deswegen, lassen wir nicht zu, dass du Chie schadest. JIRAIYA!“ Mit entsetzen sah Shadow Chie, dass Yosuke seine Persona beschwor. Sie ahnte was kommen würde und dass sie sich dagegen nicht mehr verteidigen konnte. Es war nur noch das Auge des Wirbelsturmes, das sie erblickte, als sie von ihm erfasst und zu Boden geschickt wurde. „Jetzt! Mit allem was wir haben!“ Mit seinen gezückten Kunais und mit ihrem erhobenen Schwert, stürmten Otome und Yosuke auf Shadow Chie zu und beschworen ihre Personas erneut, um ihr endgültig, mit vereinten Kräften den Rest zu geben. Der Shadow sah nur noch die Klinge von Otomes Schwert, als er seinen letzten Atemzug tat und sich in Chies Ebenbild zurück verwandelte. Erleichtert sahen Yosuke und Otome, dass es endlich vorbei war. Rücken an, einander stützend, sanken sie zu Boden und atmeten tief auf. Sie brauchten erst einmal eine Pause, denn dieser Kampf hatte wirklich schwer an ihren Reserven genagt. „Endlich...“, wisperte Yosuke erleichtert und atmete tief durch. Es war dieser Moment, in dem Otome verstand, wie erschöpft Yosuke wirklich gewesen war. Auch wenn sie das vorher schon geahnt hatte, war es Yosuke scheinbar nicht schwer gefallen, seine Müdigkeit zu verbergen. „Hey... Otome... ist alles okay? Ich meine... Das vorhin war unglaublich. Du hast mein Leben gerettet. Alleine wäre ich wohl gnadenlos unterlegen gewesen.“ Verwundert sah Otome zu einer Wand, die ihr gegenüber lag. Sie selbst hatte nicht das Gefühl wirklich viel für ihn getan zu haben. Er hatte ihr immerhin schon dreimal das Leben gerettet, wenn sie richtig gezählt hatte. „Danke dir auch. Ohne dich... Nun, ohne dich wäre ich nicht einmal bis hier her gekommen. Du bist echt ein Held, Yosuke Hanamura.“ Obwohl Otome Yosuke nicht sehen konnte, sah sie vor ihrem inneren Augen förmlich sein verlegenes Lächeln. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie ihn loben würde. Nicht, nachdem sie ihn heute so eine Standpauke gehalten hatte. „Ach, das... das ist schon okay. Das hätte jeder in meiner Situation getan.“ Ein leises Glucksen entkam Otomes Kehle. Yosuke war in diesem Punkt wirklich unglaublich. Unglaublich wie ein wahrer Held, der seine Taten runter spielte und damit bescheiden blieb. Eine Eigenschaft, die für Otome ihren Klassenkameraden in ein besseres Licht rückte. „Schauen wir nach Chie...“, erklärte er schließlich noch schnell und erhob sich vom Boden. Er wollte dieser Situation, die positiv unangenehm war, entfliehen und Chie war dafür die beste Ausrede. Erschöpft öffnete Chie die Augen und sah sogleich in Yosukes und Otomes erleichtertes Gesicht. Nur beschwerlich kam die Erinnerung, was geschehen war, wieder zusammen mit dem Gefühl der Scham und Angst. „Chie! Geht es dir gut?“ Sie hörte deutlich die Erleichterung in Yosukes unsicherer Stimme. Er schien sie nicht zu verurteilen. Im Gegenteil, er schien aufrichtig besorgt um sie zu sein. Doch wieso? Waren ihre Erinnerungen falsch? „Was ist passiert?“, fragte sie unsicher und erhob sich. Schnell erkannte sie, dass ihre Erinnerungen nicht falsch war. Denn dort stand sie. Ihr anderes Ich, dass sie erwartungsvoll, fast schon traurig fixierte und scheinbar auf etwas zu warten schien. „Was ist los? Hast du jetzt nichts mehr zu sagen?“ Es war seltsam ihr anderes Ich, dass sie einfach nicht akzeptieren konnte, so ruhig zu sehen. Immerhin hatte sie sie zuvor so herausgefordert. So provoziert und nun schien ihr Ebenbild seine Zunge verschluckt zu haben. „Chie!“ Sie zuckte zusammen, als sie Yosukes mahnende Worte hörte. Hatten die beiden sie etwas durchschaut? Kannten sie nun ihre intimste Seite? „Lass es gut sein.“ Sie hatte alles erwartet, aber nicht diese Worte. Sie sollte es gut sein lassen? Sie sollte einfach so ignorieren, was die andern beiden gesehen hatten? Sie sollte dieses Ich akzeptieren, dass Yukiko nur als Mittel zum Zweck benutzte? Das konnte sie nicht. Enttäuscht, senkte Chie ihren Kopf. Sie wagte es nicht einmal mehr ihr Ebenbild anzusehen. Es war unangenehm und wegzusehen war da die einfachere Option. „Chie, du bist mehr als das. Doch, wenn du deinen Blick von dieser unangenehmen Seite deiner selbst abwendest, wie willst du dann erkennen, dass dich mehr ausmacht als diese eine? Um das Gute zu sehen, darf man seinen Blick auch nicht von den Schlechten abwenden.“ Chie war wirklich verwundert, als sie Otomes Hand auf ihrer Schulter spürte. Obwohl sie ihre Trainingsjacke trug, konnte sie die Wärme spüren, die von ihr ausging. Die Kraft, die sie brauchte um den Kopf zu heben und in die goldgelben Augen ihres anderen Ichs zu sehen. „Ja... ich verstehe es. Du bist ich... Eine Seite von mir, der ich nicht verzeihen konnte. Die ich versuchte zu ignorieren. Und dennoch existierst du. Du bist ein Teil von mir.“ Erleichtert ließ Otome ihre Hand von Chies Schulter gleiten, als sie erkannte, dass ihre Klassenkameradin endlich bereit war ihr anderes Ich zu akzeptieren. Sich zu akzeptieren wie sie war. Wie schon bei Yosuke, konnte Otome beobachten, wie aus dem Shadow eine Persona wurde, ein treuer Helfer und in späteren Kämpfen vielleicht eine nützliche Verstärkung. „Tomoe Gozen...“, wisperte Chie und legte ihre Hand auf ihre Brust, als würde sie dort den Herzschlag ihrer neuen Kraft, ihrer Persona spüren. Und doch hatte Chie noch nicht alles gesagt. Immerhin, hatten Otome und Yosuke alles gehört. Alles das, was sie war, aber was sie nicht richtig erklären konnte. Ich... nun... Es ist wahr, dass ein Teil von mir so empfindet. Aber ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass Yukiko meine Freundin ist!“ Verwundert sah Otome zu Yosuke, der scheinbar verstand, was in Chie gefahren war. Denn auf seinem Gesicht zeichnete sich ein grinsender Ausdruck ab, der es Otome schwer machte ihren Mitschüler zu deuten. „Als ob wir das nicht wüssten“, feixte Yosuke, doch sein grinsender Ausdruck wich schnell, als Chie wankte und schließlich auf die Knie sank. Sofort reagierte Yosuke und griff nach Chies Arm, was sie realisierte, als sie ihn ansah. „Schon okay. Ich bin nur etwas müde.“ Das war verständlich. Sie hatte bis vor wenigen Minuten ihre Kräfte mit einem Shadow geteilt, der richtig randaliert hatte. Selbst Otome war müde, wenn auch nicht auf die Art und Weise wie Chie, bei der es nur physisch war und sich auf den Körper auswirkte. Otome und Yosuke hingegen waren sowohl physisch als auch körperlich angeschlagen. „Gehen wir einfach zurück. Chie braucht etwas Ruhe. Wir kommen später wieder, und dann gehen wir alle gemeinsam rein.“ Lächelnd hielt Otome Chie ihre Hand entgegen. Chie verstand sofort was sie meinte und errötete. Sie war so besorgt um Yukiko gewesen, dass sie ihre Abmachung gebrochen hatte und einfach rein gerannt war. Doch jetzt, da sie wusste was für verlässliche Partner sie mit Otome und Yosuke hatte, würde das nicht noch einmal passieren. Dennoch, passte es ihr nicht, dass sie Yukiko alleine lassen sollte, jetzt, da sie ihre wahren Gefühle gehört hatte. „Aber Yukiko ist noch hier. W-Wenn das ihre wahren Gefühle waren, dann muss ich ihr etwas sagen. Ich bin nicht so stark wie sie denkt! Nur weil sie bei mir war... Weil wir immer zusammen waren, konnte ich stark wirken. Wenn sie nicht wäre, dann wäre ich... wäre ich...“ Chie war eindeutig den Tränen nahe. All das, das akzeptieren ihres anderen Ichs, die Erfahrung zu wissen, was Yukiko von ihr hielt, es war einfach zuviel für sie. „Mach dir keine Sorgen, kuma. Du musst dich erst einmal ausruhen. Das alles kannst du Yuki-chan auch später erzählen, kuma. Sie ist immerhin ein normaler Mensch und Shadows greifen normale nicht an. Zumindest nicht solange, wie der Nebel sich nicht gelichtet hat, kuma.“ Vielleicht lag es ja an Kumas Worte, dass sich Chie beruhige, aber mit einem mal, war sie einverstanden, dass sie doch erst einmal eine kurze Zeit ruhten, bevor sie erneut den Kampf gegen die Shadows wagten. „Okay, gehen wir. Yosuke, kümmere dich um Chie, ich hab noch etwas Kraft von der Snuff Soul. Ich werde uns also den Weg freimachen.“ Entschlossen erhob sich Otome von ihrem Platz und hielt ihr Schwert kampfbereit. Yosuke hatte an diesem Tag schon genug getan, deswegen lag es nun an ihr, noch den Rest zu erledigen, bis sie wieder sicher hier draußen waren. **~~** Es war seltsamerweise sehr einfach gewesen zurück zu ihrem Ausgangspunkt mit den Fernsehern zu kommen. Otome war erleichtert, denn so mussten sie nicht mehr um ihre Leben fürchten. Schließlich vermittelte ihr dieser Ort so etwas wie Sicherheit. „Ich... Ich fühlte mich noch schlechter als letztes Mal...“, nuschelte Chie müde, als sie endlich eine Pause machten und sich ausruhten. Sie sah in der tat blass aus und hielt ihre Augen zusammengekniffen, als versuchte sie entgegen ein grelles Licht zu blicken und darin etwas zu erkennen. „Dieser ganze Nebel... mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich platzen.“ Chies Ausdruck im Gesicht erklärte sich nun. Doch gleichzeitig verwunderten ihre Worte Otome. Sie selbst fühlte sich wirklich gut, abgesehen von den körperlichen Blessuren. Yosuke schien es ähnlich zu gehen. Es musste bei ihnen also etwas geben, dass Chie nicht hatte. „Die Brillen. Vielleicht geht es uns deswegen besser als dir!“, platzte es aus Otome heraus. Erschrocken sahen Yosuke und Chie sie an. So einen Ausbruch, dank eines Geistesblitzes, hatte keiner von ihnen von Otome erwartet. Wahrscheinlich hatte Otome es nicht einmal selbst erwartet. Verlegen räusperte sie sich daher und sah an beiden vorbei. „Ich meine... Wir sehen damit ja auch den Nebel nicht. Deswegen müssen wir unsere Augen nicht so sehr anstrengen und... naja es erschien mir als logisch“, verteidigte sich Otome und sah zu Yosuke der nur bestätigend nicken konnte. Es war immer noch unglaublich, wie gut sie mit den Gläsern in dieser Welt sehen konnten. „Oh richtig, kuma! Ich habe auch für dich welche, Chie-chan.“ Stolz und triumphierend zog Kuma irgendwoher das paar Gläser, welches er Chie reichte. Verwundert sah Otome zu dem Bären, denn noch immer fragte sie sich, woher er die Brillen bekam. Sie sah keine Taschen in seinem Kostüm, einfach nichts. „Okay... Als nächstes müssen wir Yukiko retten, bevor der Nebel in unserer Welt sich breit macht. Wir haben zwar noch etwas Zeit, aber wir sollten das dennoch nicht zu weit aufschieben. Allerdings...“ Yosukes Blick ging zu Chie, die trotz der Brille immer noch hundeelend aussah. Sie brauchte eindeutig eine Pause. „In Ordnung, von morgen an versuchen wir so oft wie möglich nach der Schule hier herzukommen, das schließt natürlich auch unsere freien Tage ein. Hey, Otome. Würdest du unsere Anführerin spielen? Du bist die erste, die diese Kraft erhalten hat, außerdem kannst du deine Personas wechseln. Ich denke es wäre das beste für unser Ermittlungstempo, wenn wir einfach deinen Weisungen folgen. Was meinst du Chie?“ Schweigend nickte Chie. Sie brauchte nicht lange um für sich zu entscheiden, dass Otome wirklich die richtig war. Eine Wahl, die Otome bezweifelte. Und dennoch, sie konnte nicht anders, als sie in diese erwartungsvollen Blicke ihrer Mitstreiter sah. „Auch wenn ich meine, dass Yosuke vielleicht der bessere Anführer wäre... Ich scheine wohl überstimmt zu sein.“ Damit war ihre Liste für die Kennzeichen einer Protagonistin erfüllt. Sie war die mit der besonderen Gabe, sie war nun die Anführerin, ihr vertrauten Menschen, denen sie selbst viel mehr zutraute als sich selbst. „Ich stimme Yosuke zu. Du bist am besten geeignet. Deinen Fähigkeiten verdanken wir immerhin, dass wir von dieser Welt erfahren haben. Außerdem, wenn du die Befehle gibst, kann ich abends besser schlafen“, setzte Chie nach und versuchte damit alle weiteren Zweifel in Otome zu beseitigen. Jedoch war das unmöglich. Sie war keine Anführerin, zumindest nicht aus ihrer Sicht. Sie war jemand, den man führen musste. So wie diese Person aus ihren schwachen Erinnerungen. Niemals konnte sie eine Gruppe aus drei Leuten so anführen, wie es das Wunderkind getan hatte, auch wenn sie ihm nun ein Stück näher war. „Ich stimme auch Yosuke zu, das Sensei unsere Anführerin wird. Wenn Sensei die Befehle gibt, kann ich abends besser schlafen, kuma.“ Die drei hatten sich doch wirklich gegen sie verschworen. Wie sollte sie da wirklich noch Nein sagen? Sie hatte somit keine andere Wahl. Das Vertrauen ihrer Freunde wollte sie nicht enttäuschen, indem sie ihre Bitte ablehnte. Im Gegenteil, es ehrte sie sogar in gewisser Weise. Ihr seiet Ih... und Ih seiet Ihr... Ihr habet einen neuen Bund geschlossen Er bringet euch näher zur Wahrheit. Ihr seiet gesegnet, wenn ihr Personas des Narren beschwört. Dieses wohlige Gefühl, gefolgt von Izanagis Stimme. Es war einfach wohltuend, vor allem da sie wusste, dass sie nun zwei Menschen gefunden hatte, mit denen sie zusammen ihr Versprechen gegenüber Kuma halten konnte. Keiner von ihnen, war in dieser Gruppe alleine und würde es auch niemals sein. **~~** Otome konnte nicht ganz beschreiben, was das war, aber die Stimmung beim Abendessen war wirklich bedrückt. Schweigen herrschte am Tisch und außer der Töne des Fernsehers gab es wirklich keinen Ton. Gekauftes Essen und der Fernseher, dass war eine Kombination, die Otome abgrundtief hasste. „Hey, was dagegen wenn ich dich etwas frage?“ Erwartungsvoll sah Otome zu Dojima. Sie hatte nichts gegen eine Frage, solange es die Stimmung auflockern und die Atmosphäre verbessern würde. „Du... wirst doch nicht in seltsame Dinge hineingezogen, oder? Was im Revier passiert ist.. nun es beschäftigt mich noch. Gibt es da vielleicht etwas, dass du mir erzählen willst?“ Natürlich gab es viel, was Otome am liebsten ihrem Onkel erzählt hätte. Soviel, dass sie nicht konnte, weil er es ihr sowieso nicht glauben konnte. „Nein. Ich habe nur überlegt, ob ich nicht wieder Kendo trainiere. Zusammen mit Yosuke.“ Überrascht von sich selbst, wandte Otome ihren Blick wieder von ihrem Onkel ab. Es war seltsam, wie leicht es ihr fiel ihren Onkel zu belügen. Eigentlich war das vollkommen Klischee. In diversen Animes belogen die Jugendlichen auch immer ihre Eltern um hinter deren Rücken die Welt zu retten. Zumindest ging das meist solange gut, bis die Eltern das bemerkten. Klar war eines, Dojima durfte es nicht merken und es würde schwer fallen, die Wahrheit vor ihm zu verbergen, immerhin war er eine Spürnase. Er hatte jetzt schon bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Wie sollte sie also so tun, als sei alles okay, als würde sie ihr normales Schülerleben leben? „Was ist los? Streitet ihr beide?“ Synchron sahen Otome und Dojima zu Nanako, die ihr Gespräch und seine Ernsthaftigkeit bemerkt hatte. Erstaunlich dafür, dass sie förmlich vom Fernseher vollkommen in Beschlag genommen waren. „Nein, wir streiten nicht“, gab Dojima schnell zur Antwort und sah seine Tochter entschuldigend an, die gleich zu verstehen gab, dass sie hier die Frau im Haus war. „Das hier ist nicht das Polizeirevier...“, mahnte sie ihren Vater, dem sofort ein verlegener Schimmer auf den Wangen erschien. Dennoch konnte Dojima das Thema noch nicht ganz ruhen lassen. Wobei er auch nicht eine weitere Standpauke von Nanako kassieren wollte, und sich deswegen zu diesem Thema kurz fasste. „Ich habe zugestimmt, auf dich aufzupassen. Also misch dich bitte nicht in Dinge ein, die dich in Schwierigkeiten bringen können, okay?“ Otome nickte, auch wenn sie seinen Hinweis nicht ganz verstand. Meinte er damit, dass Yosuke ein schlechter Umgang für sie war? Dachte er das wirklich vom Sohn des Managers vom Junes? Das Fertigmahl war verputzt und Otome war wieder gestärkt. Sie war froh darüber, denn nun konnte sie etwas tun, was sie die letzten Tage einfach verpasst hatte. Raus in die Freiheit gehen und sich ihre neue Heimat ansehen. Leise ein Lied summend, dass dem aus dem Velvet Room glich, band sich Otome die Schnürsenkel ihrer Schuhe zu und machte sich bereit den Abend noch ruhig bei einem erkundenden Spaziergang ausklingen zu lassen, bevor am nächsten Tag wieder der Ernst des Lebens begann. „Und wo glaubst du, wirst du hingehen?“ Otome zuckte zusammen, als sie Dojimas mahnende Worte hörte. Sie ahnte bereits, dass er damit nicht einverstanden war. Der Ton seiner Stimme machte ihr das deutlich. Gleichzeitig verwunderte sie das aber. Sie war immerhin kein kleines Kind mehr und selbst in der Großstadt war es nichts besonderes, wenn sie abends noch mal joggen ging, oder mit Miwako in einen Club. „Hör zu, ich sage dir das nur einmal. Es mag ja für Kinder wie dich, in der Großstadt normal sein, abends noch herumzustrolchen, aber dies hier ist die Kleinstadt. Deine Mutter hat mich dir anvertraut. Ich weiß auch, dass du kein Kind mehr bist und ich dir einfach vertrauen muss, wenn du nicht in meiner Nähe bist, aber ich kann dich so spät am Abend nicht mehr rauslassen. Verstehst du was ich sagen will? Geh abends nicht raus, wenn es nicht zwingend notwendig ist.“ Damit war auch diese Gelegenheit verstorben heute am Abend noch einmal einen kleinen Rundgang, mindestens bis zum Samegawa River zu machen. Enttäuscht und wütend auf Dojima, zog sich Otome ihre Schuhe wieder aus. Dieses Jahr, wurde gerade von Tag zu Tag schlimmer. Andere Welten, Monster, Kämpfe gegen das Ich andrer Personen... Und nun noch ein überfürsorglicher Onkel der ein Polizist war. Schlimmer konnte das wirklich nicht mehr werden. „Telefon für dich...“, erklärte Nanako, die an das klingelnde Telefon gegangen war, weil ihr Vater viel zu beschäftigt mit einer weiteren Standpauke für Otome war. Verwundert sah Otome zu ihrer Cousine auf, die ihr das Telefon reichte und kurz darauf wieder ins Wohnzimmer zu dem Fernseher ging. „Narukami Otome...“ „Ich bin es, Morooka. Ich habe hier etwas für dich und wollte es vorbeibringen, aber mir ist etwas dazwischen gekommen. Hol es dir gefälligst selbst ab. Und falls du dich fragst, wo ich gerade bin... Wo war das gleich... ahja... vor der Tankstelle in der Einkaufsmeile. Pronto Pronto!“ Angewidert verzog Otome das Gesicht, als sie die Stimme ihres „liebsten“ Lehrers hörte. Das hatte ihr an diesem Abend wirklich noch gefehlt. Noch dazu klang ihr Lehrer leicht bis schwer angetrunken und sie hatte nicht vorgehabt ihn im angetrunkenen Zustand kennenzulernen. Dennoch, sie hatte keine Wahl. King Morons Befehle waren Gesetz. Wobei dieses Gesetz vielleicht sogar ihren Onkel davon überzeugen konnte, dass sie doch noch dieses Haus verlassen durfte. „Wer war das?“ Dojima war wie Otome zuvor verwundert, wer um diese Uhrzeit noch anrief, vor allem auf dem Festnetztelefon. Er ging schließlich davon aus, dass ihre Freunde allesamt ihre Nummer hatten und sie deswegen über ihr Handy kontaktieren würden. „Mein Klassenlehrer hat mich angerufen. Er will mich sofort sehen. Darf ich doch noch raus, Onkel?“ Erwartungsvoll sah sie Dojima an, dem sei genau anmerkte, dass es in seinem Kopf arbeitete. Er wog ab, ob ihr Klassenlehrer wichtig genug war, um ihr diesen Ausgang zu erlauben. Denn, auch wenn er behauptete ihr zu vertrauen, tat er es doch nicht. Sie war jung, in einem Alter, in dem er ihre Mutter gesehen hatte, die immer dann wenn man ihr die Gelegenheit gegeben hatte, durch die Weltgeschichte gestreunt war und sich nicht an Abmachungen gehalten hatte. „Dein Klassenlehrer? Du bist erst neu hier und hast schon... Nein... ich meine... wir reden hier von dir.“ Was auch immer Dojima dachte, es gefiel Otome nicht, denn es zeigte nur, dass er ihr wirklich gar nicht vertraute. „Also schön, aber du kommst so schnell wie möglich wieder nach Hause.“ Innerlich stieß Otome einen Freudenschrei aus, als sie die Genehmigung ihres Onkels bekam. Sofort, und das schneller als zuvor, zog sie sich wieder ihre Schuhe an und floh förmlich aus dem Haus in die Freiheit. „Dein Rock ist zu kurz. Was hast du damit denn vor? Willst du kleines Flittchen den Männern den Kopf verdrehen?“ Schon von weitem hörte Otome ihren Lehrer, der scheinbar angetrunken auf jemanden einredete. Sie erkannte auch schnell Morooka, der vor einem Mädchen in Schuluniform stand und ihr scheinbar eine Standpauke hielt. Etwas, dass Otome wunderte, denn der Rock des Mädchens war nicht kürzer als ihr eigener und denn hatte sie so gekauft wie er war. „Ich werde dich sofort nach Hause bringen, denn hier wird nicht getrödelt, morgen beginnt die Schule wieder. Nenn mir sofort den Namen deines lausigen Klassenlehrers. Dem werde ich was erzählen, dass er euch Bälgern nicht genug Disziplin einhämmert.“ Je näher Otome kam, desto deutlicher erkannte sie auch das Mädchen, dass bei Morooka war. Sie war eindeutig eine ihrer Klassenkameradinnen, was eindeutig dafür sprach, das ihr Klassenlehrer wirklich schon einen zuviel über den Durst getrunken hatte. „Ich sagte Ihnen doch bereits, dass ich gerade auf meinem Weg nach Hause war!“ Verärgert darüber, dass sie von ihrem Klassenlehrer aufgehalten wurde, versuchte ihre Mitschülerin sich von Morooka loszulösen, damit sie endlich ihre Einkäufe nach Hause bringen konnte. Otome entschied, dass sie ihr die Chance geben sollte, indem sie die Aufmerksamkeit auf sich zog und holte, was Morooka ihr geben wollte. „Morooka-sensei? Ich bin hier. Sie wollten mir etwas geben.“ Vorsichtig hatte sich Otome dem seltsamen Paar genähert und ihren Klassenlehrer angesprochen, der erschrocken und ertappt herumfuhr. Was auch immer er dachte, er lag definitiv falsch. „Ah, richtig, du bist schneller hier als ich dachte...“, nuschelte er leise und hob vom Boden eine weiße Tüte auf, die er Otome entgegen hielt. Verwundert nahm sie ihm diese ab und sah hinein, wo sie ihre Uniform für den Sportunterricht erkannte. Es verwirrte sie, denn wenn sie ehrlich war, hätte er ihr das auch noch am nächsten Tag geben können. „Hier nimm es und geh nach Hause. Ich werde dieses Flittchen nach Hause bringen.“ Entschuldigend sah Otome zu ihrer Mitschülerin, die den Gedanken, dass ihr Klassenlehrer sie nach Hause brachte, schon jetzt verabscheute. Mehr außer den beiden nachzusehen konnte Otome aber nicht, immerhin musste sie selbst noch ihre Freiheit genießen. Die Freiheit... war hier in Inaba langweilig. Otome verstand nicht einmal mehr, warum sie unbedingt nach draußen wollte. In Inaba, oder vielmehr in der Einkaufsmeile war absolut nichts los. Bis auf eine kleine Bar, die wohl tagsüber das Shiroku war, hatte jeder Laden dicht gemacht und den Jugendlichen dieser ländlichen Gegend jegliche Chance auf eine Freizeitbeschäftigung genommen. Doch nach Hause zu Dojima wollte Otome noch nicht. Deswegen entschied sie, sich etwas in der Bar umzusehen, in der sie gleich die Besitzerin in einem knallengen, auffällig und durch ihren rundlichen Körper ausgebeulten, roten Lederkleid sah. Ihr Magen rebellierte kurz gegen diesen Anblick, doch was sollte sie tun. Die Gäste, die hier saßen, ebenso der Kellner, schienen an dieses Bild gewöhnt zu sein, weswegen Otome einfach versuchte die unerotische Absurdität dieses Outfits zu ignorieren. Abgelegen von den anderen, platzierte sich Otome in eine Ecke und nahm sich die Karte. Es gab Unmengen an Drinks, von denen sie noch nie gehört hatte. Alkoholische und Alkoholfreie. Es gab kein Thema, sondern einfach nur eine Auswahl, bei der für jeden etwas dabei war. „Du bist etwas zu jung, um hier zu sein, oder?“ Otome sah von ihrer Karte auf, zu dem Kellner, denn sie beim eintreten noch hinter der Theke gesehen hatte. Seine schwarzen strähnigen Haare, hingen ihm ins Gesicht, doch seine eisblauen Augen stachen bedrohlich hervor. Auf seinen schmalen Lippen lag ein gefährliches Lächeln, welches Otome nicht zu deuten wusste, doch ihr war klar, dass sie sich vor diesem Mann in acht nehmen musste. „Ich habe nirgends ein Schild gesehen, dass es High School Schülern verboten ist hier zu sein. Außerdem dürfte es nicht illegal sein wenn ich einen Lollipop bestelle, oder?“ Otome weigerte sich, die Worte des Kellners als Rausschmiss zu sehen. Sie tat nichts falsches, davon war sie überzeugt, noch dazu war es nicht so spät, dass sie als Jugendliche Ausgangssperre hatte. Und ein Lollipop bestand ohne Alkohol. Nur wegen dieser Sicherheit, konnte sie dem Blick des Kellners standhalten, der sie erst verwundert ansah, doch schließlich verspielt lächelte. „Einen Lollipop... Kommt sofort.“ Misstrauisch sah Otome dem Kellner nach, der wieder hinter in Richtung des Tresens ging und hinter diesem verschwand. Eine bedrohliche Aura ging von ihm aus und mahnte Otome zur Vorsicht. Sein Lächeln, es war das eines Teufels gewesen, was ihr sagte, dass sie den Lollipop besser mit Vorsicht genoss. Auf ihrem Weg nach Hause war Otome mehr als erleichtert, dass der diabolische Kellner nichts alkoholisches in ihren Drink gemacht hatte. Dennoch war ihr nicht wohl bei der Sache, wie er sie angesehen hatte, als sie gegangen war. Schon bei der Erinnerung daran, lief es ihr kalt den Rücken runter. Ein Gutes hatte es aber, der Drink hatte ihren Magen gefüllt, ein paar Lebensgeister geweckt und war vielleicht der Grund, warum sie heute gut schlafen würde. Noch dazu war der Lollipop einfach der Hammer gewesen. So leise wie möglich, denn Otome war sich sicher, dass Nanako bereits im Bett lag und schlief, öffnete sie die Tür zu Dojimas Haus und sah sogleich in das ernste Gesicht ihres Onkels, der am Eingang saß und sie fixierte. Das war nicht gut. Er hatte auf sie gewartet, denn allen Anschein nach war sie zu lange weggeblieben. „Was wollte dein Lehrer von dir?“ Otome war noch nicht einmal richtig Zuhause und schon fühlte sie sich wie in einem Verhör. Dojima wusste, denn er hatte sie durchschaut, dass sie nicht sofort nach dem Treffen nach Hause gegangen war, doch das war ein Fakt, den er nicht aussprach. „Hier... Die Uniform für den Sportunterricht...“ Es war nun an Otome ihren Onkel misstrauisch anzusehen, denn sie machte sich auf ein Donnerwetter gefasst. Die Logik widersprach immerhin ihrem unpünktlichen Erscheinen und just in diesem Moment bereute Otome, dass sie diesen Lollipop getrunken hatte. „Das hätte er dir auch in der Schule geben können“, brummte Dojima und erhob sich von seinem Platz. Die Standpauke blieb aus, obwohl ihm klar war, dass sie nicht auf dem direkten Weg nach Hause gekommen war, ließ er es dabei. Vielleicht, weil seine große Schwester nicht anders gewesen war und Otome eben voll und ganz, ihre Tochter war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)