Hunters von Fay_Fee (Die Erinnerungen des alten Silver) ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel Zwölf ------------------------- ~Kapitel Zwölf~ Es dauerte eine Weile, bis Zoran es schaffte sich zu erheben. Schon wieder stand er vollkommen durchnässt in dem völlig verschneiten Wald. Er war noch etwas wackelig auf den Beinen. Seine Knie taten ihm schrecklich weh, nachdem er damit die Holzbarrikade auf gerammt hatte. Woher kamen nur plötzlich diese Wassermassen? Es hätte nicht mehr viel gefehlt und sie wären ertrunken. »Fay?« Zoran blickte sich um. Fay lag noch immer schwer atmend mit dem Gesicht nach unten im nassen Schneematsch. Callum, der Anführer der Nachtjäger, half ihr auf. Die beiden waren ebenfalls triefnass. Etwas torkelnd ging Zoran auf sie zu. »Alles in Ordnung mit euch?« Callum nickte stumm. »Und mit dir, Fay?« »Ja. Alles... alles in... Ordnung. Mir geht es... gut.« Noch immer schnappte sie nach Luft. Zoran scheute sich um. »Wo sind wir hier?« »Das hier ist die tiefste Stelle des Waldes. Die Bäume sind so dicht, dass man so gut wie nie die Sonne sieht.« Er hatte recht. Zoran versuchte durch die dichten Baumwipfel irgendwas zu erkennen, aber da war nichts zu sehen. Keine Sonne, kein Mond. »Es ist Abend. Die Sonne geht gerade erst unter.« sagte Callum. »Und woher weißt du das so genau?« Er zuckte nur mit den Schultern. »Ich lebe hier seit fast fünf Jahren. Irgendwann hat man den Dreh einfach raus.« Fay wirkte schon etwas erholter und war nun in der Lage alleine zu stehen. »Wo sind wohl Sharon und Blake?« Ihr Augen weiteten sich. »Was, wenn das Wasser sie erwischt hat?« Callum wrang den schwarzen Pelz aus, der, durchnässt wie er war, nun etwa dreimal so viel wiegen musste. Dann begann er die Pfeile aus seinem Köcher, die überall verstreut lagen, aufzusammeln. »Ich frag mich schon die ganze Zeit wo das herkam. Die einzige Wasserquelle, die diese Mengen hervorbringt, ist der Fluss und der ist Kilometerweit von hier entfernt.« Zoran, dem jede Minute kälter wurde, unterbrach die beiden. »Blake und Sharon werden es schon irgendwie geschafft haben. Am besten wir suchen nach ihnen.« »Und wie bitteschön? Wir wissen ja nicht mal wo wir hier sind!« Callum räusperte sich. »Ihr wisst es vielleicht nicht, aber ich kenne diese Gegend in und auswendig.« Ohne ein weiteres Wort marschierte er einfach los. Zoran und Fay schauten sich zögernd an. »Was ist?« rief Callum ihm aus dem dunklen Schatten der Bäume zu. »Wollt ihr da stehenbleiben bis ihr Eisskulpturen seid?« Zoran zuckte lächelnd mit den Schultern. »Ich würde sagen, wir kaum eine andere Wahl, oder?« Fay schüttelte ihren nassen Rucksack aus und warf ihn sich über die Schulter. »Ich würde sagen, die Hälfte die da drin ist, kann ich jetzt wegschmeißen.« Je länger sie unterwegs waren, desto düsterer wurde der Wald um sie herum. Eiskalter Nebel umhüllte sie. Und das Einzige, was zu hören war, waren ihre Schritte. Zoran sah zum Himmel hinauf. Es musste schon mitten in der Nacht sein. Zoran beobachtete seine beiden Gefährten. Fay und Callum zitterten zwar beide vor Kälte, aber sie schien sie nicht weiter zu behindern. Er ging einen Schritt schneller, nun an Fay's Seite. Bedacht darauf, dass Callum ihn nicht hörte, flüsterte Zoran ihr zu. »Traust du ihm?« Sie flüsterte zurück. »Was heißt trauen? Ich glaube zumindest nicht, dass er uns töten wird.« Zoran schmunzelte. Er war sich da nicht so ganz sicher. Schon früher war ihm der ein oder andere Nachtjäger begegnet. Sie waren gerissen und hinterhältig. Nie hatte er einen getroffen, dem man trauen konnte. Und von Callum dachte er nicht anders. Er fragte sich, was er sich davon erhoffte, dass er ihnen half. Zoran selbst trug keine Wertgegenstände und nur ein paar lächerliche Silberstücke mit sich herum. Und selbst wenn es anders gewesen wäre, Callum wäre nicht in der Lage gewesen Zoran zu überrumpeln, da war er sich sicher. Und auch Fay war, nun wieder bewaffnet, sicher kein leichter Gegner. Ein plötzlich aufkommender Gedanke schob sich durch seinen Kopf. Was wenn es ihm gar nicht um Wertsachen ging? Nachtjäger waren nicht nur an Gold und Schätzen interessiert. Viele von ihnen trieben sich auf den Sklavenmärkten herum und verkauften neben 'normalen' Menschen auch seltene, exotische Ausnahmen, wie Zoran und Fay. Er dachte an das Bild welches sich ihm bot, als er Fay aus Callums Kammer befreien wollte. Ein kalter Schauer, noch kälter als der Nachtfrost, lief ihm über den Rücken. Aus den Augenwinkel schaute er auf Fay hinunter. Ihr langes schwarzes Haar war zu einem zerzausten Knoten zusammengebunden. Einige Strähnen hingen wie üblich über ihrem Stigma. Zoran war es gewohnt, dass die Leute ihn anstarrten. Seine Erscheinung war um einiges Auffälliger, als ihm lieb war. Selbst wenn er sein Haar verdeckte und seinen Kopf so gesenkt hielt, dass niemand seine violetten Augen sehen konnte, so war seine Größe und sein kraftvoller Körperbau ausreichend genug um sämtliche Blicke auf sich zu ziehen. Aber niemand, nicht einmal er selbst, wusste, was er war. Kein Mensch, so viel war sicher. Sonderling, Freak, manchmal aus Missgeburt oder Bastard, solche Bemerkungen war er gewohnt. Und Fay? Nicht wenige Menschen, das wusste er, würden sie ohne zu zögern töten, wenn sie sie als Antika erkennen würden. Nur aus Angst vor der Boshaftigkeit und der Gefahr aus den alten Gerüchten die an ihr hafteten wie ein böser Fluch. Seltsam, dachte Zoran bei sich. Dabei war Fay eine der Menschen, die er auf seiner langen Reise traf, die er am meisten mochte und, vor allem, vertraute. »Was ist denn mit dir los?« Fay riss ihn aus seinen Gedanken. »Was soll sein?« »Du starrt vor dich hin, als seist du von irgendwas besessen.« Er wollte gerade antworten, da lenkte etwas seine Aufmerksamkeit auf sich. Abrupt blieb er stehen. Er konnte etwas in der Ferne ausmachen. Ein Licht. Ein sehr schwacher Schein drang durch den dichten Nebel hindurch. »Was ist los?« Callum stand nun neben ihm und versuchte seinem Blick zu folgen. Zoran antwortete nicht. »Was ist denn mit dem?« »Was siehst du?« fragte Fay ihn. Ihre Stimme war gedämpft und vorsichtig. »Licht. Dort zwischen den Bäumen.« Callum schaute angestrengt in die Richtung, auf die Zoran deutete. Er stellte sich sogar auf Zehenspitzen. »Wo soll denn da Licht sein?« Zoran legte seinen Finger auf die Lippe und deutete ihm zu schweigen. Dann schlich er, so gut es ging, auf das Licht zu. Hinter sich konnte er Fay flüstern hören, die ebenso leise versuchte vorwärts zu kommen. »Sei still und folge ihm einfach. Zoran weiß genau was er tut, vertrau ihm.« Fast eine Stunde lang schlichen sie schweigend durch das dichte Holz. Sie waren nun so nah dran, dass auch Fay und Callum das Licht sehen konnten. Es war nur noch ein kurzes Stück von ihnen entfernt. »Ein Feuer.« flüsterte Zoran. Fäuste ballend drehte er sich zu Fay um. Sie nickte verständnisvoll und wickelte die Kristallschnur um ihre Finger. Callum folgte stumm ihrem Beispiel, nahm seinem Bogen und spannte einen Pfeil aus dem Köcher. Kein Laut war zu vernehmen, die Stille um sie herum war erdrückend. Doch dann, noch bevor Zoran einen Schritt vorwärts machen konnte, sauste ein silberner Schweif von oben auf ihn herunter, knickte kurz über seinem Kopf ab und prallte in einen dicken Baumstamm zu seiner linken. Vor ihm landete ein schwarzer Schatten. Als er sich aufrichtete, konnte Zoran sich selbst aufatmen hören. »Blake!« Fay senkte ihre Arme und packte die Schnur zurück in die Gürteltasche. Blake starrte sie abwechselnd, und sehr wütend, an. »Meine Fresse, müsst ihr hier so herumschleichen? Ich hätte euch beinahe in Stücke geschlagen!« Hinter Blake war eine Stimme zu vernehmen. »Blake, was ist los?« Fay lief auf das Licht zu. »Wir sind es nur! Alles in Ordnung bei euch?« Zoran entspannte sich etwas. »Du bist ja beinahe genauso nass wie wir.« Blake, bibbernd und zitternd, wollte grade sein Schwert wieder einstecken, als sein Blick auf ihre Begleitung fiel. Nur eine Sekunde später stand er wieder Kampfbereit vor ihm. »Was will dieser Hund denn hier?« Callum grinste herausfordernd. »Helfen, kleiner Welpe.« Blake grinste ebenso herausfordernd zurück. »Helfen? Oder ausrauben?« Zoran stellte sich zwischen sie und erhob schlichtend die Arme. »Hey kommt schon, Jungs. Kein Grund für Feindseligkeiten!« Blake schaute Zoran ungläubig an. »Seine Männer haben dich niedergeschlagen, uns gefangen genommen und gefesselt, unsere Sachen durchsucht, unseren Proviant weggefressen, wollten uns an die Soldaten ausliefern und haben uns ganz nebenbei auch noch komplett lächerlich gemacht.« Zoran kratzte sich am Hinterkopf. »Das kann ich nicht bestreiten.« »Wollt ihr euch nicht zu uns ans Feuer setzen und euch aufwärmen? Danach könnt ihr dann immer noch überlegen, ob ihr zusammenarbeiten oder euch abschlachten wollt.« Dankbar lächelte Zoran Fay zu. Sie zwinkerte zurück. Callum zuckte mit den Schultern und steckte den Pfeil zurück in seinen Köcher. »Liebend gerne, schönes Fräulein. Du kannst dich auch gerne am Feuer zu mir setzen, ich werde schon irgendwie dafür sorgen, dass dir wieder warm wird.« Zoran war sich nicht ganz sicher, wer dümmer aus der Wäsche guckte - er oder Blake? Callum verschwand im Nebel. Fay blieb auf der Stelle stehen und zuckte beschämt lächelnd mit den Schultern. »Ich glaube irgendwie, dass er eine Schwäche für mich hat.« Blake schüttelte ungläubig den Kopf. »Generäle, Meisterdiebe... Was ist bloß los mit dir? Weiß er überhaupt, was du bist?« »Können wir das später bereden? Mir ist kalt!« Offensichtlich genervt machte Fay auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu Sharon und Callum. Blake war auf ihrer Flucht durch den Wald auf die kleine Höhle gestoßen, berichtete Sharon. Sie machten ein Feuer in der Hoffnung, dass Zoran sie finden würde. Dieser ärgerte sich innerlich ein wenig darüber, dass Blake diese besondere Eigenschaft an ihm letztendlich aufgefallen war. Blake konnte erstaunlich viel trockenes Holz finden um ein großes Feuer zu machen. Sie saßen alle dicht gedrängt um die wärmenden Flammen. Es war eigentlich ein recht friedlicher Moment, wenn nicht einige Spannungen in der Luft gelegen hätten. Sharon war wütend auf Blake, weil dieser ihre Möglichkeit mit den Soldaten zu fliehen geradezu zerschlagen hatte. Blake war wütend auf Fay und Zoran, weil diese einfach ihren Entführer in ihre Runde eingeladen hatten. Und Zoran und Fay waren wütend auf Sharon, weil diese wieder in ihren alten, ewig über alles jammernden Trott verfallen war. »Ich will nach Hause! Ich will in meinen Palast! Ich mag nicht mehr im Dreck sitzen und auf dem Boden schlafen! Ich will was anständiges essen und ich will ganz sicher nicht mehr in diesen nassen Bauernlumpen herum rennen!« Zoran schüttelte genervt den Kopf. »Was ist denn bloß wieder los mit der? Es lief doch alles so gut!« Callum verdrehte genervt die Augen und wandte sich flüsternd an Fay. »Ist die immer so?« Sie seufzte. »Nein, nicht mehr. Ich wundere mich auch grade etwas. Eigentlich war sie in letzter Zeit sehr still und hilfsbereit.« »In letzter Zeit? Sie ist doch schon seit Monaten oder so in eurer Gewalt. Was war denn davor?« Sie neigte ihren Kopf in Sharons Richtung. »Nun ja, in etwa genau das.« Er stützte seinen Kopf auf seiner Faust ab. »Warum habt ihr sie nicht einfach an einen Baum gebunden und finden lassen?« Bei dieser Frage musste Zoran laut auflachen. Sharon hörte augenblicklich mit ihrem Geschimpfe auf und richtete ihre Wut nun gegen Zoran. »Was lachst du denn so blöd? Lass das gefälligst!« Callum stimmte in Zorans Gelächter mit ein. Dann ergriff er das Wort. »Okay, also noch einmal zusammengefasst: Ihr zwei...« er deutete auf Blake und Zoran »...habt auf eurer Flucht aus dem Palast dieses... liebreizende Wesen dort entführt. Und nach ein Paar Wochen hat sich Fay euch dann angeschlossen, soweit alles korrekt?« Sie nickten alle stumm. Callum drehte sich zu Fay. »Warum?« »Warum was?« »Warum um alles in der Welt hast du dich einfach so den womöglich meistgesuchten Menschen der Welt angeschlossen?« Zoran spürte, wie Fay seine Blicke suchte. Er selbst war einer dieser Gründe. Aber das mochte keiner von ihnen einfach so aussprechen. Es war wie ein unausgesprochenes, offenes Geheimnis zwischen den beiden. Zoran überlegte, wie er Fay aus dieser unangenehmen Situation retten konnte, als Sharon plötzlich laut anfing zu kreischen. Dabei sprang sie auf, zupfte an ihren nassen Kleidern und hüpfte von einem Bein auf das Andere. Erschrocken sprangen Blake und Zoran auf. Blake zückte sein Schwert und schaute aus der Höhle hinaus. »Was ist los? Hast du jemanden gesehen?« Auch Zoran suchte den düsteren Nebel ab. Als er jedoch nichts entdecken konnte, kam er sich irgendwie dumm vor. Als Fay und Callum lauthals anfingen zu lachen sogar noch dümmer. Langsam drehte er sich um. Blake stand immer noch mit seinem Schwert da und schaute wütend in die Runde. »Was gibt es denn da so blöd zu lachen?« Callum hob seine Hand hoch. Zwischen seinen Fingern wandte sich ein großer, langer Käfer mit vielen Beinen und langen Fühlern. »Ihr könnt euch beruhigen, wir haben den Angreifer bereits gefasst.« Erleichtert ließ Zoran sich wieder auf seinen Platz fallen. »Oh man, mach doch nicht so ein Theater wegen eines blöden Insekts!« Blake steckte sein Schwert wieder ein, legte sich, mit dem Rücken zu ihnen, auf den Boden und schlief. Oder zumindest tat er so, als ob. Zoran spürte, wie ihm immer wärmer wurde. Seine Kleidung fing langsam an zu trocknen und er zitterte nicht mehr. Gegenüber von ihm lehnte Sharon an der Höhlenwand und schlief. Jedoch hatte sie sich so sehr in ihrem Mantel und unter Ihrer Decke eingehüllt, dass nur noch ihr Gesicht zu sehen war. Callum lehnte ebenfalls lässig an der Wand, war jedoch noch Hellwach. Zwischen ihm und Zoran saß Fay, die ebenfalls bereits tief und fest schlief. »Tut es dir nicht leid?« Callum, der Gedankenversunken ins Feuer starrte, blickte zu Zoran auf. »Was meinst du?« »Deine Männer. Keiner von ihnen wird überlebt haben.« Er zuckte mit den Schultern. »Ist dir das so egal?« »Nein, egal ist es mir nicht. Die meisten von ihnen waren fast fünf Jahre lang treue Gefährte. Aber...« Er stocherte im Feuer herum und warf noch etwas Holz in die Flammen. »Aber?« »Sie haben sich verändert. Als wir die Bande gegründet haben, da wollten wir den Menschen helfen. Von den Reichen stehlen, es den Armen geben. Du weißt schon, wie die Helden aus den alten Geschichten. Aber wir sind mit der Zeit immer gieriger und gewissenloser geworden. Anstatt etwas von unserem Reichtum abzugeben, behielten wir alles für uns und gaben es aus für teures Essen, Wein und Frauen. Und irgendwann holten wir es uns dann auch noch von den Armen.« Er seufzte. »Wir wollten zu den Guten gehören. Und eines Tages stellte ich plötzlich fest, dass wir noch schlimmer waren als alle anderen.« »Woher kam der plötzliche Sinneswandel?« Callum fuhr sich durch die Haare. Und Zoran glaubte in seinem Gesicht sehen zu können, dass er sich schämte. »Meine Männer haben eine arme Bauernfamilie überfallen. Wir haben alles mitgenommen. Geld, Essen, sogar die Tiere. Irgendwann, als ich glaubte, wir hätten bereits alles was wir brauchten, wollte ich meine Männer zusammentrommeln. Ich bin in das obere Stockwerk gegangen.« Ein zittern lag in seiner Stimme. »Am unteren Fuß der Treppe hatte sich bereits das Blut gesammelt. Auf dem halben Weg nach oben lag der Bauer. Neben ihm seine Zunge und seine Augen. Seine Kehle war durchgeschnitten. Am oberen Ende der Treppe habe ich seine Frau gefunden. Ein Messer steckte in ihrer Brust. Dann hörte ich plötzlich Schreie. Und als ich am Ende des Flurs war, im Zimmer ihrer Tochter, da...« Er ballte seine Hände zu Fäusten und kniff seine Augen zusammen. »Meine Männer sind an diesem Tag mehr als einen Schritt zu weit gegangen. Am Ende wurden sie nur noch von ihrer blinden Gier und ihrem Drang nach mehr getrieben.« »Wie alt war sie?« »Wer, das Mädchen?« Zoran nickte. » Achtzehn oder neunzehn. Wunderschön. Neben ihrer Kommode hing ein Brautkleid über einem Stuhl. Mir wurde erst in diesem Moment bewusst, wie viel Schaden wir anrichteten. Wie viel wir tatsächlich zerstörten.« Zoran streckte sich und setzt sich in eine bequemere Position. »Was hast du jetzt vor?« Callum zuckte mit den Schultern. »Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich euch noch einige Zeit begleiten. Ihr wollt doch nach Süden, oder?« Zoran nickte. »Bis zum Wüstengebiet werde ich euch begleiten, dass sind ja noch einige Wochen. Dann denke ich, werde ich mich auf die südliche Handelsinsel begeben. Da findet man immer Arbeit.« Zoran sah missbilligend zu, wie Callum die Haare von Fay's Stigma strich. »Du hättest sie davon abhalten müssen, euch zu begleiten.« Misstrauisch setzte Zoran sich aufrecht hin. »Was interessiert dich das überhaupt?« Callum schaute ihn mit ernster Miene in die Augen. »Ich weiß, wer sie ist. Bei wem sie gelebt hat. Ich habe sie vor vielen Jahren schon einmal gesehen, da war sie allerdings noch ein Kind. Damals habe ich im Palast gearbeitet.« Tief durchatmend schaute Zoran auf Fay herab. »Wir sind ihm bereits begegnet. Er stellt keine Gefahr für uns dar.« Callum grinste höhnisch. »Noch weiß der König auch noch nicht, dass sie hier draußen lebt. Geschweige denn, dass sie euch begleitet.« Zoran schaute ihn verdutzt an. »Wie meinst du das?« »Warum glaubst du, gibt es keinerlei Steckbriefe von ihr?« Tatsächlich. Zoran hatte noch keinen Steckbrief von Fay gesehen. »Wie lange lebt sie bereits hier draußen?« »Sie sagte mir, dass sie mit zwölf Jahren weggelaufen ist. Also Zehn Jahre.« Callum begann zu flüstern. »Sorth hat die Antika damals umbringen lassen, weil er tierische Angst vor ihnen hatte. Glaubst du er würde es toll finden, wenn er herausfände, dass sein erster General seit Jahren vor ihm verschweigt, dass ein Antika unkontrolliert durch die Gegend rennt?« Daran hatte Zoran noch gar nicht gedacht. »Und wenn er herausfindet, dass sie auch noch quasi offen gegen ihn rebelliert, indem sie sich den Entführern seiner Tochter anschließt?« »Das würde ihren Tod bedeuten.« »Psst!« Callum deutete ihm ruhiger zu sprechen. »Was ist los?« Er schaute Zoran in die Augen. Dann deutete er abfällig mit seinem Kopf zu Blake, der immer noch mit dem Rücken zu ihnen Gewand lag und schlief. Zoran flüsterte. »Ich auch nicht.« Seufzend strich sich Callum abermals durch sein Haar. »Ich will sie mitnehmen.« Ungläubig und mit großen Augen schaute Zoran ihn an. »Sie mitnehmen? Auf die südliche Handelsinsel?« Das Misstrauen ihm gegenüber verstärkte sich schlagartig. Zoran ballte die Fäuste, falls nötig bereit zuzuschlagen. »Was hast du dort mit ihr vor?« »Sie vor alldem retten, wovor sie davonläuft. Auf der Insel ist es egal, wer du bist. Da zählt nur, was du kannst. Die Insel mag für viele Andere vielleicht Zwielicht sein, aber für sie ist es perfekt.« Zoran nahm sich einige Minuten Bedenkzeit. Der Gedanke viel ihm zwar schwer, aber letztendlich hatte Callum recht. Er war selbst vor einigen Jahren auf dieser Insel gewesen, auf der Suche nach sich selbst. Dort wimmelte es nur so von seltsamen Menschen, Märkten und Geschäften. Die Bewohner dort mussten nur zwei Dinge tun: Sich an die Regeln halten und ihren Teil beitragen. »Denkst du, du kannst sie davon überzeugen?« Callum kratzte sich verlegen am Bart. »Ich hatte eigentlich gehofft, dass du das machen würdest. Ich glaube, dir vertraut sie um einiges mehr.« »Ich tue mein Bestes.« Zoran lehnte sich zurück an die Wand und schaute aus der Höhle hinaus. Es musste mitten in der Nacht sein. Doch er bekam kein Auge zu. Er drehte sich noch einmal zu Callum um, der offenbar auch nicht schlafen konnte. »Denkst du, er würde sie hintergehen?« Callum schaute auf. »Wer?« »Kayt?« Er schnaufte höhnisch. »Sagen wir einfach, dass ich den Herren Generälen so einiges zutraue.« Er tippte auf die Narbe auf seinem Auge. »Du hattest wohl schon mal eine Begegnung mit Kayt?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, dieses Schätzchen habe ich dem Anderen, dem zweiten General, zu verdanken. Hast du den schon mal gesehen? Kein netter Zeitgenosse.« »Duke!« Zorans Blick wurde eisig. Seine Fäuste hatte er so fest geballt, dass er sich mit den Fingernägeln ins eigene Fleisch schnitt. »Den kenne ich nur zu gut.« Callum zog eine Augenbraue hoch. »Sieht nicht so aus. Als wärt ihr die Freunde.« Duke. Allein der Gedanke an ihn entfachte sämtliche Wut in Zoran. »Sagen wir einfach, wir haben da noch was zu klären.« Wütend rammte Zoran seine Faust gegen die Wand. Einige Steine lösten sich und flogen durch die Gegend. Einer von ihnen traf Fay an der Schläfe. »AU! Man, Zoran! Warum polterst du denn hier so herum? Es ist mitten in der Nacht, geh schlafen!« Sie drehte ihm den Rücken zu und schaute Callum an. »Und du besser auch.! Wir wollen morgen früh weiter.« Callum konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Hast ja recht, meine Hübsche. Also dann, gute Nacht. Und du, komm mal wieder runter, Zoran.« Erst jetzt bemerkte Zoran, dann seine Hand ein wenig blutete. Er wickelte ein Tuch darum, legte sich hin und schloss die Augen. Irgendwann, das wusste er, würde er Duke gegenüberstehen. Und nur einer von ihnen würde den nächsten Tag erleben. Mit dem Rücken zu den Anderen lag Blake halb versteckt in der Dunkelheit. Er hatte kein Auge zu gemacht. Und innerlich amüsierte er sich geradezu königlich darüber, dass diese Idioten tatsächlich dachten, dass ein Flüstern ihre Worte vor ihm verbergen würden. Der Süden war seine alte Heimat, sein Geburtsort. Kaum einer kannte die Wüste so gut wie er. Es wäre ein leichtes, die Anderen einfach hinter sich zu lassen. Im Süden befand sich auch die Festung von Kayt. Ein diabolisches grinsen huschte über Blakes Gesicht. Seine schwarzen Augen funkelten in der Dunkelheit. Was würde der General ihm wohl für die Informationen, die er soeben hörte, bezahlen? Was war es ihm Wert, die Haut des Antika-Weib's zu retten? Und vor Allem, seine eigene? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)