Beschäftigungstherapie von Jimini (Jim Moriarty und Sebastian Moran (BBC)) ================================================================================ Beschäftigungstherapie ---------------------- Er hatte schon einige Male erlebt, was passieren konnte, wenn Jim langweilig wurde. Er scheuchte Leute herum, die für ihn arbeiteten, gab ihnen ohne ersichtlichen Grund Strafaufgaben. Auch Sebastian selbst war davon nicht verschont geblieben. Das seltsamste bisher war ein Auftrag gewesen, den er zwar für die Öffentlichkeit still und leise erledigen sollte, doch das Ziel sollte überdeutlich spüren, wem es da in den Weg geraten war. Das war das erste Mal gewesen, dass er gefoltert hatte. Dabei war das noch nicht einmal der Punkt gewesen. Nein, Jim hatte von ihm verlangt, ihm die Bilder per SMS zu schicken. Sebastian wusste, wie verdreht die Gedanken des anderen Mannes sein konnten und sie hatten ja beide die gleiche Leidenschaft für diese Art von Geschäften. Sonst wäre er wohl kaum sein engster Mitarbeiter und Mitbewohner geworden. Und er konnte aus den SMS, die alle paar Minuten bei ihm eingingen, erkennen, dass sich Jim wieder langweilte. So weit er wusste, war der andere noch in ihrer Wohnung, während er hier auf einem Flachdach lag und auf ein Ziel wartete. Mittlerweile hatte er das Gerät schon nicht mehr in seiner Tasche, da ihn das Vibrieren immer mehr zu stören begann. Es lag in seinem Sichtfeld auf dem Boden. Das Ziel, das er verfolgte, war noch nicht einmal ein Auftrag. Nur jemand, der auf Jims Liste stand und regelmäßige Angewohnheiten hatte. Bisher war er kein ZU großes Problem für sie geworden, aber was nicht war, das konnte noch werden. Sebastian hatte sich selbst diesen Auftrag gegeben. Er musste sich abreagieren, hatte er zuvor einen Streit mit Jim gehabt. Er war nicht ans Telefon gegangen, beziehungsweise, der Akku hatte den Geist aufgegeben und er hatte es erst wieder aufladen müssen. Sebastian war den ganzen Tag zu Hause gewesen, und als Jim wieder in die Wohnung gekommen war, hatte es ordentlich gekracht. Er hatte sogar nach allem gegriffen, dass er ohne größere Probleme nach Sebastian werfen, und das auch schön wehtun konnte. Der kleinere von ihnen hatte gern die Kontrolle, dagegen hatte er selbst auch nichts, aber das ging doch zu weit. Allerdings würde sich keiner von beiden entschuldigen. Die SMS, die jetzt ankamen, waren Jims Gewohnheit und eben seine Langeweile. Es war kein weltbewegender Inhalt und nichts, worüber er sich Sorgen machen müsste. Wieder vibrierte das Handy und sein Blick viel kurz darauf. Er entriegelte es und las den Inhalt. >Was soll an Dokumentationen so wissenswert sein? Sie sind banal und langweilig! JM< Sebastian schenkte dem keine weitere Beachtung, blickte kurz auf die Zeitanzeige auf dem Display. Es war kurz vor zehn Uhr abends. Die Sonne hatte sich schon eine Weile zuvor verabschiedet und er arbeitete mit dem Licht der Straßenlaternen. In einer halben Stunde würde sein Ziel das mittlerweile fast komplett dunkle Bürogebäude vor ihm verlassen. Der Mann war ein arbeitswütiges Tier. Eigentlich war er ja ein ungeduldiger Mensch, aber wenn er hier oben lag, wartete und lauerte, dann entspannte ihn das. Die Minuten verstrichen und er fuhr sich mit einer Hand durch die blonden Haare, verfrachtete wieder ein paar längere Strähnen aus seiner Stirn. Sein Blick glitt zum Handy. Nach zwanzig Minuten noch immer keine neue SMS? Sebastian zog leicht die Augenbrauen zusammen. Vermutlich war Jim einfach nur wieder wegen Übermüdung eingeschlafen. Warum machte er sie da überhaupt Gedanken drüber? Dann war die halbe Stunde herum. Sebastian hatte das Gebäude schon die ganze Zeit im Auge behalten, doch jetzt blickte er durch das Visier auf den Eingang. Jeden Moment konnte das Ziel herauskommen. Ein wenig musste er sich noch gedulden, dann tat sich endlich etwas und der Mann, der heraustrat, war der gleiche wie auf dem Foto in der angelegten Akte. Der Scharfschütze folgte ruhig mit dem Blick und der Waffe, bis der Typ nicht mehr all zu nah an dem Bürogebäude dran war. Kurz zuckte er zusammen, als das Handy neben ihm in der Stille vibrierte. Damit hatte er in seiner Konzentration nicht gerechnet. Die SMS konnte nur von Jim sein. Niemand sonst würde ihn um diese Uhrzeit noch kontaktieren. Doch warum diese lange Pause? Sebastian richtete seine Aufmerksamkeit erst wieder auf das Ziel, bevor sein Handy kurz darauf wieder vibrierte. Jetzt ging‘s aber los. Erst gar nichts und nun im Minutentakt? Ein wenig murrend bestätigte er, dass er die Nachrichten lesen wollte. >Hier oben ist eine herrliche Aussicht! JM< >Was denkst du, wie lang man fällt? JM< Er stockte. Der Mann auf der Straße war gerade vergessen. Sebastian setzte sich auf, nahm das Handy endlich wieder vom Boden und betrachtete die letzte Nachricht. Wie lang man fiel? Wieso überkam ihm gerade so ein seltsames Gefühl? >Wo bist du? SM< >Dort, wo mich niemand findet.< Keine Initialen. Dort, wo niemand ihn fand. Eine herrliche Aussicht. Sebastian überlegte einen Moment, bis ihm ein Ort einfiel und die Tatsache, dass in der letzten Nachricht kein ‚JM‘ stand, machte es noch etwas beunruhigender. Das Ziel unten auf der Straße war nun überhaupt kein Thema mehr für ihn, stattdessen baute er in Rekordgeschwindigkeit seine Waffe ab und packte sie in die Ledertasche, die man auch gut mit einem Gitarrenrucksack verwechseln konnte, und stürmte von dem Dach herunter, durch das Treppenhaus. Der Mann sollte sich glücklich schätzen. Ein weiterer Tag in seinem Leben, bis er einen falschen Schritt machte oder Sebastian sich wieder einmal abreagieren musste. Mit einem Taxi war es zwar bequemer, aber wenn er rannte und die Abkürzungen durch kleinere Gassen nahm, dann war er sicher schneller am Ziel, als das verdammte Taxi. Also rannte er, fixierte das Gewehr mit einer Hand an sich und sorgte dafür, dass er damit keine Personen im Vorbeieilen streifte. Sebastian wusste genau, wo er hin wollte. Zu dem Appartementgebäude, in dem ihre Wohnung lag. Es gab nur einen Ort, an dem Jim niemand fand, außer eben Sebastian, aber das zählte, laut dem anderen, nicht. Der Fahrstuhl war gerade unten und er erreichte ihn noch, bevor er die Türen wieder schließen wollte. Das Pärchen, welches schon darin stand, betrachtete ihn fragend, aber Sebastian reagierte nicht darauf, drückte stattdessen etwas zu deutlich auf die oberste Etage und befahl den Türen, mit einem weiteren Knopfdruck, sich zu schließen. Er jagte das Paar beinahe aus der Kabine, als sie in dem von ihnen ausgewählten Stockwerk angekommen waren, und schloss die Türen wieder mit einem Knopfdruck. Schneller, das musste schneller gehen. >Bist du noch da? SM< Höher als in den 26. Stock fuhr der Aufzug nicht. Von hier aus musste er die Treppe aufs Dach nehmen, die Tür zum Treppenhaus stand sogar noch offen. Jim war eindeutig dort. Sebastian stürmte die Treppe hinauf, nahm gleich drei Stufen auf einmal und stieß die Tür nach draußen mit seinem Körpergewicht auf. Leicht strauchelnd kam er zum Stehen und sah sich nach dem anderen Mann um. Er war doch nicht wirklich gesprungen? Nein, da stand er am Rand des Flachdaches und blickte in die Tiefe, schien sich nicht davon stören zulassen, dass Sebastian polternd die Tür geöffnet hatte und nun sogar sein geliebtes Gewehr in seiner Tasche einfach von der Schulter zu Boden gleiten ließ und auf ihn zueilte. Er streckte den Arm nach dem kleineren aus, packte ihn am Ellenbogen und zerrte ihn nach hinten, weg von dem Abgrund, in den er zu stürzen gedroht hatte. „Jim, was zum Teufel soll das?!“, schnauzte er den anderen an, packte ihn nun mit beiden Händen an den Schultern und zwang ihn, ihn anzusehen. Jims Gesichtsausdruck war seltsam. „Es ist so laut. Bastian, es ist so laut“, seufzte der Dunkelhaarige nur und wand sich ein wenig in Sebastians Griff. Der Angesprochene zog die Augenbrauen zusammen. Was war laut? Endlich blickte Jim auf und der Scharfschütze erstarrte einen Moment. Die Pupillen des kleineren waren unglaublich geweitet, die Augen etwas gerötet und er wirkte etwas wirr. „Hast du was genommen?“, fragte er nur. Wind blies ihnen in die Seite und stach ein wenig mit Geschwindigkeit und Kälte. Der kleinere Mann sah ihn mitleiderregend an und löste sich aus Sebastians Griff, wollte sich schon wieder auf den Weg zum Rand machen, doch der Größere hielt ihn. „Jim!“ „Da sind immer so viele Gedanken, nie ist es still!“ Er hatte eindeutig etwas genommen. Beinah hätte er geseufzt, doch er zog den anderen nur mit sich, schaffte ihn vom Abgrund weg und hob sein Gewehr auf, bevor er sich den Kleineren fast unter den Arm klemmen musste, da er sich doch vehement dagegen wehrte, vom Dach heruntergeholt zu werden. Doch Sebastian gewann diesen Kleinkrieg und schaffte den anderen bis zu ihrer Wohnungstür, die er einfach aufstieß. Jim hatte nicht einmal abgeschlossen. Entweder hatte er zu großes Vertrauen in die anderen Anwohner, was absolut nicht sein Stil war, oder, was wohl eher passte, die Drogen hatten ihn zu sehr abgelenkt. Sebastian warf die Tür hinter sich wieder ins Schloss und der andere murrte ein wenig, als er ihn endlich losließ und sich wieder frei bewegen konnte. Er ließ ihn vorgehen, durch den kurzen, schmalen Gang, hinein in das große Wohnzimmer, von dem wieder ein weiterer Gang abging und die offene Tür der Küche direkt angrenzte. Auf dem Glastisch vor der Couch herrschte, wie immer ein heilloses Chaos, allerdings nur auf der einen Hälfte. Auf der anderen waren noch die Überreste von Jims kleiner Party zu sehen. Sebastian stellte sein Gewehr an einer Wand ab und nahm sich dann einfach das Tablett, auf dem noch das halbe Tütchen mit dem weißen Pulver drauflag und alles, was Jim noch darauf platziert hatte. Die übriggebliebene Line ließ ihn erahnen, dass es sich um Kokain handeln musste, aber interessieren tat es ihn eigentlich nicht. Er nahm alles, wie es war und brachte es in die Küche, öffnete dort den Mülleimer und entleerte das Tablett, wischte es mit einem Nassen lappen ab und stellte es zum Trocknen neben die Spüle. Jim stand in der Küchentür und betrachtete die Szene. „Was soll das, du dämlicher …?!“, setzte er an, doch Sebastian packte ihn einfach bei den Schultern, drehte ihn um und schob ihn in die Richtung seines Schlafzimmers. „In dieser Verfassung will ich nichts mehr von dir hören oder sehen. Geh schlafen“, befahl der Größere und Jim ging wirklich, ohne groß zu murren. Fast ein wenig erstaunt blickte er dem kleineren nach, der die Schlafzimmertür hinter sich schloss. Dann fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht. Drogen … Jim hatte schon seltsame Einfälle, wenn ihm langweilig war, er hätte einfach rechnen müssen, dass es irgendwann einmal auf dem Dach endete. Aber er war nun Mal niemand, der sich jedes Szenario haarklein durchdachte. Es war schließlich Jim Moriarty, um den er hier ging. Dieser Mann war unberechenbarer, als die Weite des Universums. Dem Scharfschützen entglitt tatsächlich noch ein Seufzen, bevor er sich dazu entschloss noch ein Bier zu trinken und zu lesen, bevor er in sein eigenes Schlafzimmer ging, um zu schlafen. Jim würde ihn früh genug wieder aus den Federn werfen. Schlaf war schließlich langweilig und ein notwendiges Übel. „Sterben, Sebastian. Das ist es was alle Menschen tun“, sagte Jim und der Angesprochene ließ die Zeitung sinken. Er hatte den kleineren nun schon öfters gefragt, was das letzte Nacht auf dem Dach für eine Aktion gewesen war, doch er hatte es irgendwann aufgegeben, da Jim ihn sowieso nur anschwieg. Bis jetzt. Allerdings wurde er aus der Aussage auch nicht gerade schlauer, was seine Beweggründe gewesen waren, sich beinah das Gebäude herunter zu stürzen. Fast verständnislos hingen seine Augen an dem anderen, der das Thema aber nicht weiter ausführen wollte und stattdessen zwei Akten in den Schoß des Scharfschützen fallen ließ, dabei die Zeitung knisternd zerknitterte. Jim ging an ihm vorüber, beachtete ihn nicht einmal im Augenwinkel. Die Luft zwischen ihnen wirkte noch angespannter als je zuvor. Er hatte seinen Boss vom Dach heruntergeholt, bevor etwas … sagen wir, Tragisches passieren konnte, und nun wurde er mit Schweigen gestraft. Die Worte zuvor waren die Ersten, die er von Jim an diesem Tag gehört hatte. Es war bereits vier Uhr nachmittags. Sebastian hatte sich schon gewundert, wann und ob Arbeit auf sie zukam. Er nahm die dünnen Akten von seinem Schoß. In jeder war nichts weiter als ein bedrucktes Blatt Papier. Sein Boss verließ das Zimmer und Sebastian blickte ihm noch einen Moment lang nach. War er eigentlich das ‚Mädchen für alles‘ geworden? Das war es, was ihm gerade durch den Sinn ging. Wann hatte er begonnen, sich Sorgen um den anderen zu machen? Wann hatte er begonnen Dinge stehen und fallen zu lassen, nur um Jim davon abzuhalten, etwas Dummes zu tun, nur um dann wie der ‚an allem schuld’ zu sein? Leise schnaubend richtete er die Zeitung wieder und las weiter. Wann wusste er nicht, aber er wusste warum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)