My other Self von Erenya (Persona 4 Golden mit weiblichen MC) ================================================================================ Kapitel 5: Izanagi ------------------ April 15 Wo war sie? Wohin wollte sie? Wer war sie? Das Mädchen wusste es nicht. Sie irrte einfach ziellos umher. Sie wusste nicht einmal wie sie hierher gekommen war. Alles was sie sah war Nebel. Und es machte ihr Angst. Dieser Nebel, er war so vertraut. Wieso? Es erschien ihr fast so, als würde dieser Nebel sie schon seit ewigen Zeiten begleiten. Verfolgen, wie ein Schatten, den sie abschütteln wollte. Mit einem unwohlen Gefühl schlang sie ihre Arme um den Körper, der bekleidet von einer weisen ärmellosen Bluse war. Sie spürte den samtenen Stoff ihrer schwarzen Krawatte selbst durch die Handschuhe, die ihre Unterarme bedeckten. Sie empfand sich selbst als Seltsam. Wann hatte sie entschieden, dass sie so gekleidet sein wollte? Wo hatte sie diese Sachen gekauft? Wer war sie? Auch das war ihr alles unbekannt. Sie akzeptierte einfach, dass sie war. Alleine, ohne Erinnerungen. Ihre Schritte wurden langsamer. Nicht weil ihre Beine nicht mehr wollten. Sie sah einfach keinen Sinn mehr darin ihre Reise ins Unbekannte fortzusetzen. Sie hatte kein Ziel und damit auch keinen Antrieb auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Was sollte sie schon tun? In einer Welt, die sie nicht kannte. Müde schloss sie die Augen und drückte ihre Arme fester an ihren Körper. Ihr wurde kälter. Und plötzlich, schwand sie, die Kälte, die Einsamkeit einfach alles, was sie bis eben im Inneren bedrückt hatte. Verschwunden, weil eine Melodie ertönte. Eine Musik, die beruhigend war. Eine Arie ihrer Seele. Gefolgt wurde sie von dem leisen Brummen eines Motors. Sie wandte sich um und erkannte die schwarze Limousine, die durch den weißen Nebel wie ein Licht erstrahlte. Neben ihr, blieb sie stehen und eine der hinteren Türen öffnete sich und gab ihr die Möglichkeit einzutreten. Sie zögerte kurz, doch schließlich, weil sie keine andere Alternative hatte, stieg sie ein und erblickte den Mann mit der langen Nase und seine blonde Begleiterin. „Willkommen, im Velvet Room.“ Otome war froh, dass sich der Nebel ihres Traumes gelöst hatte, als sie die Augen öffnete. Sie hatte geträumt, von dieser Limousine und dem Mann, der sich selbst als Bewohner des Velvet Rooms bezeichnete. Noch immer klammerten die Gefühle und Sorgen an ihr, die sie im Traum empfunden hatte. Sorgen die sie nicht haben sollte, von denen sie auch wusste, dass sie falsch waren. Immerhin war es nicht so gewesen. Soviel hatte sie verstanden. Die weiße Bluse, die Armstulpen, der Rock. Sie hatte diesen Kleidungsstil schon einmal gesehen und es war nicht der ihrige. „Seltsam...“, wisperte Otome leise und strich sich eine Strähne zurück. Es hatte sich für sie so real angefühlt, so als wären sie und dieses Mädchen aus ihrem Traum ein und dieselbe Person, oder zumindest einander ähnlich. Dabei wusste sie doch, wer sie war. Sie war Otome Narukami aus Tokyo und sie besuchte die zweite Klasse der High School. Das reichte doch, oder? 'Was bringt es mir, jetzt darüber nachzudenken wer ich bin oder sein will? Ich sollte mich darauf konzentrieren einen guten Abschluss zu bekommen.' Müde schüttelte Otome die letzten Zweifel ihres Traumes ab und schlug die Decke ihres Futons beiseite. Sie spürte die Vibration ihrer knackenden Knochen, als sie sich erhob und diese verkündeten, dass sie auch wieder erwacht waren. Steif schleppte sie sich zu ihrem Tisch auf dem ihr Handy lag und nahm es in die Hand. Ein gewohntes Ritual in der Kleinstadt, dass ihr das Herz brach. 'Fünf Anrufe in Abwesenheit... von Miwako...' Ihre beste Freundin aus der Großstadt hatte ihr Versprechen gehalten und sie war nicht in der Lage gewesen es einhalten zu können. Sie hatte ihren Anruf verschlafen. Sofort, ohne darüber nachzudenken, wählte Otome die Nummer ihrer besten Freundin. Ihr war dieses Mal egal, wie spät es war. Sie wollte einfach mit Miwako reden, ihre Stimme hören und sich dafür entschuldigen, dass sie den Abend zuvor geschlafen und deswegen nicht abgenommen hatte. Dabei war sie es doch gewesen, die sich so unbedingt einen Anruf ihrer Freundin gewünscht hatte. „Der gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht nach dem Ton.“ Otome wusste nicht, wie sie das deuten sollte, ob Miwako ihr Handy ausgeschaltet, oder einfach nur keinen Empfang mehr hatte. Dennoch, sie wollte jetzt nicht aufgeben. „Miwa, ich bin es, Oto. Tut mir leid, dass du mich gestern nicht erreicht hast. Hier passieren ein paar ganz verrückte Dinge. Bitte melde dich noch mal, ich werde dieses Mal garantiert da sein.“ Es war ein stummes Versprechen, das Otome halten wollte. Mit Sicherheit würde sie nicht noch einmal in die andere Welt gehen. **~~** Verwundert sah Otome zu ihrem Onkel, der gerade seine Jacke schnappte und auf dem Weg zur Haustür war. Sie erkannte anhand seines Gesichtsausdruckes, dass etwas passiert war und seufzte innerlich. Es musst schwer sein als Kriminalbeamter und als Tochter von einem. Schließlich war Dojima immer in Bereitschaft. Doch was war mit Nanako, die immer zurückblieb, alleine, erzogen vom Fernseher, ohne eine Mutter die ihr Bentos machte, oder ihr vor dem Schlafen eine Geschichte erzählte. „Ah, du bist wach. Nun ja, ich bin dann mal weg.“ Otome nickte nur schweigend und sah Dojima nach, der zur Haustür ging, wo er eilig in seine Schuhe schlüpfte und schließlich das Haus verließ. Einen guten, familiären Morgen, stellte sich Otome anders vor, doch sie selbst war es nicht anders gewohnt. Auch bei ihr Zuhause gab es selten Gelegenheiten, bei denen sie mit ihren Eltern Frühstücken konnte. Allerdings, im Gegensatz zu Nanako, hatte sie vor der Mittelschule genug solcher Momente gehabt. „Papa hat einen Anruf bekommen... Deswegen musste er gehen.“ Die Worte ihrer Cousine klangen mehr wie ein Tantrum, mit dem sie sich selbst beruhigen wollte, statt Otome irgendetwas zu erklären. Zumindest brauchte es in Otomes Welt keine Erklärung, warum ihr Onkel fluchtartig das Haus verlassen und seine kleine Tochter zurückgelassen hatte. **~~** Monoton tropfte wieder der Regen auf Otomes Schirm, als sie das Haus verließ. Es hatte kurzzeitig mal aufgehört, doch nun schien der Himmel wieder die Menschen zu beklagen. Das hatte zumindest immer ihre Freundin Miwako gesagt, um den Regen zu erklären. Naturwissenschaftliche Fakten waren ihr egal gewesen und Otome hatte diese unbedarften Momente genossen. Einfach normal sein, ohne sich über etwas Gedanken zu machen. Mit Miwako konnte sie richtig abschalten, doch nun hatte sie niemanden mehr. Sie war alleine auf sich gestellt. „Als ich hinsah, sah ich drei Polizeiwagen die vorbeigefahren sind.“ Otomes Gedanken wurden wieder ins Hier und Jetzt gezogen, als sie die Stimmen zweier Mitschüler hörte, die den neusten Klatsch und Tratsch des Morgens austauschten. Es musste wirklich an dem Kleinstadtklima liegen, denn in der Regel blieb Otome nicht einfach stehen und lauschte Dingen, die sie nichts angingen. „Ich habe ein paar Schreie gehört. Aber sonst nichts. Absolut enttäuschend, sage ich dir.“ Mehr Worte brauchte es nicht, um in Otomes Kopf Bilder aufleben zu lassen. Schreie waren immerhin nie ein gutes Zeichen und drei Polizeiwagen schon einmal gar nicht. Noch dazu hatte ihr Onkel früh das Haus verlassen und war wahrscheinlich ebenfalls zum Tatort gerufen worden. 'Die müssen hier wirklich unterbelegt sein, wenn man einem Kriminalbeamten zwei Fälle aufhalst. Als gäbe es keinen anderen...', dachte Otome und ging weiter ihres Weges. Vielleicht sollte sie für die Familie Dojima kochen. Zumindest ihr Onkel konnte gute Hausmannskost nach einem harten Tag vertragen. Da war sich Otome mehr als sicher. Noch dazu freute sich sicher auch Nanako mal von einer Frau aus dem Haushalt bekocht zu werden. Das war mit Sicherheit viel gesünder als die fertigen Bentos, die sie nach der Schule kaufte, weil Dojima selbst keine Zeit und auch kein Talent zum kochen hatte. Wenn Otome es sogar recht bedachte, konnte sie ja nun der weibliche Einfluss im Haushalt werden und Nanako vielleicht etwas von der Familienatmosphäre geben, die sie selbst in ihrem Alter erfahren hatte. **~~** Die Zeit verging und obwohl die Glocke bereits zum Unterricht geläutet hatte, war King Moron immer noch nicht vor Ort. Nervöses Getuschel machte sich in dem Klassenzimmer breit, doch Otome ignorierte das alles. Ihr war egal, warum der Klassenlehrer noch nicht erschienen war. Ihr Blick war auf ihr Handy gebannt, dass sie vor lauter Langeweile aus ihre Tasche genommen hatte, um zu sehen, ob Miwako vielleicht doch noch geschrieben hatte. Doch nichts. Was hatte sie auch anderes erwartet? Mit Sicherheit saß ihre Freundin nun selbst im Unterricht und hörte sich vielleicht die geistigen Ergüsse Descartes an. „Habt ihr heute Morgen auch die Polizei gehört? Ob es was mit dem Mord an Yamano der Nachrichtensprecherin zu tun hat? Ich habe gehört, dass der Täter immer noch nicht gefasst wurde. Beängstigend oder?“ Es war das übliche, dass wohl der Kleinstadttratsch mit sich brachte. Doch gleichzeitig zog sich etwas in Otome zusammen. Etwas, das ausgelöst durch einen Gedanken, eine Erinnerung in ihr Bewusstsein drang. 'Was wenn sie dort in diesem Zimmer gestorben ist?“ Sie steckte ihr Handy wieder weg und sah auf zu Yosuke und Chie. Ob diese beiden dasselbe dachten? Nein! Wild schüttelte Otome diesen Gedanken ab. Sie durfte nicht an diese andere Welt denken. Sie durfte sich nicht aus ihrem normalen Leben reißen lassen. Immerhin wollte sie hier etwas lernen. Oder zumindest das Jahr, bis zu ihrer Rückkehr in die große Stadt, angenehm gestalten. „Achtung, an alle Schüler. Versammelt euch bitte in der Aula.“ Das Getuschel wurde lauter, kaum dass die Ansage der Sekretärin vom Direktor gesprochen war. Es war selten, dass innerhalb des Schuljahres, der Direktor eine Versammlung einberief, von der wirklich niemand wusste worum es gehen sollte. „Man sagt, dass er Ärger bekommen hat, weil er uns zu früh gehen lassen hatte, als es um den Mord an der Nachrichtensprecherin ging. Vielleicht müssen wir nun die nächsten Tage in der Schule nächtigen.“ Belustigtes Gekicher kam von Otomes Klassenkameradinnen. Anscheinend hatte sich schnell das unschöne herumgesprochen, aber wie sollte das auch anders sein. Klatsch und Tratsch jeglicher Art wurde schnell verbreitet. Davor war nicht einmal der Direktor einer Schule gefeit. „Richtig, wir hatten ja keine Eröffnungszeremonie. Gehen wir zusammen in die Aula, Otome. Ich informiere besser auch gleich Yukiko über die Versammlung und frage, wann sie wieder hier sein wird.“ Otome nickte stumm auf Chies Angebot, doch ihr Blick glitt zu Yosuke, der einen tiefen, Trauer erfüllten Seufzer von sich vernehmen ließ. Etwas stimmte mit dem Jungen nicht, dass hatte Otome schnell bemerkt, immerhin war er mit einem Mal so ruhig und zurückhaltend. Eigenarten die sie in den letzten Tagen nicht bei ihm wahrgenommen hatte. Er schien sogar in Gedanken versunken zu sein, weswegen seine Bewegungen etwas monotones, gebrochenes an sich hatten. Schweigend erhob sich ihr Mitschüler und folgte den anderen Schülern seiner Klasse, die sich bereits in Richtung Aula in Bewegung gesetzt hatten. Wirklich niemand wusste, warum diese Versammlung einberufen wurde und es waren die wildesten Gerüchte, die ihr zur Ohren kamen, während Chie mit Yukiko die ein oder andere SMS austauschte. Otome selbst stand vollkommen alleine da, denn Yosuke schien immer noch nicht in der Stimmung zum Reden zu sein. „Yukiko sagt, dass sie nach dem Essen kommt... Ich frage mich, warum es so plötzlich eine Schulversammlung gibt. Hey, was ist los, Yosuke?“ Es grenzte an ein Wunder, dass Chie, die die ganze Zeit mit ihrem Handy und Yukiko beschäftigt war, endlich selbst Yosukes Abwesenheit registriert hatte. Da sie nun endlich die Frage gestellt hatte, die auch Otome die ganze Zeit gequält hatte, horchte sie auf und sah zu ihrem Klassenkameraden, der ungewohnt ruhig antwortete. „Oh, es ist nichts.“ Etwas stimmte ganz und gar nicht. Das war Otome auch nach dieser kurzen Zeit bewusst. Noch dazu lag etwas nachdenkliches, trauriges in Yosukes Stimme. Er schien gerade geistig überall zu sein, aber nicht in der Schule. „Ich... befürchte, dass ich euch eine schreckliche Nachricht verkünden muss. Eine unserer Schüler des dritten Jahrgangs, Saki Konishi-san aus Klasse 3... ist verstorben.“ Unruhe machte sich breit, als die Nachricht laut kund wurde. Otome konnte die Bestürzung spüren sie selbst war nicht weniger betroffen. Immerhin hatte sie Saki Konishi vor zwei Tagen selbst kennengelernt. Es war so unwirklich, dass sie nun Tod sein sollte, obwohl sie zu ihrer Begegnung noch so munter gewesen war. Die Frage, die Otome beschäftigte war, was genau der Schülerin widerfahren war. „Konishi-san wurde heute morgen verstorben aufgefunden... Der Grund für ihren Tod wird noch von der Polizei untersucht. Wenn sie euch um eure Hilfe bitten, fordere ich von euch, dass ihr nur Fakten darlegt.“ Ein stummes Seufzen kam Otome über die Lippen, als sie hörte, was der Direktor weiter zu sagen hatte. Immerhin das, war auch in der Großstadt nicht anders. Natürlich gab es auch an dieser Schule kein Mobbing, wie auch. Alle mochten sich, alle waren Freunde. Otome hatte diese Lüge noch nie geglaubt, denn man musste nur die Augen offen halten und sah wie die Schüler einander behandelte, wenn die Lehrer einmal nicht wagten hinzusehen. Oder nicht hinsehen wollten, um die Verantwortung von sich zu weisen und der Wahrheit zu entkommen. Es war eben einfacher wegzusehen als die Wahrheit und Realität akzeptieren zu wollen. **~~** Die Rede des Direktors war Chie und Otome wie eine Ewigkeit erschienen. Ebenso der Rest der Tages, der deutlich von dieser Neuigkeit beschattet wurde. Die tot aufgefundene Saki war das Thema gewesen und selbst jetzt, nach Schulschluss, schien es nichts zu geben, was wichtiger war. Chie und Otome hatten extra deswegen ihre Klasse verlassen und waren auf dem Weg zum schwarzen Brett, an dem in späterer Zeit die Ergebnisse der Prüfungen aufgehangen werden würden. „Sie ist genauso wie die Nachrichtensprecherin gestorben, richtig? Das ist wirklich gruselig...“ Es war wirklich egal wohin man ging, überall gab es Klatsch und Tratsch. „Jemand sagte, dass die Ursache ein unbekanntes Gift gewesen ist.“ Otome und Chie waren im Gang stehen geblieben und sahen zu den Schülern die gerade so vertieft in ihrem Gespräch waren. Sie belegten die Sicht auf das schwarze Brett, weswegen die beiden geduldig darauf warteten, dass sie endlich gingen. Sie bemerkten nicht einmal andere, die sich an ihnen vorbei schlängeln wollten, oder sie ignorierten sie. „Übrigens, hast du das gehört? Jemand sah ein Mädchen wie Saki in diesem Midnight Channel Ding.“ Otomes Aufmerksamkeit war nun vollkommen erwacht. Auch wen sie sich selten bis nie für Klatsch und Tratsch interessierte, war das doch eine interessante Nachricht. Und erneut ein Hinweis darauf, dass diese Welt etwas mit dem Mord an Yamano zu tun hatte. „Also ehrlich... Es ist wirklich einfach irgendwelche Theorien zu erschaffen, wenn man selbst nicht involviert ist“, murrte Chie und stemmte dabei die Hände in die Hüften. Ihr war die Verbindung zu der Nachrichtensprecherin scheinbar vollkommen verborgen geblieben. Genauso wie die Verbindung zu dieser anderen Welt, in der sie nur einen Tag zuvor gewesen waren. Dennoch, sie hatte Recht. Es war leichter Gerüchte zu verbreiten, wenn man nicht direkt betroffen war, so wie... Otome hielt für einen kurzen Augenblick den Atem an. Nein, sie und Chie waren nicht direkt betroffen, dafür aber Yosuke, der tiefe Gefühle für Saki gehegt hatte. Wenn er seit dem Morgen bereits gewusst hatte, dass sie... Otome wollte das gar nicht weiterdenken. Zumindest erklärte das alles, warum er so geistesabwesend war. „Hey...“ Erschrocken fuhr Otome zusammen, als eben der Junge neben ihr stand, an den sie eben gedacht hatte. Sie war wieder einmal zu sehr in Gedanken versunken gewesen, so dass sie nicht bemerkt hatte, woher der Junge überhaupt gekommen war. „Habt ihr letzte Nacht Fernsehen gesehen?“ Seine Stimme klang ernst und hatte dennoch etwas depressives an sich. „Nicht du auch noch!“ Chie war deutlich genervt, was Otome verstehen konnte. Er war schließlich nicht der erste, der auf diesen Gerüchtezug aufsprang und diesen scheinbar nicht verlassen, sondern noch weiterleiten wollte. Es war unerträglich, doch Yosuke war nicht der Typ, der viel auf Gerüchte gab. Zumindest hoffte Otome das. „Hör mir einfach kurz zu! Etwas hat mich gestört, also habe ich ihn noch einmal gesehen... und... Das Mädchen das ich sah, war Saki-senpai. Ganz ohne Zweifel. Sie sah aus, als würde sie sich winden vor Schmerz und dann war sie plötzlich verschwunden.“ Mit jedem Wort das Yosukes sprach, wurde Otome bewusst, was er sagen wollte. Die Verbindung zu Yamano war bald nicht nur, dass Saki den Leichnam der Nachrichtensprecherin gefunden hatte, sondern auch, dass sie beide auf dieselbe Weise drapiert worden waren. Mit einem Zufall rechnete sie da nicht. Nicht nur sie bemerkte diese Verbindung, auch Yosuke war es aufgefallen und er ging sogar noch weiter. „Vielleicht... Nur vielleicht, war Frau Yamano auch im Midnight Channel zu sehen, bevor sie gestorben ist.“ Nachdenklich sah Otome zu Yosuke. Er meinte das wirklich ernst und wenn sie ehrlich mit sich war, konnte auch sie diese Theorie nicht einfach so abschmettern. Es waren einfach zu viele Zufälle auf einmal. „Moment! Willst du damit sagen, dass Menschen die im Fernsehen erscheinen, sterben werden?“ Auch in dem Punkt konnte Otome Chie verstehen. Es klang schon sehr abwegig. Allerdings, diese andere Welt war nicht gerade normal. Warum sollte es da unmöglich sein das Sterbeorakel über den Midnight Channel zu sehen. „Das kann ich nicht sicher sagen. Aber etwas sagt mir, dass ich es nicht einfach als Zufall abtun sollte.“ Natürlich konnte Yosuke es nicht als Zufall abtun. Dafür waren die Gemeinsamkeiten zu prägend. Allerdings wie sollten sie das erforschen? Noch einmal wollte Otome nicht in diese Welt. Es war einfach zu gefährlich. Die Auswirkungen vom Tag zuvor waren schließlich so verherrend gewesen, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, dass ihre beste Freundin sie angerufen hatte. Yosuke, vergaß aber diese Gefahr, auch wenn er sie in seiner Argumentation bedachte. Wie hätte man da nicht glauben können, dass es wirklich so war? „Also, was denkst du?“, fragte sie Yosuke schließlich nach seinen Ausführungen. Ihr war nicht klar, was er sich von ihr erhoffte, aber sie konnte auch nicht so stehen lassen. „Du könntest wirklich Recht haben, aber...“ Mehr zu sagen gab es aus Yosukes Sicht nicht. Sofort fiel er ihr ins Wort und machte klar, war seine Pläne für diesen Nachmittag waren. „Das ist also nicht nur mein Gedanke. Wenn es eine Verbindung zwischen den beiden gibt, dann ist es gut möglich, dass sie in diese Welt gelangt sind. Das würde die Poster erklären. Das wiederum bedeutet... wenn wir uns gut genug umsehen, könnten wir einen Platz finden, der mit Senpai zu tun hat.“ Genau das hatte Otome von Yosuke erwartet. Er wollte nun in diese Welt gehen und den Tod seiner geliebten Saki erforschen. Wie dumm musste man sein? Schließlich war diese Welt kein Spielplatz. Sie kannten sie nicht und wussten nicht, was für Gefahren dort auf sie warten würden. „M-Mach das nicht... Du solltest das der Polizei überla-“ „Du glaubst, dass wir uns auf die Polizei verlassen können? Sie haben noch nicht einmal im Fall der Nachrichtensprecherin Fortschritte gemacht. Außerdem, selbst wenn wir es ihnen von der Welt im Fernsehen erzählen würden, sie würden uns nicht glauben.“ Nein, das würde die Polizei in der Tat nicht. Deswegen hatte Otome auch den Abend zuvor darauf verzichtet, Dojima von ihrer Erkundungstour zu berichten. Wie verrückt sollte das denn klingen? „Nach all dem was ich gesehen und kombiniert habe, kann ich das nicht einfach ignorieren. Auch wenn es wirklich gefährlich ist... Otome... Es tut mir leid, dass ich dich darum bitte, aber du bist die Einzige die mir helfen kann.“ Otome verzog das Gesicht, als sie hörte, was Yosuke von ihr wollte oder viel mehr verlangte. Sie hatte es ja geahnt. Es hatte einfach nicht anders sein können, immerhin war sie die einzige von ihnen, die diese Fähigkeit hatte, mit der man in die andere Welt reisen konnte. „Ich kann ja verstehen wie er sich fühlt, aber... wir können nicht sicher sein, dass er auch sicher wieder zurückkommt. Was sollen wir tun?“ Fragend sah Chie zu Otome. Es war doch klar was sie tun mussten oder vielmehr sollten. Zu so etwas musste man doch nicht sie fragen. Dennoch, Otome konnte es nicht so stehen lassen. „Halten wir ihn auf“, wisperte Otome und versicherte sich mit einem Blick zu Chie, dass sie einverstanden war. Es war zwar kein guter Plan, aber alles was sie hatten, wenn sie Yosuke von ihrer Dummheit abhalten wollten. **~~** Chie und Otome hatten ihre Taschen bei den Kundenfächern gelassen und waren sofort in die Elektronikabteilung des Junes gelaufen. Und da stand er. Yosuke, mit einem Seil um die Hüfte gebunden und in der Rechten einen Golfschläger, den er bereit war zu benutzen. Das sah Otome anhand seiner Augen, die entschlossen funkelten und ihr klar machten, dass er sich nicht mehr von seiner absurden Idee abbringen lassen würde. „Wir sind gekommen um dich aufzuhalten, du Idiot. Komm schon... Das solltest du wirklich nicht machen. Es ist zu gefährlich.“ Es war Chies wirklich letzter Versuch Vernunft in Yosuke einzuhämmern, doch umsonst. Er hatte sich bereits entschieden und er war nicht der Typ Mann, der von seinen Entscheidungen einfach zurücktrat, nur weil jemand sich um ihn sorgte. „Was ist mit Chie?“, fragte Otome schließlich. Sie wollte diese Diskussion nicht führen, wenn sie vergeblich war. Aber sie wollte nicht auch noch Chie in die ganze Sache mit hineinziehen. Denn wie es ihre Sitznachbarin richtig erkannt hatte, war es gefährlich. „Ja, ich bin leider auf dich angewiesen. Auch wenn ich es nur ungern tue, Otome. Wäre dem nicht so, hätte ich dich sonst darum gebeten mit Chie auf mich zu warten.“ Deutlich erkannte Otome in Yosuke, wie widerwillig er sie nur mitnehmen wollte. Sexistisch, wenn man Otome fragte. Nur weil sie ein Mädchen war, musste man sie nicht beschützen. Sie war stark genug um auf eigenen Beinen zu stehen. „Aber keine Sorge, wir gehen nicht ohne einen Plan los. Hier, Chie, ich überlasse dir dieses Seil.“ Mit ernstem Blick hielt Yosuke dem Mädchen dieses Seil entgegen. Doch der Ernst wich schnell einem Lächeln, dass Chie wohl aufmuntern sollte. „Was? Das ist eine Rettungsleine? Komm schon, wartet noch einen Moment.“ Yosuke gab Chie keine Chance und drückte ihr das Seil in die Hand. Sie hatte wirklich keine andere Wahl als die Rettungsleine zu halten und dafür zu sorgen, dass sowohl Otome als auch Yosuke heil wieder zurückkamen. Aber Yosuke hatte nicht nur für Chie vorgesorgt. Auch für sich hatte er in Form eines Golfschlägers für eine Notfallverteidigung gesorgt. „Keine Sorge, Otome. Egal was passiert, ich werde dich beschützen. Vertrau mir einfach.“ Verspielt zwinkerte Yosuke ihr zu und lächelte dabei. Wirklich wohl war Otome dabei aber nicht, was sie auch nur zu deutlich zum Ausdruck brachte. „Und du kannst wirklich mit dem Ding umgehen? Nicht das du dich selbst verletzt.“ Es war nicht so, das Otome den Golfschläger als Waffe gerne an sich genommen hätte, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie in ihrer Mittelschulzeit im Kendoclub gewesen und an diversen Turnieren teilgenommen hatte, mit nicht gerade unersichtlichen Erfolg, wäre es ihr wohler gewesen, wenn sie ihr Leben hätte selbst verteidigen dürfen. Wenn es um das ging, war Vertrauen Mangelware. Sie hätte nicht einmal Miwako, die mit einer Nagelpfeile bewaffnet wäre, ihr einziges Leben anvertraut. Soviel stand fest. „Vertrau mir einfach. Es wäre unverzeihlich, wenn ich dich schon in Gefahr bringe, aber nicht verteidigen kann. Also keine Sorge.“ Yosukes Worte beruhigten Otome nicht gerade, aber sie hatte keine andere Wahl als ihm zu vertrauen. „Chie, egal was passiert, lass das Seil nicht los.“ Mit einem Seufzen wandte sich Otome dem Fernseher zu. Sie wollte diese Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, immerhin wartete an diesem Abend Miwako auf sie. Sie wollten telefonieren, zumindest in Otomes geistiger Welt, und über ihre ersten Tage reden wollte. Wobei sie wohl die ungewöhnlichen Dinge, wie eine Welt hinter dem Fernseher, verschweigen wollte. Otome merkte noch, das Yosuke dicht hinter ihr war, als sie die früher so glatte Ebene des Bildschirms berührte und in diesen eintauchte, als sei sie aus Wasser. **~~** Otome war froh, dass sie wusste, auf was sie sich gefasst machen musste, als sie durch den Fernseher gestiegen war. Noch während ihres Fluges durch die schwarz-weiße Eingangszone, brachte sie sich in Position und kam schließlich weniger schmerzhaft als am Tag zuvor, am Boden auf. Anders als Yosuke, dessen Schmerzenslaute sie erneut höre. Und so wie es klang war er unsanft auf den Knien aufgekommen. 'Heute sind also die Knie gebrochen...', dachte sie und grinste dabei hämisch. Das Bild ihres verletzten Retters in der Not war einfach nur witzig und Schadenfreude machte die Welt ja bekanntlich zu einem besseren Ort. „Ist das...? Sieht aus als wären wir am selben Ort wie gestern. Also sind sie wirklich miteinander verbunden, unsere Welt und diese.“ Stumm nickte Otome und sah sich in der dichten Nebelsuppe um. Man konnte wirklich die Hand vor Augen nicht erkennen, was sie verfluchte. Wie sollten sie da frühzeitige Gefahr erkennen? Vielmehr noch, wie sollte Yosuke auf einen Gegner losgehen, den er nicht sehen konnte? „I-Ihr! Warum seid ihr zurückgekommen, kuma!“ Erschrocken wandten sich Yosuke und Otome um, wobei Yosuke sich schützend vor Otome stellte, obwohl er bereits wusste, wer dort auf sie zukam. „Ich verstehe, kuma. Ihr steckt hinter all dem“ Näher kam der Bär auf die beiden Schüler und sah sie mit seinen leblosen Augen an. Das Wesen hatte etwas niedliches an sich und dennoch, Otome konnte dem Frieden einfach nicht trauen. Schon gar nicht wenn es sie für all das, was geschehen war, und weder Yosuke noch sie getan hatten, beschuldigte. Es war nun natürlich an Yosuke sie beide zu verteidigen, auch wenn das nicht fruchtete, denn der Bär ließ nicht von seiner Behauptung ab. Für ihn waren sie bereits die Schuldigen, die er nonverbal darum bitten wollte, damit aufzuhören. „In letzter Zeit spüre ich, dass jemand Menschen hier reinwirft. Das bringt diese Welt immer mehr aus dem Gleichgewicht, kuma. Ihr seid nun das zweite Mal hier und ich glaube nicht, dass euch jemand dazu gezwungen hat. Das bedeutet, dass ihr die Verdächtigsten hier seid. Ihr müsst diejenigen sein, die Menschen hier reinwerfen, kuma.“ „Sei ruhig!“ Otome wusste nicht genau, was in sie gefahren war, aber sie hatte das Gefühl, den Bären anschreien zu müssen, damit sie überhaupt eine Chance bekamen um sich zu verteidigen. Und in der Tat, der Bär hielt inne, Zeit genug für sie, eine Verteidigungslinie aufzubauen. „Wovon redest du? „Menschen hier reinwerfen“?! Wenn jemand hier reingeworfen wird, können sie nicht mehr heraus und könnten sterben! Wer würde so etwas ma-“ Yosuke stockte während seiner Erklärung. Scheinbar war ihm ein Licht aufgegangen. Eines, von dem Otome bereits vor einigen Stunden gedacht hatte, dass es ihm aufgegangen war. Tatsächlich. Auf einmal hatte Yosuke einen weiteren Grund warum sie sich hier umsehen mussten. „Waren das, Senpai und die Nachrichtensprecherin? Hat „jemand“ die beiden hier reingeworfen? H-Hey, was meinst du?“ Es war einfach unglaublich. Gerade als Otome gedacht hatte, dass Yosuke wirklich ein helles Köpfchen war, demonstrierte dieser, wie sehr sie sich geirrt hatte. Ihm war ja wirklich schnell dieser Geistesblitz gekommen. Wozu hatte er hierher kommen wollen, wenn ihm all das nicht klar gewesen war? Wozu wollte er sich da in Gefahr bringen? „Das wird es sein“, antwortete Otome ruhig und sah wieder zu dem Bären. „Was tuschelt ihr beiden miteinander, kuma? Warum seid ihr hier hergekommen? Das hier ist eine Einbahnstraße, kuma. Man kommt hier nicht raus, sobald man einmal drin ist. Erinnert ihr euch? Wer hat euch denn rausgelassen, kuma?“ Desinteressiert wandte sich Yosuke dem Bären zu und ließ ein verächtliches Schnauben aus. Siegessicher griff er zu dem Seil um seiner Hüfte und hob das andere Ende hoch, dass nicht wie erwartet nach oben reichte. Es war auf dem Weg hierher gerissen. „Wir brauchen deine Hilfe dieses Mal nicht. Wir haben eine Rettungslei-“ Er stockte, als er bemerkte, dass seine Rettungsleine gerissen war und sie damit nicht zurück in ihre Welt konnten. Sie waren erneut auf den Bär angewiesen. Das schmeckte Yosuke gar nicht. „D-Du lässt besser zu, dass wir unsere Untersuchungen durchführen und stehst uns nicht im Weg.“ „Grrrr! Ich bin derjenige der alles untersucht, kuma! Ich lebe schon lange hier, aber noch nie war es so laut hier. Habt ihr einen Beweis? Beweist, dass ihr keine Menschen hier reinwerft, kuma!“ Es war deutlich, dass weder Yosuke noch der Bär wirklich gute Freunde werden würde. Eine Tatsache, die Otome aber voll und ganz nachvollziehen konnte. Der Bär verstand nicht von dem was sie sagten. „So funktioniert das aber nicht...“, murmelte sie daher und sah zu dem Bären, der nur zu glücklich über diese Antwort zu sein schien. Für ihn waren diese Worte nur Beweis genug, dass sie und Yosuke die Täter waren. „Zum letzten Mal, wir sind es nicht und wir müssen dir nichts beweisen! Hey, du beantwortest besser unsere Fragen. Es ist nicht so wie letztes Mal als wir hierhergekommen sind. Wir meinen es todernst. Hör zu, der Grund dafür ist, dass Menschen in unserer Welt gestorben sind... Jedes Mal wenn der Nebel sich lüftet erscheint eine Leiche. Das muss irgendwie in Verbindung mit diesem Ort stehen! Wenn du etwas weißt, dann erzähl es uns!“ Erstaunt über diese Information, sah der Bär zu den beiden Menschen. Otome konnte nicht genau sagen, ob in seinem Kopf gerade ein Licht aufgegangen war oder es darin arbeitet. Sie sah nichts, außer diese leblosen Augen. Er machte zumindest deutlich, dass er etwas dachte verstanden zu haben. Was genau konnte Otome aber nicht festmachen. Nicht einmal Yosuke verstand, weswegen die Diskussion zwischen Bär und Mensch weiterging. „Ich verstehe nicht, was ihr meint. Diese Welt war schon immer so. Niemand hat diese Aufnahme-Sache gemacht“, antwortete der Bär auf die Worte Yosukes, der zusammengefasst hatte, was sie über diese Welt wussten, oder viel mehr darüber, was sie in ihrer Welt von der Fremden mitsamt ihrer Opfer, gesehen hatte. „Sie war schon immer so?“, fragte Otome verwundert. Es war wirklich seltsam, denn der Midnight Channel schien erst vor kurzem ausgestrahlt zu werden. Hatte der Mörder vielleicht einen Weg gefunden ihn zu aktivieren? „Nur ich und die Shadows sind hier! Das habe ich euch schon gesagt!“ Otome gefiel nicht, wie genervt der Bär klang. Sicher, sie verstanden seine wagen Worte nur schwer, aber für ihn war es genauso. Dennoch, eine neue Frage kam Otome in den Sinn. Was waren diese „Shadows“ und warum waren sie so gefährlich? Es gab einfach keine Antwort, denn am Tag zuvor war alles, was sie von dieser Welt gesehen hatten, der Bär vor ihnen. Ein Bär der eine Einbahnstraße in eine Doppelspurige verwandeln konnte. Er hatte die Möglichkeit hier heraus zu gehen und jemanden in diese Welt zu stoßen. Er kannte diese Welt in- und auswendig. Mit diesem Gedanken war Otome nicht alleine, wobei sie vorsichtiger war, diese äußern zu wollen. „Du bist das Verdächtigste hier! Vielleicht bist du der wahre Täter. Was soll eigentlich dieses dumme Kostüm? Zeig endlich dein Gesicht!“ Murrend ging Yosuke auf den Bären zu, der wie versteinert einfach stehen blieb und zuließ, dass Yosuke ihm den Kopf von dem Kostüm riss. Er bereute diese Tat aber schnell, als er in das leere Innere des Bären sah. Selbst Otome stockte der Atem, denn das hatte sie nicht erwartet. Der merkwürdige Bär war nichts weiter als eine leere Hülle, etwas was man nach seiner Art sich zu verhalten und zu sprechen, nicht geglaubt hätte. „Ich, der Täter? Ich würde so etwas niemals tun. Ich lebe hier und ich will hier auch friedlich weiterleben. Na schön, ich glaube euch, dass ihr nicht der Täter seid, aber ihr müsst den wahren Täter für mich finden. Versprecht mir das, oder ich werde euch hier nicht herauslassen.“ Das war doch unglaublich. Dieses leere Stofftier versuchte sie zu erpressen. Dabei wollte sie doch nur ein normales Leben leben. Und nun sollte sie Polizist spielen und einen mörderisch veranlagten Täter schnappen? Wie paralysiert starrte Otome den Bären an, anders als Yosuke, der lautstark bekannt gab, dass es ihm nicht gefiel und dem Bären damit die Tränen in die Augen trieb. „Hey, was sollen wir tun?“ Ernst wandte Yosuke sich an Otome und riss sie damit aus ihrer Paralyse heraus. Dunkel erinnerte sich Otome wieder an ihren Traum mit dem Mann mit der langen Nase. Er hatte ihr ein großes Unglück voraus gesagt. Hatte er etwa das gemeint? Einen leeren Bär, der sich weigerte sie zurück in ihre Welt zu lassen, wenn er nicht seinen Willen bekam? Das konnte doch alles nur ein böser Traum sein. Genauso wie der Traum mit Igor selbst nur einer gewesen war. Sie glaubte nicht an das übernatürliche... Allerdings... Ihr Blick glitt erneut durch die nähere Umgebung. Sie konnte nicht abstreiten, dass das hier real war. Seufzend sah sie wieder zu Yosuke. Sie hatten beide keine andere Wahl, als dem Bär dieses Versprechen zu geben. „Also gut, ich verspreche dir, dass ich dir helfe“, antwortete sie und konnte förmlich die Dankbarkeit aus den Worten des Bären spüren. „Du verdammter Bär! Du hast uns ja förmlich eine Pistole auf die Brust gesetzt“, setzte Yosuke nach und gab damit auch sein Wort. Otome konnte nicht abstreiten, dass Yosuke Recht hatte, doch sie hatte dem Bär dieses Versprechen nicht nur deswegen gegeben. Etwas stimmte in dieser Welt nicht, auch wenn Otome noch nicht wusste, was es genau war. „Wir sollten uns vorher aber vorstellen. Mein Name ist Yosuke Hanamura und das Mädchen hier ist Otome Narukami. Und wie heißt du?“ Otome nickte nur auf die Vorstellung von Yosuke und sah gespannt zu dem Bären. Wie konnte so ein Wesen heißen? Hollow? Em? Oder irgendetwas anderes, dass seine Persönlichkeit und sein Wesen zum Ausdruck brachte? „... Kuma, kuma.“ Was hätte es auch anderes sein sollen? Synchron stießen Otome und Yosuke einen verzweifelt klingenden Seufzer aus. Natürlich hieß der Bär Kuma. „Wer hätte das gedacht... … Egal, zurück zum Thema. Wie sollen wir den Täter finden.“ Bewundernd sah Otome zu ihrem Klassenkameraden. Yosuke war sichtlich gut darin das Thema schnell wieder zu wechseln, und auf den eigentlichen Grund ihres Deals zu sprechen zu kommen. Aber gut, auf diese Weise konnten sie ihr Versprechen schnell halten und diese ganze Geschichte beenden, bevor sie hier noch Wurzeln schlugen und Kuma auf die Idee kam, doch gefährlich zu sein und ihnen beiden den Gar auszumachen. „Ich weiß nicht, kuma... Aber ich kann euch zu den Ort bringen, an dem die letzte Person war.“ Spurensuche war angesagt. Das wurde Otome bewusst, als sie hörte, dass Kuma sie zu einem neuen Ort bringen wollte. Schaden konnte es ja nicht, aber es würde dauern ihr Versprechen gegenüber dem leeren Bären zu halten. „Dort könntet ihr Hinweise finden, kuma. Aber zuerst, solltet ihr die hier aufziehen.“ Zufrieden zog Kuma von irgendwo zwei Brillen heraus, die er ihnen reichte. 'Wie in einem Anime', dachte Otome und fühlte sich dabei selten dämlich, dass dieser Vergleich sogar griff. Es war wie in einem Anime. Ein mysteriöses Verbrechen, eine fremde Welt und Jugendliche, die dieses Verbrechen aufklären konnten. Es fehlten nur noch übernatürliche Kräfte und sie hatten den Stoff für einen neuen Anime beisammen. Vielleicht verliehen ihnen ja die Brillen übermenschliche Kräfte, mit denen sie das Böse besiegen konnten, wobei Otome glaubte, dass sie bei ihrem Glück als leicht bekleidetes Magical Girl enden würde. Eine Vorstellung die ihr nicht gefiel und sie einen kurzen Moment zögern ließ. Doch was sollte schon passieren, dass hier war kein Anime. Yosuke war nicht heldenhaft genug um der Protagonist zu sein und sie selbst war... zu... zu... Sie klappte die Bügel der Brille auf und überlegte, warum sie als Protagonistin nicht qualifiziert genug war. Dafür nutzte sie all ihr vorhandenes Wissen über Animes, die sie kannte. 'Der Held zieht in eine neue Stadt... Check. Der Held ist ein Einzelgänger... Check. Der Held wird durch aufdringliche Menschen in seiner Umgebung in die Geschichte hingezogen... Check. Der Held ist das beste vom Besten... … Beste vom Besten... Beste vom Besten...' Gedankenverloren zog Otome ihre Brille auf und blickte durch die Gläser, die ihr seltsamerweise eine klare Sicht durch den Nebel boten. Verwirrt darüber, zog sie die graue Brille wieder ab und sah nichts außer Nebel. 'Der Held bekommt mysteriöses Equipment... Check.' „Wow, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Mit denen hier ist es, als würde der Nebel gar nicht existieren.“ Otome nickte auf Yosukes Feststellung. Diese Brillen waren wirklich unglaublich. „Sie werden euch helfen, euch hier umsehen zu können. Ich lebe schon ewig hier, kuma, also könnte ihr euch auf mich verlassen. Allerdings, kuma... kann ich euch nur den Ort zeigen, verteidigen müsst ihr euch selbst, kuma.“ 'Ein nutzloses Maskottchen... Check.' Ihr wurde ganz anders bei diesem Gedanken. Denn meist ließen nutzlose Maskottchen einen Magical Girl Anime vermuten und nein, sie wollte nicht in einem leicht bekleideten Kostüm vor Yosuke stehen und Wesen namens Shadows bekämpfen. „Soviel zum Thema auf dich verlassen. D-Da sind besser keine Monster, hast du verstanden?“ Erneut machte Otome ein Häkchen auf ihrer imaginären Liste. Yosuke, der verängstigte Assistent den sie retten musste. Hoffentlich würde letzteres niemals passieren, denn sie wollte wirklich nicht als Magical Girl enden. **~~** Obwohl Otome neu in Inaba war, erkannte sie sofort, dass der Bereich, zu dem Kuma sie geführt hatte, wie die Einkaufsmeile aussah. Und doch war hier alles anders. Der Himmel war in einem schwarz-rot getaucht und in der Atmosphäre lag etwas unheimliches, bedrohliches. Kein Ort an dem man in Ruhe einkaufen wollte. Doch weder sie noch Yosuke waren hier um zu shoppen. Sie mussten ein Versprechen halten und den Täter finden, der unschuldige Menschen in diese Welt schickte. „Einige seltsame Orte sind hier in letzter Zeit aufgetaucht. Alles ist so durcheinander geraten, dass ich nicht weiß, was ich tun soll, kuma.“ Verzweiflung schwang in Kumas Stimme mit und Otome bekam langsam aber sicher Mitleid mit dem Bären. Das hier war seine Heimat und irgendjemand missbrauchte sie um Menschen zu töten und brachte sie damit durcheinander. Ihr selbst hätte das auch nicht gefallen. Niemanden würde so etwas gefallen. Und deswegen, mussten sie Kuma einfach helfen. Damit wieder Frieden in seine Heimat kam. 'Der Held will Unrecht wieder gut machen und unschuldige beschützen... Check.' Auch wenn es Otome nicht gefiel, dass ihre Checkliste für den perfekten Protagonisten immer mehr auf sie verwies, wollte sie jetzt nicht den Schwanz einziehen. Es reichte, dass Kuma dies tat, indem er den, von Yosuke gerade so stark kritisierten, Abstand zu ihnen hielt, „Moment, wenn das unsere Einkaufsmeile ist, dann ist Saki-senpais-“ Otome sah zu Yosuke, aus dessen Gesicht alle Farbe wich. Als hätte er einen Geist gesehen, oder eine böse Vorahnung, lief er los, den Golfschläger fest umklammert. Er achtete nicht einmal mehr darauf, ob Otome oder Kuma hinterher kamen, er wollte einfach wissen, was dem Mädchen widerfahren war, was hier mit großer Wahrscheinlichkeit ihr Leben gelassen hatte. Sollte sie wirklich hier gestorben sein, so hatten sie ein Problem, denn dann brachten sie sich Hals über Kopf in Gefahr, wenn sie das ignorierten und blind losliefen. Selbst wenn Yosuke einen Golfschläger hatte und auch wusste mit diesem umzugehen, waren sie nicht sicher, das musste Otome dem Jungen unbedingt vermitteln. Vor dem Schnapsladen kam Yosuke erst zum Stehen und sein Blick wurde bitter. „Ich wusste es...! Das ist der Schnapsladen den Senpais Eltern führen. Bedeutet das... Das sie hier verschwunden ist? Was ist nur passiert?“ Otome rang mit sich. Sie spürte wie aufgebracht und gleichzeitig traurig Yosuke über den Verlust Sakis war, doch sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sicher, sie hätte ihm einfach die Hand auf die Schulter legen und so ihre Anteilnahme kundtun können, aber hätte das geholfen? Otome wusste es nicht. Wenn es um die Gefühle anderer ging, war sie noch nie sonderlich empathisch gewesen. „M-Moment, wartet! S-Sie sind hier!“ Erschrocken wandte sich Otome zu Kuma, der näher auf sie zugelaufen war und nach Yosukes Hemd griff um ihn von der Tür zurückzuziehen. Der leere Körper bebte vor Angst. Angst, die Otome seltsamerweise verstand. Denn auch sie spürte ganz schwach etwas, dass hinter dieser Tür verborgen lag und sich ihnen immer mehr näherte. Es war zu spät, es gab kein Entkommen mehr. „Was?“, rief Yosuke, der nichts von alledem mitbekam und nur den Golfschläger umklammerte. „Shadows... Sie werden uns angreifen!“ Die Worte hatten Kumas plüschigen, geschlossenen Mund nicht einmal verlassen, als auch schon schwarze, dickflüssige Fladen durch die Tür auf den Boden fielen. Wie von Zauberhand erhoben sie sich und nahmen die Form zweier Kugelförmigen Wesen an, aus deren Münder lange roten Zungen reichten, die nur darauf zu warten schienen von dem Angstschweiß der Menschen zu naschen. Yosuke ging einige Schritte zurück, stolperte aber und ließ den Golfschläger fallen. Im Angesicht dieser Gefahr waren alle Vorsätze Otome zu beschützen dahin. Er wusste, dass sie sterben würden, Hier und Jetzt, genau wie Saki. Es war aus. „Verdammt! Das lasse ich nicht zu!“ Es war der Kampfschrei einer Amazone den Otome ausstieß, als sie an Kuma, der zu ihr gelaufen war, vorbeilief und auf Yosuke zuhetzte. Sie wollte noch nicht aufgeben. Sie wollte nicht kampflos hier sterben. Ohne darüber nachzudenken, bückte sie sich nach dem Golfschläger und hob diesen vom Boden auf. Fest umklammerte sie ihn und ging in ihre angelernte Kampfhaltung. Egal was es kostete, sie würde Yosuke beschützen und dafür sorgen, dass er sicher hier rauskam. „Kuma! Bring Yosuke hier weg. Ich werde euch genug Zeit verschaffen!“ Sie hatte alles, was sie an Mut aufbringen konnte in ihre Worte gelegt und sie so sicher klingen lassen, dass nicht einmal sie daran zweifelte, dass sie es wirklich schaffen konnte. Doch zu spät. Yosuke und Kuma konnten nicht mehr fliehen, denn sie wurden umzingelt von diesen Wesen, die Kuma als „Shadows“ bezeichnet hatte. 'Dann kämpfen wir uns den Weg frei!' Erneut stieß Otome einen Kampfschrei aus und lief auf eine Gruppe Shadows zu. Sie hob ihre Waffe und schlug auf die Wesen vor sich ein, die unter der Wucht des Schlages nachgaben und wieder als dickflüssige Maske zu Boden fielen. Stück für Stück, beseitigte sie die Wesen, die ihr im Weg standen. „Otome! Pass auf!“ Erschrocken wegen Yosukes Warnung, fuhr sie herum und erkannte, dass sie gefangen war. Die besiegten Shadows erhoben sich wieder vom Boden und versperrten ihr den Weg und die Sicht auf Kuma und Yosuke. 'Er ist verloren wenn...' Sie musste zurück. Sie musste zurück zu Yosuke, denn mit Sicherheit war er nun, da er schutzlos war, leichte Beute. Aber was wenn sie wieder dort war? Diese Wesen waren unbesiegbar. Sie mussten doch einen Weg finden, wie sie diese Monsterhorden minimieren konnten. Es musste einen Weg geben. „Otome, hilf-“ Nachdenken konnte sie später. Sie musste vorerst zu Kuma und Yosuke. Vielleicht wusste der Bär ja einen Schwachpunkt. Das wäre zumindest gut, denn auf Dauer konnte sie den Kampf nicht halten. Wieder kämpfte sie sich durch die Horden und kam zurück zu Yosuke, der umzingelt von den Shadows am Boden hockte. Er wich ihnen nur aus, wenn sie über ihm hinweg flogen, was ihnen scheinbar einen heiden Spaß bereitete. Sie spielten mit ihm, wie eine Katze mit der Maus, bevor sie diese verschlang. „Wir müssen ihn retten, kuma!“ So schnell Kuma konnte, tapste er auf Otome zu, die den Golfschläger fester umklammerte. Das wusste sie auch, dass sie Yosuke retten mussten, nur wie? Diese Dinger standen immer wieder auf und im Gegensatz zu ihr, setzte ihnen diese Welt nicht zu. Denn mit der Zeit, spürte Otome wie am Tag zuvor den Einfluss dieser Welt auf ihren Körper. Ihr Kopf schmerzte und ein Brummen in ihren Gedanken ließ diesen Schmerz noch heftiger werden. 'Ich muss Yosuke retten... Ich muss ihn retten, es ist immerhin meine Schuld, dass wir diese Welt entdeckt haben! Bitte... Gib mir die Kraft ihn zu retten!' Es war ein stummes Gebet, das Otome an die Götter schickte. Eines, dass erhört wurde, als ihre Kopfschmerzen schwanden und durch eine tiefe, männliche Stimme ersetzt wurden. Ih seiet ihr... und Ihr seiet Ih... Die Zeit ist gekommen! Öffnet eure Augen und rufet, was in euch schlummert! Zusammen mit ihren Kopfschmerzen verklang auch die Stimme. „Was ist das, kuma?“ Verwirrt sah Otome zu Kuma, der auf ihre rechte Hand zeigte. Wann hatte sie die eigentlich von dem Golfschläger genommen? Das war Otome unerklärlich, genauso wie die Karte, die sie in der Hand hielt. Eine Karte, die auf der Rücken eine Maske hatte, zweigeteilt, eine Hälfte schwarz, die andere weiß. Das Bild kannte sie, sie hatte es schon einmal gesehen. Bei Igor. 'Eine Tarotkarte?' Verwundert drehte sie die Karte. Doch nichts, kein Bild, kein Figur, kein Zeichen, dass dies eine Tarotkarte war. Und dennoch schlich sich ein Lächeln auf Otomes Gesicht. 'Der Held erweckt seine geheimnisvolle Fähigkeit... Check.' Kaum dass dieser Gedanke gedacht war, leuchtete die Karte auf. Ein warmes, elektrisierendes Gefühl erfüllt sie. Es war vertraut, als kannte sie es schon seit Ewigkeiten. Sie wusste, dass sie keine Angst mehr haben musste, denn sie konnte diese Shadows besiegen. Mit einer Macht, die tief in ihr verborgen lag. Die soeben endgültig erweckt wurde. Eine Macht, für die es nur ein Wort gab, welches Otome unbewusst, mit einem manischen Lächeln aussprach. „Per... So... Na!“ Die letzte Silbe war gesprochen und mit aller Kraft zerdrückte Otome die Karte. Zwischen ihren Fingern stoben Blitze hervor, die den grollenden Donner beschworen. Wolken zogen auf und ein Blitz ging direkt hinter Otome auf die Erde nieder und erhellte die Umgebung. Erstarrt hatten die Shadows ihren Angriff auf Yosuke abgebrochen und wandten sich Otome zu, hinter der sich eine maskierte Gestalt mit einem überdimensionalen Schwert und einem wehenden, schwarzen Mantel erhob. Wortlos fixierte das Wesen mit göttlicher Anmut seine Gegner und ließ sich anmerken, dass er das bisherige Treiben der Shadows nicht weiter dulden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)