L2 von Kathey (Messed up kid that I was...) ================================================================================ Kapitel 4: Four --------------- "Cause I'm only a crack in this castle of glass. Hardly anything else I need to be.  Hardly anything there for you to see." - Linkin Park, Castle Of Glass Zu sagen, dass man alles durchstehen würde, was noch auf einen zukam, das war leichter, als es am Ende wirklich zu tun. Zumindest versuchte Jump Zero ihren Willen zu brechen, so gut es ging. Wären da nicht die Abende gewesen, die sie alle zusammen verbringen konnten... Nun, dann wären wohl noch einige mehr von ihnen dem schieren Wahnsinn anheim gefallen. Einmal öfter kam die Frage auf, warum denn die Allianz - einer der größten Geldgeber dieser gesamten Unternehmung - nichts unternahm. Dagegen, dass die Schüler hier, die eigentlich nur den Umgang mit der Biotik erlernen sollten, wie Tiere behandelt wurden, dass es keine ordentliche Versorgung für sie gab, nicht einmal Ärzte, die sich mit ihren Bedürfnissen und Sorgen und Krankheiten wirklich auseinander zu setzen vermochten... Aber wahrscheinlich war das wirklich mehr als klar - Die Allianz kam nicht hierher. Es gab nicht genug Leute, um davon auch noch einige zu einer Stippvisite auf die Gagarin Station zu schicken und nach dem Rechten zu sehen. Wahrscheinlich waren die Berichte von Conatix an die Allianz über die Entwicklung des BAaT verschönert und ließen Rückschläge, Todesfälle und jegliche andere negative Entwicklung einfach unter den Tisch fallen. Die Allianz dachte, dass es ihnen hier wirklich gut gehen musste. Ebenso sollten es die Eltern denken. Nicht umsonst waren immer ein paar Angestellte von Conatix dabei, wenn mit den Familien gesprochen wurde. Es war mehr als einmal der Fall gewesen, dass bei negativen Entwicklungen der Gespräche einfach eine Verbindungsstörung vorgegaukelt wurde. Immerhin wollte man ja nicht, dass sich die Eltern der Kinder Sorgen machten, wo doch alles so wunderbar lief für ihre Kinder und sie endlich unter ihresgleichen sein konnten, um sich weiter zu bilden. Was für ein Witz. "Kanada, wenn du Rahna noch einmal absichtlich gewinnen lässt, dann sind wir geschiedene Leute!" David warf mit einem Grummeln die Karten auf den Boden und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Kaidan blinzelte ihn etwas verständnislos an, er hatte doch überhaupt nichts gemacht? Jedenfalls nicht absichtlich. Jedenfalls nicht mit vollster Absicht. Mit ein wenig vielleicht noch, aber... "Ich lasse überhaupt niemanden absichtlich gewinnen", antworte er stirnrunzelnd. "Und überhaupt finde ich es noch immer ungerecht, dass du sie beim Vornamen nennst und mich noch immer Kanada." "Sie ist 'ne Lady! Ich kann sie nicht einfach Türkei nennen, das passt nicht zu ihr. Bei dir hingegen ist das was ganz anderes." Der rothaarige Biotiker zuckte nur mit den Schultern, ehe er die Karten wieder zu mischen begann. Mit einem unzufriedenen Schnauben gab ihm Kaidan seine restlichen Karten und wartete darauf, dass sie wieder ausgeteilt werden würden. Heute waren sie erst einmal nur zu dritt in Kaidans und Davids Zimmer, der Rest würde später nachkommen. Einige sprachen wohl heute mit ihren Eltern, andere wollten sich noch etwas zu Essen machen und wieder andere hatten sich nach einem erneuten kräftezehrenden Tag schon schlafen gelegt. Einige kamen schon gar nicht mehr dazu, sich zu erholen, so sehr wurden sie gefordert. Es hatte mehrere Zusammenbrüche gegeben in der letzten Zeit, weil ihnen keine Zeit gegeben wurde, wieder Kräfte zu sammeln. Eine Nacht reichte bei Weitem nicht aus, um wieder auf die Beine zu kommen, aber wenn am nächsten Tag schon wieder zweihundert Prozent von ihnen gefordert wurden... Nun, dann konnte man irgendwann nur noch unter der Last zusammenbrechen. Und beten, dass man nicht enden würde wie Robert - wobei das für einige gar keine so schlechte Aussicht zu sein schien, wenn man bedachte, dass man dann immerhin von dieser Station herunter kam. Wie lange waren sie schon hier? Kaidan konnte sich nicht mehr wirklich erinnern. Über ein halbes Jahr sicherlich schon, wahrscheinlich noch viel länger. Irgendwann vergaß man, die Tage zu zählen, man hoffte nur noch, dass es aufhören würde. Irgendwann. "Kaidan." "Hm?" Überrascht blickte der Biotiker zu Rahna hinüber die schräg von ihm saß und ihn mit einem herzerwärmenden Lächeln bedachte. War er mal wieder in Gedanken versunken gewesen? Hatte er irgendwas vergessen? Würde ihn nicht mal wundern, ab und an fiel es ihm schwer, sich bei den immer wiederkehrenden Kopfschmerzen auf etwas zu konzentrieren. "Ja, Rahna?" Die Türkin lachte leise auf, ehe sie den Kopf schüttelte. "Nichts. Nur Kaidan, nichts weiter. Du wolltest doch beim Vornamen genannt werden?" Er konnte David schnauben hören, während ihm selbst eine angenehme Wärme in die Wangen stieg, eine, die er schon öfter einmal gespürt hatte, wenn sie so lächelte oder irgendetwas sagte, ihn lobte und generell mit ihm sprach. Normal war das wahrscheinlich nicht, und er würde sich hüten, weiter zu denken. Denn es war einfach so, dass jeder Rahna mochte. Wirklich jeder. Was nur allzu verständlich war, wo sie immer freundlich zu jedem war, immer zuvorkommend und niemals ein bösartiges Wort verlor. Sie war wahrscheinlich das, was viele Lete schlicht und ergreifend perfekt nennen würden. Sicher, das war nur seine Ansicht, aber er konnte sich vorstellen, dass es anderen ebenso erging. Auch, wenn ihn das auf eine gewisse Art und Weise etwas eifersüchtig machte. Doch immerhin gab es doch auch diese Momente hier. Die, in denen ihr Lächeln wirklich nur für ihn gedacht war. Und auch das war etwas, an dem man festhalten konnte. Momente, die ein ziemliches Herzklopfen auslösten. Eigentlich hatte er nie an so einen Unsinn von wegen Schmetterlingen im Bauch oder dergleichen geglaubt. Aber auch nach siebzehn Jahren konnte man wohl noch eines Besseren belehrt werde. "Oh, ähm... Dankeschön." "Um Gottes Willen, ich ziehe gleich aus und nehm' mir 'n anderes Zimmer, dann habt ihr Zeit, euch gegenseitig beim Vornamen zu nennen oder irgendwas dergleichen!" Kopfschüttelnd wurden die Karten verteilt, während Kaidan und Rahna ein kurzes Lächeln austauschten, ehe sich die Biotikerin an David wandte. "Wir dich doch auch, David." "Ihr könnt mich mal. Alle beide." Lachend nahmen sie alle drei ihre Karten zur Hand. Das war etwas, das alles hier erträglich machen konnte. Den Unterricht, wenn man ihn denn noch so nennen wollte, die Strafen, die Vyrnnus ihnen auferlegte, das gesamte Wissen, dass sie hier untereinander sein konnten, wer sie waren. Aber alle guten Dinge fanden irgendwann ein Ende... "Nun, zumindest scheinen Sie ja etwas zu können. Dinge anzuheben und angehoben zu lassen ist zwar wirklich nichts Besonderes, aber ich denke, bei Leuten wie Ihnen muss ich schon für Kleinigkeiten dankbar sein." Vyrnnus ging prüfend durch die Reihen, betrachtete die Schüler, die schwitzend und keuchend versuchten, die Gewichte, die biotisch vor ihnen in der Luft schwebten, auch dort zu halten. Der Turianer hatte sich von Anfang an nicht damit aufgehalten, sie mit leichten Objekten hantieren zu lassen. Im Gegenteil, es war von vornherein verlangt worden, dass sie alles, was sie zur Hand nehmen wollten und konnten, biotisch anheben und zu sich ziehen mussten. Und ein fünfzig Kilogramm schweres Gewicht vor sich in der Luft schweben zu lassen, war für viele keine Kleinigkeit. Himmel, einige von ihnen waren immerhin so abgemagert, dass sie es nicht einmal per Hand würden heben können! Und wahrscheinlich hatten sie im Moment einfach nur Glück, dass er keines davon nahm und auf sie schleuderte. Denn auch so etwas war in der letzten Zeit öfter vorgekommen. Vyrnnus schien mit jedem Tag aggressiver zu werden, seine Strafen wurden härter, ab und an war er sogar schon handgreiflich geworden und hatte sich nicht damit begnügt, lediglich Gegenstände nach ihnen zu werfen. Kaidan war sich zuweilen nicht sicher, ob es ihm nicht eigentlich zuwider war, dass die Schüler Fortschritte machten. Dass die dummen Menschen versuchten, in Wissen und Kraft ein wenig die Lücke zu schließen, die sich zwischen ihnen und den außerirdischen Rassen noch immer auftat. Logisch wäre es, immerhin sagte er oft genug, dass die Menschen besser auf ihrem kleinen, rückständigen Planeten geblieben wären, anstatt zu versuchen, sich der intergalaktischen Gemeinschaft anzuschließen. Er wäre dann schließlich von alledem hier verschont geblieben und hätte nicht den lieben langen Tag versuchen müssen, anscheinend hoffnungslosen Fällen sein Wissen näher zu bringen. "Lassen Sie sie runter." Die Gewichte herunter zu lassen bedeutete nicht einmal, dass sie sie einfach fallen lassen konnten. Im Gegenteil, mit allergrößter Vorsicht mussten die Gewichte auf dem Tisch platziert werden, und das so leise wie möglich. Wer es sich einfach machen wollte, durfte jedes Mal zur Strafe noch einmal eine gute halbe Stunde damit zubringen, einen Gegenstand nach Vyrnnus Wahl in der Luft schweben zu lassen. Einmal hatte er sogar selbst einen Schüler in die Luft gehoben und mit voller Wucht von der Decke zu Boden fallen lassen. "Sehen Sie? Ihnen würde das auch nicht gefallen." Die Konzentration im Raum war fast greifbar, als jeder versuchte, den Gegenstand vor sich zurück auf den Tisch schweben zu lassen. Ein paar Mal war ein leises Geräusch zu hören, als die schweren Dinger auf die Platte trafen, aber ein wirklich lautes Geräusch verursachte keiner - weil jeder wusste, wie dumm das gewesen wäre. Wahrscheinlich gefiel das Vyrnnus nicht wirklich, unzufrieden lehnte er an seinem Pult und betrachtete die schwitzende und schwer atmende Gruppe von Teenagern vor sich. Wie ein Falke, der nur darauf wartete, dass seine Beute einen Fehler beging. Wahrscheinlich war es das, was so viele von ihnen schon halb wahnsinnig und paranoid hatte werden lassen. Die Angst vor der geringsten Blöße, die sie sich geben könnten, wenn sie nicht zu einhundert Prozent konzentriert waren. Einige von ihnen wischten sich mit dem Handrücken über das Gesicht, um das Nasenbluten zu stoppen, dem viele von ihnen immer wieder ausgesetzt waren. Andere zogen ihre Gläser mit Wasser mithilfe ihrer Kräfte zu sich heran, um einen Schluck zu trinken. Darunter auch Kaidan und Rahna und - Oh nein. Nein, nein, nein, nein! Kaidan sah mit großen Augen, wie sich Rahna müde über die Stirn fuhr und nach ihrem Glas Wasser griff. Gut, vielleicht würde es Vyrnnus nicht sehen, vielleicht sah er gerade in die genau andere Richtung und würde es nicht einmal bemerken! Aber kaum, dass sich die Finger der Türkin um das Glas geschlossen hatten, da schlug es ihr eine Klaue aus der Hand, und das Glas zerschellte an der nächsten Wand in tausend kleine Scherben, während das Wasser den Boden durchtränkte. Große. Scheiße. "Da hat wohl jemand wieder die Regeln vergessen." Die Stimme des Commanders klang fast schon amüsiert, als er Rahnas Handgelenk packte und sich zu ihr vorbeugte, während die junge Biotikerin nur schlucken und ob des festen Griffs leise wimmern konnte. "S-Sir, es tut mir leid! I-ich habe nicht daran gedacht..." "Nicht daran gedacht?" Vyrnnus spie ihr diese Worte regelrecht entgegen, packte ihr Handgelenk noch fester, während seine andere Hand ihr Kinn umfasste und sie zwang, ihn anzusehen. Kaidan ballte die Hände zu Fäusten, er wollte sich zwingen, ruhig zu bleiben, aber er konnte nicht. Sein viel zu lauter Herzschlag, der seinen Verstand mit einem lauten Tu endlich was! übertönte, musste ihn schon fast verraten, es war beinahe ein Wunder, dass Vyrnnus ihn noch nicht gehört hatte. "Nicht daran gedacht...", wiederholte der Turianer noch einmal und ließ Rahnas Kinn los. Kaidan konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber sie zitterte wie Espenlaub, was angesichts dieser Bedrohung nur allzu verständlich war. Beiß die Zähne zusammen, er wird ihr schon nichts tun. Und das war genau das, was nicht stimmte. Zwar war Rahnas Kinn losgelassen worden, aber die nun freie Hand ihres Ausbilders fuhr mit einer einzigen fließenden Bewegung zu ihrer Schulter und packte sie dort so fest, dass sie leise aufschrie. "Ich sollte dafür Sorge tragen, dass Sie nicht noch einmal nicht daran denken, meinen Sie nicht auch?" "Sir, bitte, nein...!" Kaidan verstand, noch bevor es überhaupt passierte. Es war ein einziger Moment, ein paar winzige Sekunden, aber wenn man es mitansehen musste, dann fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Der Turianer zog das Mädchen halb auf den Tisch, ignorierte jegliches Wimmern und Schreien und Flehen und die entsetzten Gesichter der anderen. Die Knochen einer menschlichen Frau hatten dem Griff nicht viel entgegen zu setzen. Es war ein Ruck, eine kurze Bewegung, und mit einem Mal erfüllte ein lautes Knacken den Raum, begleitet von einem Schrei. Nein, zwei Schreien. "NEIN!" Rahna wurde losgelassen und blieb schluchzend mit dem Oberkörper auf dem Tisch liegen. Das Mädchen neben ihr wollte ihr helfen, aber Vyrnnus herrschte sie an, nichts zu tun, genau, wie er es damals bei Kaidan getan hatte, als er Robert hatte helfen wollen. Doch lag sein Blick nicht mehr länger auf ihr oder Rahna, deren Fingernägel sich fast in die Tischplatte bohren wollten. Nein, er hatte seine Aufmerksamkeit jemand ganz anderem gewidmet. "Haben Sie ein Problem mit meinen Erziehungsmethoden, Alenko?" Kaidan war von seinem Platz aufgestanden, die zitternden Hände noch immer zu Fäusten geballt, die Zähne fest zusammengebissen und sah den Turianer einfach nur hasserfüllt an. Es war genug. Es war endgültig genug. Wahrscheinlich sollte er sich jetzt einen Idioten schimpfen, denn er fühlte sich tief im Inneren wie einer, aber gleichzeitig wollte er genau das auch nicht. Das hier war das Richtige und auch, wenn ihn der Rest der Klasse ansah, als hätte er den Verstand verloren, es war das, was er tun musste. "Ich habe sie etwas gefragt, Alenko!" Mit festen Schritten kam Vyrnnus auf ihn zu, wie damals schon am ersten Tag, und wieder blieb er vor ihm stehen, die Klauen auf sein Pult gelegt. So schloss sich wohl der Kreis. Ein tiefer Atemzug, ehe Kaidan zu ihm aufsah. Selbst im Stehen war er noch einen guten Kopf kleiner als der Turianer, aber im Moment scherte ihn das nicht, im Moment war ihm das alles egal. "Ja", antwortete er schließlich mit so fester Stimme wie möglich, während sein Verstand versuchte ihm klar zu machen, dass er hier einen großen, sehr großen Fehler beging. Nur dumm, dass er so von seinen anderen Gedanken übertönt wurde. "Ja, was?" "Ja, ich habe ein Problem damit." Er war sich nie sicher gewesen, ob Turianer grinsen konnten. Oder lächeln. Aber wenn sie es konnten, dann würde Vyrnnus' Gesicht jetzt wohl genau das zeigen. Ein diabolisches Grinsen, wie bei jemandem, der eine Spinne gefangen hatte und sich jetzt genüßlich daran machte, ihr jedes Bein einzeln auszureißen. Es wurde nicht einmal mehr ein einziges Wort gesprochen, wahrscheinlich hielt es der Turianer nicht für nötig, seine nun folgenden Taten anzukündigen oder zu rechtfertigen. Kaidan hatte ihm augenscheinlich genug Gründe gegeben, einfach zu tun, was er jetzt einfach tat. Denn das nächste, das Kaidan spürte, war der Faustschlag mitten in sein Gesicht. "Du solltest wissen, dass es mich nicht kümmert, was du denkst." Die Stimme des Turianers troff nur so vor Hass und Abscheu, als er den wankenden Kaidan packte und ihn zu Boden warf, als wäre er kaum mehr als ein nasser Sack. Als nächstes folgte ein Tritt, direkt in seine Magengrube. Kaidan rang keuchend nach Luft und versuchte panisch rückwärts und auf dem Rücken liegend aus Vyrnnus' Reichweite zu gelangen, aber vergebens. Sein Ausbilder war so in Rage, dass es ihm anscheinend egal war, ob er Kaidan damit töten würde. Wahrscheinlich musste er sogar dankbar sein, dass er seine Schläge und Tritte nicht biotisch verstärkte, denn das würde ihm wahrscheinlich jeden Knochen im Leib einfach zertrümmern. Und er selbst hatte nicht einmal die Chance, auch nur eine Barriere um sich zu errichten, so sehr bedrängte ihn der Turianer. Vyrnnus packte ihn am Kragen seiner Kleidung und zog ihn mit, ehe er ihn mit voller Wucht gegen das Pult vorne im Raum schlug. Einmal. Zweimal. Dreimal. Kaidan presste es die Luft aus den Lungen, und vergeblich umgriff er den Arm des Turianers, krallte sich hinein, versuchte, den Griff etwas zu lösen, natürlich vollkommen vergeblich. Und dann folgte ein weiterer Schlag, genau gegen die Schläfe, so dass Kaidan einen Moment wie benommen war. "Sie hätten euch damals alle zurück in die Steinzeit bomben sollen!" Vyrnnus zog ihn wieder auf die Beine, nur, um ihn kurz darauf auf das Pult zu wuchten. "Als ob die Galaxie euch brauchen würde!" Kaidan konnte Blut schmecken, als die Faust sein Gesicht ein drittes Mal traf. Er versuchte, den Turianer zu treten, aber entweder gingen seine unkoordinierten Tritte ins Leere oder es war dem Turianer egal, dass er getroffen wurde. Als würde eine Mücke versuchen, einen Elefanten zu stechen. "Ihr denkt, ihr seid so etwas Besonderes? Ihr seid nichts!" Der Turianer beugte sich weiter über ihn, eine Hand schloss sich um Kaidans Hals und drückte fest zu. Verzweifelt versuchte der junge Biotiker, etwas dagegen zu unternehmen, aber je mehr er sich wehrte, umso fester drückte Vyrnnus zu. Irgendwo glaubte Kaidan, jemanden schreien zu hören. Vielleicht Rahna. Vielleicht jemand anderen. Haltet bloß die Klappe, dachte er, während er sich weiter unter dem festen Griff wand und der Turianer nur weiter und weiter auf ihn einprügelte. Seid bitte einfach still! "Nichts weiter als Kakerlaken!" Der Griff um seinen Hals wurde etwas lockerer, Vyrnnus schien für einen Moment abgelenkt zu sein, Kaidan konnte es nicht sehen, aber musste wohl in seinen Taschen nach etwas suchen. Rasselnd holte Kaidan Luft und versuchte, sich aufzurichten, als er schon wieder nach unten gedrückt wurde und sein Hinterkopf mit voller Wucht auf der Tischplatte landete. Und dann sah er es. Direkt vor seinem Gesicht ließ sein Ausbilder ein Messer aufschnappen, drehte es nachdenklich in der Hand, ehe er wieder zu Kaidan sah. "Warum so still? Sonst hast du doch auch so eine große Klappe!" Ein freudloses, bösartiges Lachen ging durch den Raum. "Vielleicht habe ich hier etwas, um deinen Lippen wieder ein wenig zu öffnen..." Kaidan sah sich schon fast von dem Messer durchbohrt, aber das, was Vyrnnus schlussendlich tat, war noch viel, viel schlimmer. Willkürlich fuhr der mit der Klinge über Kaidans Mund, ritzte zeitweise tief in die Haut, betrachtete sein Werk nachdenklich. Kaidan spürte die brennenden Schnitte und biss die Zähne zusammen, während er sich unter dem festen Griff wand. Es würde nicht einmal etwas bringen, nach dem Turianer zu schlagen, er konzentrierte all seine Kraft darauf, nicht zu schreien, er wollte ihm auf keinen Fall das geben, was er sich augenscheinlich so sehr ersehnte! "Nun? Keinen Ton dazu zu sagen, Alenko? Nun, dann bringen wir das hier zu Ende!" Was folgte, war der schlimmste Schmerz, den Kaidan bis dato jemals gespürt hatte. In einer einzigen langsamen Bewegung fuhr die Klinge von oben nach unten, schnitt durch seine Haut, seine Oberlippe, die Unterlippe. Kaidan konnte das Blut schmecken. Er konnte spüren, wie die Haut sich schmerzhaft auseinander zog. Und jetzt konnte er nicht einmal mehr schreien, selbst, wenn er gewollt hätte. Wahrscheinlich war es das Wissen, dass das hier das Ende sein würde - sein Ende - wenn er nichts unternahm, das dazu führte, dass auf einmal wie von selbst ging. Es war so, wie es schon bei Rahna gewesen war. Alles schien ihn Zeitlupe abzulaufen. Kaidan spürte den elektrischen Impuls, der durch seinen Körper raste. Er sah das blaue Leuchten, das seinen Körper im Bruchteil einer Sekunde umhüllte. Und er sah, dass Vyrnnus es auch sah. Sie beide wussten, was das bedeutete. Er oder ich. Vyrnnus riss das Messer nach oben, bereit, es auf Kaidan niedergehen zu lassen. Kaidan winkelte sein Bein im Bruchteil einer Sekunde an und ließ es nach oben schnellen. Sein Stiefel traf den Kiefer des Commanders. Die Knochen knirschten unter der Wucht des Tritts. Der Kopf flog in einem schier unmöglichen Winkel in den Nacken. Ein weiteres Knacken ging durch den Raum. Mit einem gurgelnden Geräusch, das Kaidan durch Mark und Bein fuhr, ging der Commander zu Boden, das Messer fiel neben ihm zu Boden. Schreie gingen durch den Raum. Kaidan rutschte vom Tisch und fiel hin, versuchte vergeblich, sich wieder auf die Beine zu bringen. Er sah Vyrnnus' Körper schwach zucken, doch seine Sicht wurde immer schlechter. War das sein Blut, dass da zu Boden tropfte? Ein Arzt. Er wusste nicht, ob er das Wort noch aussprach oder nicht, aber er betete, dass irgendjemand einen holen würde. Schnell. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)