There's A First Time For Everything von Earu (Sequel zu FIRE) ================================================================================ The L-Word ---------- Verflucht!, das dachte ich, als mir zum zweiten Mal der Wohnungsschlüssel aus der Hand fiel, ohne dass ich es auch nur ansatzweise hinbekommen hatte, ihn ins Schloss zu stecken. Und dabei wollte ich doch so dringend in meine Wohnung und endlich den ganzen Kram loswerden! Zwei Einkaufstüte aus Plastik schleppte ich im Moment mit mir herum, was auch der Grund dafür war, dass ich mich mit dem Schlüssel so blöd anstellte. Für gewöhnlich dauerte es noch nicht einmal so lange, die Wohnung aufzuschließen, wenn ich betrunken war. Aber heute hatte ohnehin kaum schon etwas geklappt, also passte das doch ganz gut. Erst hatten sie im Supermarkt keine Milch mehr gehabt – Milch! Konnte man sich das vorstellen?! – und dann hatte ich leider für die anderen Sachen weder genug Geld noch irgendeine EC-Karte bei mir gehabt, sodass ich den Wein, den Lachs und etwas von dem frischen Gemüse, das ich bereits eingepackt hatte, schweren Herzens wieder hatte zurückstellen müssen. Und das alles ausgerechnet heute, wo ich mich doch endlich bei Gackt revanchieren wollte! Beim Wein hatte ich noch einen einigermaßen tragbaren einige Preisklassen weiter unten auftreiben können, aber bei allem anderen musste ich fast meine komplette Einkaufsplanung über den Haufen werfen, sodass ich im Grunde noch einmal von vorne hatte anfangen können. Wenigsten war eine der Verkäuferinnen so nett gewesen, mir dabei ein bisschen zur Hand zu gehen, sodass ich etwas schneller vorankam, als wenn ich alles hätte alleine besorgen müssen. Ich vermutete, dass sie einfach Mitleid mit mir hatte, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon ausgehen hatte, als würde ich auf der Stelle bockiges, kleines Kind spielen, wenn ich nicht sofort zumindest etwas von meinem Willen bekam. Sie hatte sich hinterher auch besonders freundlich von mir verabschiedet und schien ziemlich froh gewesen zu sein, mich endlich aus dem Laden zu bekommen, als ich mit den Tüten bepackt hinaus auf die Straße gewankt war. Ich war so froh, dass mir auf dem Weg nichts herausgefallen oder zu Bruch gegangen war, dass mich die Sache mit dem Schlüssel – je länger sie sich hinzog – immer mehr aufregte. Und als ob das nicht schon genug wäre, öffnete sich in dem Moment, als mir der Schlüssel das dritte Mal aus der Hand fiel, die Tür vor meiner Nase und Gackt blickte mich überrascht an. „Wieso kommst du denn nicht rein? … Und was hast du da alles?“, fragte er neugierig und beugte sich etwas zur Seite, um mich wohl genauer zu begutachten. Ich hingegen sagte kein Wort, sondern glotzte ihn nur fassungslos an. Erst, als Gackt bereits beide Hände nach einer der Tüten ausstreckte und sie mir abnehmen wollte, platzte ich mit dem heraus, was mir als Erstes einfiel: „Was machst du denn hier?“ „Hä?“, war Gackts Reaktion auf meinen Vorwurf – denn das war es: ein Vorwurf. Er sollte eigentlich gar nicht hier sein, er müsste in diesem Augenblick eigentlich in der Bar hinter dem Tresen stehen und Getränke servieren – ich hatte es extra überprüft. Sowohl auf seinem Dienstplan, der bei uns an der Pinnwand hing, als auch am Aushang auf Arbeit hatte ich nachgesehen und laut beiden hatte er die Mittagsschicht abbekommen. Ich hatte alles ganz genau geplant und jetzt war alles ruiniert, nur weil er sich nicht an seine Schichten halten konnte. Ich war frustriert und so dermaßen geladen nach diesem ganzen Stress heute, dass mir einfach nichts Besseren eingefallen war. Und das verstimmte nicht nur mich selbst, sondern natürlich auch Gackt: „Das ist ja eine tolle Begrüßung. Ich dachte, du freust dich, dass ich da bin.“ „Ach, Gacchan“, maulte ich weiter und drängte mich dann an ihm vorbei in unsere Wohnung, ohne ihm die Möglichkeit zu lassen, noch einmal nach den Einkaufstüten zu greifen. „Sei mir nicht böse, aber es passt mir jetzt eigentlich gar nicht, dass du da bist. Ich wollte den Tag allein verbringen und ganz für mich haben. Ehrlich gesagt, störst du da ein bisschen.“ Während ich ihm diese Halbwahrheiten erklärte, streifte ich mir die Schuhe von den Füßen und schlüpfte in meine Pantoffeln. Dabei warf ich außerdem einen Blick über meine Schulter, um zu sehen, wie Gackt meinen Schlüsselbund vom Fußboden aufhob, dann ebenfalls wieder hereinkam und hinter sich die Tür abschloss. „Und was denkst du, soll ich jetzt machen?“, fragte er dann, die Hände tief in die Hosentaschen schiebend und eine Augenbraue in die Höhe ziehend. Ich zuckte nur ansatzweise mit den Schultern, um nicht am Ende doch noch alles zu verlieren und eine Sauerei ohnegleichen im Flur zu veranstalten. „Weiß nicht. Auf Arbeit gehen, vielleicht?“, schlug ich vor und ging schließlich weiter in die Wohnung hinein. Ich durchquerte das Wohnzimmer und steuerte direkt auf die Küche zu, wo ich die Tüten endlich abstellen konnte. Dann zog ich meine Jacke aus und warf sie über einen der Stühle am Esstisch, um gleich mit dem Auspacken anfangen zu können, damit alles so frisch wie möglich blieb. Und ich hoffte, dass ich möglichst viel in den Schränken verstauen konnte, bevor Gackt, den ich bewusst im Flur hatte stehen lassen, mir folgen konnte. Doch das Glück war mir heute überhaupt nicht hold, denn anscheinend war er nur zwei Meter hinter mir gewesen und stand auch schon vor mir, ehe ich auch nur den Wein aus einem der beiden Beutel fischen konnte. „Sag mal, was ist denn eigentlich los mit dir?“, stellte er mich zur Rede und sah dabei doch sehr verwundert aus. Tja, was war mit mir los? Unser Winterurlaub auf Hokkaido, den wir ein paar Wochen zuvor gemacht hatten, war mit mir los. „Und? Was sagst du?“, fragte Gackt mich, als er sich neben mich vor den Kamin gesetzt und mir ein Glas Rotwein gereicht hatte. „War alles zu deiner Zufriedenheit?“ „Machst du Witze?!“, war meine prompte Antwort darauf, „es ist absolut perfekt! Danke, Gacchan … du bist einfach unglaublich.“ „Hehe, freut mich“, meinte er darauf und nahm einen Schluck Wein aus seinem eigenen Glas. Dann rutschte er noch etwas näher an mich heran und schlang den freien Arm um mich, zog mich dicht an seinen Körper und ich schmiegte mich wie automatisch in die Umarmung hinein. Ich untertrieb keinesfalls, wenn ich sagte, dass wirklich alles perfekt war. Eigentlich stand ich persönlich nicht so sehr auf Kitsch und hatte diesen ganzen Romantikkram immer nur für meine Gönner und Gönnerinnen aufgefahren, aber diesmal war ich ja auch der Umsorgte. Gackt hatte alles organisiert – oder besser gesagt: Er hatte sich zu Weihnachten von seinen Eltern nichts anderes gewünscht, als dass sie uns eine Runde Ferien in Japans hohem Norden spendierten. Zwar war es erst Mitte Dezember und Weihnachten damit noch gar nicht gelaufen, aber wir hatten uns eben jetzt beide ein paar Tage freinehmen können und wer wusste schon, wann wir das wieder schafften. Ich wollte gar nicht wissen, wie sehr er dafür hatte betteln müssen, aber die Eheleute Camui hatten sich auf alle Fälle bei diesem Trip nicht lumpen lassen: Fünf Tage in einem der luxuriösesten Ferienhäuser, die man weit und breit finden konnte. Es hatte wirklich alles: ein großes Wohnzimmer mit mehrteiliger Couchgarnitur, überdimensional großem Plasmafernseher und einem echten Kamin, ein gemütliches Schlafzimmer, in dem ein riesiges Doppelbett stand, eine vor Chrom und Stahl nur so blitzende Hi-Tech-Küche, ein geräumiges Badezimmer mit Dusche und Badewanne und – als ob das nicht schon genug gewesen wäre – eine Terrasse, an die eine Art kleiner, privater Onsen angebunden war. Heiße Quellen, in die nur wir allein Zutritt hatten und die für die wir noch nicht einmal das Haus wirklich verlassen mussten. War das nicht genial? Aber auch da hörte es immer noch nicht einmal auf, denn so wie es aussah, hatten Gackts Eltern nicht nur unsere Unterkunft, sondern auch alles andere bezahlt, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass Gackt von seinem Gehalt heimlich so viel hatte abzwacken können, als dass er sich auch nur einen Bruchteil von dem hätte leisten können, was wir in den letzten Tagen angestellt hatten. Und an sein Familienkonto ging er aus Prinzip nicht … wobei ich am eigenen Leib ja schon erlebt hatte, was mit seinen Prinzipien passieren konnte, wenn er sich plötzlich etwas anderes in den Kopf gesetzt hatte. Jedenfalls hatte er mich nach unserer Anreise in die Vorstellung eines traditionellen Bunraku-Puppentheaters eingeladen und war vorher noch mit mir ein bisschen bummeln und essen gewesen. An einem anderen Tag hatte Gackt sich ein Auto gemietet und war mit mir zu einem wunderschönen See hinausgefahren, dessen Wasser so kristallklar war, dass man bis auf den Grund schauen konnte. Und weil er so getan hatte, als würde er mich hineinschubsen, hatte ich mich tags drauf beim Snowboarden mit einer heftigen Schneeballschlacht an ihm gerächt. Natürlich hatte auch Gackt sich nicht lumpen lassen, sondern sich fleißig daran beteiligt, sodass ich – und wenigstens auch er! – am Ende fast so ausgesehen hatte, als wäre ich doch in einen See gefallen. Aber es hatte Spaß gemacht, die Hänge hinabzufahren, so viel miteinander zu lachen, sich durch den Schnee zu wälzen und, hinter einer kleinen Baumgruppe vor den Blicken der anderen versteckt, so heftig miteinander zu knutschen, dass es uns anschließend gar nicht schnell genug hatte gehen können, dass wir wieder in unser Ferienhäuschen kamen. Selbstverständlich hatten wir auch viel Zeit einfach nur miteinander verbracht – im Bett, auf der Couch, in der heißen Quelle – und einiges an Sex gehabt. Und die Krönung dieser paar wundervollen Tage war der heutige Abend. Morgens und abends hatte Gackt meist selbst für die Mahlzeiten gesorgt, aber an diesem Abend hatte er mich wieder ausgeführt – noch schicker als noch die paar Tage zuvor –, wofür er extra meinen guten Anzug mitgeschmuggelt hatte. Irgendwie hatte er in der Ecke hier oben tatsächlich ein italienisches Restaurant auftreiben können, mir aber die ganze Zeit nicht richtig auf meine Frage nach dem Anlass geantwortet. „Nichts Besonderes, nur den letzten Abend noch einmal genießen“, hatte er nur immer gesagt, sodass ich das Nachbohren schon nach wenigen Versuchen aufgeben hatte, auch wenn mir nur zu klar gewesen war, dass da noch etwas anderes dahinterstecken musste. Aber wenn er einmal so überzeugt von etwas war, dann konnte er da wirklich stur sein. Ich hatte ja auch das schon am eigenen Leib erlebt – leider. Ich war dann auch ein wenig enttäuscht gewesen, als wir nach dem Abendessen tatsächlich nichts anderes mehr unternommen hatten, sondern direkt in die Ferienwohnung zurückgekehrt waren. Allerdings wäre Gackt nicht Gackt gewesen, wenn er nicht tatsächlich noch ein Ass aus dem Ärmel gezaubert hätte. Er hatte direkt nach unserer Ankunft den Kamin angeworfen und eine Flasche Rotwein aufgemacht. Nun saßen wir also auf dem flauschigen Teppich vor dem Kamin, tranken Wein und genossen einfach nur die Nähe des anderen. Zumindest taten wir das, bis ich mein Glas geleert hatte und Gackt es mir wieder abnahm, um es zusammen mit seinem auf dem Couchtisch zu abzustellen. Dann verließ er kurz den Raum, wobei ich ihm verwundert nachschaute, da er nichts gesagt hatte, und kam keine zwei Minuten später mit einem kleinen Gegenstand in der Hand wieder zurück. Es handelte sich um eine flache, blaue, quadratische Schachtel, um die eine farblich passende Schleife gebunden war, wie ich bemerkte, als Gackt sich wieder zu mir setzte und sie mir überreichte. Ich schaute das Ding dann erst einmal auch nur fassungslos an, denn ich erkannte den aufgedruckten Namen des Geschäfts, in dem er was auch immer gekauft hatte. Nur ein paar Tage zuvor waren wir daran vorbeigegangen und in den Buchladen zwei Geschäfte weiter eingebogen. Nun war mir auch klar, wo Gackt gewesen war, als ich ihn zwischen all den Büchern verloren hatte. Und jetzt wurde mir allein von dem Gedanken ein bisschen schlecht, denn einerseits war das Zeug dort alles andere als billig und andererseits überfuhr mich die Vorstellung, was es genau sein würde, vollkommen. „Gacchan …“, murmelte ich nur ungläubig und rührte nicht einen Finger. Ich traute mich irgendwie nicht ganz, auch wenn ich mich zweifelsohne darüber freute, dass er mir etwas so Teures schenken wollte und damit wieder ein kleines bisschen Luxus in mein Leben brachte. Mir machte eben nur Angst, was es sein könnte … „Nun mach schon auf!“, spornte er mich daraufhin allerdings an und schenkte mir ein warmes Lächeln, woraufhin ich mehr als nur ein bisschen nervös die Schleife löste und den Deckel von der Schachtel nahm. Und die Luft anhielt. Nein, es lagen keine Ringe darin, sondern zwei silberne Ketten mit zusammengehörigen Anhängern. Sie waren ziemlich schlicht, ohne irgendwelche Steine, die das ganze sicherlich noch eine ganze Ecke teurer gemacht hätten, aber sie waren wunderschön. „Gacchan …“, murmelte ich wieder, „ich … ähm …“ „Kein Ursache“, unterbrach er mich jedoch, nahm eine der Ketten heraus, öffnete den Verschluss und beugte sich dann vor, um sie mir umzulegen. Ich hielt währenddessen ganz still, wusste ich doch im Moment sowieso noch nicht ganz, was ich jetzt tun … wie ich mich bei ihm so richtig bedanken sollte … konnte! Aber Gackt griff mir dabei ein bisschen unter die Arme, nachdem er die Kette in meinem Nacken verschlossen hatte. „Hilfst du mir bei meiner?“, fragte er und nahm mir die Schachtel ab. „N-natürlich“, entkam es mir ein bisschen ungelenk und genauso ungelenk versuchte ich, das zu tun, worum er mich gebeten hatte. Es dauerte dadurch etwas länger, als es sonst vermutlich gebraucht hätte, aber nach ein bisschen Gefummel mit dem winzigen Verschluss, hing auch zwischen Gackts Schlüsselbeinen der gleiche wunderschöne Anhänger wie bei mir. Ich starrte ihn an, konnte meine Augen einfach nicht von ihm nehmen, während meine Gedanken immer noch darum kreisten, was ich jetzt sagen sollte. „Ich …“, setzte ich wieder an, aber es kam nichts. Verdammt nochmal! Ich hatte das früher ständig gemacht und jetzt, wo es um Gackt, meinen eigenen Freund, ging, war ich sprachlos. Vielleicht ja auch gerade deswegen … und es wurde nicht besser, als er wieder zu sprechen ansetzte. „Hyde …“, begann er, korrigierte sich aber direkt noch einmal, „Hideto … weißt du, ich bin froh, dass alles so ist, wie es jetzt ist. Dass wir gemeinsam hier sein können. Ich kann mir im Moment einfach nichts Besseres auf dieser Welt vorstellen, als mit dir zusammen zu sein. Ich liebe dich, Hideto.“ Meine Augen wurden ganz groß und jetzt starrte ich in Gackts Miene, die genau das widerspiegelte, was er gerade gesagt hatte. Sein ganzer Gesichtsausdruck und besonders das Lächeln, mit dem er mich bedachte, waren so voller Liebe, dass es mir die Kehle komplett zuschnürte. Denn jetzt wusste ich gleich gar nichts mehr zu erwidern. „Gacch-“, presste ich gerade so heraus, aber meine Stimme wollte einfach nicht richtig mitmachen. Ich bekam kein weiteres Wort heraus, egal wie sehr ich etwas sagen wollte, der Klos in meinem Hals war einfach zu groß. Und Gackts wartender Blick tat das Übrige. Ich schluckte noch mehrere Male und holte Luft, um etwas zu sagen, brach aber immer kurz vorher wieder ab. Ich wollte Gackt nicht enttäuschen, aber ich tat es. Und dann war er es, der dieses Trauerspiel beendete: „Ist schon okay.“ Nein, war es nicht. Ich hätte mich an diesem Abend einfach nur selbst schlagen können. Er hatte mir sein Herz zu Füßen gelegt und ich Hohlkopf war einfach nicht in der Lage gewesen, drei kleine Worte über die Lippen zu kriegen. Zugegeben, drei sehr schwerwiegende Worte. Ich war noch nicht bereit für das L-Wort gewesen und Gackt schien es gemerkt zu haben, denn er hatte mich in keinster Weise weiter unter Druck gesetzt. Er hatte mich nur in den Arm genommen, mich geküsst und dann irgendwann damit begonnen, mich langsam auszuziehen. Doch auch der Sex hatte mich nicht richtig ablenken können. Nackt auf dem Teppich vor dem Kamin liegend und mit Gackt über mir, der mich immer weiter verwöhnte, hatte ich es doch nicht so genießen können wie sonst. Die ganze Zeit hatte ich darüber nachdenken müssen, war für ein Arsch ich doch war. Und jetzt war ich wieder so ein Arsch, indem ich Gackt dafür vollranzte, dass er plötzlich frei hatte und die zusätzliche Zeit anscheinend mit mir verbringen wollte. Aber was sollte ich denn auch machen? Heute – ausgerechnet heute – konnte ich es nicht gebrauchen, dass er in der Wohnung herumlungerte und womöglich noch mitbekam, was ich hier trieb, bevor ich damit fertig war. Denn ich hatte mir diesen Tag ausgesucht, um mich endlich bei ihm zu revanchieren. Zwar würde ich den Winterurlaub und alles, was wir dabei unternommen hatten, definitiv nicht toppen können, allerdings hatte ich mir trotzdem ein bisschen was überlegt, womit ich Gackt den Abend hoffentlich würde versüßen können, bis ich ihm am Ende schließlich sagen wollte, dass ich ihn auch liebte. Denn selbst wenn ich sein Geständnis an diesem Abend auf Hokkaido nicht hatte erwidern können, so hatte ich es doch gefühlt – ich fühlte schließlich schon eine ganze Weile, wie sehr Gackt mich eingenommen hatte und dass ich es auf Dauer gar nicht mehr ohne ihn aushielt. Schon interessant, wie man sich so verändern konnte, wenn man nur die richtige Person traf. Allerdings fielen die nächsten Stunden eben ganz und gar nicht in die Kategorie 'ohne Gackt geht nichts', sondern ganz im Gegenteil: Mit Gackt ging hier nichts. Dementsprechend war ich auch gelaunt, da es mir mächtig gegen den Strich ging, dass ich nur einmal wirklich etwas plante und dieses Unterfangen direkt zu Anfang so aussah, als wäre es zum Scheitern verurteilt. Das war doch zum Haareraufen! Ich seufzte einmal tief und rieb mir mit der rechten Hand über das Gesicht. Was mir mit los war wollte er wissen, aber das konnte ich ihm natürlich schlecht sagen. Die Antwort, dass ich meine Ruhe vor ihm haben wollte, hatte ja scheinbar nicht gezogen, aber sonderlich viel mehr hatte ich auch nicht in petto. Wer machte sich auch schon Gedanken über mögliche Ausreden, wenn er davon ausging, dass er die komplette Wohnung für den kompletten Nachmittag komplett für sich allein hatte? Viele Möglichkeiten blieben mir da also nicht mehr. „Kannst du mir nicht einfach den Gefallen tun und rausgehen?“, fragte ich schließlich und schaute Gackt dabei so unschuldig wie möglich an. Auf den Niedlichkeitsbonus zu setzen, war allerdings nicht immer ein Erfolgsgarant, denn der schien bei Gackt irgendwie nicht regelmäßig genug zu funktionieren. Wenn ihm danach war, dann tat er, was ich von ihm wollte, und wenn nicht, dann nicht. Meist hatte das damit zu tun, dass er nicht wollte, dass ich zu faul wurde, manchmal war es auch nur seine persönliche Ausdrucksweise von Sadismus. „Und was genau meinst du jetzt damit? Raus aus der Küche?“ „Nein, raus aus der Wohnung. Geh meinetwegen mit You was trinken oder … weiß der Geier, aber ich brauch auf alle Fälle meine Ruhe.“ „Ja ja, das hab ich schon verstanden“, grummelte Gackt nun auch schon ein wenig. So wie es aussah, war ich heute ansteckend und normalerweise hätte es mir auch furchtbar leid getan, dass es im Moment so lief, aber – Herrgott, nochmal – ich machte das alles doch auch nur für ihn! Nur wusste er das nicht und wurde anscheinend nicht nur etwas grummelig, sondern so langsam auch sauer auf mich: „Und für wie lange schmeißt du mich jetzt raus?“ „Gegen fünf darfst du noch mal nachfragen“, war meine ehrliche Antwort darauf. „Wie bitte?!“, empörte Gackt sich daraufhin jedoch direkt und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust, nachdem er bis eben noch wenn schon nicht begeistert, dann doch wenigstens kooperativ gewirkt hatte, „da hätte ich ja gleich arbeiten gehen können!“ „Damit hab ich ja auch gerechnet.“ „Hrm …“ Spätestens nach dieser Reaktion, diesem abfälligen Grunzen wäre auch dem Begriffsstutzigsten aller Begriffsstutzigen klar gewesen, dass ihm das alles ganz und gar nicht schmeckte. „Na, herrlich … Hyde, ich war die ganze Woche nonstop arbeiten, damit ich heute einen Tag komplett frei haben kann – mir dir! Bist du dir sicher, dass du mich wirklich hier raus haben willst?“ Ich funkelte ihn finster an und schnappte: „Ja, will ich. Und das ist Erpressung, was du hier grade machst.“ „Ach, so ein Quatsch! Wo erpresse ich dich denn? Ich sage dir nur, wie-“ „Emotionale Erpressung“, korrigierte ich mich, unterbrach ihn somit auch und warf es ihm gleichzeitig erneut vor. Direkt danach seufzte ich aber und schlug wieder einen – wenn auch nicht viel – gemäßigteren Ton an: „Könntest du mich dann bitte allein lassen, Gacchan?“ „Pfft!“, schnaubte er daraufhin nur und schüttelte den Kopf, setzte sich aber schließlich doch in Bewegung. „Bis nachher dann“, rief ich ihm noch hinterher, bekam allerdings natürlich keine Antwort. Was hatte ich auch erwartet, so sauer wie er war? Und es fuchste mich an – unheimlich, weil wir uns wegen so einem Mist jetzt gestritten hatten. Mann! Ich lauschte noch einen Moment, bis ich hören konnte, wie er die Wohnungstür hinter sich schloss – oder eher zuknallte –, ehe ich den Streit in meinen Hinterkopf verbannen und mich endlich meinem eigentlichen Vorhaben widmen konnte: kochen! Ja, ich wollte für Gackt und mich kochen. Zwar war ich darin noch nie sonderlich gut gewesen, aber seitdem ich mit zusammenlebte, was ja praktisch seit Beginn unserer Beziehung so war, hatte ich schon ein bisschen was von ihm gelernt. Ob mir das heute allerdings helfen würde, wusste ich noch nicht, denn komplett allein hatte ich es noch nie versucht. Ich hatte mich allerdings bei You erkundigt, was er dazu dachte und gleichzeitig auch nicht zu schwierig für mich war – der Mann war schließlich gelernter Koch und hatte auch Gackt das beigebracht, was dieser so konnte. Und in Anbetracht meiner recht bescheidenen Möglichkeiten hatte er Teriyaki-Lachs mit gedünstetem Gemüse oder gebratenes Schweinefleisch mit Aubergine, Paprika und Basilikum vorgeschlagen. Als Beilage natürlich jeweils Reis und zum Nachtisch eine simple, aber sehr leckere Vanillecreme. Selbst den Wein hatte er mir dazu vorgeschlagen. Und da begannen die Probleme auch schon, da ich ja beim Einkaufen mit meinem kleinen Finanzproblem zu kämpfen gehabt hatte, sodass der Lachs und der Wein nun schon einmal wegfielen. Eigentlich hatte ich gerade den Lachs machen wollen, da der mir einfach gehobener und damit dem Anlass angemessener vorkam als das Pfannengericht vom Schwein – aber wer sich keinen Lachs leisten konnte, musste dann wohl oder übel zum Ersatz greifen. Und ich musste dabei auch stark hoffen, dass ich es auf Anhieb hinkriegte, denn wenn ich meinen einzigen Versuch versaute, war das ganze Abendessen ruiniert. Haha, herrliche Aussichten, nicht wahr? Als wäre es nicht schon genug gewesen, dass Gackt gerade sauer auf mich irgendwo in der Gegend herumstrolchte und in seiner grenzenlosen Sturheit heute vielleicht kein Wort mehr mit mir wechseln wollte. Schöne Scheiße! Ich erlaubte es mir, noch einmal vor Frustration über die verfahrene Situation aufzujaulen, ehe ich mich schließlich ans Werk machte. Erst einmal packte ich die beiden Einkaufstüten aus und verfrachtete das Schweinefleisch dabei direkt in den Kühlschrank, da ich das noch nicht brauchen würde. Oder etwa doch? Ach, verflucht! Ich war ein miserabler Koch und würde das wohl auch immer bleiben, wenn ich mir noch nicht einmal merken konnte, in welcher Reihenfolge ich was zubereiten wollte … sollte … musste. Ich wusste ohnehin jetzt schon, dass ich in den nächsten Stunden wie ein alter Kaugummi am Schuh an den Rezepten kleben würde, die You mir gegeben und für uns auf die Anzahl von zwei Personen angepasst hatte. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? … Diese Frage stellte ich mir auch direkt noch einmal, als ich einen Blick auf den Zettel mit dem Rezept warf. Die Zutatenliste war noch ganz in Ordnung gewesen, sodass es mir beim Einkaufen nicht aufgefallen war. You hatte ja lediglich ein paar Zahlen durchstreichen und andere dafür hinschreiben müssen. Aber der Teil mit der Zubereitung war die reinste Katastrophe! Gackt hatte mir schon einmal erzählt, dass Yous Handschrift manchmal nicht die sauberste war, aber was ich nun vor Augen hatte, sah aus, als hätte eine Horde Hühner im Dreck herumgekratzt! Zwischen den mit Computer getippten Anweisungen standen noch andere, mit Hand zwischen die Zeilen gequetschte … Kanji – es waren noch nicht einmal vollständige Anweisungen, sondern nur Stichworte, bei denen ich nach grobem Überfliegen noch nicht einmal richtig zuordnen konnte, wohin einige davon gehörten. So wie es aussah, waren das Yous persönliche Notizen für sich selbst, die er mir einfach nur kopiert hatte. Mir fiel dann auch jetzt erst auf, dass die Anpassungen bei der Menge auf dem oberen Teil des Blattes mit einem ganz anderen Stift gemacht worden waren als die unteren. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen?! Noch einen Stoßseufzer gen Himmel schickend und darum bittend, dass doch bitte irgendjemand heute noch einmal Gnade mit mir hatte, heftete ich den Zettel mit einem Stückchen Klebestreifen an einen der Hängeschränke, sodass ich ihn später immer direkt im Blick haben würde. Gackt machte das auch so, wenn er einmal ein Rezept brauchen sollte. Nur dass bei ihm die Zettel immer etwas höher hingen als dieser jetzt bei mir. Und dann packte ich erst einmal in aller Ruhe aus. Ich hatte ihm ja gesagt, dass er sich erst um fünf Uhr nachmittags wieder hier blicken lassen sollte – ich hatte also einiges an Zeit für die Kocherei, um alles andere schön herzurichten und hinterher die Sauerei, die ich sicherlich veranstalten würde, aufzuräumen. Erst als ich alles verstaut hatte, band ich mir unsere schon ziemlich fleckige Schürze, die ich morgen eindeutig in die Wäsche stecken würde, um und warf jetzt einen genaueren Blick auf das Rezept. Das Schweinefleisch in sehr feine Streifen schneiden, stand da und You hatte direkt darübergekritzelt: vorher 20-30 Minuten ins Gefrierfach, damit einfacher, derweil Gemüse. Okay, das war noch eine der einfacheren Anweisungen, also nahm ich seinen Tipp an, packte das halbe Pfund Schwein in seinem Papierumschlag in die Tiefkühltruhe unseres Kühlschrankes, merkte mir die Uhrzeit und konnte mich dann über das Gemüse hermachen. Dafür musste ich allerdings etwas suchen, denn der nächste Punkt beschäftigte sich nicht etwa genau damit, sondern mit der Soße … und in Punkt drei sollte auch schon das Fleisch gebraten werden. Huh? Ich merkte in diesem Moment richtig, wie ich meine Stirn mehr und mehr in Falten legte und sich meine Augenbrauen schon fast in der Mitte trafen, so anstrengt wie ich auf das vollgekritzelte Blatt starrte. Wobei Yous Zusatzanweisungen es natürlich nicht sehr viel einfacher machten, die richtige Reihenfolge herauszufinden. Irgendwo noch weiter unter fand ich es dann endlich: Die zwei verbleibenden Teelöffel Öl in die Pfanne geben und erhitzen, bis es raucht. Danach die Aubergine, die Zwiebel und den Paprika hinzufügen. Stetig rührend circa drei bis fünf Minuten garen, bis das Gemüse weich ist. Danach das Fleisch hinzufügen und unterrühren. Daneben hatte You wieder zugeschlagen, diesmal in Katakana, was wenigstens etwas einfacher zu lesen war als manche seiner Kanji: Shutikushu. Aber was war damit gemeint?! Ich las die Anleitung noch einmal und noch einmal und beim vierten Mal verstand ich endlich, dass er meinte, ich solle das Gemüse am besten in Sticks schneiden. You, der Idiot, hatte es nur vollkommen falsch geschrieben! Okay … das war eine schwere Geburt für so etwas Simples und ich beschloss, mir nie wieder irgendwelche Rezepte von ihm zu borgen, ohne sie mir vorher von ihm erklären zu lassen. Ob Gackt auch so zu kämpfen gehabt hatte, als You ihm einige Gerichte gezeigt hatte? Ich würde ihn später fragen müssen, wenn er wieder da war – und mit mir reden wollte, hieß das. Naa, ich wollte doch nicht an unseren Streit und seinen Abgang denken! Die Kocherei würde mich ohnehin schon genug einnehmen, da konnte ich solche Grübeleien jetzt eigentlich gar nicht gebrauchen. Und ich müsste gleich mit einem Messer herumhandwerken. Mit meinem heutigen Pech und ohne volle Aufmerksamkeit würde ich es noch so hinkriegen, dass mir am Ende ein paar Finger fehlten. Ich war daher vorsichtig mit der Schnippelei und brauchte deshalb eine kleine Ewigkeit, um die Paprika, die Aubergine, die Zwiebel und die Basilikumblätter auf die einigermaßen richtige Größe zurechtzustutzen. Das kriegte ich sogar unfallfrei hin, was eigentlich ein Wunder war, denn die Zwiebel ließ meine Augen dermaßen brennen und tränen, dass ich fast die ganze Zeit blind schnitt. Dementsprechend sahen die Streifen dann auch aus … und passten damit ziemlich gut zum Rest des Gemüses. Die würde nicht jeder unbedingt als 'Sticks' bezeichnen und Gackt hätte mir sicherlich schon fünfmal das Messer weggenommen, wenn er diese Kamikaze-Aktion miterlebt hätte. Gedanklich hustete ich einmal und schob die Schale mit der kleingeschnittenen Paprika noch etwas mehr zur Seite. Laut Rezept würde ich die nicht mehr brauchen, bevor ich nicht das Fleisch gebraten hatte, und selbst dafür müsste ich vorher noch die Soße zusammenrühren. Ich sammelte also alle Zutaten für eben jene zusammen, schüttete sie in einen großen Kaffeebecher und rührte, was das Zeug hielt … und spritzte dabei auch herrlich herum, sodass nicht nur meine vorsorglich umgebundene Schürze ihren Teil abbekam, sondern auch noch mein Shirt. Ah! So ein Mist aber auch! Ich wischte etwas daran herum, verschmierte es dadurch aber nur noch mehr, sodass ich es schnell sein ließ. Stattdessen strich ich mir mit meinen immer noch schmutzigen Händen, an denen wohl immer noch Zwiebelsaft, Limettensaft und auch ein paar getrocknete Paprikaflocken klebten, den Pony aus der Stirn und heulte fast im selben Moment vor Schmerz auf und kniff die Augen so fest wie nur möglich zu. Ich war blind, verdammt, blind! So tastete ich mich dann panisch zur Spüle, hielt mich dabei immer am Rand der Arbeitsfläche fest und sprang automatisch einige Zentimeter nach hinten, als ich spürte, wie ich mit der linken Hand das Messer über den Rand beförderte und ihm einen Freiflug gen Küchenboden spendierte. Hätte ich das nicht getan, hätte ich es am Ende vielleicht noch im Fuß stecken gehabt. Als meine Finger dann endlich den Rand der Spüle zu fassen kriegten und auch gleich den kürzesten Weg zum Wasserhahn fanden, steckte ich direkt den ganzen Kopf unter den Strahl. Natürlich brachte das nicht viel, wenn ich meine Augen weiterhin so fest geschlossen hielt, aber ich wollte mich auch nicht so recht trauen, sie zu öffnen, da ich befürchtete, es damit nur schlimmer zu machen. Meine Hände wollte ich aus diesem Grund auch nicht benutzen, wobei das wahrscheinlich nur vernünftig war. Stattdessen ließ ich noch ein oder zwei Sekunden verstreichen, in denen mir das Wasser um die Ohren rauschte, ehe ich dann doch endlich die Augen aufmachte und hoffte, dass das kalte Nass sämtliche schädlichen Fremdkörper herausspülen würde. Derweil wischte ich mir die Hände so gut wie möglich an der Schürze ab und steckte sie dann mit unter den Wasserstrahl – ein Hoch auf den Wasserhahn in unserer Küche und dass er lang genug war, um das bewerkstelligen zu können! Weiterhin blind tastete ich dann auch nach dem Spülmittel, um mir die Finger waschen zu können, denn ich merkte so langsam, dass nur Wasser nicht viel bringen würde. Ich würde mir mit irgendwas über die Augen wischen müssen, allerdings wäre ich schön doof, wenn ich noch einmal meine schmutzigen, zwiebeligen Hände dazu nehmen würde. Irgendwo hier musste doch eine Rolle Küchentuch … nein, die würde ich nicht direkt in meiner Reichweite finden und auch nicht blind, da ich ihren genauen Standort nicht mehr im Kopf hatte. Mir wieder ein paar Momente nehmend, raffte ich all meinen Mut zusammen, mich wieder unter dem kalten Wasserstrahl hervorzuwagen und nach den Tüchern zu suchen. Viel mehr sehen als vorher konnte ich dabei auch nicht, sondern war nur in der Lage, grobe Umrisse wahrzunehmen. Aber es reichte. Die Küchenrolle stand drei Meter weiter auf dem Küchentisch, wie ich nach ein bisschen Gesuche bemerkte, und half auch tatsächlich gegen das Brennen, als ich mir ein Blatt abgerissen, es ein bisschen zusammengefaltet und mir gegen die schmerzen Augen gedrückt hatte. Anscheinend suchten sich die Schmutzpartikel auch lieber eine neue Brutstätte, die nicht so mit Wasser getränkt wurde wie meine Augen eben. Verdammter Mist!, fluchte ich innerlich weiter – und zwar die nächsten fünf Minuten lang, während ich mir die Augen sauber rieb. Verfluchte Scheiße! Wieso konnte ich Gackt nicht einfach so sagen, dass ich ihn liebte? Ohne den ganzen Schnickschnack, der mir bisher nichts als Ärger eingehandelt hatte. Ach ja: Weil ich den verdammten Bastard liebte und nach seinem durchorganisierten, perfekten Winterurlaub nicht mit einem lahmen „Ich liebe dich“ zwischen Tür und Angel ankommen wollte. Wieso war diese Welt eigentlich so ungerecht und hatte mir vor einer Weile so etwas wie ein Gewissen geschenkt, wo ich doch sonst nie eins gehabt hatte, huh?! Na ja, so ganz stimmte das auch nicht. Ich hatte ja auch vorher schon normale Freunde gehabt, mit denen ich ganz normal umgegangen war. Aki zum Beispiel und bei dem war ich vor einer Weile auch dermaßen froh gewesen, als ich endlich meine Krankenhausrechnung hatte begleichen können. Die Sache mit Gackt ging nur noch einmal eine ganze Ecke weiter, da er eben nicht nur ein Freund, sondern mein Freund war. Und er würde mich irgendwann noch einmal ins Grab bringen, so wie ich an ihm hing. Bevor ich mich dann wieder an die Kocherei wagte, nahm ich auch erst einmal einen Schluck Weißwein aus der Flasche im Kühlschrank. Eigentlich war der zum Kochen gedacht, aber das war mir jetzt auch herzlich egal. Man könnte sogar sagen, dass es ein großer Schluck war, den ich mir da genehmigte, denn ich leerte die vier Zentimeter, die noch in der Flasche waren, mit einem Zug. So gestärkt konnte es weitergehen. Und es schien zu helfen, denn ich fühlte mich auf einmal sehr viel lockerer. So locker, dass ich mich noch nicht einmal großartig darüber aufregte, dass ich das Fleisch zu lange im Eisfach gelassen hatte und es jetzt an der Oberfläche schon halb durchgefroren war. Ich zuckte nur mit den Schultern, hielt es kurz unter das warme Wasser in der Spüle und machte dabei wahrscheinlich die ganze Aktion mit dem Gefrierfach total sinnlos. Aber mir sollte es egal sein. Ich schnitt das Fleisch in Streifen, wie es auf der Anleitung stand, wobei die – meinen Fähigkeiten mit Messern im leicht angetrunkenen Zustand gemäß – natürlich alles andere als gleichmäßig ausfielen. Das alles warf ich ohne auch nur einen Tropfen Öl in die heiße Pfanne, wendete das Fleisch ein paar Mal, kippte das Gemüse dazu und wendete fleißig weiter. Die Anleitung beachtete ich dabei – wie man sich sicherlich bereits denken konnte – kaum noch und Yous Tipps erst recht nicht. Ich hatte mir lediglich noch einmal durchgelesen, was in welcher Reihenfolge in die Pfanne musste und ansonsten konnten die mich jetzt alle mal kreuzweise. Ich einigte mich mit mir selbst darauf, dass das dann eben Schweinefleisch à la Hyde werden würde und nicht das, was ganz oben auf Yous Rezept stand. Zwar tat es mir leid, dass das Fleisch und auch das Gemüse hier und da etwas schwarz wurde und ich tat dann auch endlich die vorbereitete Soße dazu und nahm etwas von der Hitze weg, aber so grundsätzlich … wäre ich noch ganz nüchtern, hätte es mir sicherlich ein wenig mehr ausgemacht. Schon interessant, wie locker man nach ungefähr zwei Gläsern Wein werden konnte, wo man doch vorher noch im Supermarkt fast in Schreikrämpfe ausgebrochen wäre und den eigenen Lover aus der Wohnung geworfen hatte. Während das Gemisch in der Pfanne weiter fröhlich vor sich hin köchelte, nahm ich mir dann die Vanillecreme vor und verfuhr dabei ganz ähnlich wie zuvor schon. Hier hatte You ohnehin nicht allzu viele Änderungen vorgenommen – eigentlich nur die Mengenangaben für zwei Personen angepasst. Ich rührte also fleißig Eier, den Rest Milch, den wir noch hatten, Vanillepulver, ein bisschen anderen Kram und auch das Mark einer Vanilleschote zusammen, warf dann den Handmixer an, damit es wenigstens ordentlich vermischt war und schob die kleine Schale dann, bespannt mit einem Stückchen Frischhaltefolie, in eine der hinteren Ecken des Kühlschrankes. So, wunderbar, alles fertig. Jetzt musste ich nur noch auf- … halt, der Reis! In meiner neugewonnenen Scheißegal-Haltung schüttete ich ein bisschen Basmatireis in den Reiskocher, kippte ordentlich Wasser dazu und schaltete das Gerät an. In der Zwischenzeit würde ich das Chaos in der Küche aufräumen können, wobei mir das gar nicht einmal so groß vorkam. Die meisten Schalen und Überreste hatte ich schon beim Schneiden säuberlich in eine Extraschüssel geworfen, sodass ich diese nun nur noch in den Biomüll kippen musste, die meisten Utensilien, die ich gebraucht hatte, konnten in den Geschirrspüler und die Arbeitsflächen waren auch recht schnell abgewischt. Ich musste mich eigentlich nur noch um die Holzlöffel kümmern, die ich benutzt hatte, um unsere gute, beschichtete Pfanne nicht zu ruinieren – darauf hatte ich nämlich auch in meinem angetrunkenen Zustand geachtet, denn Gackt hatte sie in unseren Haushalt mitgebracht und schaute mich jedes Mal an, als würde er mich gleich erwürgen wollen, wenn ich auch nur Anstalten machte, mit etwas anderem als Holz da reingehen zu wollen. Aber auch die beiden Holzlöffel waren nach ein paar Handgriffen sauber und ich konnte mich ein bisschen entspannen, da der Reis sowieso noch etwas brauchen würde und ich Gackt erst in einer knappen Stunde erwartete. Bevor ich mich jedoch auf dem Wohnzimmer auf die Couch haute, nahm ich die Pfanne von der Flamme und stellte auch die Hitze ab, sonst würde das alles noch zerkochen. Und das war ziemlich gut so, denn beim einfachen Entspannen auf dem Sofa blieb es nicht – ich schlief ein. * Als ich dann endlich wieder wach wurde, ein Sofakissen in mich drückend, war es draußen vor den Fenstern schon stockfinster und ich auch wieder einigermaßen nüchtern. Das merkte ich daran, dass ich nicht mehr so sorglos wie zuvor war, sondern mein erster Gedanke der Küche galt: Scheiße, wie spät war es? War das Essen noch warm? Müde rappelte ich mich auf und schleppte mich zum Herd, wo ich vorsichtig die Pfanne berührte, um die Temperatur zu prüfen. Sie war noch nicht einmal mehr lauwarm, sondern wirklich kalt. Und weil es den Braten sicherlich auch nicht mehr fett machen würde, testete ich mit dem Zeigefinger auch noch ihren Inhalt, der natürlich ebenso kalt war, wie die Pfanne selbst. Schöne Scheiße! Hinter mir blinkte der Reiskocher, um darauf aufmerksam zu machen, dass er (nun schon seit einer ganzen Weile) fertig war und ich den Reis herausnehmen sollte. Der war natürlich noch heiß, hatte er doch die ganze Zeit in dem isolierten, eingeschalteten Kocher gesteckt. Und wo wir gerade bei 'stecken' waren: Wo zur Hölle steckte eigentlich Gackt? Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass fünf bereits lange durch war … es war zehn vor halb sieben und augenblicklich machte ich mir Sorgen. „Gackt?“, rief ich trotzdem noch einmal fragend in die Wohnung hinein, um zu schauen, ob er nicht vielleicht doch schon wieder zurück und einfach nur gerade im Bad oder im Schlafzimmer war. Aber natürlich antwortete keiner, denn wenn Gackt da gewesen wäre, hätte er sicherlich schon längst den Reiskocher aus gemacht, denn der gab ab und an ein Piepen von sich, wenn er fertig war, und mich geweckt. Verdammt! Und weil ich nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung hatte, wo er gerade war, hastete ich sofort aus der Küche und ins Schlafzimmer, wo mein Handy lag, um ihn anrufen zu können. Dabei konnte ich nur hoffen, dass er nicht so sauer auf mich war, dass er nicht abnehmen würde. Und in diesem Augenblick hätte ich mich dafür ohrfeigen können, dass ich ihn so unsanft vor die Tür gesetzt hatte. Ich wusste doch haargenau, wie stur Gackt manchmal sein konnte, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Im schlimmsten Falle würde ich die elende Plackerei auf mich nehmen müssen, ihn dazu zu überreden, wieder mit nach Hause zu kommen und nicht bei You oder – Gott bewahre! – bei seinen Eltern zu übernachten. Denn auch wenn die bisherigen Treffen mit seiner Familie recht gut verlaufen waren und sie mich anscheinend an Gackt Seite akzeptierten, hatte ich noch immer einen Riesenrespekt vor seinem Vater. Wenn der Mann auch nur ansatzweise auf die Idee kommen könnte, ich würde seinen Sohn nur ausnutzen, um an das Familienvermögen zu kommen, war ich sicherlich schneller wieder weg vom Fenster (und Gackt enterbt, weil er dumm genug gewesen war, sich auf so etwas wie mich einzulassen), als ich gucken konnte. Aber das sollte erst einmal nicht mein Problem sein, denn ich machte mir im Augenblick wirklich sehr viel mehr Sorgen um Gackt … und unsere Beziehung. Ich tigerte quer durch das Schlafzimmer und dann auch das Wohnzimmer, während ich versuchte, Gackt auf seinem Handy zu erreichen. Doch es tutete und tutete und tutete einfach nur, ohne dass sich jemand meldete. Als dann irgendwann die Mailbox ansprang, legte ich gleich wieder auf, ohne etwas aufs Band zu sprechen. Vielleicht wäre es durchaus klüger gewesen, eine Nachricht darauf zu hinterlassen, um Gackt wissen zu lassen, dass ich ihn dringend suchte, aber jetzt und für den Moment würde mir das nichts bringen. Und wenn ich noch ein paar Mal anrief, würde er sicher auch zurückrufen, um selbst zu fragen, was ich denn wollte. Hoffte ich zumindest. Weil ich es bis dahin aber nicht alleine in der Wohnung aushielt, ging ich dann schnurstracks auf den Flur zu, um mich dort anzuziehen und mich dann draußen auf die Suche nach Gackt zu machen. You wäre da natürlich der erste Ansprechpartner, dann seine Kollegen im Twenty-Four Seven, dann die kleine Bar seiner Bekannten und irgendwann ganz zum Schluss seine Eltern, da ich es dann doch für ein bisschen unwahrscheinlich hielt, dass er mit Beziehungsproblemen zu ihnen ging. Tat ich ja auch nicht, selbst bei meinen Eltern. Doch so weit musste ich gar nicht denken, denn ich war gerade einmal in meine Schuhe geschlüpft und hatte nach meiner Jacke greifen wollen, als es an der Tür klingelte. Ziemlich verwundert, wer da etwas von mir wollen könnte – denn Gackt hatte einen eigenen Schlüssel – öffnete ich und war dann doch ziemlich überrascht, wer da vor mir stand. Es war tatsächlich Gackt, der nicht mehr ganz frisch dreinschaute und außerdem nicht allein war. Neben ihm stand sein Kollege Haru, der seinem Ruf, eine unverbesserliche Klatschtante zu sein, auch direkt gerecht wurde. „Hi, Hyde“, begrüßte er mich munter, „ich bring dir deine Schnapsdrossel zurück.“ Ich hingegen guckte ihn nur mit großen Augen an – hatte ich doch immer noch nicht ganz gerafft, was zur Hölle hier vor sich ging. Und ich machte: „Hä?“ Gackt dagegen schien sehr viel redseliger zu sein, wenn auch schlechter gelaunt: „Red doch nicht schon wieder so einen Blödsinn daher, Haru! Wegen drei Bier bin ich noch lange keine Schnapsdrossel.“ „Du vergisst die zwei Shots, die jeder von euch hatte, und den Long Island Iced Tea am Schluss“, gab Haru sich von Gackts Beschwerde jedoch unbeeindruckt, „wobei ich schon ein bisschen erstaunt bin, dass du danach trotzdem noch so klar zu sein scheinst. Liegt wohl an der jahrelangen Sauferfahrung, die du hast.“ „Würde mich bitte mal jemand aufklären“, schaltete ich mich dann allerdings auch wieder ein, als mir das Gespräch und die ganzen halben Infos, die ich nur bekam, langsam reichten. „Wer säuft und wer ist 'jeder von euch'?“ „Gackt säuft uns jedes Mal unter den Tisch, wenn wir was trinken gehen. Und dann fängt er an zu lachen und dann hört er nicht mehr auf zu heulen und wenn's ganz schlimm wird, schlägt er alles kurz und-“ „Ja ja, davon weiß ich“, schnitt ich Haru das Wort ab, als mir auch das alles zu sehr ausuferte. Gackt und You hatten es mir vor einer Weile erzählt, als wir zusammen einen trinken gewesen waren. „Ich meinte eher, mit wem er heute gesoffen hat. Anscheinend war er ja bei euch.“ „Korrekt“, bestätigte mir Haru knapp, schaute dann aber Gackt an und gab ihm einen Klaps auf die Schulter, „den Rest erzählst du ihm besser selbst. Ich weiß da nicht richtig Bescheid und muss jetzt sowieso auch wieder los, sonst bringt Igao mich noch um, wenn er mich noch länger vertreten muss.“ Wir tauschten noch ein paar Verabschiedungen aus und dann ging Haru tatsächlich, nahm sogar die Treppe anstelle des arschlangsamen Aufzugs. Derweil trat ich einen Schritt zurück, um Gackt an mir vorbeizulassen und hinter ihm die Tür zu schließen. Und kaum, dass wir wieder komplett für uns allein waren, fiel alle Wut und alle Sorge von mir ab. Mich überkam sogar ein so unbändiges Gefühl der Erleichterung, dass ich mich augenblicklich an Gackt heranwarf, die Arme um seine Taille schlang und mich an seinen Rücken schmiegte. „Was wird denn das jetzt?“, fragte er daraufhin verwirrt und blickte mich über die Schulter hinweg an, „ich bin wirklich nicht betrunken, höchstens ein bisschen beschwipst. Haru erzählt nur mal wieder Mist … den Long Island hab ich nämlich gar nicht getrunken, sondern nur bestellt. Es wäre auch gar nicht nötig gewesen, mich nach Hause zu begleiten, aber weil er jedem erzählt hat, ich hätte zu viel getrunken, haben plötzlich alle drauf bestanden, dass er mich bringt.“ Ich ließ ihn ausreden, ehe ich ihm schließlich sagte: „Darum geht’s mir doch gar nicht.“ „Und worum dann?“ „Dass ich mir Sorgen gemacht habe, weil du vorhin noch nicht da warst und auch nicht ans Handy gegangen bist.“ „Ah, shit!“, stieß Gackt darauf plötzlich aus und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich hab mein Handy in der Bar vergessen. Ich hoffe, die Jungs legen es mir in den Spind … müssten am Hintergrundbild ja sehen, dass es mir gehört. Vielleicht legen sie es auch bei dir rein.“ „Hm“, stimmte ich ihm ausnahmsweise mal zu, denn unter normalen Umständen wäre jetzt wieder eine Diskussion um das bescheuerte Bild losgebrochen, da ich immer noch der Meinung war, dass er mich grundsätzlich nicht beim Schlafen fotografieren und das dann erst recht nicht Hintergrundbild für sein Handy benutzen sollte. Selbst wenn er auch darauf zu sehen war, wie er mir einen Kuss auf die Wange drückte. Aber im Moment interessierte mich das herzlich wenig, sondern viel eher etwas anderes: „Was sollst du mir denn lieber selbst erzählen? Muss ich irgendwie Angst haben?“ Die letzte Frage hätte ich scherzhaft stellen können und hätte es in jeder anderen Situation wohl auch getan, aber diesmal nicht. Es war mein vollkommener Ernst. „Blödsinn!“, beruhigte Gackt mich jedoch gleich, „ich sag doch: Haru erzählt mal wieder Mist. Ich war ein bisschen unterwegs, nachdem du mich rausgeworfen hast, und hab zufällig einen ehemaligen Mitschüler von mir getroffen … Hachiro. Der hat dann gefragt, wie es mir so geht – das Übliche, du weißt schon – und er hat mir auch gleich erzählt, dass er gerade Vater geworden ist. Wir sind dann eben in die Bar, um darauf anzustoßen und ein bisschen über alte Zeiten zu reden. Wobei ich zugeben muss, dass es ganz gut war, dass sie mich dort dann auch irgendwann nach Hause geschickt haben, solange ich noch nüchtern war. Wenn wir so weitergemacht hätten, wäre ich sicher wirklich sturzbetrunken heim gekommen. Hachi und ich haben uns damals regelmäßig gegenseitig unter den Tisch getrunken.“ „Damals?“ „Auf der Schule … im Internat.“ „Auf piekfeinen Privatschulen wird dermaßen gesoffen?“, fragte ich und schmunzelte schon wieder ein wenig. „Ach, was glaubst du denn? Gerade dort und besonders, wenn es reine Jungenschulen sind!“, klärte Gackt mich auf und lachte dabei sogar laut, ehe er sich in meiner Umarmung umdrehte und mich seinerseits ebenfalls in die Arme schloss. Ich genoss, wie wir dastanden und für eine Weile keiner von uns auch nur ein weiteres Wort sagte. Dann durchbrach ich die Stille aber doch und verrenkte mir dabei ein bisschen den Hals, um Gackt ansehen zu können: „Tut mir übrigens leid wegen heute Nachmittag. Es war unfair.“ „Ach … das. Das hab ich eigentlich schon fast wieder vergessen. Ich verzeih es dir auch, wenn du mir sagst, was du denn eigentlich getrieben hast, dass du mich unbedingt aus der Wohnung haben wolltest“, entgegnete Gackt und zwinkerte mich verspielt an, worauf ich mir kurz auf die Unterlippen biss. „Ich hab gekocht“, sagte ich dann frei heraus, „sollte eine Überraschung für dich sein. Mit allem drum und dran, aber ich glaube, ich hab's gehörig versaut.“ „Also, dass du was für mich kochst, ist eigentlich schon Überraschung genug“, meinte Gackt dazu allerdings und setzte eine schwer beeindruckte Miene auf. „Gibt es denn irgendeinen bestimmten Anlass? Hab ich was verpasst?“ „Nein, hast du nicht. Einfach … nur so …“ „Aha … dann bin ich ja mal gespannt. Ist denn überhaupt noch was da oder hast du es direkt in den Müll geworfen?“ „Ist alles noch da, nur leider kalt, weil ich zwischendurch eingeschlafen bin.“ „Oha, und wie kriegt man das nun wieder hin? „Ähm … ich war wohl auch ein bisschen betrunken. Von deinem Weißwein aus dem Kühlschrank.“ Ein erneutes lautes Lachen und ein Kopfschütteln waren Gackts einzige Antwort auf dieses kleine Geständnis. Und es amüsierte ihn sogar so sehr, dass er mich loslassen, sich den Bauch halten und sich irgendwann auch die Lachtränen aus den Augen wischen musste. Vermutlich trug der Alkoholpegel in seinem Blut dazu bei, dass er sich wegen dieser einen Bemerkung so wegschmiss. So war es mir aber auch viel lieber und wenn ich einmal genauer darüber nachdachte, dann war die gesamte Situation vielleicht doch gar nicht so unlustig. Ich war angetrunken, weil ich Gackt vor die Tür gesetzt hatte, und Gackt war angetrunken, weil er von mir vor die Tür gesetzt worden war. Ich stimmte sogar noch etwas in sein Gelächter mit ein, ehe er sich beruhigte, mich wieder an sich zog und mir einen langen, trägen Kuss gab. Ich mochte diese Art von Küssen … genauso wie alle anderen Küsse, die ich von Gackt bekam, denn ich mochte es generell einfach, von ihm geküsst zu werden, ihn so dicht bei mir zu haben und mit ihm meinen Atem zu teilen. Wir lösten uns nahezu gleichzeitig voneinander und schmunzelten uns danach deswegen an, ehe Gackt mich an seine Frage von vorhin erinnerte: „Also, essen?“ „Klar“, antwortete ich und ging schon einmal vor in die Küche, während er sich noch von Jacke und Schuhen befreite. Ich nutzte die Zeit effektiv, um wenigstens noch den Tisch zu decken und schon einmal zwei bauchige Gläser mit Rotwein zu füllen, wenn ich schon nichts hergerichtet hatte, weil ich ja unbedingt hatte einschlafen müssen. Und das Essen in der Pfanne stellte ich auch wieder auf die große Flamme und drehte die Hitze bis zum Anschlag auf, um es möglichst schnell wieder auf Temperatur zu bekommen. Als Gackt zu mir stieß, schnüffelte er probeweise in der Luft herum, wobei ich bezweifelte, dass er jetzt schon etwas riechen würde, wo doch alles noch ganz kalt war. Aber ich lag falsch. „You, du Hund“, murmelte er dabei und schaute dann mich an, „er hat dir doch bestimmt verraten, wie gerne ich das esse, oder?“ „Er hat mir sogar das Rezept dafür gegeben.“ „Und du konntest seine Klaue lesen?“ „Äh … kaum.“ „Dachte ich mir“, kommentierte Gackt lachend und setzte sich dann an den Tisch, um geduldig zu warten, dass das Essen fertig war. Während das allerdings noch warm wurde, machte ich mich schon einmal am Reiskocher zu schaffen und schaufelte Reis in eine saubere Porzellanschale, die das Bild, das der spärlich gedeckte Tisch abgab, hoffentlich etwas aufpolieren würde. Eigentlich war das alles ganz anders geplant gewesen, aber ich vermutete, dass ich jetzt damit würde leben müssen. Und der Höhepunkt war ja sowieso ein anderer. Während wir weiterhin warteten, erzählte ich Gackt dann auch von den Katastrophen, die mir heute permanent passiert waren, und er lachte an einigen Stellen, versuchte mich an anderen aber auch wieder zu trösten. So zum Beispiel wollte er sich direkt meine Augen anschauen, ob noch etwas von der Zwiebel-Limetten-Paprikaflocken-Attacke zu sehen war. Da ich mich allerdings wieder vollkommen in Ordnung fühlte, lehnte ich dankend ab und bat ihn darum, bis später zu warten, wenn er denn unbedingt darauf bestand. Würde er, sagte er und ich wusste, dass es keine leere Drohung war. Nach zehn Minuten bei voller Hitze fing die Soße in der Pfanne so langsam dann auch wieder zu kochen an, sodass ich alles schnell von der Platte nahm und mit einem quadratischen Holzuntersetzer auf den Tisch stellte. Gackt hatte uns bereits Reis aufgetan, sodass wir uns direkt am eigentlichen Hauptgericht bedienen konnten. Wobei ich gar nicht so hungrig war, sondern viel eher gespannt, was Gackt zu meinen Kochkünsten sagen würde. Ich begann deshalb noch nicht mit dem Essen, nachdem ich mir aufgetan hatte, sondern saß Gackt gegenüber und wartete gespannt darauf, dass er den ersten Bissen nehmen und mir dann sein Urteil mitteilen würde. Und es sah nicht sonderlich gut aus, denn kaum, dass er etwas davon im Mund hatte, verzog er kaum merklich die Lippen, sagte aber sonst nichts. Au shit, das konnte nichts Gutes bedeuten! Wenn es gut gewesen wäre, hätte er doch gleich etwas gesagt. Stattdessen nahm er noch ein bisschen und verblieb ebenso nachdenklich wie eben schon. Anscheinend suchte er nach den richtigen Worten, mit denen er mir so schonend wie möglich beibringen konnte, wie grottenschlecht es war. „Und?“, hakte ich dann auch etwas kleinlaut nach, weil mich die Warterei sonst verrückt gemacht hätte. „Hm … ja“, begann Gackt sein Urteil, die Miene dabei so neutral, dass selbst ich Schwierigkeiten hatte, sie zu lesen – eindeutig war es trotzdem, „schmeckt … interessant.“ „Ich seh schon …“ „Uhm, nein … also, ich kann es auf alle Fälle essen.“ „Sei ehrlich, Gacchan. Wie schlimm ist es?“, bohrte ich noch etwas weiter. „Eigentlich zählt das ja gar nicht, schließlich hast du dir Mühe gegeben“, redete Gackt allerdings um den heißen Brei herum. Und da das sonst nicht seine Art war, bekam ich eine immer genauere Vorstellung. „Gackt.“ „Es ist hier und da etwas verbrannt und hier und da etwas zu scharf“, gab er schließlich zu, untertrieb dabei wahrscheinlich aber trotzdem noch, wie ich ihn kannte. „So was in der Art hab ich schon erwartet.“ „Ist nicht schlimm“, versuchte Gackt jedoch, mich etwas aufzumuntern, und schenkte mir dabei ein atemberaubend schönes Lächeln, „wenn du das Rezept noch hast, können wir es demnächst ja nochmal probieren und dann wird es sicherlich besser. Du hättest mich damals mal sehen sollen! Ich hab es sogar geschafft, simplen Schokoladenpudding aus der Tüte anbrennen zu lassen und You hat mir prophezeit, dass ich es niemals hinkriegen würde, irgendwas zu kochen, was komplizierter als Reis ist. Das ist einfach eine Sache der Übung und egal, was er dir erzählt: Er kriegt es auch nicht gleich auf Anhieb perfekt hin. Glaub mir ruhig, ich war früher nämlich sein Versuchskaninchen und einiges von dem, was er fabriziert hat, war so richtig schrecklich. Da hast du es jetzt noch ganz gut getroffen und-“ „Ich liebe dich“, hörte ich mich auf einmal selber sagen. Ich wusste nicht genau, wie es hatte passieren können, denn eigentlich hatte ich bis nach dem Essen damit warten wollen. Vielleicht, wenn wir gemütlich auf der Couch saßen, bei einem Glas Wein … so ähnlich wie seinerzeit auf Hokkaido. Aber auf alle Fälle nicht, während er mich von der Tatsache ablenken wollte, wie schlecht mein Essen schmeckte, indem er mir irgendwelche unsinnigen Geschichten über You und sich erzählte. Und Gackt schien genauso überrascht zu sein, wie ich, denn er erzählte noch einen halben Satz mehr, den ich überhaupt nicht mitbekam, ehe er sich schließlich selbst unterbrach. „Wie bitte?“, fragte er dann und schaute mich aus großen Augen fassungslos an. „Shit, ich wollte doch gar nicht …“, begann ich, bemerkte aber noch rechtzeitig, was ich da jetzt wieder von mir gab und kriegte gerade noch die Kurve, „also, ich meine, ich wollte dir das schon sagen, deshalb hab ich das hier ja alles gemacht. Aber es sollte nicht so rauskommen. Du hast dir mit dem Urlaub so viel Mühe gegeben und ich hab es da ja noch nicht sagen können und jetzt sag ich es dir auch quasi nur zwischen Tür und Angel …“ Nachdem ich geendet hatte, ganz schuldbewusst und leise, schaute ich Gackt wieder an, als ob ich auf etwas warten würde. Ich wusste nur nicht so recht, was das war. Es war echt zum Heulen! … „Weißt du eigentlich, was für ein hirnverbrannter Idiot du bist?“, warf Gackt mir nach einigen endlos scheinenden Sekunden des Schweigens vor, grinste dabei aber schon fast wieder, „es war doch in Ordnung, dass du es nicht sagen konntest. Und es ist auch vollkommen in Ordnung, wie du es mir jetzt gesagt hast. Ich fand meine Ansprache vor dem Kamin sowieso etwas zu dick aufgetragen … eigentlich hab auch gedacht, dass du deswegen kein Wort rausgekriegt hast ...“ Wieder verspürte ich Erleichterung – genug, um ebenfalls wieder lächeln zu können, Gackt dieses Lächeln zu schenken. Daraufhin beugte er sich stumm vor und umschloss meine rechte Hand mit seinen beiden, fuhr meine Knöchel mit den Daumen nach und streichelte sanft meine Finger – bis zu den Spitzen und wieder zurück. Dabei blickte er ganz verträumt drein und hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Kannst du es bitte noch mal sagen?“, bat er mich schließlich,während er mir wieder direkt in die Augen sah. Und ich brauchte nicht mehr großartig darüber nachzudenken, ob ich ihm diesen Wunsch erfüllte. „Ich liebe dich, Gacchan.“ „Ich dich auch.“ Ich schloss meine Hand um seine, hielt sie ganz fest und Gackt tat es mir gleich. Nichts an diesem Abend war so gekommen, wie ich es geplant hatte, aber das hier – dieser Moment – war einfach nur perfekt. … Später hatte sich Gackt übrigens meinem zusammengerührten Irgendwas gewidmet und versucht, es vielleicht doch noch zu retten. Er hatte es mit Wasser verdünnt, allerlei Gewürze und Sojasoße hinzugefügt und sogar mit Zucker herumgespielt und das Resultat … war genauso schrecklich gewesen wie das, was ich zustande gebracht hatte. Wir hatten es dann doch weggeworfen und etwas beim Sushi Express bestellt – so unperfekt wie wir beide waren. end. ~~~ ** + ** ~~~ Romantic Comedy, in einer Woche aus dem Boden gestampft, hehe ^_^ v Die Idee spukte mir aber auch schon im Kopf rum, als ich das vorletzte Kapitel hochgeladen hab, wo ich doch noch so großartig rausposaunt hab, dass Gackt und Hyde nicht einmal richtig zueinander sagen, dass sie sich lieben. Da wurde dann so leise das Bedürfnis in mir wach, einen *hust* kleinen Zusatz dazu zu schreiben. Allerdings hätte ich ja nicht gedacht, dass ich das dann doch so schnell umsetze! Und falls sich noch jemand daran erinnert: In einem ziemlich frühen Kapitel unterhielten sich die beiden ja mal darüber, dass G das Kochen von einem Freund gelernt hat. Dieser Freund war (in meinem Kopf) schon immer You, auch wenn es nie explizit erwähnt wurde. Und noch ein Bezug zur Vergangenheit: Der Snowboardurlaub, den Hyde G so halb-ernst aus dem Kreuz leiern wollte, hat nun auch endlich seine Umsetzung gefunden, nachdem das eigentlich mal der Epilog werden sollte. Isser nich süß, unser lieber G? Wer sich übrigens Gackts Reaktionen auf die Kocherei anderer Leute mal im Original anschauen möchte, der folge bitte jenem Link: http://youtu.be/uBE7SyMwZ4Q xD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)