Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Preußen dazu! von Polysaccharid (One-Shot Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: 4+1 -------------- „Ich sagte: Gute Nacht!“ Schwungvoll warf Norwegen seine Zimmertür zu, ganz gleich, ob er so Dänemark das Holz vor den Kopf schlug. Beinahe hatte er sich schon gewünscht, den Widerhall seines hohlen Schädels zu hören, doch der andere hatte sich anscheinend rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Bedauerlich! Vielleicht hätte der Schlag irgendetwas in seinem Hirn richten können. Norwegen hatte nämlich schon länger die Vermutung, dass einige Synapsen bei ihm verrutscht waren. Aber letztendlich würde nicht einmal ein Hieb mit einem dicken Ast helfen. Auch wenn das noch auszuprobieren wäre… Verstimmt ging Lucas zu seinem Bett, setzte sich an die Kante und wartete darauf, dass der große Däne ihm nun mit irgendwelchen geheuchelten Bekenntnissen nachkam. Doch wider seiner Erwartungen blieb es still… Kein Klopfen, kein Betteln. Eventuell hätte sich der Norweger über die Einsicht des Älteren freuen können, aber im Moment… wären ein paar geheuchelte Worte ganz nett gewesen. Nach einigen Minuten, als jede Hoffnung auf einen Annäherungsversuch vergangen war, machte sich Lucas ans Ausziehen. Schuhe, Hemd, Hose, alles wurde abgestreift und zur Seite befördert. Unter seiner Decke holte er ein Leinenhemd hervor, welches er überzog, ehe er selbst unter der Decke verschwand. Seufzend lehnte er sich mit dem Rücken ans Kopfende und betrachtete für einen Moment die Schatten, die aus Kerzenlicht und Dunkelheit entstanden, an den Wänden tanzten. Das Phänomen, das sonst immer so beruhigend auf ihn wirkte, vermochte diesmal nicht seine negativen Gedanken zu vertreiben. Das hieß, es waren nicht einmal negative Gedanken. … doch waren sie! Sie brachten sein Blut zum Kochen und sein Magen verkrampfte sich. Warum konnte dieser Schwachkopf seine Hände nie bei sich behalten? Und dann auch noch vor den anderen… Finnland war rot angelaufen und Schweden hatte das Gesicht in einer Art verzogen, die sogar für ihn erschreckend gewirkt hatte. Aber nein, für den Dänen war es das Normalste auf der Welt. Ihm war wirklich nichts peinlich oder ansatzweise unangenehm. Unverständlich. Dabei wusste Mathias genau, wie sehr er es hasste, aus heiterem Himmel angefasst zu werden. Und erstrecht hasste er es am- am Hintern! Lucas schüttelte ruckartig den Kopf, ganz so, als könne er damit endlich diese Erinnerung aus seinem Kopf katapultieren. Aber wie gerade solche Gedanken waren, sie hielten sich unnachgiebig und zäh. So hatte er keine andere Wahl als sich ein Buch zu schnappen und sie quasi weg zu lesen. Das hatte bis heute doch immer funktioniert! Gedacht, getan wurde ein Buch von Nachtisch genommen, die Kerze günstig zurechtgerückt und gelesen. Hätte er jetzt noch einen von Tinos Kakaos gehabt, wäre die Situation schon fast perfekt gewesen. Leider bleib es auch nur beim fast. Denn alles was mit dem Dänen zu tun hatte, war auf seine Weise penetrant. Daher dauerte es nicht lange, bis Norwegen das Buch frustriert zur Seite legte, die Kerze ausblies und versuchte, seine verdiente Ruhe im Schlaf zu finden. Endgültig! „Willst du wirklich nichts zum Kühlen?“ Finnland betrachtet immer wieder die rote Wange des Dänen. Er konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen, erstrecht nicht, als der deutliche Abdruck nach einer Stunde nicht merklich besser geworden war. Lucas musste für diese Ohrfeige all seine Kräfte zusammen genommen haben. „Nein, zum fünften Mal!“, knurrte Mathias missmutig und drückte die verschränkten Arme näher an die Brust. „Alles wunderbar!“ Zugegeben, es tat weh. Verdammt weh sogar, aber das würde ein kalter Lappen nicht bessern. Der tat doch nichts anderes als den Schmerz für einen Moment zu betäuben… Der kleine Finne zuckte unwillkürlich zusammen, als die barsche Stimme ablehnte. Er hielt besser ab jetzt den Mund. Am Ende bekam er noch den Frust des Hünen ab, im schlimmsten Fall nicht nur verbal. Obwohl… er konnte sich nicht vorstellen, dass er wegen so einer Lappalie einen Punchingball benötigte. So gut hatte er sich im Griff. Und so ungerecht war er letztendlich auch nicht. Er war wahrscheinlich schlicht beleidigt, Norwegen hatte immerhin heftig reagiert und- Herrje, wer verstand das schon? Finnland tat es nicht. Er verstand sowieso niemanden. Weder Dänemark, noch Norwegen und Schweden generell nicht. Ja… besonders bei Schweden hatte er aufgegeben. Trotzdem war seine Anwesenheit um einiges friedlicher, als die seiner restlichen Mitbewohner. Gerade jetzt saß er in einem Sessel nah des Kamins und der Couch, auf der sich der Däne breit machte und las. Ob ihn seine Umgebung dabei störte, war nicht auszumachen. Vielleicht war er mit den Gedanken auch ganz woanders… Ah, nein, er blätterte um. Finnlands Blick ruhte noch einen Moment auf dem Schweden, dann wanderte er hinüber zur Couch. Sie war groß genug für mindestens vier Personen, aber Mathias schaffte es, sie allesamt zu besetzten. Jetzt streckte er auch noch die Beine aus… Tino seufzte in sich hinein. Warum hatte er sich nicht gleich gesetzt? Den verstimmten Riesen nach Platz zu fragen, traute er sich momentan nicht… … vielleicht der Boden? Warum nicht, der Teppich vor dem Kamin war auch gemütlich. „Tino möchte sich setzten.“ Schlagartig huschten Finnlands Augen zurück zu dem Schweden, der seinerseits vom Buch aufgesehen hatte, um Mathias zu fixieren. In seinen Gedanken vertieft, merkte dieser erst spät, dass seine Mitbewohner anscheinend etwas von ihm wollten. Mann, warum wiederholte Berwald sich auch nie? „Was ist?“ „Tino will sich setzten.“, wiederholte sich Schweden dann doch, wobei er Tino ignorierte, der peinlich berührt abwinkte. „Soll er doch.“ „Deine Beine.“ „Was ist mit denen? Rede doch mal Klartext, Mann!“ „Sie stören…“ Schweigen. Berwald blinzelte Dänemark abwartend an, der wiederum schien zu überlegen, ob das Bewegen seiner Beine tatsächlich notwendig war und Tino wäre am liebsten im Boden versunken. Warum geriet immer er in solch unangenehme Situationen? Oder waren nur ihm diese Situationen unangenehm? Wirkte er am Ende genauso komisch auf die anderen, wie sie auf ihn? Während Finnland mit seinem bröckelnden Weltbild beschäftigt war, hatte Dänemark beschlossen, seine Füße dort zu lassen, wo sie waren. Er murmelte etwas von wegen, er entspanne sich gerade und Schweden ritt nicht weiter darauf herum. Er hatte schließlich gesagt, was zu sagen war. Oder doch nicht ganz… „Tino…?“ Angesprochener wandte sich erneut dem Schweden zu, der sein Buch nun von sich weg hielt und eine Hand nach ihm ausstreckte. Verwirrt sah er den Älteren an, musterte ihn fragen, bis in seinem Kopf der Groschen fiel. Schoß! Er sollte sich aus seinen Schoß- und schon wieder dieses Gesicht! Aber er konnte doch nicht- andererseits wäre er sicher enttäuscht! „…“ Wortlos nahm Schweden die Hand wieder herunter, Tino hatte zu lange gezögert. Kurz wurde die Brille gerichtet, das Buch wieder aufgenommen. … war er nun enttäuscht? Nein, das war sein Alltagsgesicht. Allerdings hatte das nichts zu heißen. Tino konnte zeitweise wirklich verzweifeln. … und nun sah Dänemark ihn an, als ob er etwas verbrochen hätte! Natürlich, hätte er bei Norwegen solch eine Andeutung gemacht, hätte dieser ihm gesittet gegen das Schienbein getreten. Aber was konnte Finnland dafür? Es war zum Weinen… Ganze zwei Stunden später (Tino hatte sich tatsächlich mit einen Buch auf den Teppich gelegt und döste mittlerweile) warf der Däne einen müden Blick auf die Wanduhr. Halb zwölf… bald war dieser sinnlose Tag vorbei! Mit dieser wenig motivierenden Aussicht, erhob er sich von der Couch, raunte noch ein knappes ‚Nacht’ und ließ seine Mitbewohner im Wohnzimmer zurück. Kaum hörte man das Knarren der Treppen, die in den ersten Stock hinauf führten, sah Berwald von seinem Buch auf. Lautlos legte er es beiseite, erhob sich und griff nach der wollenen Decke, ordentlich zusammengelegt über der Sofalehne hing. Mit dieser hockte er sich zu dem Schlafenden, faltete sie vorsichtig auseinander. Wie in Zeitlupe, um ihn nicht zu wecken, legte er den wärmenden Stoff über den kleineren Körper. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihn gleich zu wecken, damit ihm nachher die Rippen nicht zu sehr schmerzten, aber… nein. Er sah gerade viel zu zufrieden aus. Nicht so nervös und angespannt wie anderntags. Schweden würde noch etwas weiter lesen, wenn Tino dann immer noch schlief, konnte er ihn wecken. Dänemark hatte sich derweil in sein Zimmer verzogen. Jedoch nicht, ohne noch eine geraume Zeit bei Norwegen vor der Tür zu stehen. Er hätte sich vorhin gleich entschuldigen sollen, aber der Jüngere hatte ihm ja keine Chance gelassen. Ach, egal. Was auch immer er Lucas tat, es war falsch. Wäre er ihm vorhin ins Zimmer gefolgt, hätte er nun vermutlich einen neuen blauen Fleck zu präsentieren gehabt. Er würde es morgen mit Entschuldigen einfach ein weiteres Mal versuchen. Wegen so einem Klaps auf den Po konnte man schließlich nicht ewig sauer sein. Und wenn er doch sauer sein wollte, bitte! So ein Kinderkram! Außerdem war die Ohrfeige Strafe genug gewesen. Vielleicht sah der Norweger das noch ein. Allgemein war es hart, ständig auf Distanz gehalten zu werden. Besonders wenn man wusste, dass der kleine Eisklotz auch anders konnte. Das jedoch viel zu selten… Oft ließ er sich den Nacken kraulen, wenn er traurig oder frustriert war. Vorausgesetzt der Däne war nicht selbst der Grund für das emotionale Tief. Aber auf Dauer war diese Nackenkraulerei unbefriedigend. Da konnte man doch verzeihen, dass man mal mit den Händen abrutsche, oder? … wie auch immer, Norwegen war zu empfindlich. Ab und zu hatte Mathias das Bedürfnis ihm dafür irgendetwas Verletzendes an den Kopf zu werfen, so wie er selbst es immer tat. Aber letztendlich brachte er das nicht fertig. Das Einzige, was er ihm an den Kopf ‚warf’, war selbstmitleidiges Zeug, wenn er betrunken war. Gemischt mit ein paar anzüglichen Bemerkungen, aber das konnte er nicht dermaßen ernst nehmen oder? Zugegeben, die Hälfte meinte Dänemark sicher so, wie er sie sagte. Da war nur das Problem, dass er nicht immer wusste, was er am Vorabend gesagt hatte. Wenn er so darüber nachdachte, sollte er sich eventuell noch für ganz anderes entschuldigen. Möglicherweise half das ihrer gekippten Beziehung wieder auf. … nebenbei konnte Norwegen trotzdem mal wieder die Beine breit machen. An ihr letztes Mal konnte er sich gar nicht mehr erinnern… … Oh weh, wenn es diese Gedanken waren, die Dänemark unter Alkohol preisgab, dann sollte er wohl besser um Vergebung flehen. „Morgen…“, murmelte sich der blonde Hüne zu, während er versuchte, endlich eine angenehme Schlafposition zu finden. Schließlich auf der Seite liegend, sah er matt aus dem offenen Fenster, seufzte einmal tief und… blieb wach. Seine Augen blieben offen, der Kopf ließ sich nicht abschalten. Das war für ihn mit Abstand eines der lästigsten Dinger der Welt. Einschlafen wollen und es nicht können! Und so begann das Spiel: Decke rauf, Decke runter, Bauchlage, Rückenlage, linke Seite, rechte Seite, nichts half! Missmutig betrachtete Dänemark die Zweige vor seinem Fenster, die sich unbewegt gegen den klaren Nachhimmel abzeichneten. Kein Wind, kein Knarren, es gab kein Geräusch, das einen hätte einschläfern können. Alles sprach gegen eine erholsame Nacht. Er war wahrscheinlich obendrein noch von Norwegens Kobolden verflucht worden… Auf ein Neues drehte sich der Blonde Mann auf den Bauch, knüllte das Kissen unter seinem Kopf zusammen. Fest drückte er die Wange hinein, die Augen wurden eisern verschlossen. So würde er nun bleiben. Irgendwann musste seinem Körper doch langweilig genug sein, um zu schlafen. Statt dem wohlverdienten Sandmann, klopfte eine halbe Stunde später aber etwas anderes an seine Zimmertür. Leise, verhalten, als wenn sich der Verantwortliche sich nicht ganz sicher war, ob er stören wollte. Als das Pochen etwas lauter wurde, runzelte Mathias die Stirn. Eigentlich konnte er sich nur eine Person vorstellen, die dort vor der Tür stand, aber… warum sollte Norwegen das tun? …oh… oder er hatte ihm nun tatsächlich einen Troll vorbei geschickt. Einen netten Troll. Er klopfte immerhin sogar an. Seufzend und mit dem Gedanken, dass es auch Tino sein könnte (vielleicht hatte er etwas Böses unter dem Bett gesichtet) stand Dänemark auf und trat zur Tür. Mit wenig Elan wurde sie geöffnet und- vor ihm stand Lucas. Im Nachthemd und… was hatte er da im Arm? Norwegen schlief tief und ruhig. Wenigstens in seiner Traumwelt war alles, wie er es gerne hatte. Still, harmonisch, ohne nervenaufreibende Mitbewohner. Er lag auf dem Rücken, die Hände neben dem Kopf, ganz entspannt und losgelöst. Nur so konnte man genügend Kräfte sammeln, um die Strapazen des Alltags zu überstehen. Nur schienen sie diesmal nicht nur tagsüber zu sein… Lucas zuckte mit dem Mundwinkel, als er eine wage Berührung an seiner linken Wange ausmachte. Aber konnte das sein? … eher nicht… Leise murmelnd legte er den Kopf zu Seite, um sich einem eventuellen Störfaktor zu entziehen, da piekte es nun deutlich in seine Schulter. Deutlich, aber nicht deutlich genug. Der junge Mann murrte lediglich etwas Unverständliches, ehe er sich weg von dem Ärgernis diesmal ganz auf die Seite drehte. Dann war es ruhig. Norwegen seufzte zufrieden und gab sich erneut dem Tiefschlaf hin. Was er sich schon alles einbildete… diese Gemeinschaft machte ihn ernsthaft paranoid. Außerdem hätte er sonst die Tür hören- Schlagartig riss Lucas die Augen auf. Irgendetwas Schweres war über sein Bein geklettert und musste nun neben ihm sein. War eine Katze durchs Fenster gekommen? Aber nein, wie hätte sie hier herauf kommen sollen? Zögerlich wandte er den Kopf, bis seine Augen auf das Ding trafen, das nun neben seinen Beinen saß. Das einfallende Mondlicht offenbarte ihm einen kleinen Jungen, im weißen Nachthemdchen, der ihn unverwandt ansah. Helle Haare, große Augen und eine Stupsnase zeichneten das Gesicht aus, seinem eignen nicht ganz unähnlich. Unter anderen Umständen hätte Norwegen vielleicht erschrocken aufgeschrien, doch diese Vertrautheit ließ ihn Ruhe bewahren. So war es eher Verwunderung, die er empfand, als er sich aufsetzte, um das Kerlchen näher in Augenschein zu nehmen. Zumindest insoweit, wie es das fahle Licht im Raum zuließ. Vorsichtig streckte er eine Hand aus, ließ den Kleinen sie erst wie eine Katze beäugen, bevor er sacht die hellen Strähnen berührte. Sie fühlten sich ganz weich und leicht an, glitten wie Wasser durch seine Finger. Wohlig schloss der Junge die Augen, bei der ersten Zärtlichkeit, die sein frisches Leben für ihn bereithielt. Als sie endete, stellte er sich auf die Beine, tapste noch etwas unbeholfen zwei Schritte das Bett hinauf, um sich plump gegen die Brust des jungen Mannes fallen zu lassen. Verschmust schmiegte er sich an den großen, warmen Körper, vergrub die feingliedrigen Finger in seinem Hemd. Das war wiederum doch etwas viel für den Anfang. Norwegens anfängliche Verwunderung mischte sich mit Ratlosigkeit. Ratlosigkeit darüber, was er nun mit dem Kerlchen anstellen sollte. Wo kam es überhaupt her? … und warum ausgerechnet zu ihm? Er mochte doch gar keine Kinder, das war viel zu anstrengend… Damals als Berwald mit Tino heimgekommen war, hatte er sich auch nur um den Jungen gekümmert, wenn die anderen beiden nicht weiter wussten. Gut, dieser Zustand war keine Seltenheit gewesen, aber… nein. Nein, das musste nicht noch einmal sein. Ob sich der Zwerg abschieben ließ? Ein leises Seufzen an seiner Brust, ließ Norwegen von seinen Gedanken abkommen. Er spürte, wie sich der Klammergriff in seinem Hemdstoff lockerte, die Beinchen immer mal wieder etwas nachgaben. Der Kleine war offensichtlich müde. Aber wo sollte er fürs erste schlafen? Hier neben ihm? Oder sollte er besser jemandem Bescheid sagen? … nur wem? Tino wäre überfordert, mit Berwald kam er sicher auch nicht weit, da blieb nur… „Nicht der Idiot…“ Um eine andere Möglichkeit ringend, tobten die Überlegungen durch seinen Kopf, aber am Ende blieb es dabei. Vorsichtig schlang er die Arme um den kleinen Körper, rutschte aus dem Bett, um zwei Minuten später vor der Tür des Dänen zu stehen. Umsichtig verlagerte Lucas das Gewicht des Bündels auf seinen linken Arm, dann klopfte er. Leise, verhalten. Und beinahe betete er schon, dass der Ältere nicht wach wurde. Damit wäre sein Problem aber auch nicht gelöst. Also klopfte er etwas fester. Gedämpftes Rascheln war zu hören, das Knarrend der Bodendielen, ehe sich die schwere Tür öffnete. Matt und irgendwie unzufrieden erschien der blonde Hüne im Rahmen. Als er jedoch das Gesicht des Norwegers erkannte, veränderte sich seine Miene schlagartig. Sein überraschter Blick glitt hinab, bis zu dem kleinen Jungen in seinen Armen, dann wieder hinauf in die fragenden Augen. Dänemarks Ausdruck schien Bände zu sprechen, denn wie als Antwort zuckte Lucas mit den Schultern. Unschlüssig rieb sich Mathias darauf den Nacken, ehe er zu Seite trat, um ihn stumm zum Eintreten aufzufordern. Norwegen kam dem ohne zu protestieren nach, ging durch den Raum, zielstrebig auf das Bett zu. Er wollte das Kerlchen schon ablegen und wieder gehen, da machte ihm gerade dieses einen Strich durch die Rechnung. Mittlerweile hatte es sich nämlich wieder in seinem Hemd vergraben und hielt sich dort eisern fest. So blieb dem unglücklichen Auserwählten nur, sich auf das Bett zu setzten und abzuwarten. Dänemark hatte derweil die Tür geschlossen, zündete nun eine Kerze an und stellte sie auf den Nachttisch. Das plötzliche Licht ließ den kleinen Jungen zucken. Unwillig versteckte er das Gesicht in Norwegens Armen, nur weg von dem hellen Ärgernis. „Nicht doch… lass dein Gesicht mal sehen.“ Von der Müdigkeit noch rau dafür aber ungewohnt sanft richtete Dänemark den ersten Satz an den Neuankömmling. Um ihn nicht weiter einzuschüchtern, ging er vor Norwegen in die Hocke, ließ dabei die linke Hand auf dessen Knie ruhen, was wiederum mit einem verächtlichen Blick seinerseits gestraft wurde. Den bekam der blonde Hüne aber gar nicht mehr mit. Viel zu sehr war er von dem kleinen Jungen fasziniert, der sich langsam an das Licht zu gewöhnen versuchte. Scheu wandte er den Kopf der Kerze zu, dann so gut es ging dem Fremden hinter sich. „Noch einer, der sich den Hals nach mir verrenkt.“, kommentierte es Mathias belustigt, sich dabei einen zweiten genervten Blick einfangend. Ausgerechnet zu ihm zu gehen, war also doch die dümmere Wahl gewesen. Dann doch lieber zu Tino, der hatte genau so viel Ahnung, aber wenigstens blieb man dort vor solchen hohlen Sprüchen bewahrt. … aber letztendlich hätte er sich bei Tino auch weniger sicher gefühlt. Augenscheinlich freute Mathias sich über den Neuzugang, darüber hinaus hatte er seine harsche Zurechtweisung vom Abend bereits verarbeitet. Er kannte keine Sorgen oder Nachträglichkeit, das nahm einem schon die halbe Last ab. Und so, wie sich gerade um ihn zu kümmern begann, brachte es Lucas schon fast zum Lächeln. Auf die Frage hin, ob er den Kleinen selbst einmal auf den Arm nehmen durfte, nickte Norwegen nur verhalten. Behutsam wurde er ihm abgenommen, prüfend in die Höhe gehoben und anschließend sanft umarmt. Der Junge war erst verwirrt, blieb mit den Augen an Norwegen haften, als er dann in die Luft gehoben wurde, konzentrierte er sich aber ganz auf den Älteren. Nicht, dass dieser ihn plötzlich fallen ließ! Lucas betrachtete das Phänomen mit einer seltsamen Zufriedenheit. Ja, er lächelte sogar, als ihr neuer Schützling dem Dänen neugierig über Wange und Lippen strich. Als der Mann angedeutet nach den Fingerchen schnappte, zog er sie schnell zurück und lachte fröhlich auf. Wie um das Spiel zu wiederholen, streckte der Kleine erneut eine Hand aus und tippte kurz gegen die nun wieder geschlossenen Lippen. Wie konnte man nur so niedlich sein? …unverschämt niedlich! Das Kind abzuschieben konnte er vergessen. Das würde er nun nicht mehr übers Herz bringen, ohne sich dafür in Grund und Boden zu schämen. Er war nun wohl oder übel für es verantwortlich. Da blieb nur zu verhindern, dass es so albern und grobmotorisch wurde wie der Däne. Auch wenn von der Grobmotorik im Moment nicht viel zu sehen war. … was so ein kleines Kind nicht alles bewirken konnte. Beneidenswert… „Ah, ich glaube, ich weiß, wo du herkommst~“ Bei diesen Worten sah Norwegen wie elektrisiert auf. Erwartungsvoll ruhten seine Augen auf dem Älteren, ihn mental für jede Sekunde schellend, die er brauchte, um die Lösung preiszugeben. Gleichzeitig ratterte es in seinem eigenen Verstand weiter. Nun um einiges wacher als vorhin, rekonstruierte er alles was die vergangenen Wochen und Monate vorgefallen war. Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Die…Insel.“ Die Insel auf der Norwegen gewesen war, drei Monate zuvor. Die von Gletschern und Vulkanen gespeiste Insel, weit hinter Großbritannien… Island. Nunmehr ernst zog der Norweger die Brauen zusammen und betrachtete das vermeintlich neue Land vor seiner Nase. Dieses sah erst lächelnd zurück, dann jedoch versuchte es, den Gesichtsausdruck seiner Bezugsperson nachzumachen. Was darin endete, dass beide sich mürrisch ansahen. „Du musst ihm ab heute nicht alles nachmachen.“ Peinlich berührt versuchte der Däne Island wieder zum Lachen zu bringen, stupste ihm gegen den Mundwinkel, oder sacht gegen die Nase. Das war wohl zu viel des Guten. Nach einer Weile fing der Kleine den Zeigefinger ein, umschloss ihn mit der Hand und hielt ihn nah bei sich fest. Der Kopf wurde an die warme Brust gebettet, die Müdigkeit kehrte in die Augen zurück. Unschlüssig blieb Norwegen sitzen, beobachtete den Jungen, wie er allmählich eindöste. Island konnte wieder in Ruhe schlafen… und er? Sollte er hier bleiben…? Dänemark würde garantiert nichts dagegen haben, aber fragen wollte er auch nicht. Er machte einfach. Das Bett war groß genug. Mathias staunte nicht schlecht, als sein wankelmütiger Freund die Decke zurückschlug und die Beine aufs Bett hob. Nun, ihn sollte es nicht stören, im Gegenteil. Wann war er das letzte Mal freiwillig zu ihm gekommen? Hauptsache, er sagte jetzt nichts Falsches dazu. Besser er sagte erst gar nichts... Ohne Island zu wecken, trat der Däne ums Bett herum auf die andere Seite. Vorsichtig schob er sich unter die Decke und, zusammen mit dem schläfrigen Jungen auf der Brust und der Frage, ob sie die Nacht so bleiben konnten. Eher nicht, wenn sich der Hüne einmal herum drehte, begrub er den Zwerg unter sich. Aber das konnte auch passieren, wenn er ihn zwischen sie legte. Lucas schien in dem Punkt weniger Bedenken zu haben. Als der Däne zum Liegen kam, rutschte er an seine Seite, schmiegte sich an ihn und ließ keinen Einwand mehr gelten. Zärtlich strich er Island über die Wange, zog die Decke noch ein bisschen höher, bevor er selbst die Augen schloss. Schade. Einen kleinen Kuss hatte sich der Älteste noch erhofft gehabt. Aber er sollte nicht gleich wieder zu viel erwarten, nur weil Lucas aus freien Stücken hier blieb. Dennoch konnte er sich mindestens einen Kuss nicht verbieten. Auch wenn er nur auf der Stirn war. Und sieh da, kein Maulen, kein Grummeln, sondern ein zaghaftes Lächeln, soweit er das im flackernden Licht erkennen konnte. Apropos Licht... die Kerze würde wohl entzündet bleiben. Na herrlich... ob er damit nun besser einschlafen konnte? Kurz warf er noch ein Blick auf Island, dann auf Norwegen, der seine verhärtete Miene bereits völlig entspannt hatte. Döste er bereits? Die Aufregung war wohl zu viel gewesen, vielleicht ergriff auch ihn noch diese Welle der Müdigkeit. Wenn nicht, konnte er sich über den Namen ihres Neuzuganges Gedanken machen. ... irgendwas... würde ihm schon einfallen...~ Ich hoffe, es hat euch gefallen~ Würde mich sehr über Feedback freuen ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)