Vergagene Fehler von Alaiya (Yamaki Centric) ================================================================================ Zurückschauend -------------- Die Zeit blieb nicht stehen; auch nach dem D-Reaper Vorfall nicht. Der November ging vorbei, Weihnachten kam und ehe Yamaki Mitsuo wusste, was geschehen war, neigte sich der Winter dem Ende zu und die ersten Anzeichen des Frühlings waren zu erkennen. Die Monate nach dem Vorfall hatten für ihn nur neuen Stress bedeutet. Denn noch immer waren viele Fragen offen, für sie und für die Regierung. So durfte er verschiedensten Ministern, Richtern, von der Regierung einberufenen Wissenschaftlern und schließlich auch dem Präsidenten erklären, was sie wussten - über D-Reaper und über die Digimon. Es wurde untersucht, ob Hypnos oder Mitsuo selbst für die Vorfälle zur Verantwortung gezogen werden konnten. Als der letztliche Beschluss lautete, dass D-Reaper eine virtuelle Naturgewalt war, die niemand hatte vorhersehen können, schob Mitsuo es darauf, dass den untersuchenden Wissenschaftlern jedwedes Verständnis für jene andere Welt fehlte. Denn er war sich in einer Sache sicher: Es wäre nie soweit gekommen, hätte er nicht Shaggai benutzt. Denn es war Shaggai gewesen, dass das Tor zwischen den Welten weit aufgerissen hatte. Ohne Shaggai hätte D-Reaper nie einen Weg in diese Welt gefunden. Oder? „Es hat keinen Sinn jetzt darüber nachzudenken“, sagte Reika jedes Mal, wenn sie ihn beim Grübeln erwischte, und wahrscheinlich hatte sie Recht, und dennoch kam er nicht umher, die verschiedenen, vergangenen Szenarien wieder und wieder in seinem Kopf durch zu spielen. Was wäre gewesen, wenn...? Doch jedwede Erkenntnis veränderte nichts daran, wie es letzten Endes wirklich passiert war. Und das einzig Tröstliche war, dass Doodlebug sämtliche Gebäude in der ehemaligen D-Reaperzone wieder hergestellt hatte. Anders sah es mit den Menschen aus, die während des D-Reaper Vorfalls und auch während vergangener Digimonangriffe schwer verletzt worden waren oder gar ihr Leben gelassen hatten. Als sich D-Reaper ausgebreitet hatte, war es nicht möglich gewesen, alle Menschen rechtzeitig zu evakuieren und es hatten einige Soldaten ihr Leben gelassen, als sie versucht hatten mit Waffen gegen das Programm vorzugehen. Und die Digimon waren verschwunden... Auch das war ein Effekt von Doodlebug gewesen, das diese Welt in den Zustand zurückversetzt hatte, bevor die Grenze zu jener Welt, die im Netz existierte, brüchig geworden war. So hatte es genau das erreicht, was er damals mit Shaggai hatte erreichen wollen: Es gab keine Wilden mehr in dieser Welt, keine Fremdkörper aus dem Netz. Und sie waren nicht einmal ausgelöscht, sondern nur ihre natürliche Heimat zurückgeschickt worden. Alles war gut, oder? Es bestand keine Gefahr mehr. Doch nun zweifelte Mitsuo daran, dass dieser Zustand der richtige war. Denn da waren die Kinder. Die Kinder, ohne die sie D-Reaper nicht hätten zurücktreiben können. Die Digimon Tamer, die nun ihre Digimon, ihre Partner, verloren hatten. Er sah sie ab und zu, vor allem Jenrya, Janyuus Sohn, und Shuichon, das jüngste Kind der Lee-Familie. Beide sah er öfter, wenn Janyuu ihm zum Essen einlud, was in den letzten Monaten häufiger geschah, als ihm lieb war, doch immerhin arbeitete der chinesische Informatiker nun wieder bei seiner alten Firma und interessierte sich dafür, was aus Hypnos werden würde. Denn auch er hatte seinen beiden jüngsten Kindern gegenüber ein schlechtes Gewissen. Auch Takato und seine Klassenkameraden sah Mitsuo manchmal im Shinjuku Central Park spielen. So wusste er auch, das besonders die ersten zwei Wochen nach dem D-Reaper-Vorfall für die Kinder schwierig gewesen waren. Sie waren von ihren Partnern getrennt und hatten sich kaum richtig verabschieden können. Außerdem war es einigen wohl schwerer Gefallen als den anderen, sich wieder zurecht zu finden. Nicht nur waren sie mehrere Wochen - im Falle von Shuichon mehrere Tage - in der digitalen Welt gewesen, ehe sie in der realen Welt, nur einen Tag nach ihrer Ankunft, mit D-Reaper konfrontiert worden waren. Nicht nur, dass sie, wie viele andere Menschen auch, ihr Zuhause hatten verlassen müssen, sie hatten auch nicht zur Schule gehen können, da diese ebenfalls von der Evakuierung betroffen war. Und nach all dem hatten sie nun in ihr normales Leben zurückkehren sollen, mit dem Gedanken, dass sie ihre Partner vielleicht niemals wiedersehen würden. Partner... Er verstand noch immer nicht ganz, was dies zu bedeuten hatte. Was machte diese Verbindung zwischen den Kindern und den Digimon aus? Wie kam sie überhaupt zustande? Natürlich wusste er, dass all dies irgendwie mit dem Projekt des Wild Bunch zu tun hatte. Als sie die Digimon 1984 entwickelt hatten, wollten sie virtuelle Spielpartner - Freunde - für Kinder schaffen, was offenbar ein Teil vom Code dieser digitalen Wesen geworden war. Doch wie konnten die Digimon so viel Energie aus dieser Verbindung ziehen? Und - diese Frage beschäftigte ihn besonders - wie konnte es sein, dass ein Mensch und ein Digimon zu einem vollkommen neuen Wesen verschmolzen? Es widersprach jedweder Physik, jedweden Gesetzen der Natur, und niemand wusste darauf eine Antwort. Janyuu wusste es nicht. Dolphin wusste es nicht. Shibumi wusste es nicht. Reika wusste es nicht. Und er selbst, Mitsuo, war sich nicht einmal sicher, ob er all das überhaupt verstand. Eine Antwort auf diese Frage wusste er sicherlich nicht. Doch mittlerweile schienen die Kinder sich wieder an ihr normales Leben gewöhnt zu haben. Sie hatten sich damit abgefunden, dass die digitale Welt nun von der ihren getrennt war und dass dies der einzige mögliche Weg war, um die Sicherheit beider Welten zu gewährleisten. Nein, vielleicht hatten sie sich nicht damit abgefunden, sondern hatten es zumindest für jetzt hingenommen. Den Kindern war egal, wie die Existenz dieser digitalen Wesen möglich war. Sie machten sich auch keine Gedanken darüber, ob die Verschmelzung mit ihren Partnern zum Kampf gegen D-Reaper den Regeln dieser Welt widersprach. Sie sahen die Digimon mit anderen Augen, als es Mitsuo je möglich gewesen war. Er hatte die digitalen Monster eher durch Zufall entdeckt, als er im Jahr 2000 begonnen hatte Hypnos als japanisches SIGINT-Projekt zu leiten. Zuerst waren es nur Daten gewesen, die aus dem Netzwerk verschwanden und in materieller Form im realen Tokyo erschienen. Doch bald hatte er heraus gefunden, dass sie dabei die Gestalt der digitalen Monster, die Gestalt von Kinderspielzeug, hatten und als ihre eigene ansahen. Sie widersprachen allem, was er für möglich gehalten hatten. Und dann hatte er die Kinder gesehen, die Digimon Tamer. Er war wütend auf sie gewesen, weil er glaubte, dass sie nicht verstanden, was sie taten, dass sie alles nur für ein Spiel hielten. Dabei war er es gewesen, der nicht verstanden und daher so viele Fehler gemacht hatte. Als Yuggoth, das mit ihrem Tracer verbunden war, nicht ausreichte, um die digitalen Wesen zu löschen und zu verhindern, dass sie sich materialisierten, hatte er Shaggai geschrieben und es, obwohl die Minister es ihm verboten hatten, für einen Testlauf gestartet. Dadurch hatte er es den Deva möglich gemacht in die reale Welt zu kommen. Doch er hatte Shaggai nicht aufgeben wollen, hatte den Wild Bunch zu Hilfe geholt und am Ende alles noch schlimmer gemacht, da er nicht auf Janyuus Warnungen gehört hatte. Doch was brachte diese Erkenntnis nun? Er seufzte und sah auf die halbleere Bierdose in seiner Hand. Beinahe war er überrascht, dass sie da war. „Ist irgendetwas wichtiges passiert?“, fragte Janyuu, der von einem Telefonat zurückkam. Mitsuo sah überrascht auf. Den Fernseher hatte er schon lange vergessen, da er einmal wieder in seinen Gedanken versunken gewesen war. Er sah auf die flimmernde Mattscheibe, wo zu sehen war, wie ein Sportler eine Linie entlang lief. Baseball. Er wusste kaum etwas über die Sportart, wusste nicht einmal, ob der Batter, sobald er den Ball geschlagen wurde, zum Runner wurde oder ob das wieder eine andere Bedeutung hatte. Doch Mayuri, Janyuus Frau, hatte eine Besprechung, weshalb Janyuu mit den Kindern allein zuhause war und ihn eingeladen hatte. Und Reika, die wieder einmal etwas mit Megumi unternehmen wollte, es aber nicht mochte, wenn er alleine „Trübsal blies“, wie sie es nannte, hatte ihn überredet zu gehen. Und nun sah er sich seit einer Dreiviertelstunde bereits ein Spiel an, das er kaum verstand. „Du grübelst wieder, Yamaki-kun“, meinte Janyuu und klang dabei beinahe amüsiert. „Reika hat mich gewarnt.“ Dazu sagte Mitsuo nichts. Das einzige, was ihm in den Sinn kam, wäre „Natürlich“ gewesen. „Was vergangen ist, ist vergangen“, sagte der Ältere nun ernster. „Es ist schon Geschichte. Es mag zu bedauern sein, aber wir können es nichts ändern.“ Er seufzte und warf einen kurzen Blick zum Fernseher hinüber. „Ich wünschte auch, wir hätten einen anderen Weg gefunden. Einen Weg, der die Kinder nicht von den Digimon getrennt hätte... Aber das können wir nun nicht ändern. Das einzige was wir tun können, ist in der Zukunft nach einem Weg zu suchen, der es den Kindern erlaubt, ihre Partner auf einem sicheren Weg zurück zu bekommen.“ Noch immer erwiderte Mitsuo nichts und fixierte seinen Blick nun auf das Bier in seiner Hand. „Aber ich hätte auf dich hören können“, murmelte er. „Und auf Reika.“ „Ja.“ Der Chinese zuckte mit den Schultern. „Aber das hat du nicht. Dinge sind nun geschehen.“ Für einen Moment pausierte er, fuhr dann aber fort: „Weißt du mittlerweile, was aus Hypnos wird?“ Mit einem Seufzen antwortete Mitsuo. „Wenn alles gut geht, dürfen wir bald unsere Forschung aufnehmen. Die Regierung ist mehr an den offenen Fragen interessiert, als dass sie sich zu große Gedanken darüber machen, dass es einen weiteren Vorfall gibt.“ „Vielleicht können wir dann...“ Janyuu brach ab, als sich eine Tür im Flur öffnete. Es war Jenrya, der nur kurz zu ihnen sah und dann in die Küche weiterging, wo man ihn den Kühlschrank öffnen hören konnte. Dann erschien er in der Öffnung zwischen Wohnzimmer und Küche. „Und, wie ist das Spiel?“, fragte er höflichkeitshalber. „Bisher nicht besonders ereignisreich“, erwiderte sein Vater. „Hast du Shuichon schon bei ihren Hausaufgaben geholfen?“ „Ja. War kein wirkliches Problem.“ Der Fünftklässler zuckte mit den Schultern. In dem Moment klingelte das Telefon, das in der Küche an der Wand hing, und bei dem Janyuu erst vor wenigen Minuten aufgelegt hatte. „Ich gehe schon“, meinte Jenrya und nahm den Hörer ab. „Hallo?“ Zwar war er nun von der Wand verdeckt, doch sie konnten ihn noch hören. „Takato?“ Er schwieg kurz. „Was? Bist du dir sicher?“ Wieder eine kurze Pause. „Wirklich?“ Der andere Junge schien wieder etwas zu sagen, zumindest schwieg Jenrya für eine Weile. Er schaute erneut ins Wohnzimmer. „Ich weiß nicht, Takato“, meinte er dann schließlich behutsam. „Vielleicht... Sollten wir den anderen noch nichts davon erzählen.“ Eine weitere Pause. „Ja, ich weiß. Aber... Wir sollten nicht voreilig sein. Lass uns morgen darüber sprechen, ja?“ Nach einer weiteren Unterbrechung fügte er „Gute Nacht, Takato“, hinzu und legte auf. Er kam ins Wohnzimmer zurück und selbst Mitsuo konnte sehen, dass er überlegte, ob er ihnen etwas erzählen sollte, oder nicht. „Was ist los?“, fragte Janyuu nach kurzem Schweigen. Noch immer zögerte Jenrya. „Es war Takato“, sagte er dann, auch wenn sie soviel mitbekommen hatten. „Im Park... Er sagt, es hat sich ein neues Tor zur digitalen Welt geöffnet.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)