Es begann mit einer Süßigkeit. von Fusselfiech ================================================================================ Kapitel 1: Bitter süß wie Mokka ------------------------------- Bittere Vorstellung. Es war nicht so, dass er die Schule hasste, viel mehr war es der Ort, an dem er bestimmte Situationen nicht kalkulieren konnte. Was auch immer Seto tat, hier in der Schule schien es immer zu einer nicht vorhersehbaren Reaktion zu kommen, die sich oft auf seine Umwelt, aber in trauriger Häufigkeit, auch auf ihn selbst bezog. Begonnen hatte diese in seinen Augen fast schon surreale Situation mit Muto´s temporärer Wachstumsphase, die gleichzeitig einen ebenso temporären Stimmbruch mit sich brachte. Wann immer der Gartenzwerg an Größe und Stimmvolumen dazu gewann, schien Seto in einen unwillkürlichen Sog miteinbezogen zu werden. Anscheinend kreierte diese temporäre Phase des Zwerges, ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum in dem Seto sich in einer anderen surrealen Realität wieder fand, und egal, was er diesem Sog entgegen zu setzen versuchte, es wurde aufgesogen und machte die ganze Situation noch viel surrealer. Jetzt aber zu der Frage, warum er grade wieder in der Schule stand und sich diese unsinnigen Gedanken machte. Er hatte soeben etwas beobachtet, etwas, was ihn, zu seinem Bedauern, weniger kalt ließ, als es sollte. Eigentlich sollte er doch froh sein, dass er dieses Ereignis beobachten dürfte, seine Welt sollte sich dadurch doch nur wieder normalisieren, doch wie so häufig stellte er fest, dass allein die Erinnerung daran, ihn schmerzlich bewusst machte, dass er unter dem Einfluss der Schule und der temporären Wachstumsphase des Zwerges stand. Rückblick: Ihre Mathe-Lehrerin hatte leider am Wochenende den Kampf gegen eine Influenza verloren und lag nun kränklich im Bett. Dies kreierte, dank des ausgeklügelten Lehrermangels eine Freistunde, die die Schüler nach Belieben nutzen konnten, außer Wheeler natürlich. Dieser hatte sich mal wieder Ärger gemacht und musste als Einziger in der Freistunde, zu seinem eigentlichen Glück, sonst hätte er Nachsitzen müssen, Matheaufgaben lösen. Seto selbst hatte sich in der Zeit ein wenig auf den Hof gesetzt und gedöst. Ja, auch er versank manchmal in unerklärlichen Tagträumen, dessen Ausmaß, sollten sie jemals eine Bedeutung bekommen, noch nicht ersichtlich war, da sie erstens eine Person beinhalteten, die dort nichts zu suchen hatte, und zweitens Aktivitäten beinhalteten, die vornehmlich im Bett und in der Nacht verübt wurden. Etwa eine viertel Stunde, bevor die Freizeit sich ihrem Ende näherte, beschloss er, vielleicht doch mal etwas zu tun, schließlich war er ein vielbeschäftigter Mann, der eine Firma zu leiten hatte. Faul herum zu liegen und seinen Tagträumen nachzuhängen, konnte er sich nicht erlauben, schließlich war er kein verranzter Teenager, der nichts mit sich anzufangen wusste, nachher bekam er noch Wheeler-Allüren, oder noch schlimmer, temporäre Wachstumsschübe mit wachsendem Lungenvolumen. Hatte es bei Yugi nicht auch so angefangen? Allein der Gedanke konnte ihm fast Angstschweiß auf die Stirn zaubern. Was, wenn er auch um sich, so ein Vakuum erzeugte? Nicht auszudenken! Es musste etwas gegen diese neue Marotte getan werden. So konnte das nicht weitergehen. Besser, er ging wieder in die Klasse und tat, was er am besten konnte, arbeiten. Er lief die Treppe hinauf und sah schon den Klassenraum, als er stehenblieb. Muto´s unaufhaltsam in den Abgrund führende Phase der Realitätsverzerrung hatte wieder eingesetzt. Seto hatte sich entschlossen, dem Szenario fern zu bleiben, wollte aber zumindest beobachten, wie sich die Situation entwickelte. Dass dies ein Fehler war, wusste er jetzt, aber zu dem Zeitpunkt schien die Szenerie noch recht harmlos zu sein. Sehen konnte er eigentlich nur einen Teil der beiden Oberkörper, was bei Wheeler wohl daran lag dass er saß und bei Muto, dass diese temporäre Wachstumsphase aus einem Gartenzwerg, eben doch keinen Riesen machen konnte. Sie redeten miteinander, so wie sie es immer taten, Wheeler´s Gesicht zeigte diesen speziellen Ausdruck des Leidens, welchen er nur zeigte, wenn es sich um Mathe handelte. Wieso Seto das so genau wusste, war ihm nicht klar, jetzt noch nicht, aber es würde nicht mehr lange dauern, dann würde das alles einen Sinn ergeben. Keinen vorteilhaften und keinen, den er sich gewünscht hatte, aber, einen Sinn ergab das Ganze bestimmt. Denn dann änderte sich die Situation schlagartig. Muto bewegte sich etwas näher, zu nahe an Wheeler heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Seto´s Haut begann zu kribbeln, ein unangenehmer Funke der Eifersucht flammte auf und er war kurz davor, sich diesem unglaublichen Sog hinzugeben, wie ein Lichtstrahl gefangen, von einem schwarzen Loch, das ihn unaufhaltsam mit seiner Gravitation an sich binden wollte. Doch noch ehe er sich entscheiden konnte einzugreifen, diesem Treiben ein Ende zu machen und sich unweigerlich in diesem Sog zu verlieren, stieß ihn das, was nun kam, ab. Als hätte die kurze aber eindeutige Erwiderung des blonden Köters, ein Magnetfeld gebildet, das jeden ankommenden Lichtstrahl von sich abprallen ließ. Es war die Antwort auf etwas, was er geahnt hatte, still befürchtet und nach außen hin gehofft. „Ich liebe dich.“ Joey´s Lippen formten diese Worte aus einem unglaublich glücklichen Lächeln heraus. Seto flüchtete, nicht aufbrausend erregt, viel mehr leise gebrochen. Ich liebe dich. Seto konnte nicht viele Worte von den Lippen lesen, im Grunde nur diese drei. Es war die erste und die letzte Erinnerung, die sich in seinen Synapsen verewigt hatte. Von den roten Lippen lief das Blut hinab, ein Aufkeuchen: „Ich liebe dich.“ Das letzte Geschenk und der letzte Fluch, den seine sterbende Mutter ihm auferlegt hatte. Nichts war ihm so sehr im Gedächtnis geblieben, wie die erleichterten Worte seiner sterbenden Mutter, der klar wurde, das ihr Sohn gerettet war, sie aber sterben würde. Rückblick Ende. Und nun? War es Segen oder Fluch, war Wheeler´s Erwiderung das, was er gehofft, oder gefürchtet hatte. Nun da Wheeler sie endlich offenbart hatte, seine Gefühle Yami gegenüber? War sein blonder Traum endlich weit genug entfernt? Würden diese Gefühle endlich aufhören, diese Tagträume? Das Verlangen? Die Sehnsucht? Nein. Es schien, als wäre der Blonde endlich weit genug, all das zu vergessen und doch waren diese Gefühle nie so ausgeprägt, wie in diesem Moment. Schon immer hatte er geahnt, das Wheeler etwas für Yugi, oder vielmehr für sein temporäres Alter-Ego übrig hatte, es war ja auch kaum zu übersehen, doch bis jetzt hatte er immer gehofft, gedacht, dass das nicht möglich war. Seto war eifersüchtig, eifersüchtig auf diesen Rivalen, den er nicht fassen konnte, den er nie übertreffen konnte. Egal, was er tat, oder eben nicht, es war ihm immer, an Yugi zu scheitern. Erschöpft sank er gegen einen Baum und schloss die Augen. Süße Wahrheit. Warum war Joey das Pech immer näher, als das Glück? Anstatt mit den anderen draußen in der Sonne zu liegen und den Tag einfach zu genießen, saß er alleine im Klassenzimmer über unlösbarer Algebra. Wer bitte brauchte Algebra? Waren Buchstaben nicht eher was für Japanisch? Seinetwegen auch für den Englischunterricht? Musste diese abartige Art der Mathematik auch noch Buchstaben benutzen? Tiefseufzend sah er hinaus, wo all die anderen waren, ob Kaiba auch dort war? Der hatte bestimmt keine Probleme damit. Hatte Kaiba überhaupt Probleme? Im Gegensatz zu ihm, hatte der doch schon alles Erreichbare erreicht? Oder konnte man noch mehr wollen, als das? Immer, wenn Kaiba dasaß mit dem Laptop auf den Knien, versunken in einer so eigenen für Joey unbegreiflichen Welt, spürte er eine innere Ruhe und Ausgeglichenheit, die er selbst kaum greifen konnte. Als wäre diese Welt in der Kaiba war, so viel angenehmer, als seine Eigene. Was wünschte Joey sich, dass der Brünette jetzt hier wäre, ihn nicht ansprach oder ansah, das wiederum machte ihn wild, allein der Gedanke daran ließ sein Innerstes jetzt brodeln, nein, das wollte er gar nicht. Nur einen dieser Momente, in denen sie auf unerklärliche Weise miteinander verbunden waren. Joey hatte dann das Gefühl auf einem Schiff zu treiben, auf einem See der klar und glatt war, doch dann, irgendwann, konnten sie es nicht mehr aushalten und einer von ihnen warf einen Stein, der die Wellen anschlug, bis sie zu reißenden Wogen wurden, die sie beide verschlangen. Knurrend sah er wieder auf seine Aufgaben, doch, selbst das wäre ihm grade angenehmer. Frustriert schrieb er auf ein Schmierblatt und versuchte die Lösungen zu greifen, doch sie schienen ihm immer zu entgleiten. Warum bitte, musste er so was wissen? Er würde eh nie studieren, glaubte er zumindest. Im Gegensatz zu vielen anderen, war Joey sich noch nicht sicher, was er eigentlich werden wollte. Er hatte mal überlegt, ob er Feuerwehrmann werden wollte, allerdings war er wohl ein bisschen zu faul dafür, aber andererseits war das sicher ein guter Job. Oder vielleicht Krankenpfleger, die mussten sich sicherlich auch nicht mit Algebra auseinandersetzen. Schließlich konnte man Menschen ja nicht berechnen. Außer vielleicht Kaiba, der konnte Menschen bestimmt berechnen, ohne dabei selbst berechenbar zu sein. Immer, wenn Joey dachte, er wüsste was in dem Brünetten vorging, schien er doch wieder ganz anders zu reagieren. Joey hatte schon oft versucht herauszufinden, wieso Kaiba in bestimmten Situationen so merkwürdig reagierte, doch so wirklich konnte er sich keinen Reim daraus machen. Das Einzige, was dabei auffiel war, dass fast immer Yami in der Nähe war, wenn Kaiba unvorhergesehen reagierte. Ob Kaiba etwas für Yami übrig hatte? Na ja, wenn man mal überlegte, Yami war wirklich attraktiv und seine tiefe charismatische Stimme, hatte es Joey auch irgendwie angetan. Zumindest am Anfang, jetzt waren sie gute Freunde und mehr wollte er auch eigentlich gar nicht. Ungeduldig kaute er an seinem Kugelschreiber herum und versuchte sich krampfhaft auf die Aufgaben zu konzentrieren, die sollten am Ende der Freistunde schließlich fertig sein. Doch seine Gedanken waren immer woanders, sich zu konzentrieren fiel ihm in letzter Zeit ziemlich schwer. Wieder hing er seinen Gedanken nach, als Yami den Raum betrat. „Du lernst es auch einfach nicht, was?“, sagte er gutmütig und trat zu Joey. Dieser sah auf und sein Gesicht erhellte sich leicht. „Yami! Mein Retter!“ Yami lachte leise: „Freu dich nicht zu früh, Yugi hat mir verboten, dich zu lange abzulenken, aber...“ Er beugte sich etwas vor, um dem Blonden etwas ins Ohr zu flüstern. „Ich hab dir was mitgebracht.“, sagte er verschwörerisch und zog etwas hinter seinem Rücken hervor. Joey´s Augen begannen zu leuchten. „Ich liebe dich!“, strahlte er überschwänglich und nahm Yami die Schachtel ab. „Wo hast du die denn her?“, fragte er überglücklich und öffnete das blaue Band bedächtig. Pralinen. Echte belgische Pralinen! Das war für Joey das Größte. Nicht, dass er sich auch über andere Süßigkeiten freute, aber für Pralinen würde er sterben. Bedächtig hob er den Deckel ab und legte das Papier zur Seite. Mit leuchtenden Augen betrachtete er die kleinen Kunstwerke aus Schokolade. Fast zärtlich nahm er mit Zeigefinger und Daumen eine heraus und biss ganz zart hinein. Leise seufzend spürte er das zarte Schmelzen der süßen Schokolade und im Gegensatz dazu der leicht herbe Geschmack der cremigen Mokka-Füllung. Das war der Himmel, so mussten Kaiba´s Lippen schmecken. Äh, was? Joey wurde leicht rot und sah Yami vergnügt an. Yami lachte leise und setzte sich auf Joey´s Pult, stibitzte sich auch eine davon und biss genüsslich hinein. „Yugi´s Opa ist doch letzte Woche nach Europa gefahren und da hab ich ihn gebeten, mir eine Schachtel für dich zu kaufen, weil du die doch so liebst.“, sagte er sanft und ließ die zarte Schokolade auf der Zunge zergehen. Doch im Gegensatz zu Joey, der diesen herben Kaffee-Geschmack wohl wirklich genoss, fand Yami es schon fast verschwenderisch eine solche Schokolade mit einer bitteren Creme zu füllen. Er nahm also das Stück und schob es Joey in den Mund. „Das ist nicht so meins.“, murmelte er erklärend. Joey war durchaus nicht traurig darüber. „Ich versteh dich, es gab Zeiten, da mochte ich den Kaffee-Geschmack auch nicht, aber ich hab ihn langsam zu schätzen gelernt, am liebsten schwarz und süß“, lachte er und leckte sich die süße Schokolade von den Fingern, legte dann wieder das Papier auf die Pralinen und den Deckel, zuletzt band er die blaue Schleife wieder darum und verstaute die Schachtel in seiner Tasche. Hatte die Stunde doch mit der lästigen Algebra angefangen, so endete sie im süßen Schwelgen. Leise seufzend versuchte er auch noch die letzten Aufgaben zu lösen, an denen er gescheitert wäre, hätte Yugi sich nicht erbarmt und eingegriffen. Kapitel 2: Karibisches Geschmackspanorama ----------------------------------------- Geschmackstest Wer hatte, bitte, bestimmt, dass Joey heute Ordnungsdienst hatte? Schließlich hatte er sich doch in der Freistunde diesen grässlichen Aufgaben gewidmet. Doch, wie immer, schaffte er es, sich den Zorn der Lehrer trotzdem zu sichern. Dabei hatte er seinen Englischlehrer nur versehentlich mit der Kreide getroffen, die eigentlich für Kaiba´s höhnischen Kommentar gedacht gewesen war. Dass der Brünette es auch nicht lassen konnte, ihn zu quälen. Lustlos hängte er seinen Oberkörper durch das geöffnete Fenster nach draußen und klopfte die Schwämme aus. Während der Staub langsam nach unten rieselte, sinnierte er darüber, was er heute noch machen würde, was wohl nicht viel sein dürfte, schließlich stand die Sonne schon ziemlich tief, geradezu erschreckend nahe am Horizont. Leicht dösend betrachtete er die Szenerie. Es war warm, doch langsam spürte man eine zarte Brise aufkommen, die über Nacht anschwellen sollte, wenn man denn dem Wetterbericht glauben wollte, doch dieser war in den letzten Wochen eher weniger zu gebrauchen gewesen. Der Wind glitt durch die Blätter der nahen Bäume und ließ sie leise rascheln. Joey genoss dieses Geräusch. Er schloss die Augen und horchte, ließ sich zärtlich umschmeicheln und spürte seine Haare, die sein Gesicht umspielten. Fast wie in einem Gedicht ließ er sich treiben und erlag seinen Träumen. Erst, als er eine Veränderung im Licht spürte, sah er wieder auf. Wie lange hatte er hier so herum gelegen? Die Sonne küsste geradezu den Horizont. Mürrisch richtete er sich wieder auf, streckte seine Hände gen Himmel, stellte sich dann auf die Zehenspitzen und stöhnte genießend auf. Das hatte gut getan. Müde wuschelte er sich durch sein Haar und wandte sich um. „Oh...“, murmelte er verlegen, als sein Blick auf Yami fiel. „Seit wann bist du denn hier?“ Ein spitzbübisches Grinsen legte sich auf seine Züge und er legte die Tafelschwämme in ihre Halterung. Yami lehnte im Türrahmen und hatte ihn ziemlich offensichtlich beobachtet. Er hatte die Arme verschränkt und funkelte ihn amüsiert an. „Man sollte meinen, du bemühst dich, die Schule schnell zu verlassen, aber anscheinend gefällt es dir hier.“, lachte Yami beinahe und stieß sich ab. Joey wiegte etwas den Kopf. Wenn er alleine war, war es fast schön, da hatte Yami schon irgendwie Recht. Doch, so wirklich dem zustimmen, nein, lieber nicht. „Was machst du denn nun hier?“, fragte er erneut und begann seine Sachen zu packen, denn er war fertig. „Ich hab versucht, dich anzurufen. Drei Mal, aber du bist nicht ran gegangen, da hat Yugi sich Sorgen gemacht und wir sind gekommen.“, erklärte Yami und setzte sich auf eines der Pulte. „Yugi hat mich rausgelassen, weil ich längere Beine hab und daher schneller bin, du kennst ihn ja, aber sag mal, haben die Lehrer dein Handy immer noch?“ Joey knurrte leise. „Ja, ich bekomme es auch erst am Freitag wieder.“, murmelte er. Yami schüttelte den Kopf. „Wenn du schon versuchst zu schummeln, dann mach es doch wenigstens clever.“, seufzte er und gab dem Blonden eine Kopfnuss. „Ich wollte gar nicht spicken. Ich hab nicht mal den Rechner auf gehabt. Es ist mir einfach aus der Tasche gerutscht. Das war sogar die Wahrheit, aber ihm das zu glauben, fiel selbst Yugi schwer, nur Kaiba hatte ausnahmsweise zu ihm gehalten, warum auch immer. Er hatte bestätigt, dass es aus der Tasche gerutscht war, aber damit er in den anderen Tests nicht auf dumme Gedanken kam, hatte ihr Klassenlehrer das Handy einbehalten. Jetzt musste er sich immer mündlich verabreden und pünktlich sein. Nicht, dass er gern unpünktlich war, viel eher war es so, dass er schon seit seiner Geburt unpünktlich war, schließlich war er zwei Wochen nach dem Termin geboren worden. Kurz überlegte er, wenn man daraus Rückschlüsse auf Kaiba zog, war der bestimmt zu früh gekommen. Und wo er grad wieder bei Kaiba war, dachte er wieder an Mokka, und wenn er an Mokka dachte, dachte er wieder ans Küssen und daran, ob die wirklich nach etwas schmeckten. Nicht, dass er noch vollkommen unerfahren war, aber er hatte noch nie intensiv genug geküsst, um eine Feststellung dahingehend machen zu können. „Sag mal Yami, du hast doch sicher schon oft geküsst, oder?“ fragte er und sah den Anderen an. Yami sah ihn überrascht an. „Wie kommst du von deinem Handy, das bei deinem Lehrer ist, zum Küssen?“ fragte er etwas verwirrt. „Du stehst doch nicht etwa auf deinen Lehrer?“ Joey schüttelte vehement den Kopf. „Nein! Es ist… eher so, dass meine angeborene Unpünktlichkeit damit zu tun hat...“ Allerdings war er nicht gewillt, Yami die Umstände seiner Gedanken zu erklären. „Aber, was ist denn jetzt, hast du schon oft geküsst?“ Yami seufzte: „ Warum willst du das wissen?“ Joey wurde leicht rot. Wie sollte er Yami denn jetzt fragen? „Ich hab mich gefragt, ob...na, ja, ob Küsse einen bestimmten Geschmack haben, also je nach Mensch.“ Yami legte den Kopf schief. „Und das, hat mit deiner angeborenen Unpünktlichkeit zu tun...“ Jetzt kam der Pharao nicht mehr mit. Nicht, dass er Joey´s Probleme verstand, er machte sich gar nicht die Illusion, aber das, da war er sich sicher, konnte ihm nicht mal Yugi erklären. „Ja,“ gab Joey einfach zu, zwar nicht direkt, aber über acht Ecken vielleicht. Yami schüttelte wieder den Kopf. „Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht, ich hab mir noch nie Gedanken darüber gemacht, beim Küssen.“ sagte er ehrlich, schließlich war der Geschmack eines Kusses doch eher nebensächlich, solange es nichts Unangenehmes war. Worüber machte sich, die Jugend von heute, eigentlich Gedanken? Joey sah etwas enttäuscht aus. Er hatte ehrlich gehofft, Yami könnte ihm da weiterhelfen. „Darf ich es denn dann mal ausprobieren?“ fragte er dann. Wenn Yami das nicht wusste, musste er halt als Versuchskaninchen herhalten. Noch ehe Yami etwas entgegensetzen konnte, hatte Joey ihn im Nacken gepackt und drückte ihm zärtlich die Lippen auf. Yami schnappte überrascht nach Luft, was Joey nutzte, um seine Zunge in eben diesen zu schleusen und interessiert zu kosten. Panorama Blick Seto hatte es gewusst. Es hätte gar nicht anders kommen können, denn er war wieder in der Schule und er hatte Wheeler am Fenster beobachtet, es war gefährlich, sich hinein zu begeben, aber er hatte etwas sehr wichtiges in seinem Pult vergessen. Und nun? Wie die Sonne den Horizont küsste, so küsste Wheeler Muto´s temporäre Wachstumsphase. Zärtlich glitten Wheeler´s Hände durch die aufgestellten Nackenhaare des Anderen und seine Lippen verschmolzen geradezu mit denen Muto´s. Es war weniger ein liebevolles Spiel, als ein zärtliches Ausprobieren. Fast wild und emotional schien Wheeler Muto schmecken zu wollen, als wolle er etwas kosten, das er nicht kannte. Hungrig bewegten sich seine Lippen gegen die des Anderen. Sanft knabbernd bat er darum, eingelassen zu werden und seine braunen Augen funkelten aufgeregt interessiert, neugierig. Aber, erst als Muto nach Luft schnappte, erlaubte Joey es, Seto einen kurzen Blick auf die rosige, vorwitzig, freche Zunge des Blonden. Forsch drang sie in feindliches Terrain ein, stellte sich dem wilden Kampf. Es war so intensiv, dass Seto es fast selber spüren konnte, es fast schmecken konnte und als hinter den beiden die glühende Sonne unterging, ließ ihn die Szenerie fast vergessen, wo er eigentlich war. Doch dann spürte er es, das Ziehen, das unangenehme Ziehen in seinem Körper, dieses Aufflammen eines Gefühls, dass er schon lange vergessen hatte. Seto konnte es trotzdem benennen, von allen Gefühlen war es das Einzige, was er ohne Probleme bestimmen konnte, war es doch lange Zeit ein bitterer Begleiter gewesen. Immer dann, wenn das Mädchen morgens mit dem glänzendem roten Fahrrad an ihrem Heim vorbeifuhr, immer dann, wenn der Junge mit dem neuen Basketball auf den Spielplatz kam, immer dann, wenn die dunkelhaarigen Zwillinge von ihren Eltern aus der Schule abgeholt wurden. Er hatte dafür gearbeitet, gekämpft, dieses Gefühl nicht mehr empfinden zu müssen und doch wurde ihm gerade klar, dass all sein Geld und all sein Einfluss ihm nicht halfen. Es gab etwas, das konnte er nicht besitzen, nicht mit Geld oder Einfluss. Neid keimte in ihm hoch und entfachte dieses unglaubliche Brennen. Er musste diesen Kuss endlich unterbrechen. Mürrisch öffnete er die Tür, von drinnen drangen Wheeler´s und Muto´s Stimmen zu ihm, die den Kuss gerade gelöst hatten. „Und, … war´s, wie du es dir vorgestellt hast?“ fragte Muto noch etwas atemlos. Joey schüttelte mit dem Kopf. „Ich hatte Mango getippt.“ Muto lachte: „Und?“ „Es schmeckt nach Hustenbonbon.“ Grade wollte Yami etwas erwidern, als Seto eingriff. „Störe ich?“ fragte er unwirsch und knallte die Tür zu. Wheeler sah ihn irritiert an und Muto verschluckte sich fast. Doch trotzdem fand Muto als erstes seine Worte wieder. „Ja, bei einem Geschmackstest.“, lächelte er und grinste Seto an. „Oh, ich wusste ja, dass Wheeler schon lange einen Nebenjob sucht, aber, dass du jetzt auch Hundefutter-Tester bist. Glückwunsch,“ gab Seto gönnerhaft zurück. Wheeler lachte. Was gab es da bitte zu lachen. Selbst Muto sah ihn erschreckt an. „Das hört sich ja fast nach Eifersucht an, möchtest du auch mal testen?“ fragte der blonde Schrecken seiner unerwünschten Tagträume doch tatsächlich, ohne an die Folgen zu denken, an die Seto sehr wohl dachte und deswegen ablehnen musste: „Danke, aber ich hab schon einen Job.“ Die blonde Katastrophe konnte doch gar nicht wissen, was gerade in ihm vorging? Oder nein, der Blonde war zu blöd dafür, oder vielmehr war Seto zu gut im Bluffen. Wheeler wollte ihn aus der Reserve locken, ihm einen entsetzen Kommentar entlocken. Was aufgrund der Tatsache, dass Muto als Katalysator herhielt, eigentlich nicht unwahrscheinlich war. Doch stattdessen machte Seto eine ablehnende Geste. Er würde sich nicht die Blöße geben, niemals. Außerdem war er ja nicht wegen Wheelers Kuss hier, der hatte schließlich aufgehört. Er war hier, um für Mokuba das Buch zu holen, welches er heute Morgen extra besorgt hatte. Sein kleiner Bruder wäre sicher enttäuscht gewesen, wenn er es vergessen hätte. Seto hatte sowieso die schlechte Angewohnheit, seinen kleinen Bruder zu oft zu vergessen. Leise seufzte er, während er das Buch in seiner Tasche verstaute. „Ich lass euch dann mal wieder eure Geschmackstests durchführen.“ knurrte er dann und wandte sich um. Wheeler hatte seine Tasche auch schon geschultert. Doch das störte Seto nicht, er ging einfach, sollten die Zwei doch machen was sie wollten, schließlich ging ihn das nichts an. „Kaiba, warte.“, sagte Wheeler und griff nach dem Ärmel des Brünetten. Seto sah ihn giftig an. „Was willst du, Wheeler. Streit?“ fragte er in die Enge gedrängt. Er mochte es nicht, wenn Wheeler ihm so nahe war und da sie beide in der Tür standen, die nach DIN 18101, 860x1860 mm breit war, hatte Seto extrem wenig Platz. Um genau zu sein nur 430 mm zu wenig, um Wheeler einfach zu ignorieren. „Ist das Kreidestaub an deiner Jacke?“ War da ein kurzes schelmisches Glimmen in Wheeler´s Blick? Als, wenn er ahnte, was jetzt in Seto vorging? Sie waren so nahe und Seto sah direkt in die braunen Augen des Blonden, der ganz zart gar federleicht über den feinen Staub auf Seto´s Jacke strich. Ja, das war Kreidestaub, herabgerieselt, als er den Blonden im Fenster beobachtet hatte. Wheeler betrachtete den Staub auf seinen Finger, bis Seto ihn zart wegblies. „Nein, Wheeler, ich hab auf der Arbeit durch ein paar alte Akten gesehen.“ Wheeler sah ihn wieder an, direkt in die Augen. „Ach, so, aber woher solle der auch sonst kommen.“, lächelte der Blonde und wandte sich ab, ging langsam mit Muto den Korridor hinab. Seto´s Blick folgte den beiden schweigend. Joey konnte es nicht wissen. Kapitel 3: Geblümte Begegnungen. -------------------------------- Blaue Tulpen Was war Seto froh das auf einen Freitag ein Samstag folgte. Das war etwas, was selbst Yugi´s temporäre Wachstumsphase nicht ändern konnte. Da sich Yugi´s Chaos im Raum-Zeit-Gefüge ja meistens auf die Schule begrenzte. Sollte es aber trotzdem einmal Auswirkungen außerhalb der Schule zeigen, musste Seto in einem Zirkel von zehn Metern um den Chaos-Zwerg stehen, um in das schwarze Loch der Zerstörung gesogen zu werden. Dennoch auch ohne Wachstumsphase ging ihm weder der Kuss des Blonden, noch seine Liebeserklärung aus dem Kopf. Immer wieder schwirrten die Gedanken zu eben diesen unwiderstehlichen Lippen, die Seto jetzt schon zweimal die Sprache verschlagen hatten und ihn in die Defensive gedrängt hatten. Was ihn aber noch mehr störte, war, dass er sich hatte so bloßstellen lassen, mit dem Kreidestaub. Wieso hatte er diesen denn nicht bemerkt? War es wirklich nur, weil Yugi in der Nähe gewesen war? Leise seufzte er. Wer wusste das schon, aber es hatte ihm wirklich gut getan, Wheeler im Fenster zu beobachten. Immer wieder musste er leicht schmunzeln, wenn er daran dachte, wie der Mitschüler über der Fensterbank hing und den Staub aus den Tafelschwämmen geklopft hatte. Was er dabei wohl gedacht hatte? Sicherlich hatte er sich mal wieder über die Ungerechtigkeiten in seinem Leben beschwert. Wie konnte die Lehrerin ihm nur immer wieder eine Strafe aufbürden, er war doch der unschuldigste Mensch auf diesem Planeten. Joey redete sich gerne raus und jedes Mal musste Seto schmunzeln, natürlich nur hinter vorgehaltener Hand, schließlich sollte Wheeler ja nicht mitbekommen, dass er Seto amüsierte. Wenn seine Wangen leicht gerötet waren, die Backen aufgeblasen und seine Augen wütend funkelten, weil er sich zu Unrecht behandelt fühlte, davon konnte Seto selten genug bekommen. Das war auch der Grund, warum er immer wieder noch den Finger in die Wunde drückte, oder Salz dazu streute, nur um Joey noch etwas zuzuhören. Dass er sich dabei selbst oft in Rage brachte, störte ihn zwar ein bisschen, aber diese Momente waren einfach zu schön, als dass er sich davon abschrecken ließ. Aber da war noch mehr, noch so viel mehr, weswegen er den Blonden einfach vergötterte. Überlegend hob er den Kopf gegen die Sonne, er hatte beschlossen spazieren zu gehen und sich mal einfach seinen Gedanken hinzugeben, das tat er selten und im Allgemeinen kam dabei selten etwas Produktives heraus, aber wenn es um Joey ging, konnte er danach viel besser abschalten. An einem Blumenladen blieb er stehen. Seit einigen Tagen waren überall Tulpen in allen Formen und Farben zu bestaunen. Tulpen bedeuteten Vergänglichkeit. Sanft strich er über eine weiße Blüte. Am Grab seiner Eltern hatten weiße Tulpen gelegen, schneeweiß ohne Kranz, nur ein Strauß. Er war so tief in Gedanken, dass er die Stimme, die zu ihm durchdringen wollte, erst gar nicht wahrnahm, nur leise und langsam drang sie zu ihm durch. „Kaiba, ich wusste gar nicht, dass du Tulpen magst.“ Seto blickte auf. Joey, in der Hand einen Strauß Tulpen, blaue Tulpen. „Ich mag sie auch nicht. Schließlich sind sie mir zu melancholisch. Wer mag schon Blumen, deren Bedeutung etwas Negatives beinhalten, wie Vergänglichkeit.“ Er wandte sich ab. „Das stimmt nicht, sie haben auch andere Bedeutungen, die Blauen heißen zum Beispiel: Unsere Treue gehört zu unserem Leben.“ Seto drehte sich um. „Wirklich? Wie soll etwas, das so falsch ist, wie blaue Tulpen eine Bedeutung haben und dann auch noch eine Positive?“ Fragte er ungewollt harsch. Joey zog sich etwas zurück, sah den Brünetten verständnislos an. „Wie, falsch?“, fragte er überrumpelt. Seto sah hochmütig auf ihn hinab. „Blaue Tulpen existieren gar nicht, Wheeler, die weißen Blüten werden mit Hilfe blauer Tinte gefärbt. Wie können sie eine eigene Bedeutung haben, Wheeler?“ Joey sah ihn immer noch verständnislos, vielleicht sogar enttäuscht an. „Sie haben eine Bedeutung für mich, …“ sagte er mit bebendem Unterton, „… genauso wie anscheinend für dich weiße Tulpen eine Bedeutung haben, aber vielleicht hast du recht, blau ist vielleicht doch keine so gute Farbe.“ Er warf Seto den Strauß vor die Füße und sah ihn nochmal giftig an, bevor er ging. Seto sah hinab auf den Strauß. Leise seufzte er und hob ihn auf, einige der Blütenblätter hatten sich gelöst und gaben den Blick auf das Innere der Blüte frei. Hatten Blumen wirklich auch eine persönliche Bedeutung? Sein Blick viel nochmal auf die reinen weißen Blätter der Tulpen. Was bedeutete eine weiße Tulpe wohl noch außer Vergänglichkeit? Was konnten diese Blauen für Joey bedeuten, dass er so beleidigt war? Blaue Tulpen. Ob sie für Wheeler wirklich mit Treue zu tun hatten? Ob sie für Yugi gedacht waren? Langsam ging er die Einkaufsstraße hinab und überlegte. Oder war es etwa nicht die Blume, die ihm so viel bedeutete? War es vielleicht die Farbe? Blau ist keine gute Farbe, hatte er gesagt. War blau Wheeler`s Lieblingsfarbe? In der Hand drehte er den Strauß und wendete ihn, doch so wirklich konnte er sich keinen Reim darauf machen, was in dem blonden Dummkopf vorging. Vor einem weiteren Blumenladen blieb er stehen und sah sich die Blüten nochmal an, sie hatten draußen eine Vielzahl von Tulpen, doch keine hatte für Seto eine andere Bedeutung, eigentlich waren sie ihm egal, außer den Weißen, vom Grab seiner Mutter. Also mussten sie doch eine individuelle Bedeutung für jeden haben. Eigentlich fühlte er sich, als müsste er sich bei Wheeler entschuldigen. Oft hatte er das Gefühl, sich für etwas entschuldigen zu müssen, doch bisher hatte ihn eine Entschuldigung nie weiter gebracht, viel mehr hatte sie ihn immer blockiert. Eine Frau trat zu ihm, anscheinend eine Floristin. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie und lächelte ihn an, „Waren die für ihre Freundin? Zur Erinnerung?“ Seto sah auf. „Zur Erinnerung?“, wie kam sie denn darauf? Blau. Nicht wirklich. Seto musste grinsen, das war viel zu offensichtlich und auch dämlich. Er sah in die Fensterscheibe, Joey hatte eine Beziehung zu Yugi, da konnte er kaum blaue Tulpen... Er empfand so was doch auch nicht bei braunen Blumen, mal davon abgesehen, das er braune Blumen wohl nicht attraktiv fände, gab es überhaupt braune Blumen? Wohl nur, wenn sie vertrocknet waren. Doch dann fiel sein Blick auf einen Strauch ähnlichen Gebildes, oder vielmehr einen Ast, er kannte sich ja nicht so aus mit Botanik, an diesem hingen gelbe runde Puschel. Puschel musste einfach das botanische Wort für diese gelben Blüten sein. „Sagen Sie, was ist das für eine Blume?“ Fragte er und zeigte auf die gelben Puschel. Sie sah auf. „Das sind Akazien.“, antwortete sie lächelnd. Er sah auf seine blauen Tulpen, oder vielmehr Wheeler´s blaue Tulpen und seufzte leise. „Was bedeuten sie?“ Die Frau sah ihn fragend an, schien nicht genau zu wissen, welche er meinte, also zeigte er auf den Ast. Sie überlegte einen Moment und fragte dann eine Kollegin, die strahlte sofort und kam heraus. „Geheime Liebe.“, erklärte sie überschwänglich und zeigte dann auf seine blauen Tulpen, „Diese...“ „Ich weiß.“, entgegnete Seto, „Unsere Treue gehört zu unserem Leben. Können sie mir ein Gesteck aus den Beiden machen?“ Sie sah die blauen Tulpen, welche schon sehr Mitgenommen waren, argwöhnisch an. „Sind Sie sicher, dass Sie die im Gesteck haben wollen?“, für Seto´s Geschmack war das ein wenig zu patzig, doch er überging das. „Ja, ich bin mir sicher.“, entgegnete er mit einem verschrobenem Lächeln. Manchmal spielte einem das Schicksal schon merkwürdige Streiche. Er sollte nach Yugi´s temporärer Wachstumsphase Ausschau halten, die war sicherlich irgendwo in seiner Nähe... Gelbe Akazien Joey kochte geradezu vor Wut. Wieso hatte er sich dazu nur hinreißen lassen? Dieser ignorante Klotz hatte doch keine Ahnung von Gefühlen, Romantik oder Taktgefühl. Diese blauen Tulpen hatte er nur gekauft, weil sie ihn an diese ignoranten, verdammt schönen, aber immer wieder viel zu kühlen Augen erinnert hatten. Muffelig ließ er sich auf eine Parkbank fallen. Warum hatte er Seto überhaupt angesprochen? Er hätte weitergehen sollen, so wie immer, einfach an ihm vorbei, doch dieser verträumte Blick, wie zärtlich er diese Blüte angefasst hatte. Joey hatte gedacht, dass sie etwas Schönes für den Brünetten bedeuten würden, aber dem war wohl nicht so. Aber aus welchem Grund sah man so sehnsuchtsvoll auf eine Blume, wenn sie nur schlechte Erinnerungen hervorbrachten? Sein Blick glitt in den Himmel und er hielt sich die Hand vor die Augen. Keine Wolke am Himmel, nur tiefes Blau. Verträumt dachte er an Seto zurück, wie er zart die Blüten berührte, was gäbe er nur dafür, dass der Brünette ihn so anfasste, mit liebevoll verklärtem Blick, während er über Joey´s Wangen strich. Ein leichtes Schaudern durchfuhr ihn. Auch, als er wieder an den gestrigen Abend dachte. Der Staub auf Seto´s Schulter hatte sich wirklich wie Kreidestaub angefühlt, er hatte auch sicherlich so gerochen, doch das konnte nur Wunschdenken oder Zufall sein. Dann hätte Seto ihn ja beobachten müssen, unter dem Fenster stehen müssen. Das wäre eindeutig unter der Würde dieses Mistkerls! Unverhofft siegte wieder der Ärger für den Brünetten. Manchmal badete Joey sich geradezu in seinen wechselhaften Gefühlen für Kaiba. Mürrisch stand er wieder auf, er hatte viel zu viel Geld für die Blumen gezahlt um sie Kaiba vor die Füße zu schmeißen, so eine Verschwendung. Wahrscheinlich hatte Seto sie sogar liegen gelassen, oder Schlimmeres, war auf sie drauf getreten, so wie er immer wieder unbewusst auf Joey´s Gefühlen herumtrat. Vor seinem inneren Auge sah er den Brünetten, wie er mit voller Genugtuung auf die Blüten trat, immer wieder trat er auf sie ein, bis sie ein grau grün blauer Flecken auf dem Asphalt waren. Er schüttelte sich, ob seine Gefühle auch irgendwann so ein matschiges Gebilde sein würden? Er steckte die Hände in die Hosentasche und kickte missmutig einen Stein auf die Straße. Dass er sich immer in so was hereinsteigern musste, er sollte nach Hause gehen, sich vor den Bildschirm setzen und sein Hirn ausschalten, das half immer gegen Gefühlsbäder. Sollte das nicht helfen, dachte er einfach an den deprimierend normal schmeckenden Kuss mit Yami zurück. Hustenbonbons, wie unromantisch war das denn bitte? Von allen Geschmäckern auf der Welt Hustenbonbons? Nachher schmeckte Seto auch danach, was für ein ernüchternder Gedanke. Ganz in Gedanken schlenderte er die Straße hinab, überlegte sich, ob er Seto wirklich küssen wollte, wenn er nach Hustenbonbons schmeckte, bis ihn ein Zusammenstoß nach hinten taumeln ließ. „Wheeler sind für dich nicht eher die Hydranten interessant?“ Joey´s Kopf schmerzte noch leicht und er rieb sich den roten Flecken. Seto unterdrückte wohl grade ein Lachen. Wütend funkelte er den Arsch an, der hatte ihm jetzt grade über den Weg laufen müssen, doch anstatt in eisblaue Augen starrte er auf einen Strauß mit ziemlich leierten blauen Tulpen und flauschig gelben Puscheln. „Gelbe Akazien?“, fragte er erstaunt und sah nun in die Augen seines Gegenübers, die amüsiert funkelten. Ganz anders als sonst. „Brauchst du was zum Kühlen?“, fragte er als Antwort und sah sich um. Joey starrte ihn an. Was war das jetzt für eine Aktion, so ein absonderliches Verhalten hatte er dem Geschäftsführer gar nicht zugetraut. „Nein, schon okay.“, stammelte er überfahren und fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar. „Sicher?“, fragte Kaiba unschlüssig und sah so aus, als hätte er lieber Eis geholt, doch Joey nickte. „Kein Problem, ist ja nicht meine erste Beule.“, knurrte er ungehalten und wollte vorbei, an dem Blumen haltenden Kaiba. Der allerdings schien andere Pläne zu haben, denn der Brünette packte ihn am Arm. „Was!“, fauchte Joey aufbrausend, was fiel dem eigentlich ein? Erst machte er so eine Szene vor dem Blumenladen und jetzt machte er sich auch noch lustig über ihn? Oh, nein, das würde er nicht mit... „Du hast was vergessen.“, lächelte Seto so umwerfend, das alles, was Joey ihm grade gegen den Kopf werfen wollte, verblasste. „Vergessen?“, fragte er irritiert und blieb stehen. „Ja, die Blumen.“, sagte Seto so beiläufig, als wäre sein Verhalten in irgendeiner Weise normal. Es war aber nicht normal! Kaiba war grade nicht normal, oder vielmehr war er zu normal. Normal war für Seto Kaiba, eben anders, als für andere! Dann würde er ihn eben testen, wäre doch gelacht, wenn ein Joey Wheeler nicht den echten Seto Kaiba wieder herauskitzeln könnte, schließlich war er Meister darin, Kaiba´s fiese Seite herauf zu beschwören! „Gelbe Akazien, sie bedeuten geheime Liebe.“, sagte er provokant. Doch wieder lag in diesen sonst so kühlen, distanzieren blauen Seen, die noch nie so still und klar waren, nur ein amüsiertes Leuchten. Seine Lippen waren zu einem schmalen, aber durchaus anziehendem Lächeln verzogen, als Seto ganz einfach nickte. „Ich weiß.“, sagte er nur und gab Joey den Strauß, entfernte sich dann wieder von ihm. War das doch Kreidestaub auf der Jacke? Joey´s Blick folgte dem Brünetten, bis er in der Menge verschwunden war. Leicht strich er sich über die langsam anschwellende Beule. Manchmal wurde er einfach nicht schlau aus diesem Menschen. 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