Diary of a Lady Bat von Ishizuka-Kazumi (What if... Batman was a girl?) ================================================================================ Kapitel 3: The Third Night -------------------------- Ungeduldig tippe ich mit dem Finger auf die Tischplatte. Ich bin hundemüde und habe nur noch ein paar Stunden, ehe ich wieder aufstehen muss, um mich mit irgendwelchen Spinnern herumzuschlagen. Schlaf ist gerade wirklich ein knappes Gut und nun muss ich hier herumsitzen, um auf drei unpünktliche Reporter zu warten. Die sind auf jeden Fall schon mal unten durch bei mir. Der Blitz einer Kamera reißt mich aus meinem Gegrübel. Ich blicke auf und sehe die Drei endlich auf den Tisch in dem Café zukommen, in dem sie unbedingt ihr Interview führen wollten. Der Junge mit der Kamera muss Jimmy Olsen sein, der Kerl, der das tolle Foto von Lady Bat gemacht hat. Die Frau ist offensichtlich Lois Lane. Und der Kerl hinter ihr... Gute Güte, der Kerl hat die Figur eines Nachtclub-Türstehers. Wusste gar nicht, dass Reporter solche Muskeln haben können. Und schlecht aussehen tut er auch nicht. Dumm nur, dass ich seinen Namen schon wieder vergessen habe. "Guten Tag. Lois Lane vom Daily Planet aus Metropolis", stellt sich die Frau bei mir vor und ich zwinge mich, lächelnd ihre Hand zu nehmen. Ihretwegen verliere ich ein paar kostbare Stunden Schlaf - unnötig also zu erwähnen, dass ich sie nicht leiden kann. Das Interview ist wie erwartet eine kleine Katastrophe. Ms Lane stellt ihre Fragen so, dass ich morgen in der Zeitung wahrscheinlich als Kinder fressendes Monstrum dastehen werde. Da geht er hin, der einstmals gute Ruf von Beverly Bennett... Okay, ich geb's ja zu, den hat es nie gegeben. "Miss Bennett, wie ist es nun, da Sie zum ersten Mal weg von zu Hause sind? Es gab ja immer Vermutungen, dass es zwischen Ihnen und Ihrem Vater Unstimmigkeiten gab, seit Sie Ihre Verlobung abgesagt haben." "Ich versichere Ihnen, Ms Lane, zwischen mir und meinem Vater ist alles bestens." Ich lächle. Lüge. "Das freut mich zu hören. Nun, Sie sind seit gut zwei Wochen hier in Gotham City. In letzter Zeit ist hier ja auch eine dieser maskierten Gestalten aufgetaucht, die man plötzlich überall sieht. Unser Jimmy hier hat sie letzte Nacht fotografiert. Was halten Sie denn von dieser Lady Bat?" Ich überlege kurz. Jetzt nur nichts Falsches sagen. Am Ende wird ja doch alles gegen mich verwendet werden. "Ich denke, sie handelt recht... seltsam." "Seltsam? Wie meinen Sie das?", fragt nun Clark Kent. Der war die ganze Zeit über still und hat nur Ms Lane angeschaut als wäre sie das wundervollste, was diese Welt zu bieten hat. Ich glaube, er ist total verknallt, aber sie zeigt dem armen Kerl die kalte Schulter. Erst jetzt, wo es um Lady Bat geht, wirkt er plötzlich ziemlich interessiert. "Nun ja, sie bricht bei einem Konzern ein und stiehlt dort Geld und Akten. Dann bringt sie diese Akten zur Polizei. Und am nächsten Tag geht sie los und bedroht plötzlich den für diese Akten zuständigen Polizisten. Da frage ich mich einfach, wieso sie so etwas tut." Ich schaue Mr Kent in die Augen. Er schaut zurück. Irgendwas ist seltsam an dem Kerl. Bringt kein Wort raus bis es um Maskierte geht. Ich will gerade den Mund aufmachen, um das Thema zu wechseln, als hinter uns plötzlich Geschrei losbricht. Ich drehe mich um und sehe zwei Männer mit schwarzen Strumpfmasken und prall gefüllten Säcken über die Straße rennen, jeder eine Pistole in der Hand, mit der er blindwütig in die Gegend schießt. Mitten auf der Straße. Am helllichten Tag. Und niemand tut etwas. Oh Gotham, du verdorbene Stadt. Einer der beiden dreht sich um und sieht mich. Die Art, wie er mich anschaut und dann seinen Partner anstößt... Verdammte Scheiße, ich kenne dieses Szenario. Der Kerl hat gerade Beverly Bennett erkannt. Seine Chance auf ein richtig fettes Lösegeld, wenn er mich entführt. Und hier in Gotham hält ihn bestimmt so schnell keiner auf. Die beiden Männer kommen auf uns zu. Ich weiß, dass ich mir schleunigst was einfallen lassen muss. Aber als Lady Bat auffliegen will ich nicht, Beverly Bennett muss schwach und hilflos wirken. Verdammt. Sie fangen wieder an zu schießen, ohne darüber nachzudenken oder wenigstens mal zu zielen. Eine Kugel saust an mir vorbei, eine andere bohrt sich in den Café-Tisch vor mir. Ich sehe mich bereits tot und durchlöchert am Boden liegen. Die drei Reporter aus Metropolis sind auch wie erstarrt. Na ja, zumindest zwei von ihnen. Mr Kent hingegen springt plötzlich auf, als wolle er wegrennen. Und einer von den beiden Möchtegern-Entführern sieht das. Zielt. Und Kent merkt es nicht. Scheiße, nein. Bevor ich darüber nachdenken kann, springe ich auf und werfe mich mit meinem vollen Gewicht gegen ihn, um ihn zu Boden zu werfen und aus der Schusslinie zu bekommen. Der laute Knall des Schusses zerreißt die Stille. Er taumelt, aber fällt nicht. Natürlich, er wiegt bestimmt doppelt so viel wie ich. Er ist so gut wie tot. Halt, nein. Ich stehe zwischen ihm und dem Kerl. Ich bin so gut wie tot. Die Zeit vergeht quälend langsam. Das Adrenalin pulsiert durch meinen Körper, aber ich komme hier nicht rechtzeitig weg, kann hier nicht weg, wenn ich ihn retten will. Eine Sekunde vergeht. Dann noch eine. Ich merke, dass ich mich unbewusst an Mr Kents Hemd festgeklammert habe. Dann merke ich, dass ich zittere. Ich habe Angst. Ich will noch nicht sterben. Seine Hand liegt auf meinem Rücken, fast so, als wolle er mich schützen. Irgendetwas stimmt nicht. Der Schmerz bleibt aus. Unmöglich, der Schuss muss mich getroffen haben, ich stand genau in der Schusslinie... "Miss Bennett, geht es Ihnen gut?", fragt er mich mit sanfter Stimme. Ich nicke nur, bringe kein Wort heraus. Ich lebe noch...? Langsam lasse ich ihn los, mache unsicher einen Schritt zurück. Als ich mich umdrehe, stehen die beiden Gangster da und starren fassungslos auf ihre leeren Hände. Die beiden Pistolen liegen geschmolzen auf dem Boden. Ich versuche zu denken, aber dafür gibt es keine logische Erklärung. "Miss Bennett...?", fragt Mr Kent wieder, vorsichtig, als habe er Angst, dass ich gleich zusammenbreche. Die Sorge habe ich auch. "Alles in Ordnung...", murmle ich tonlos. Letzte und vorletzte Nacht wurde ich auch mit Pistolen bedroht, ich bin das gewohnt... Ich muss mich zusammenreißen. Vielleicht klappt es später. Wenn ich nicht mehr das Gefühl habe, dass ich mit einer Kugel im Rücken und tot auf dem Boden liegen sollte. Die Polizei kommt überraschenderweise und nimmt die beiden Bankräuber fest. Ms Lane bedankt sich für das Interview, dann gehen die drei. Mr Kent dreht sich noch einmal zurück und schaut mich besorgt an, ehe sie außer Sichtweite sind. Ich sinke auf meine Knie. Vielleicht habe ich mir den Knall nur eingebildet. Vielleicht hat der Kerl gar nicht wirklich geschossen. Dann sehe ich vor meinen Knien etwas auf dem Boden in der Sonne blitzen. Eine Patrone. Die, die jetzt eigentlich gerade in meinem Rücken stecken müsste. Und sie ist so zerknautscht, als wäre sie auf einen Panzer getroffen. Ich versuche, es zu begreifen. Aber ich kann nicht. Liebes Tage- Ach, scheiß drauf. Liebe Memoiren, Ich müsste gerade eigentlich tot sein. Ich habe die Kugel mitgenommen. Das Ding ist echt. Es müsste gerade in mir drin stecken, aber stattdessen ist es nur ziemlich demoliert. Wenn ich nicht bald eine logische Erklärung dafür finde, drehe ich wohl wirklich noch durch. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich bei der ganzen Sache irgendetwas übersehe. Als wäre die Lösung offensichtlich. Aber ich kann einfach nicht darauf kommen. Ich habe eine Weile überlegt, ob ich heute Nacht rausgehen sollte oder nicht, aber mich schließlich doch dafür entschieden. In dem Dress bin ich Lady Bat, nicht Beverly. Und Lady Bat wird mit diesem ganzen Kram irgendwie besser fertig. Ich muss mir nur noch einfallen lassen, was ich dann tun soll. Meinen lieben Freund Doronet, der Lieutenant, der die Schmiergelder angenommen hat, kann ich heute wohl leider nicht besuchen. Das würde sonst wirklich so wirken, als wolle ich ihn umbringen. Ich denke, ich werde einfach mal ein wenig die Stadt unsicher machen und dem ein oder anderen Kleinkriminellen den Schrecken seines Lebens einjagen, bevor da draußen noch irgend eine andere Beverly oder ein anderer Mr Kent stirbt. Dieser Mr Kent ist auch irgendwie seltsam gewesen. Hatte zwar nur Augen für Lois Lane und wird bei der nie eine Chance haben, aber ich... Scheiße, dass hier jetzt hinzuschreiben wird klingen wie in einem von diesen billigen Liebesromanen, aber außer mir wird's ja eh keiner lesen. Ich kann nicht vergessen, wie er mich angeschaut hat. Und wie seine Hand auf meinem Rücken lag, als wolle er mich beschützen. Mich hat in meinem ganzen Leben noch niemand beschützt. Ich kriege jedes mal Herzklopfen, wenn ich daran denke, wie er mich festgehalten hat. Aber ich bin nicht verliebt, ich schwör's. Das ist irgendetwas anderes. Trotzdem ist Clark Kent wirklich nett. Ich glaube, ich mag ihn. Ich schließe das Tagebuch in meinen kleinen Safe. Ich werde mich nicht in den Reporter aus Metropolis verlieben, oh nein. Ganz bestimmt nicht. Ich versuche, mein klopfendes Herz zu beruhigen. Dann ziehe ich mir den Dress über und springe aus meinem Fenster in die Nacht hinaus. Ich sehe einen Kerl mit einer prall gefüllten Tasche aus einem Fenster klettern und renke ihm die Schulter aus, ehe ich ihn mit seiner eigenen Jacke kopfüber an die Feuerleiter fessle. Ich höre eine Frau in einer Gasse schreien und breche ihrem Beinahe-Vergewaltiger mit einem Tritt drei Rippen, sodass er ohnmächtig zusammenbricht. Ich höre den Alarm in einem kleinen Laden und schlage die drei Einbrecher einen nach dem anderen bewusstlos, bevor die Polizei kommt. Beim ersten Mal schmerzt mein Arm von der ungewohnten Belastung. Beim zweiten Mal bekomme ich einen schmerzhaften Schlag in den Bauch. Beim dritten Mal schlägt mir der letzte von den Dreien mit einem Baseballschläger gegen den Brustkorb und ich danke dem Gott, an den ich nicht glaube, dafür, dass ich mir dabei nichts breche. Und mit jeder vollbrachten Tat fühle ich mich besser, trotz der Schmerzen. Es ist beinahe drei Uhr nachts, als ich noch einen Einbruch bemerke. Zumindest mal halte ich es für einen. Bei einer Firma, die Sprengstoff herstellt, wurde die Hintertür aufgebrochen. Unnötig zu erwähnen, dass das in einer Stadt wie Gotham nichts Gutes heißen kann. So leise wie möglich schleiche ich mich hinein. In einer der Hallen hat jemand das Licht eingeschaltet. Entweder eine sehr motivierte Nachtschicht oder das nächste Opfer von Lady Bat. Mehrere ziemlich muskelbepackte Männer laufen in der Halle herum, tragen dabei verschiedene Kisten zu einem Lieferwagen. Ich kneife die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Vielleicht bin ich schon früher verrückt geworden als erwartet. Oder aber diese Kerle sind tatsächlich alle wie Clowns geschminkt. In Gotham treiben sich doch wirklich die seltsamsten Gestalten herum. Ich schleiche mich näher an den LKW heran. Ein Mann steht dort mit einem Megaphon in der Hand und scheucht alle anderen herum. Gruselige Clowns-Visage, grüne Haare, lila-farbener Anzug. Der Kerl ist definitiv irre. Er hebt sein Megaphon und brüllt Befehle durch die Halle. Seine Stimme hat etwas Unheimliches. Irgendetwas zwischen ungezügeltem Wahnsinn und eiskalt berechnendem Genie. Ich pirsche mich noch näher heran. Ich lese, was auf den Kisten steht und versuche, mir einen Reim darauf zu machen. Ich war immer recht gut in Chemie, zu irgendeinem Schluss muss ich ja wohl komm- Ein Schatten fällt auf mich und ich weiche instinktiv mit einem großen Satz aus. Gut, weil mir das ein klägliches Ende durch ein Brecheisen erspart. Schlecht, weil mein instinktiver Satz mich in die Mitte der Halle befördert hat, wo mich alle sehen können. Der Kerl mit dem Brecheisen, der gerade eben versucht hat, mich hinterrücks zu erschlagen, kommt wieder auf mich zu. Und auch die anderen lassen ihre Arbeit stehen und liegen, um mich einzukreisen. Eine tolle Lage, in die du dich da mal wieder gebracht hast, Beverly, lobe ich mich selbst sarkastisch. "Huu huu huu, wer stattet uns denn hier einen kleinen nächtlichen Besuch ab?", kreischt der Mann im lila-farbenen Anzug und kommt mit einem manisch breiten Grinsen auf mich zu. Er bleibt vor mir stehen und streckt wie zur Begrüßung die Hand aus. "Mein Name ist Joker. Und du bist Lady Bat, nehme ich an?" Ich sage nichts und bleibe stehen, die ausgestreckte Hand ignorierend. Sein Pech, dass ich den Elektroschocker an der Handfläche gesehen habe. Nach einigen Momenten verschwindet sein Grinsen und macht einem genervten Gesichtsausdruck Platz. "So so. Die Fledermaus will also nicht mit mir reden. Bist du stumm? Weißt du was, ist mir egal. Gleich bist du es auf jeden Fall. Ich brauche dieses Zeug nämlich, um die Stadt in die Hölle zu bomben. Also kümmert euch um sie, Jungs!" Mit diesen Worten dreht er sich um und spaziert davon, während die anderen mir noch näher kommen. Wird wohl höchste Zeit, auszuprobieren, was ich in meinen ganzen Jujutsu-, Karate-, Kung Fu- und Box-Stunden so gelernt habe. Hoffentlich genug, um es mit einem guten Dutzend Muskelpakete aufnehmen zu können. Ich weiß, dass ich in einem reinen Vergleich körperlicher Kraft nicht bestehen kann. Mal ganz abgesehen davon, dass die Typen in der Überzahl sind. Also muss ich mir wieder mal was einfallen lassen. Ich weiche aus, wieder und wieder, verdrehe das ein oder andere Gelenk genug, dass man es so schnell nicht mehr schmerzfrei bewegen kann. Einen kann ich in die Magengrube treten, der steht so schnell nicht mehr auf. Einen anderen lasse ich in die Faust seines Kumpels rennen, vor dem habe ich auch erst mal Ruhe. Zwei haben eine ausgekugelte Schulter, nicht die feine Art, aber effektiv. Ich packe den Arm von Nummer Fünf, als er mich schlägt, bringe ihn aus dem Gleichgewicht und lasse ihn dann unter seinem eigenen Gewicht zu Boden gehen. So weit, so gut. Fehlen nur noch- Der Schmerz explodiert in meinem unteren Rücken und ich fliege ein kleines Stück durch die Luft, ehe ich unsanft auf den Boden falle. Diesmal hat der Kerl mit dem Brecheisen mich erwischt. Oder es war das Gör in dem rot-schwarzen Anzug, das wie eine Irre durch die Gegend springt. Ich will mich aufrappeln, doch sofort drückt sich ein Stiefel fest in meinen Bauch und hält mich auf dem Boden fest. Scheiße. Der Kerl über mir grinst, was durch sein aufgemaltes Clownsgesicht nur noch unheimlicher wirkt. Vorfreudig schlägt er sein Brecheisen ein paar mal in die eigene Hand, ehe er es hoch über seinen Kopf hebt, um- Das laute Jaulen von Polizeisirenen zerreißt die Stille. Der Joker, wie er sich selbst genannt hat, brüllt durch die Gegend, dass sie jetzt gehen müssen. Offenbar hat der Kerl eine Menge Autorität, denn sofort lassen alle von mir ab und rennen zum Lieferwagen. "War schön, dich kennenzulernen, Batsy! Vielleicht sehen wir uns ja nächste Nacht noch mal, ehe ich die Stadt ins Jenseits schicke!", kreischt der irre Clown. Irgendjemand gibt Gas und der LKW bricht mit viel Lärm durch die Wand und anschließend durch die von der Polizei errichtete Barrikade, ehe er in der Nacht verschwindet. Dann sind sie weg. Nur ich und die drei bewusstlosen Killer-Clowns sind noch da. Ich kämpfe mich keuchend auf die Füße. Mir tut alles weh, besonders der linke Arm und die Stelle am Rücken, wo mich das Brecheisen erwischt hat. Hoffentlich ist es nichts Ernsthaftes. Fast wäre ich eben draufgegangen. Wie ironisch, dass ausgerechnet die Polizei mich gerettet hat. Leicht schwankend und mit schmerzenden Gliedern laufe ich aus der Halle, ein paar Treppen hinauf, bis ich auf dem Dach bin und den Nachthimmel über mir habe. Ein paar Stockwerke unter mir sehe ich die blinkenden Lichter der Warnleuchten auf den Polizeiautos und frage mich innerlich, wie ich hier nur schon wieder rauskommen soll. Ich entdecke unten am Boden jemanden, der mir bekannt vorkommt. Lieutenant Gordon, wenn ich mich nicht irre. Leider entdeckt er mich auch und sofort strahlt mir wieder das unerträglich helle Licht eines Scheinwerfers in die Augen. "Lady Bat, Sie sind verhaftet. Ergeben Sie sich friedlich und nehmen Sie Ihre Maske ab", dröhnt seine Megaphon-verstärkte Stimme zu mir hoch. Ich seufze und frage mich, womit ich das eigentlich verdient habe. Ich wollte heute doch nur helfen. "Lieutenant, statt Fledermäuse zu jagen sollten Sie sich lieber um den wahnsinnigen Clown kümmern!", rufe ich ihm zu. Dieser Joker hat offenbar vor, morgen die ganze Stadt in die Luft zu jagen. Und um ehrlich zu sein, der Kerl wirkt so verrückt, ich glaube, er hat das wirklich ernst gemeint. Auch wenn mir noch nicht ganz klar ist, was er damit bezwecken will. Dringend nötig, dass irgendjemand ihn aufhält. Aber Gordon sieht das wohl leider ein wenig anders. "Lady Bat, Sie sind mindestens genau so kriminell wie der Clown! Sie sind angeklagt wegen Einbruchs, Diebstahl, Bedrohung, Behinderung der Staatsgewalt, versuchten Mordes und seit heute Nacht auch Selbstjustiz und schwerer Körperverletzung! Ergeben Sie sich friedlich, sonst bin ich gezwungen, das Feuer zu eröffnen!" Gut, der Mann will es wohl nicht einsehen. Sieht ganz so aus, als hätte ich keine andere Wahl, als mich selbst um den Joker zu kümmern. Was natürlich voraussetzt, dass ich hier lebendig und ohne Handschellen rauskomme. Echt blöd, dass ich heute mein Motorrad zu Hause gelassen habe. Immerhin ist das Gebiet dicht besiedelt. "Ich sage es zum letzten Mal! Ergeben Sie sich oder ich eröffne das Feuer!", schreit Gordon zu mir hinauf. Etwas saust unter mir in die Hausfassade. Ein Warnschuss. Ich schätze, er meint das mit dem Schießen ernst. Zeit zu verschwinden. Mein Haken trift das höchste Gebäude zwei Straßen weiter. Das ist mehr als genug. Ich springe hoch in die Luft, schwinge mich über die Köpfe der Polizisten hinweg durch die Nacht. Ich lande auf dem Dach, laufe ohne stehen zu bleiben weiter und springe auf das nächste, immer wieder, immer weiter, bis sich der Lärm der Sirenen hinter mir verliert. Ich springe weiter von Dach zu Dach, bis ich mir sicher bin, sie abgehängt zu haben. Meine Lungen brennen. Mein linker Arm lässt sich kaum bewegen. Ich glaube, ich blute irgendwo. Aber auf eine seltsame Art und Weise bin ich glücklich. Ich bin frei. Niemand kann mich fangen, nicht hier, auf Gothams Dächern, während die Nacht mich in ihren Schatten verbirgt... "Guten Abend, Miss Bat." Ich fahre herum. Blauer Anzug. Rotes Cape. Ein riesiges fettes "S" auf der Brust. Und der Kerl schwebt verdammt noch mal in der Luft als ginge ihn die Schwerkraft nichts an. Der Super-Spinner aus Metropolis. Auch das noch. "Lady Bat", berichtige ich ihn und hoffe, dass er nicht gemerkt hat, wie sehr ich mich eben erschrocken habe. "Gut, dann Lady Bat. Ich bin-" "Superman. Ich weiß. Geh zurück nach Metropolis, dort braucht doch bestimmt wieder irgendjemand deine Hilfe." "Das würde ich gerne. Doch leider gibt es Angelegenheiten in Gotham, die meine Aufmerksamkeit erforden." "Sicherlich kann ich mich ebenso gut um diese Angelegenheiten kümmern." "Um genau zu sein, sind Sie diese Angelegenheit, Lady Bat." "Ich wüsste nicht, inwiefern." "Die Gesellschaft misstraut uns Leuten, die wir Masken und Kostüme tragen, um Außergewöhnliches zu vollbringen. Sie misstraut uns wegen Leuten wie Ihnen, die diese zweite Identität nutzen, um Gesetze zu brechen anstatt sie zu bewahren." "Ich breche keine Gesetze. Ich biege sie." "Lady Bat, ich muss Sie leider bitten, sich der Polizei zu stellen. Sollten Sie wirklich nichts Unrechtes getan haben, haben Sie ja nichts zu befürchten." Er landet auf dem Dach und macht einen Schritt auf mich zu. Ich mache instinktiv einen zurück. "Bist du verrückt? Die werden mich demaskieren. Ich weiß nicht, wie du es dir leisten kannst, hier ohne Maske durch die Gegend zu schweben-" "Hypnose." "-aber wenn man herausfindet, wer ich bin, habe ich ein Problem." Ich schaue den Kerl an und er schaut zurück. Den Bruchteil einer Sekunde später ist er direkt vor mir und hält meine Handgelenke in unnachgiebig starken Händen fest. Ich versuche, mich loszureißen, aber mit ausgesprochen wenig Erfolg. Er zieht leicht die Augenbrauen zusammen, als würde er sich konzentrieren. "Entschuldigen Sie, aber ich muss Sie leider wirklich bitten, sich der Polizei zu-" Ich versuche mich an alles zu erinnern, was ich über den Kerl weiß. Seine Schuld, dass er Exklusiv-Interviews an Lois Lane gibt und alle seine Geheimnisse rumerzählt. Alien vom nun zerstörten Planeten Krypton. Kann fliegen. Quasi unverwundbar. Schützt offensichtlich durch hypnotische Fähigkeiten auf das Unterbewusstsein seine wahre Identität. Hitzeblick. Außergewöhnliche Schnelligkeit und Kraft. Röntgen- Verdammte Scheiße, Röntgenblick. Der Super-Spinner versucht gerade durch meine Maske zu sehen. In dem Moment, in dem mir diese Erkenntnis kommt, ist es schon zu spät. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe, ist seine Reaktion. Er lässt mich los und tritt einen Schritt zurück. "Du...?", fragt er und sieht mich völlig verblüfft an. "Du hast unter die Maske geschaut", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich hoffe, er kann die Verachtung in meiner Stimme hören. Gerade von jemandem wie ihm hätte ich eigentlich erwartet, dass er den Anstand hat, meine Geheimidentität zu respektieren. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe, ist, dass mich das gerade eben wohl gerettet hat - warum auch immer. "Du... du hast heute dein Leben riskiert, um jemanden zu retten, den du kaum kanntest...", murmelt er und wirkt seltsam berührt. Der Kerl weiß nicht nur, wer ich bin, sondern auch noch, was ich getan habe. Das wird ja immer schlimmer. "Ich konnte ja nicht nur dasitzen und zusehen", fauche ich. Ich bin immer noch wütend, dass er geschaut hat. "Warum tust du das, was du tust? Warum tust du diese... 'seltsamen' Dinge?" "Ich will helfen. Mein Leben ist kaputt. War ziemlich beschissen. Weil die einflussreichen Leute die Gesetze zu ihrem Vorteil nutzen. Und irgendjemand das wieder in Ordnung bringen muss." "Warum ist dein Leben 'kaputt'?", fragt er mich. Seine Stimme klingt so sanft... Sie erinnert mich an irgendjemanden. Ich kann nur nicht sagen, an wen. Hängt vielleicht mit seinen bescheuerten Hypnose-Fähigkeiten zusammen. "Kann dir doch egal sein. Lass mich gehen", verlange ich. Der Kerl ist mir in beinahe allen Punkten überlegen. Ich kann nicht vor ihm weglaufen, wenn er das nicht will, so viel steht fest. Er legt den Kopf leicht schief. Scheint so, als würde er nachdenken. Ist wahrscheinlich etwas Neues für ihn, Gesetze nicht einfach so zu akzeptieren, wie sie auf dem Papier stehen, sondern zur Abwechslung mal seinen eigenen Kopf zu benutzen. "Ich lasse dich gehen, wenn du mir sagst, warum du das hier tust. Und was du damit bezwecken willst", meint er schließlich. Ich seufze. "Ich habe ja keine große Wahl, oder? Ich hoffe, du erwartest nichts allzu Dramatisches. Ich bin vielleicht nicht völlig normal, aber ich bin auch nicht gerade durch die Hölle auf Erden gegangen. Um es kurz zu machen, mein Dad wollte mich umbringen und ich hab's überlebt. Dann hab ich mir vorgenommen-" "Moment", unterbricht der Super-Spinner mich. "Dein Dad wollte dich umbringen lassen? Hast du da nicht irgendwas falsch verstanden?" "Wäre schön, oder? War aber so. Mein Dad mag's nicht, wenn ihm jemand widerspricht und seine Autorität in Frage stellt. Auch nicht, wenn's seine eigene Tochter ist. Ist mir aber egal, ich hab mich dran gewöhnt." "Sieht nicht so aus." "Was?" "Deine Hand", sagt der Alien. Ich schaue zu meiner rechten Hand und merke erst jetzt, dass ich sie zur Faust geballt habe. Und ich zittere. Muss echt kalt sein heute Abend. Ich bin nämlich darüber hinweg, ganz sicher. Ich seufze beherrscht. "Bringen wir das hier einfach hinter uns, damit ich schlafen gehen kann, okay? Ich fass mich auch kurz, ich versprech's. Ich war echt sauer. Und dann, als ich ausgezogen bin, um hier zu studieren, habe ich mir vorgenommen, meine Fähigkeiten zu nutzen. Ich hab's satt, dass diese reichen Leute machen, was sie wollen. Dass überhaupt irgendjemand andere für seinen eigenen Vorteil ausnutzt und verletzt. Ich kann vielleicht nicht fliegen wie du, aber ich weiß, wie man Leuten Angst macht. Und ich werde ihnen Angst machen. Ich werde dafür sorgen, dass niemand sich mehr Macht, Vertrauen oder Gerechtigkeit erkauft." Ich hole tief Luft. Ich bin ruhig, ganz ruhig. Ich bin über den ganzen Kram hinweg. "So, da hast du's jetzt. Nichts Schockierendes. Nur ich, wie ich durchdrehe. Darf ich jetzt schlafen gehen? Ich bin müde." Superman starrt mich immer noch an. Seine blauen Augen scheinen nach irgendwas zu suchen. Irgendwie kommen sie mir bekannt vor... Verdammt, ich kriege davon echt Kopfschmerzen. Nach ein paar Momenten des Schweigens nickt er schließlich. "Na schön. Tu, was du willst. Aber lass niemanden zu Schaden kommen." "Ja ja", grummele ich. Niemanden, der es nicht verdient hätte. Superman dreht sich weg und schwebt davon. Ich warte noch ein paar Minuten, bis ich das Radar aus meinem Gürtel hole. Ich kann's nicht glauben, dass der Kerl tatsächlich blöd genug war, nicht zu merken, dass ich einen Peilsender an seinem Cape befestigt habe. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Superman schaut unter die Maske von Lady Bat. Jetzt findet Lady Bat heraus, wer der mysteriöse Superman in Wirklichkeit ist. Das kleine Fernglas leistet gute Dienste, als ich damit in das hell erleuchtete Hotelzimmer schaue. Der rot-blaue Anzug liegt auf dem Bett. Die Tür vom Badezimmer öffnet sich und heraus tritt... "Clark Kent", knurre ich und balle meine Hand zur Faust, diesmal mit voller Absicht. Auf einmal ist die Blockade in meinen Gedanken weg, die seine Hypnose-Kräfte die ganze Zeit über aufrecht erhalten haben. Die unglaubliche Ähnlichkeit, der durchdringende Blick, die sanfte Stimme, natürlich, alles identisch. Jetzt verstehe ich auch endlich, wieso ich den Schuss am Nachmittag überlebt habe. Clark Kent hatte seine Hand auf meinem Rücken und die Kugel ist dagegen geflogen. Und während ich noch unter Schock stand, hat er mit seinem Hitzeblick die Pistolen geschmolzen. Der Kerl schaut einfach mit seinem blöden Röntgenblick unter meine Maske, als wäre es nichts, und benutzt gleichzeitig Hypnose, um mich davon abzuhalten, das Offensichtliche zu erkennen, nämlich dass Clark Kent und Superman ein und dieselbe Person sind. Ich bin verdammt noch mal sauer. Clark Kent nimmt seinen Superman-Anzug und verstaut ihn in seinem Schrank. Er hält inne, nimmt das Cape genauer unter die Lupe. Ein Gefühl der Genugtuung überkommt mich, als ich den Schock in seinem Gesicht sehe. Jetzt hat er den Peilsender wohl gefunden. Er sieht aus dem Fenster und entdeckt mich wahrscheinlich mit irgendeiner Super-Weitsicht. Ich grinse selbstgefällig, winke ihm zu und mache mich dann davon. Sauer bin ich trotzdem. Liebe Memoiren, Ich hasse Clark Kent. Er ist der Super-Spinner aus Metropolis. ~*~*~*~ Okay, diesmal ist das Kapitel irgendwie ein wenig länger geworden. Ist ja aber auch viel passiert. Erstes mal Clark Kent, erstes mal Joker, erstes mal Superman... Endlich Charaktere, die es auch wirklich gibt ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)