Blick über den Tellerrand... von Sternenschwester (3-Teiler) ================================================================================ Kapitel 1: Aller Anfang steht ein Ende vor ------------------------------------------ Kapi 1: Aller Anfang steht ein Ende vor… Wie lange sie schon da saßen, wussten das selbsternannte Bad Trio nicht. Auch konnten sie nicht die Frage beantworten, warum sie gerade auf dieser Treppe herum lümmelten. Rauf führte es nach kurzer Zeit in den Hof und wenn man runter ging, kam man nur in zwei Freizeiträume, welche die Schule netter weise für Workshops oder Band seitens der Schüler bereithielt. Der eine Raum, war sogar einst schalldicht saniert worden, so dass er meistens von den verschiedenen Musikgruppen benutzt wurde und dank dieser Dichtung bekamen die drei Herrschaften, welche sich eben als Besetzer dieser Treppe deklariert hatten, nichts von den Proben, die im Raum stattfanden mit. Vielleicht auch zu ihrem Glück, waren sich auch manche der probenden Mitglieder, der Anwesenheit der Drei vor ihrer Tür nicht bewusst. Es war nämlich nicht so als wären die Mitglieder des Bad Trios beste Kumpels mit dem punkischen Gesöcks, welche sich um Arthur Kirkland mit der Zeit gesammelt hatte. Doch vielleicht war auch dies der Grund für ihren Aufenthalt auf der zugigen Treppe. Einfach ein wenig Spannung ausleben, wenn die anderen mit ihren Proben für die Feier, welche zu Ehren ihres Abschlusses in ein paar Tagen geplant war, fertig waren und auf sie stoßen würden. Vielleicht gab es sogar neben Austausch der fantasievollen Beleidigungen auch noch eine kleine Prügelei für sie. Alle drei wussten, dass sie nur noch ein paar Tage hatten, um die Schule ins Chaos zu stürzen. So viele Jahre lang waren die drei für jeden Direktor, der einst den Mut bewiesen hatte den Posten zu übernehmen, ein Schrecken gewesen. Doch nun war bald das Ende ihrer Schulzeit geplant, die Abschlussprüfungen lagen hinter ihnen und selbst die drei waren mit ein wenig Geholpere unversehrt durch gekommen. Was jedoch nun vor ihnen lag, war absolutes Neuland. Keiner von den Dreien, hatte schon genauere Vorstellungen vom Leben nach der Schule. Sicher sie hatten mehrere Berufsberatungen hinter sich und ihre Zukunft nahm schon grobe Formen an. Antonio wollte mit seiner Freundin zusammen ziehen und dann eine Ausbildung in der Gastronomie machen. Francis zögerte noch die Entscheidung raus, ob er bei seiner Mutter bezüglich des familiären Friseurladen in die Lehre gehen wollte, oder doch versuchen soll in eine der Schulen der Modebranche aufgenommen zu werden. Gilbert, währenddessen hatte für einmal überhaupt keinen Plan. Das Militär würde ihn reizen, sicherlich, aber auch andere Berufsbereiche hatten sein Interesse geweckt. Plötzlich wurde ihre traute Dreisamkeit je gestört. Alle drei hoben den Kopf als sie Schritte über ihnen hörten und erblickten auch ein Paar frisch geputzte Lederschuhe auf einer der ersten Treppenstufen. Kurze Zeit später stellte sich Roderich Edelstein als der Besitzer dieser Schuhe heraus und rüttelte die drei aus ihrer Lethargie heraus. Als erster stand Gilbert auf. Die letzten Jahre hatte er sehr viel Zeit damit verbracht den Schnösel mit allen Mitteln der Kunst zu demütigen und zu schikanieren. Ein Zeitvertreib welcher nur mäßig von Erfolg gekrönt war, was an zwei Umstände gekoppelt war. Erstens, Francis und Antonio unterstützten ihn in dieser Sache nur sehr halbherzig und je nach Laune völlig spontan. Der andere Umstand bestand darin, dass sein Lieblingsopfer offenbar einen sechsten Sinn hatte, ihm auf neutralem Gelände auszuweichen. Es war nicht so als ob er dem Braunhaarigen nie über den Weg lief, schließlich waren sie in der gleichen Klasse. Aber wenn sie sich schon im selben Dunstkreis befanden, waren auch immer Elemente anwesend, welche allein durch ihre Präsenz die Brillenschlange schützten. Lehrer zum Beispiel, oder Elisabeth, Gilberts einstige große Liebe aus Kinderzeiten, welche zum allen Überfluss für ein ganzes halbes Jahr auch noch mit dem Musikfanatiker zusammen gewesen war. Soweit seine unbestechlichen Quellen es ihm zugeraunt hatten, lief zwar nichts mehr zwischen den beiden, aber was dem Weißhaarigen die Angelegenheit so bitter machte war, dass die beiden offiziell als Freunde auseinandergegangen waren und nun sich nach der schulischen Gerüchteküche sich wieder was anzubahnen drohte. Fakt war, dass er es bisher selten geschafft hatte Edelstein in die Enge zu treiben und nur bei der Hälfte der Fälle seine Freunde hinter sich wusste. Er konnte selber nicht mit Bestimmtheit sagen, was ihn an diesen arroganten Kerl eigentlich sosehr verband. Vielleicht war es die provozierende Nichtachtung, mit dem ihm sein Mitschüler strafte, wenn er wiedermal erfolglos versuchte durch Piesackereien dessen Wut zu provozieren. Es war nicht so das Edelstein auf die Streiche, welche Gilbert ihm regelmäßig spielte nie reagiert hätte. Besonders am Anfang war es mehr als amüsant gewesen, zuzusehen wie der Braunhaarige sich in hilflosen Zorn auflöste. Doch je älter sie wurden, umso geübter übersah Edelstein seinen Folterknecht, welches nun ihn an seiner Reihe zu Weißglut trieb. Arthur hingegen, hatte dies nie gelernt. Egal wie gewohnt die abgedroschenen Neckereien waren, er fiel immer wieder darauf ein. Insbesondere wenn sie von Francis kamen. Gilbert begann zu grinsen und zu frohlocken. Welch Wink des Schicksals. Wenn Edelstein in die unteren Räume wollte, so musste er an ihnen vorbei, und es war keine Autoritätsperson weit und breit zu sehen. Mit Schwung richtete sich der Weißhaarige auf und gab seinen Freunden einen Wink. Diese sahen ihn kurz mit einem gedehnten Blick an. Antonio stand dann ebenfalls auf, während Francis weiterhin entspannt auf der Treppe sitzen blieb. Der Braunhaarige, welcher völlig in seinen Gedanken vertieft die Stufen herunterstieg, und aufgrund seiner Kopfhörer akustisch von der Welt abgeschnitten war, wurde sich erst von der Anwesenheit der Dreien bewusst, als diese ihn am Ende der Treppe abgefangen hatten. Mit einem ausdrucklosen Blick, welche seine arrogante Haltung nur noch mehr untermauerte, zog er sich einen der Stöpsel aus dem Ohr. „Ich bin mir sicher die Herrschaften haben mich hier doch nicht erwartet, um sich offiziell von mir zu verabschieden. Warum geht ihr nicht raus, um ein paar Erstklässler abzuzocken? Wäre auf jeden Fall Produktiver als anderen Leuten den Weg abzusperren.“ „Nun ja, nach so langer Bekanntschaft, können wir dich doch nicht einfach ziehen lassen, Sissy.“, säuselte Gilbert betont liebenswürdig, obwohl es ihm in den Fingern juckte den anderen für seine Arroganz zu demütigen. Doch er konnte sich in seinem Hirn noch keinen passenden Schlachtenplan zu Recht legen, da grapschte Antonio geschickt nach den Ohrenstöpsel und lauschte kurz dran. „Ist das nicht ein wenig zu stürmisch für dich altes Großväterchengemüt?“ Ein, für Gilberts Geschmack etwas zu sanfter Spott lag in der Stimme des Südländers, da versuchte er erneut die Aufmerksamkeit des Braunhaarigen an sich zu fesseln. „Ach komm schon, bei ordentlicher, cooler Musik würde er ja einen Herzschlag bekommen. Nicht wahr, Opa Edelstein?“ Das kaum merkliche Zucken um die Augenwinkel, intensivierte das Grinsen auf Gilberts Lippen und mit Freunde konnte er aus der Körperhaltung des anderen ablesen, dass sie ihm offenbar auf die Nerven ging. Eine Reaktion, welche bei ihren letzten Tête-à-Tête eher ein seltenes Phänomen gewesen war. Doch dies dauerte nur einen Augenblick und im nächsten Moment schien wieder jegliche unnötige Anspannung aus dem Körper verschwunden zu sein. „Ich weiß, dass ich kann nicht erwarten dass du und deine Spießgesellen, eine klassische Musikbildung mit dem Goldlöffel verabreicht bekommen habt, Bleischmid. Ich hätte aber eher erwartet, dass ihr in der Lage seid als Eu-Bürger die Neunte Symphonie von Beethoven zu erkennen. Letzter Teil, Oh Freunde schöner Götterfunken.“ Roderichs Augen glitzerten etwas spöttisch und schnell fügte er noch hinzu. „Und bevor ihr fragt, die Ode stammt von Schiller.“ Antonio verzog vor so viel gespielter Überlegenheit, welche aus der Stimme des Braunhaarigen nur so triefte, das Gesicht, während sich Gilbert vorschob, um mit dem anderen auf einer Augenhöhe zu sein. „Nun das erklärt aber nicht warum du, Schnöselchen, dich hier nach unten verlaufen hast.“ Roderich sah sie mit blasiertem Blick an. „Wenn es die Herren so brennen interessiert, ich habe noch ein Wörtchen mit Kirkland zu reden.“ Die drei begannen zu prusten und aufzulachen. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, Sissy. Die Band da hinten spielt ein wenig moderner. So sehr ich Arthur und seine Bande nicht mag, aber Musik spielen können sie, im Gegensatz zu dir.“ Wenn er darauf abgezielt hatte, den anderen verbal zu verletzen oder zu provozieren, dann war ihm dies ziemlich misslungen, denn sein Lieblingsopfer verzog nicht einmal die Mundwinkel. „Nun mag dies eure Meinung sein, ich möchte aber gerne ein Urteil von Kirkland und seinen Musikern hören. Ich fürchte die haben in diesem Punkt eine weit bessere Voraussetzung als ihr, um darüber zu richten.“, meinte Roderich mit derselben herablassenden Miene wie vorhin. Nun war auch Francis aufgestanden. Aus, für Gilbert nicht ganz nachvollziehbaren Gründen, hatte der Name Kirkland eine magische Wirkung auf ihn. Die Drei wollten darauf irgendetwas erwidern, doch das Lächeln ihres Klassenkameraden bekam etwas Verschlagenes und in Gilbert begannen die Alarmglocken zu schrillen. „Zu schade…“, begann der Österreicher heuchlerisch, “Dass du, liebster Gilbert, einst aus unserem Orchester ausgetreten bist. Nach dir hatten wir nie mehr eine Querflöte, die versucht hat, uns gegen die Wand zu spielen.“ Die bleichen Wangen bekamen einen unangenehmen Rotstich und Antonio begann hinter ihnen zu lachen. „Du warst einmal in einem Orchester, Gil?“ „Sogar in einem klassischen.“, fügte Roderich höchst schadenfreudig nach. Francis ließ seine Hand donnert auf die schmalen Schultern des Deutschen nieder. „Olala, hast du uns, beste Freunde, was verschwiegen, Gil?“ „War ja nur dort, weil mein Vater es wollte“, nuschelte der Betroffene und schlug die Hand von seiner schmerzenden Schulter weg. „Ich weiß nicht, wie die arme, gezwungene Seele sahst du damals nicht aus“, flötete Roderich. „Ich glaube sogar du hast es, wie man in meiner Heimat sagt, echt leiwand gehabt.“ Einen Augenblick noch ergötze sich der Braunhaarige an der Szenerie, dann kehrte der ihm typische Ernst zurück. „Und jetzt lasst mich durch. Ich möchte nicht wegen euch Kretins zu spät kommen.“ Mit leichter Gewalt zwängte sich Roderich zwischen, den noch immer lachenden Antonio und den grinsenden Francis durch. Als er bei Gilbert vorbeikam, zischte dieser ihm noch zu: „Das bekommst du zurück, das schwöre ich dir.“ Der Amateurmusiker zog die Brauen hoch. „Deine Drohungen waren auch mal einfallsreicher, Bleischmid“, erwiderte er kalt, um dann nach einigen Schritten Entfernung, sich noch einmal umzudrehen. „Und wie du siehst zittere ich schon wie Espenlaub, vor deiner Gestalt.“ Nur Momente später war er hinter der Tür verschwunden. „Wetten der fliegt gleich jeden Moment heraus?“, murmelte der Weißhaarige und blickte gespannt auf die zugeschnappte Tür. Doch es war nicht Roderich, welcher Augenblicke später fuchsteufelswild aus der Tür schoss. „Froggg!!!!“ tönte es wahrscheinlich durchs ganze Gebäude und Antonio, wie auch Gilbert waren mit einem Schlag vollends beschäftigt Francis Kehle vor den unheilbringenden Händen von Arthur zu schützen. Schnell entwickelte sich eine kleine Rangelei, bei der es der Spanier und der Deutsche klüger fanden den Rückzug anzutreten. Als Gilbert und seine Kumpanen wütend und zornig die Treppe rauflatschten, konnte der Albino, als er den Kopf ein wenig zu Seite drehte sehen, wie Roderich, für ihn ungewohnt lässig, am Türrahmen lehnte. Leise flüsternd legte er eine Hand auf die Schulter des aufgebrachten Punks und führte ihn sanft wieder in den Proberaum zurück. Das Lächeln jedoch, was Gilbert die ganze Zeit auf den feinen Gesichtszügen des Österreichers sehen hat können, brannte sich in dessen Gedächtnis ein. Es war so anders gewesen als die, welche er von diesem Spießer kannte… ------------------------------------- Mit Mühe und Not drängte sich Gilbert mit Getränken beladen zu seinen Freunden. Es stimmte ihn irgendwie traurig, dass ab morgen seine lange und nicht gerade ruhig verlaufene Schulkarriere ein Ende fand. Doch auf der anderen Seite, war er fiebrig zu wissen wie es nun mit seinem Leben weitergehen sollte. Francis und Antonio hatten ihm beide versichert, dass, komme was wolle, sie würden auch weiterhin zusammen halten. An Antonios Arm hatte sich seine Freundin angehängt, in einem nicht mehr hundertprozentig nüchternen Zustand und blickte ihn mit verträumten Augen an. Irgendein Gefühl ließ Gilbert erahnen das es nicht mehr lange dauern würde, der Auftritt der folgenden Band vielleicht noch, dann mussten sie wohl oder übel auf die Anwesenheit ihres spanischen Kumpels verzichten. Schmerzlich wurde Gilbert bewusst dass seitdem Antonio in festen Händen war, es bei weitem nicht so geblieben ist, wie einst. Gut, Francis hatte schon seit geraumer Zeit immer irgendwen, doch er war unstetig und wechselte schnell die Liebschaften. Doch Verpflichtungen, welche eine Partnerschaft mit sich brachte hatte auch ihre Auswirkung auf ihr Beieinandersein. Öfters hatte der Spanier absagen müssen, weil seine belgische Freundin für diesen Tag was anderes geplant hatte. Francis hingegen hatte es bis jetzt immer auf eine Weise geschafft, welche Gilbert absolut nicht ergründbar war, seine Liebelein aus ihrer dreien Leben rauszuhalten, ohne das die Gunst seiner Verehrerinnen verflogen gewesen waren. Die letzte Band räumte das Feld und ließ Platz für die nächste. Gilbert runzelte die Stirn, es fiel ihm in seinem schon leicht umnebelten Gehirn keine vernünftige Erklärung ein, warum niemand den alten Schulflügel weggeräumt hatte. Bisher hatte keine der Band ein Klavier gebraucht. Er grübelte so vor sich hin, da betrat eine einzelne Person die Bühne. Der Deutsche brauchte eine Weile bis er begriff, dass dieser Junge sein Lieblingsopfer war. Die wenigen halbwegs Nüchternen im Raum begannen zu tuscheln, während Roderich vorsichtig den mitgebrachten Geigenkasten auf den Boden stellte und sich am Klavier zu schaffen machte. Wäre dies hier ein Comic, dann würde nun die Kinnlade des Weißhaarigen bis zum Boden reichen. Es war nicht so, dass der Österreicher seinen Klamottenstil völlig geändert hatte, aber die ganze Erscheinung wirkte so anderes. Er trug noch immer einen, ihm so typischen und vollkommen veralteten Gehrock, nur sah dieser viel Fetziger aus, als das alte, großväterliche Exemplar. Auch das weiße Halstuch, welches sich der Braunhaarige um den Hals geknotet hatte, wirkte wie immer aus einer andere Zeit, und gab dennoch seinem Besitzer was Modernes, vielleicht sogar verwgendes. Ebenso wie es ungewohnt war, dass der Schnösel seine braunen Haare völlig chaotisch trug, wobei eine Strähne die anderen trotz allem in den Schatten stellte. Noch immer überrascht beobachtete Gilbert wie Roderich sich elegant, als wäre er zu einem klassischen Konzert auf die Bühne geladen worden, auf den Schemel setzte und die Finger auf die Tasten legte. -------------------------- Batagelesen von Mimmi (animexx) Kapitel 2: Ein Tanz gewebt aus Musik ------------------------------------ Ohne sich von der Unruhe stören zu lassen, atmete der Braunhaarige noch einmal tief aus und begann sogleich mit einem schnellen, eher hart klingenden, aber dennoch eindeutig klassischen Stück. Es war nicht so, dass das Stück von seiner Natur her nicht mitreißend wäre. Es fuhr, mit der Leidenschaft, welche Roderich in das Stück einfließen ließ, den Zuschauern durch Mark und Bein. Aber es war bei weitem nicht was man sich bei einer Abschlussfeier erwartete, selbst wenn Gilbert sich eingestehen musste, dass ihm diese fiebernde Seite seines Vorzugopfers völlig unbekannt war. Die Art wie der Körper vor und zurück ging, völlig in der Musik vertieft, die Augen geschlossen, während die Finger über schwarz-weiß glitten, in einer Geschwindigkeit und mit einer Geschicklichkeit, welche die jahrelange Übung bezeugten… In der Zeit, in welcher der Albino dem Treiben auf der Bühne gebannt zusah und die Unruhe innerhalb des Publikums wuchs, betraten weitere Gestalten das Geschehen. Die erwarteten vier Burschen gingen mit ruhigen Schritten über das dunkle Parkett der Bühne, hin zu ihren Instrumenten und ignorierten den nicht angekündigten Musiker völlig. Nach kurzen Handgriffen standen die Bandmitglieder von Arthurs Bande bereit und sahen erwartungsvoll zu ihrem Anführer. Dieser jedoch hatte nun Blickkontakt mit dem weiter musizierenden Pianisten aufgenommen, welcher unerwartet die Augen aufgeschlagen hatte und nun herausfordernd den Punk ansah. Mit einem Handzeichen schalteten sich nun dieser und seine Band in die Musik ein. Was nun folgte war ein aufeinander prallen der Töne des Klavierspielers mit der rockigen Musik der Punkband, wo beide Parteien in ihrem Rausch das Publikum in ihrem musikalischen Tanz mitrissen und toben ließen. Von Arthur und seinen Burschen war man solche Auftritte gewöhnt und dies war auch der Grund für ihre hohe Popularität, doch noch niemals hatten sie ein eher für die Klassik bekanntes Instrument in ihre selbstgemachte Musik eingebracht. Doch nun kam es Gilbert so vor als würde er Zeuge eines sehr schnellen und hart geführten Tanzes auf musikalischer Ebene. Irgendwas an dem riss ihn innerlich mit, ohne dass er sagen konnte, was genau es war. Langsam, aber beständig fühlte er, wie der wilde Rhythmus Besitz von seinem Körper erfasste und ihn wie eine Marionette führte. Auch die Masse links, recht, vor und hinter ihm kam schleichend in Bewegung und nach kurzer Zeit begann die Feier wieder richtig an Fahrt zu gewinnen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ebbte die Musik mit einem Schlag ab und ein krachender Applaus brach los, dem dann eine kurze Ansprache seitens Arthurs folgte. Doch Gilbert hörte nicht hin, sondern beobachte weiterhin wie gebannt den Braunhaarigen, welcher nun mit einem erleichternden und offenen Lächeln von den Tasten abließ, um sich dann mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn zu wischen. Während Arthur noch immer weiter verbal die Menge aufheizte, griff der Österreicher nach dem Geigenkoffer und holte sein zweites Instrument heraus, um dann damit aufzustehen. Arthur beendete sein Gerede und gab mit einem Wink zu verstehen, dass das musikalische Programm weiterging. Egal was sich einst die ehemaligen Schüler von Arthur und seiner Bande versprochen hatte, sie wurden nicht enttäuscht. Die kleine, nun ehemalige Schul-Punk-Band übertraf sich selbst, doch was Gilbert ehrlich überraschte war wie gut sich Roderich in dem Ganzen eingliederte. Dabei hätte er noch auf dem Weg zu Feier jedem geschworen, dass eine solche Konstellation, wie sie nun die Bühne beherrschte, einfach ins Land der Märchen gehörte. Seine Sissy mit einer modernen Band…, welche Farbe hatte bitte schön der Himmel in dieser Welt, wo das eintrat… grün? Aber vielleicht sollte er mal einen Blick nach draußen wagen und warte mal, seine Sissy? Gilbert hielt kurz gedanklich inne. Seit wann war dieser besenschluckende Idiot seine Sissy? Gut, er bestand sehr wohl auf der Tatsache, dass es sein persönliches Lieblingsopfer war und vertrug es nicht gut, wenn jemand anderes versuchte auf den Kosten dieses Musikfanatikers was zum Lachen zu haben , aber da endete auch schon seine Verbindung mit diesem Notenfreak. Fasste er mal alles zusammen. Roderich zu ärgern war seit je her eines seiner Lieblingshobbys. Er kannte ihn in und auswendig, aber dies war auch nötig gewesen und unvermeidbar, wenn man sich solange mit einer Person beschäftigte. Doch nun musste er sich eingestehen, dass es wohl Seiten an diesem Burschen gab, die er nie wahrgenommen hatte. Nein, völlig unmöglich. Nicht er hatte sie nicht gesehen, Roderich hatte sie einfach nur gut genug vor ihm versteckt. Genau so muss es gewesen sein. Unwillkürlich begann er zu grinsen. Wenn der Gute hier seine wilde, unbekannte Seite zeigte, wer konnte dann ahnen, welch andere Leichen der Österreicher wohl in seinem Keller versteckte. Das Konzert war wie zu erwarten einfach großartig und vielleicht auch gerade wegen ihrem neuen unkonventionellem Element auch so gut. War die Stimmung schon vorher ausgelassen und heiter gewesen, so erreichte sie nun ihren Höhepunkt, selbst wenn Gilbert sich bewusst wurde, das er sich nicht so unbeschwert fühlte, wie es der Fall hätte sein sollen. Dabei konnte er selber nicht einmal genau sagen, an was es lag. Vielleicht an seiner Grübelei, die ihn einfach nicht los lassen wollte, vielleicht auch an der Tatsache, dass Antonio mehr mit Bell beschäftigt war, als mit ihm und Francis, oder es lag einfach an dem Neid, der ihm immer wieder überkam, wenn er sah, wie leicht dem französischen Freund die Mädchenherzen zuflogen. Er wusste es nicht und versuchte trotz diesem nagenden Gefühl in die richtige Stimmung zu kommen. Nach Meinung der Versammelten endete das Konzert viel zu schnell und nach ein paar Zugaben, Gilbert hatte nicht wirklich mitgezählt, ließen sich die Musiker zu keinem weiteren Musikstück mehr überreden und verließen unter tosenden Beifall die Bühne. Völlig berauscht und dennoch für diese Umstände einen noch zu klaren Kopf, sah sich Gilbert nach seinen beiden Freunden um. Antonio und seine Liebste hatte er zwar schnell gefunden, war aber sich schnell im Klaren, dass diese wenig Wert legen würden auf die Gesellschaft eines Dritten, oder gar Vierten. Francis war ebenfalls unter der Masse aus frischen Ex-Schülern leicht auszufiltern und es sah wenigstens nicht so aus, als würde er Missfallen hegen mit Gilbert die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Mädchentraube, welche sich um ihn gebildet hatte, zu teilen. Mühsam kämpfte sich der Deutsche zu seinem Freund und drängte dabei so manches Liebespaar zu Seite. „Ah Gilbert mon ami!“, rief ihm Francis schon entgegen. Er winkte noch ein letztes Mal den Damen, welche ihn umgaben, höchst galant zum Abschied, bevor er recht geschickt aus ihrer Mitte entglitt, um dann nach Gilbert zu schnappen und sich dann mit ihm an der Hand aus dem Staub zu machen. Während Antonio und Bell aus der Menge verschwanden, um ein lauschigeres Plätzchen für ihre Turtelei zu finden und vor allem, um der strengen Überwachung von Bells Bruder zu entfliehen, zog Francis Gilbert in Richtung der Räume hinter der Bühne. „Ca a été vache, n’est pas?“, flötete ihm der Franzose auf den Weg zu und selbst er hatte rötliche Wangen, doch in den blauen Augen glitzerte es. „Bitte verschone mich an diesem Abend mit deiner Muttersprache. Wir haben die Prüfung hinter uns und nichts gegen dich, aber ich will mit Französisch nie wieder was zu tun haben.“ In normalen Zeiten hätte sein blonder Freund auf einen solch offenen Angriff auf seine Muttersprache mit einer spitzen Bemerkung reagiert, aber nun ging Gilberts spöttische Bemerkung entweder im restlichen Hintergrundlärm unter, oder der Franzose nahm sie einfach nicht zur Kenntnis. „Verdammt noch mal, Francis? Wo ziehst du mich denn bitte hin?“ „Nur Ruhe suchen, vor dieser aufgeregten Hühnerschar.“ Gilbert konnte ein schelmisches Grinsen kaum unterdrücken. „Manch ein Bursche würde sich alle zehn Finger ablecken, um die gleiche Aufmerksamkeit der Weibsbilder zu bekommen, so wie du.“ „Du meinst, Burschen wie du?“ Francis drehte sich belustigt um und bestätigte mit einem schelmischen Grinsen, dass er nie ernsthaft vorhatte, Gilberts Ego anzugreifen. Zudem dies so wie so kaum zu bewerkstelligen war. Was sein Selbstbewusstsein anging, war der Deutsche ebenso empfindlich, wie eine Walnuss. Somit überging diesmal Gilbert diese Bemerkung und ließ sich einfach von seinem Freund mit ziehen. Doch das angesteuerte „Ruhigere Örtchen“, wie es Francis auf eine erneute Frage seitens Gilbert nannte, überraschte diesen ungemein. Keine zehn Minuten später befand er sich mit Francis in einen der Kellerräume unter der Sporthalle. Der beständige Beat der Party über ihren Köpfen war selbst hier gut vernehmbar, auch wenn Gilbert in diesem Augenblick wenig für dieses Detail übrig hatte. Er saß angespannt auf einem der alten Sofas, die man für was Gott für Zeiten aufbewahrte und beobachtete misstrauisch die hier unten Anwesenden, während er sich unablässig fragte was Francis bewogen hatte ausgerechnet jetzt die Gesellschaft von Arthur aufzusuchen. Gut, das britische Halbblut war von seinem Adrenalinrausch noch nicht ganz unten und wirkte immer noch wie entrückt, aber was Gilbert ernsthaft verunsicherte, war die Tatsache, dass der kleinere Blonde noch nicht an Francis Gurgel hing, sondern, zugeben mit dem ehemaligen größten Casanova ein hitziges Gespräch führte, sich aber dabei recht zivilisiert benahm. „Ein Bier?“ Aufgeschreckt aus seinen Gedanken hob Gilbert den Kopf und sah dabei eine offene Bierflasche auf Augenhöhe schweben. Als er weiter seinen Blick nach oben richtet und gegen das Licht der hellen Neonröhre blinzelte, sah er sich mit dem breiten Grinsen Vlads, einer von Arthurs Bandkollegen, konfrontiert. „Thank you.“ Dankbar nahm Gilbert das Getränk entgegen während sich Vlad mit einem Grunzen neben ihn fallen ließ und demonstrativ die Füße ausstreckte. „War echt stark, was ihr heute aufgeführt habt.“, bemerkte Gilbert nach dem ersten Schluck, während der andere mit belustigter Miene ihren dritten Mann beobachtete, welcher von seiner Clique umringt war und dem eben von Matthias die Haare verstrubelt wurden. Auch Gilbert ließ seinen Blick zu der Szenerie schweifen und rechnete jeden Moment damit dass Lukas den großen Dänen in die Schranken weisen würde. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, schnappte sich der zierliche Blonde die Kravatte von seinem größeren Freund und zog so lange dran bis dieser keuchend aufgab oder Tino so lange auf ihn eingeredet hatte, dass es Wirkung zeigte. Gilbert schüttelte den Kopf und erinnerte sich gut dran, warum sie gerade den zerbrechlich wirkenden Tino einst als Schulsprecher gewählt hatten. Der Kleine war ein diplomatisches Genie. Obwohl das kein Wunder war bei seinem Freundschaftskreis. Berwald, Lukas und dessen kleiner Bruder, Emil oder Eder, so genau konnte sich Gilbert nicht erinnern, auf der einen Seite, dann noch Matthias mit seinem überschäumenden Gemüt auf der anderen und Tino mitten drinnen, welchem somit die undankbare Aufgabe blieb beide Extreme im Gleichgewicht zu halten. Wenn Gilbert so drüber nachdachte, war es wohl dem kleinen Blonden zu verdanken, dass diese Gruppe bis zu ihrem Abschluss hier auf der Schule noch Bestand hatte. Die Tür flog auf und der Neuankömmling war sich innerhalb kürzester Zeit der Aufmerksamkeit aller sicher. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Lukas wandte sich schnell wieder seinem eigentlichen Problem zu, was wiederum zu Auswirkung hatte, dass seine anderen drei Kumpanen beschäftigt waren, Matthias von weiteren Schaden zu bewahren. Vlad nickte dem Rotschopf einfach nur zu und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Flasche, während Gilbert erstmals einzuordnen versuchte, wo er diesen schlaksigen Kerl gesehen hatte. Das flammend, rote Haar und die ungewöhnlich grünen Augen waren zwei Charakteristika, welche man nicht so schnell vergaß. Arthur hatte mit dem Versuch aufgehört Francis in Grund und Boden zu diskutieren, da er gerade für seinen Ärger offenbar ein neues Ziel gefunden hatte. Francis hingegen lächelte auf eine Art und Weise, die Gilbert selten bei ihm beobachten hatte können. Es war ein durch und durch ehrliches Lächeln, welches der Franzose eigentlich nur dann auf den Lippen trug, wenn für einmal seine perfekte Fassade fallen ließ, um Einblick zum echten Francis zu ermöglichen. Er ließ Arthur einfach stehen und nahm den für Gilbert noch Namenlosen überschwänglich in die Arme. Gilbert glaubte noch etwas wie „Bloddy Brother“ aus Arthurs Richtung nuscheln zu hören und kam auch endlich darauf, woher er diesen jungen Mann kannte, dem Francis, nach alter Manier erst ein Küsschen rechts, dann ein Küsschen links auf die Wangen platzierte. Das war der ältere der Kirklandbrüder, welcher eigentlich auf einen Namen mit A hörte, aber von allen nur Scott genannt worden war und die Schule erst vor zwei Jahren fertig gemacht hatte. „Was machst du hier, stupid idiot?“, fauchte Arthur seinen Bruder nun an, nachdem er sich dem diesem? und Francis vorsichtig genähert hatte. „Na, wonach sieht es aus?“, konterte der Rotschopf ebenso patzig zurück, während Gilbert verwundert auffiel, dass Francis sich immer noch nicht von diesem gelöst hatte und Scott sogar mit einem Arm den Blonden an sich zog. „Ich hole euch von dieser Kindergartenparty ab, damit wir an einem anderen Ort so richtig feiern können.“ „Wurde auch Zeit, dass du endlich kommst.“ Mit einem Seufzer erhob sich Vlad und schlurfte zu den Dreien. Auch die anderen fünf Blondköpfe im Raum schlossen sich an, während Scott stumm die Lippen bewegte, um offenbar die Anzahl der Leute abzuzählen. „Wir sind zu zehnt, Francis. Davon war nie die Rede. Selbst mit dem kleinen Bus habe ich nur Platz für sieben Leute und ich habe dir schon gesagt, dass ich mich mit neun im illegalen Bereich aufhalte.“ Francis schnurrte dem anderen irgendwas ins Ohr, auf das Gilbert jedoch nicht sonderlich achtete, da ihm eine weitere Tatsache aufgefallen war. „Wo ist eigentlich Roderich?“ Nun richteten sich neun Augenpaare auf ihn und Gilbert musste sich selbst eingestehen, wie komisch das klingen musste, dass ausgerechnet er nach diese Musikfanatiker fragte. Als könnte er diese Tatsache mit Feststellungen in etwas anderes umwandeln, redete er einfach weiter. „Ich mein, er hat mir euch die Bühne verlassen. Ist es nicht fair, wenn wir ihn auch mitnehmen?“ Scott wollte eben den Mund aufmachen, da kam ihm aber Lucas zuvor. „Edelstein hat uns schon bevor ihr kamt verlassen. Ich glaub der ist noch irgendwo da draußen, vielleicht bei dieser Lisi, oder wer weiß schon wem.“ Gilbert nickte geistesabwesend, während er sich selber fragte, warum es ihm plötzlich wichtig erschien, noch einmal mit dem Notenfreak zu reden. Er ließ in aller Eile nochmals den Blick über die Anwesenden schweifen. Francis würde er auch noch später wieder sehen und es würden sich auch hoffentlich in Zukunft Momente finden, wo er mit diesem Charmeur sich volllaufen lassen konnte. Mit den Kirklands verband ihn jetzt nichts besonderes, aber irgendwas tief in ihm flüsterte ihm zu, dass er auch in Zukunft auf Mitglieder dieser verkorksten Familie treffen würde. Lukas und seine Bagage würde er auch nicht so schnell, nun da sie nicht mehr durch einen Klassenbund geeinigt waren, aus den Augen verlieren, schließlich hatte er sehr wohl vor mit Matthias ihre Freundschaft weiterhin zu pflegen. Was Vlad anging… Nun ja, neben der Tatsache dass ihm dieser mit seinen einen ungewöhnlich spitzen Eckzahn einfach nur unheimlich war, waren sie eben schlicht und einfach nur Klassenkameraden gewesen und wenn er ihn nun das letzte Mal hier sehen würde, dann traf ihn diese Aussicht nicht im geringsten. Aber mit Roderich verband ihn außer einer Feindschaft nichts weiter und Gilbert zweifelte keine Sekunde daran, dass Roderich kaum das Bedürfnis verspürte weiterhin mit ihm was zu tun haben zu wollen. Doch eben dieser Punkt wurmte Gilbert gewaltig und innerhalb weniger Augenblicke hatte sein Hirn eine Entscheidung gefällt, ohne dass er sich daran beteiligt fühlte. „Fahrt ohne mich.“ Er sah wie Francis erstaunt die blonden Augenbrauen hob und ihn kritisch musterte. „Bist du dir sicher mon ami? Du verpasst dann vielleicht die Nacht deines Lebens?“ Mit einem lässigen Lächeln, wobei Gilbert darauf achtete so authentisch wie möglich zu wirken, hob er den Kopf ein wenig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Yep… Schließlich muss ja jemand auf Tony aufpassen.“ Der zweifelnde Blick ließ ihn weiter ausführen. „Nun ja, willst du dir ausmalen was passiert, wie Tony ausschaut wenn Bells Bruder die beiden erwischt. Knutschend oder schon weiter gehend.“ Der resignierte Blick seines französischen Freundes war genug und Gilbert wusste, dass ihn dieser damit ziehen ließ, auch wenn dies, wie er feststellte später als alle den Raum verlassen hatten, einen bitteren Beigeschmack hinterließ. Er war nun allein und eben diese Leere machte ihm, wenn er ehrlich war, Angst. Verdeutlichte sie ihm doch, dass die Zeit sich nicht mehr zurückdrehen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)