Halbwahrheiten von Nimsaj ================================================================================ Beginn ------ Sie waren Freunde. Eigentlich nicht einmal das. Vielleicht Bekannte, die ganz gut mit einander auskamen. Schulkameraden, die sich gerne ärgerten. Feinde zuerst. Rivalen. Konkurrenten. Erbittert. Leidenschaftlich. Und aus der Freude ihrer Kämpfe wurde immer mehr Freundschaft, ihre Gruppen beendeten ihren Streit. So etwas wie Frieden kehrte ein, erstmals, seit sie sich das erste Mal gesehen hatten. Schweigender Frieden, nur hie und da kleines Necken und Scherzen. Keine echten Freunde waren sie. Auch nicht nach den Jahren, die sie an der Schule verbracht hatten. Selbst wenn Law es sich immer wieder wünschte, wann immer er das rote Haar in der Menge aufblitzen sah. Der Wind war lau kurz vor den großen Sommerferien. Doch für Law und seine Leute würden es keine Ferien sein. Nicht mehr. Die Zeit der Ferien würde dann vorbei sein, sie würden ihre vertrauten Bahnen verlassen, auf denen sie nun schon seit sie Kinder waren wandelten. Ein wichtiger Lebensabschnitt wurde beendet. Fertig mit der Schule sein. Frei sein. Gefangen sein. Ganz wie man es sehen mochte. Law hatte nichts dagegen. Die Schule langweilte ihn ohnehin. Nun, wo die großen Prüfungen schon geschrieben waren und die Lehrer kaum noch wussten, was sie mit den jungen Menschen tun sollten, deren Flügel sich bereits gespannt hatten, um die große unbekannte Zukunft zu erkunden, war Law immer mehr gelangweilt. Er wusste was er tun wollte nach der Schule, hatte bereits einen Studienplatz an einer renommierten Universität. Er würde Arzt werden. Eine Gewissheit, von der die meisten seiner Leute noch weit entfernt waren. Die Schule konnte ihm nichts mehr beibringen, hatte keinen weiteren Sinn. Nun. Doch, eigentlich schon. Law hätte auch die restliche Zeit zuhause verbringen können. Etwas für seine Zukunft sinnvolleres tun. Doch er ging weiterhin in die Schule, tat es gerne. Gerne, weil er dort etwas fand, was er sonst nicht finden würde. Die Schulglocke läutete und beendete damit die Pause. Das Gelände der Schule war übersäht mit Schülern, die sich aus den Schatten der laubgrünen Bäume erhoben. Zu dieser Jahreszeit war niemand innerhalb des alten Gebäudes, wenn man es nicht sein musste. Viel zu warm und stickig war es zwischen den Mauern, weshalb auch Law und seine Freunde unter einem der großen Bäume saßen und zusahen, wie die jüngeren Schüler sich alle erhoben und drängelten um zurück in ihre Klassenzimmer zu kommen. Konnte es wirklich sein, dass sie vor ein paar Jahren erst wirklich auch so gerannt waren? Und dass sie es nun nie wieder tun würden? „Ich glaube, ich werde das vermissen.“ Laws Blick löste sich von den Massen an drängelnden Schülern, nachdem er dort kein rotes Haar hatte finden können, ehe er zu Penguin blickte. Der junge Mann lag neben ihm im Gras, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und den Blick in das schimmernde Blätterdach des Baumes gerichtet. „Diese Einfachheit meine ich. Dass alles was wichtig ist nur ist, dass man die Hausaufgaben bei jemandem abschreiben kann und einigermaßen pünktlich zur Schule kommt. Dass die einzige Verpflichtung die man hat sich über sechs Stunden erstreckt und man darüber noch jammert. Über ungerechte Lehrer und blöde Mitschüler und viel zu häufige Tests.“ „Wirst du sentimental auf deine alten Tage?“ Die Männer lachten auf Shachis Kommentar hin nur, Penguin empörte sich. Den Blick wieder abwendend sah Law zurück zu den noch immer vereinzelt über den Hof laufenden Schülern. Auch jetzt war kein Fuchshaar zu finden. Ob er es vermissen würde. Law hatte sich nie an etwas an der Schule gestört. Er hatte es als gegeben gesehen und sich auch nicht mit den Lehrern gestritten. Mit den Schülern schon ab und an, aber das hatte er eher als Spaß empfunden. Vor allem, als sein Gegner noch diese gewisse Person gewesen war, die er nun vergeblich in der Schule suchte. Ob er überhaupt noch zur Schule kam? Lohnte es sich jeden Tag in der Hoffnung hier her zu kommen? Wenn Law etwas vermissen würde, dann war es allein dies. Ihn zu sehen. Nachdem die letzten Schüler der unteren Jahrgänge verschwunden waren, erhoben sich auch die ältesten Schüler unter dem Baum. Selbst wenn die Lehrer es nicht verwundert hätte, wenn sie lieber draußen gewesen wären, so wäre es dennoch ziemlich sinnlos in die Schule zu gehen, aber den Unterricht zu schwänzen. Es sei denn, man war für etwas ganz anderes gekommen. Etwas, was wahrscheinlich nicht einmal mehr an der Schule zu finden sein würde. Etwas, was nach den Sommerferien verloren sein würde, wie die einfache Zeit, die Kindheit und die kleinen Probleme. Ausgelassen plaudernd betraten die jungen Männer die Schule, deren kühler Schatten wohltuend nach der heißen Sonne war. Law musste blinzeln um nach dem hellen Sonnenlicht im Schatten des Gebäudes wieder etwas zu sehen. Er wusste nicht einmal mehr welches Fach er gleich besuchen würde, folgte einfach nur seinen Freunden die große Treppe hinauf und blickte aus der neu errichteten Glasfront nach draußen. Sollte er vielleicht außerhalb der Schule suchen? Am Besten er suchte gar nicht mehr. Nie mehr. Jedoch spürte er die Sehnsucht schon jetzt in seinem Brustkorb drücken. Wenn sie einfach nur Freunde wären, könnte er ihn immerhin sehen. Doch so. So war er nicht mehr zu halten, wie Sand in der Hand. Law wendete den Blick ab und folgte den Anderen den Gang entlang in ihren Deutschsaal. Sie hatten nicht einmal die gleichen Fächer, Mathematik zusammen und Biologie. In letzterem war Law dann sogar vom Unterricht zu abgelegt gewesen um die kostbare Zeit zu nutzen ihn anzusehen. Doch das war nun zu spät. Ihr Biologiekurs war bereits beendet worden und in Mathematik hatte er das letzte Mal ein rotes Haar vor den Prüfungen gesehen. Vielleicht sollte er an etwas anderes denken. Der Film, den ihre Lehrerin ausgesucht hatte ihnen zu zeigen, damit sie die Zeit bis zum Klingeln überbrücken konnten, gefiel Law nicht. Es war ein schnulziger Romantikfilm und so blickte der Dunkelhaarige aus dem Fenster. Er wollte sich nicht ansehen, wie zwei berühmte Schauspieler in den Rollen eines Liebespaares ihre große Liebe fanden. Er wollte auch nicht die Illusion sehen, dass Liebe alles überwinden konnte, dass man nur mutig sein musste, dass Mut sich auszahlte. Er wollte nicht zugeflüstert bekommen, dass alles so einfach war. Dass er nur ehrlich sein musste. Alles Lügen. Märchen. Nichts als schöne Träume. Schäume. Law wäre am Liebsten gegangen. Es erinnerte ihn wieder zu sehr an diese eine Person, die kitschige Musik zauberte rotes Haar vor seine Augen und ein beklemmendes Gefühl in seine Brust. Liebe war nicht romantisch. Nicht kitschig schön und harmonisch. Liebe tat weh. Sie machte schwach und sehnsüchtig, ließ den eigenen Willen schwinden und den Kopf ausschalten. Liebe in der Luft machte abhängig und traurig und die ganze Welt außer einem einzigen kleinen Flecken grau. Sie machte Schwierigkeiten und Ärger und Probleme, stürzte einen in Selbstzweifel und brachte selbst den stärksten Charakter zu Fall. Liebe war ein tückisches Ding und Law wünschte, dass sie ihn verschont hätte. Dass er hier sitzen und sich das Geschlabber auf dem kleinen Bildschirm mit Amüsement hätte ansehen können, als fast sehnsüchtig auf das zu blicken, was die beiden Personen da taten. Sich zu wünschen selbst so zu stehen in diesem Moment, den Mann an seiner Seite, den er schon seit Jahren liebte. Ihn anlächeln und küssten konnte. Berühren, lieben und geliebt werden. Law sah wieder aus dem Fenster und seufzte innerlich. Liebe machte so schwach. Er hasste sie. Auch gab es nie eine Chance für sie. Es war ja nicht so, dass Law es nicht versucht hätte. Nun, er hätte es zumindest versucht. Wollte. So oft, aber eine innere Stimme rief ihn immer wieder zur Vernunft. Zeigte mit dem Finger auf die Mädchen, die immer wieder mit dem Rothaarigen ausgingen. Zeigte mit dem Finger auf dessen Freunde, die so gerne andere Leute als schwul gezeichneten und sich darüber lustig machten. Zeigte auch auf Law selbst und die inneren Zweifel. Selbst wenn sie ein Paar werden würden, sie wären kein gutes und sie wären es nicht lange. Sie hatten doch früher schon immer gestritten, ihre Rivalität hatte für eine lange Zeit die Schule beschäftigt. Sie gespalten und in zwei Lager geteilt. Erst als sie Frieden geschlossen hatten und begonnen hatten sich immer mehr spaßhaft zu Ärgern, war Harmonie an die Schule zurückgekehrt. Aber das lag auch daran, dass sie sich so gut wie nie sahen. Wenn es eskalieren könnte, waren sie ohnehin schon wieder in anderen Klassenzimmern. Und am nächsten Tag spielen sie wieder andere Spielchen. Selbst wenn Laws Spiele immer mehr freundlicher Natur gewesen waren. Sicherlich hatte er sich nie die Blöße gegeben, dass er den Rothaarigen mochte, aber er hatte auch nicht mehr so getan, als würde er ihn hassen. Vielleicht, als wäre er ihm egal. So eine Lüge. Er war ihm nie egal gewesen. Er hatte es geliebt mit dem Rothaarigen zu scherzen und ihn zu ärgern, seine Zeit so zu vertreiben. In seiner Nähe zu sein, angesehen zu werden. Wahrgenommen zu werden. Und Law begann sich einzubilden, dass die Lächeln, die er bekam sanfter waren als früher, freundlicher. Er wünschte sich, dass sie eine versteckte Botschaft innehatten. Dass der Rothaarige ihn begehrend ansah. Ihn wollte. Ihn liebte. So wie Law es tat. Doch jene roten Augen sahen immer nur amüsiert und angriffslustig zu ihm. Und so blickte Law auch zurück, verbarg alles, was wirklich in ihm lag und ignorierte den Rothaarigen, wenn es ihm gefiel, ärgerte ihn, triezte ihn. Und hoffte, dass dieser ihn dadurch mehr ansah. Vielleicht die gleiche Sehnsucht in sich aufkeimen spürte. Shachi hatte einmal spaßhaft gefragt, ob er sich nach einem Mädchen umsehen würde. Law hatte nur gelacht. Innerlich aber hatte er weinen wollen. Ja, er sah Mädchen hinterher. Aber nur jenen, die immer wieder auf dem Schoß des Rothaarigen thronten und all das hatten, was er nicht haben durfte. Er wollte sie nicht. Er war eifersüchtig auf sie. Der Film endete, ein Happy End. Nicht Laws Ende. Nur noch diese Woche, drei Tage, dann würde er die Schule für immer verlassen. Ihn für immer verlieren. Er glaubte nicht, dass sie sich wieder sehen würden. Er wusste nicht einmal, was der Rothaarige machen würde. Sicherlich nicht an eine Universität gehen und Medizin studieren. Vielleicht sahen sie sich ja einmal wieder, in zehn, zwanzig Jahren, wenn der Rothaarige in seine Praxis kam, an der Hand seine erkrankte Tochter, nicht viel Zeit, weil der Älteste vom Fußballtraining abgeholt werden musste. Vielleicht würde Law ihm dann ja alles sagen. Vielleicht hatte er dann ja einen anderen Partner, war glücklich und sie konnten darüber lachen. Doch jetzt konnte er nicht lachen. Ihm war nicht mehr danach. „Alles in Ordnung, Law? Du guckst wie drei Tage Regenwetter.“ Law reagierte nicht einmal. Er wollte nach Hause, wollte aus der Schule, die ihn an jeder Ecke an das erinnerte, was er nicht haben konnte. Was er so sehr wollte. Aber was nie seines sein würde. Die Stimmung des Dunkelhaarigen schien immer weiter zu sinken, bis selbst seine Freunde ihn nicht mehr bedrängten, sondern allein ihre Gespräche führten. Law war es nur Recht so. Er hasste es verliebt zu sein. Es gab nichts Schlimmeres auf dieser Welt. Nichts Schmerzlicheres. Fast hätte er die letzten beiden Stunden in Geschichte geschwänzt und einzig die Aussicht damit seinen wunderbaren Durchschnitt von null Fehlstunden zu zerstören hielt ihn auf seinem Platz. Er war einfach nur deprimiert und hörte kaum auf das, was sein Lehrer an seiner Tafel sagte, froh, als dieser sie für eine Recherche in die Bibliothek entließ. Da konnte er immerhin ein wenig allein sein und war nicht ständig den gaffenden Blicken Penguins und Shachis ausgeliefert. Ein wenig nachdenken. Und vielleicht doch einfach gehen, wenn er nicht mehr wollte. Wer würde ihn schon aufhalten. Die Bibliothek war der Stolz der Schule, groß und breit gefächert. Oftmals tuschelten Schüler amüsiert, dass die Schule besser mehr Geld in das Gebäude selbst als in die Bücher stecken sollte. Doch Law hatte das nie gestört. Er fühlte sich zwischen den staubigen Seiten der Bücher wohl und die medizinische Abteilung der Schule war für ihn immer ein guter Quell an Wissen für seine Wissbegier gewesen. Auch jetzt schien die dumpfe Stille ihn zu beruhigen. Die anderen Schüler in den geschichtlichen Regalen hinter sich lassen, zog der Dunkelhaarige sich weiter nach hinten zurück wo es wieder etwas leiser war und er rastlos über die Buchrücken strich. Lyrik, Epik. Sein Blick glitt rastlos über die Titel der vielen Romane. Liebesbücher. Geschichten über die Liebe. Die schöne Liebe. Law hätte sie getötet, wenn er gekonnt hätte. Hätte ihr wehgetan, so wie sie ihm wehtat. Wie sie ihn an dem zweifeln ließ, was er immer gewesen war und was er nie als falsch empfunden hatte. Er hatte angefangen an sich zu zweifeln. Hatte sich gefragt, ob er gut aussah. Oder er attraktiv war. Ob jemand ihn wohl lieben könnte. Nie hatte er über so etwas nachgedacht. Immer war er von sich selbst überzeugt gewesen. Hatte sich selbst für perfekt gehalten. Sein Selbstbewusstsein war nicht gering. Nur dann, wenn es um ihn ging. Denn er sah ihn nie an. Und wenn, dann lag ein spöttisches Funkeln in den schönen Augen, ein herablassendes Grinsen auf den Lippen, die Law so gerne nur einmal küssen würde. Der Rothaarige hatte kein Interesse an ihm. Wahrscheinlich stand er einfach nicht auf Männer, er hatte schon genug Beziehungen zu Frauen um das eigentlich auszuschließen. Doch Law hoffte dennoch. Hatte sich gefragt, ob es an seinem Stil liegen könnte. Ob der Rothaarige ihn nicht schön genug fand. Ob er hässlich war. Es gab genug Leute, die seine Tattoos belächelten. Könnte dies den Rothaarigen abstoßen? Law hatte an sich gezweifelt. War daran verzweifelt. Und hatte eingesehen, dass er niemals eine Chance haben würde, hatte es abgeharkt. Nun, sein Kopf hatte es. Sein Herz nicht. Gedankenverloren zog er eines der Bücher aus dem Regal und wie es das grausame Schicksal wollte war es Romeo und Julia. Wieder so eine Liebesgeschichte. Aber ohne Happy End. Es könnte seine sein, wenn es in seiner überhaupt eine Liebesgeschichte gäbe. In Büchern war das so einfach. Unglückliche Liebe gab es nicht. Selbst Bad Ends waren selten. Doch in der Realität war das etwas anderes. Vielleicht hätte er mehr Chancen, wenn er ein Mädchen wäre. Eines mit langen, blonden Haaren, schmaler Taille, großen Brüsten. So sahen zumindest die Mädchen aus, die der Rothaarige immer um sich hatte. Wie viele er wohl schon in sein Bett gelassen hatte? Glücklich gemacht hatte? Wenn Law nicht so stolz wäre, hätte er sich auch gerne versucht. Hätte getan, als wäre es nur Lust und Laune um einmal in seinem Bett gewesen zu sein. Ihm einmal nahe gewesen zu sein. Nicht mehr. Nur die kleine Hoffnung im Hinterkopf, dass der Rothaarige vielleicht in jener Nacht merkte, dass auch er verliebt war. Und das nicht in ein Mädchen mit großen Brüsten. „Liebeskummer?“ Law fuhr zusammen und hätte fast das Buch in seinen Händen fallen gelassen. Erschrocken und mit wie wild schlagendem Herzen drehte er sich um und blickte direkt in zwei so schöne, rote Augen, wie er sie nur ein einziges Mal gesehen hatte. Und nie wieder zu sehen geglaubt hatte. Das musste ein Traum sein. Ja, bitte ein Traum! Dann würde er nicht mehr lügen müssen. „Eustass.“, kam die recht unterkühlte Antwort des Dunkelhaarigen, der zumindest versuchte sich äußerlich wieder zu fassen. Noch immer schlug ihm das Herz bis zum Hals, dass er glaubte der Rothaarige müsse es hören können. Dieser jedoch schien sich rein gar nicht an der unfreundlichen Begrüßung zu stören, sondern schnappte sich einfach das Buch aus Laws Händen und blickte auf den Einband. „Romeo und Julia, he? Suchst du nach Tipps um ein Mädchen rum zu kriegen?“ Das gehässige Grinsen erwiderte Law nur mit einem kalten, desinteressierten Blick. „Als ob ich es nötig hätte.“ „Bisher hat man dich ja noch nie mit einem Mädchen gesehen, du Möchtegern.“ Laws Lippen verzogen sich zu einem überheblichen Grinsen. Nein, nein, das lief doch alles wieder in die ganz falsche Richtung. Wollte er Kid nicht seine Liebe gestehen? Dem Mann, der ihn gerade beleidigte? „Vielleicht weil ich Frauen mit Stil date und nicht solche Schlampen, die den ganzen Tag auf deinem Schoß rumturnen.“ Kid lachte nur leise auf und kam einen Schritt näher, nun einen funkelnden Blick in den Augen, der Law gleich ein unsicheres Gefühl bescherte. Jedoch blieb er stehen, verbot sich zurück zu weichen, selbst als er Kids Atem in sein Gesicht schlagen spürte. „Ach ja? Ich habe da etwas anderes gehört. Nämlich dass du auf Kerle stehst.“ Das Entsetzten musste sich in seinen Blick geschlichen haben, bevor er es verbergen könnte, denn auf Kids Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus. Was? Würde er ihn jetzt auslachen? An die Schule verraten und diese die Arbeit machen lassen? Ihn bespucken? Beschimpfen? Demütigen? Wusste Kid, was er für ihn empfand? Tausende Fragen schossen Law durch den Kopf, der nun doch unwillkürlich zurück wich, wobei er jedoch zusammenzuckend gegen das Bücherregal stieß. Er hatte es sich immer gewünscht. Dass Kid wusste, dass er ihn liebte. Dass dieser seine Gefühle erwiderte. Dass der Rothaarige ihn auch liebte. Aber er hatte nie etwas getan, damit jener Wunsch war würde. Er hatte sogar immer versucht alles zu vertuschen. Wollte lieber mit Kids Ignoranz, als mit seinem Ekel leben. Lieber gar nicht angesehen werden, als wie Dreck. Und nun. Nun war es aus, er hatte sich selbst verraten, nur ein Blick, einmal nicht die kalte Maske über den verräterischen Seelenspiegel und er hatte alles verloren. Es waren ohnehin nur noch drei Tage, dann würde er Kid nie mehr sehen müssen. Law war nicht einmal fähig zu leugnen, was hätte es nun auch gebracht. Instinktiv wollte er die Flucht ergreifen, zur Seite ausweichen, doch Kid reagierte schnell und kesselte den Dunkelhaarigen zwischen sich und dem Bücherregal ein. Fassungslos starrte Law einen Moment auf die Hand, die sich neben ihm in Augenhöhe an einem Regalbrett abstützte, ehe sein Blick zurück zu Kid glitt, nun selbst blitzend vor Wut. „Lass mich gehen.“ „Also wirklich? Bist du schwul?“ „Und wenn?“, fragte Law provokanter und selbstsicherer, als er in diesem Moment war. Eigentlich war es ihm egal was die Leute von ihm sagten. Was die Schule über ihn sagte. Aber Kid war ihm nicht egal. Es tat schon weh, wenn dieser nicht mit ihm sprach und ihn nicht beachtete. Law wollte nicht den Schmerz einer Demütigung aus dem Munde erfahren, den er so viel lieber küssen würde. Doch Kids Blick wurde nicht spöttisch oder angeekelt, tatsächlich schien er sogar jenen Funken zu verlieren. Unsicher erwiderte Law den Blick aus den roten Augen, die plötzlich so ernst schauten, wie Law sie noch nie gesehen hatte. Und es machte ihn nervös. Es war, als wartete Kid auf etwas. „Lass mich endlich gehen, ich habe noch etwas zu tun.“, blaffte der Dunkelhaarige schließlich unelegant und nach einem kurzen Zögern zog Kid tatsächlich seine Arme zurück und trat sogar nach hinten. Law jedoch beachtete es nicht. Das Buch Kid entreißend und fest in seinen Händen umklammert warf er keinen Blick zurück, sondern eilte einfach nur die Regalreihe entlang. Das war nun also das Ende. Der Tod all seiner Träume. Er würde nicht mehr träumen, schämte sich selbst dafür, dass er jemals gehofft hatte, dass dieser Mann ihn lieben könnte. Dass er so schwach gewesen war sich so abhängig von den Gefühlen eines anderen zu machen. Gefühle, die niemals das gleiche für ihn empfinden würden. Wütend über sich selbst biss der Dunkelhaarige sich auf die Lippe, verbot sich nun auch nur eine Träne zu vergießen. Er war jung, er hatte kaum gelebt. Er würde Kid vergessen und jemand besseren finden. Jemanden, der besser zu ihm passte, der ihn auch liebte. Jemand, der ihm zeigte, was er niemals von Kid hatte haben können. Das Buch in irgendein Regal werfend, eilte der Dunkelhaarige aus der Bibliothek. Es war ein Glück, dass es ohnehin nur Minuten später klingelte. Noch bevor die anderen zurückkamen, hatte Law bereits seine Tasche genommen und war gegangen. Aus der Schule, weg von allem. Weg von Kid. Der Dunkelhaarige schüttelte schnell den Kopf, als der Rothaarige ihm in den Sinn kam. Nein, er würde nie mehr an diesen Namen denken. Kid war für ihn gestorben. Er musste nur noch zwei Tage durchhalten, dann wäre er ihn für immer los. Law hatte überlegt die letzten Tage einfach zu schwänzen. Daheim zu bleiben, sich zu verstecken. Ihm war danach. Danach und danach sich zu vergraben. Den Kopf in den Sand stecken hieß das Sprichwort. Und Law hatte es nie so gut verstanden wie an jenen Tagen. Doch er würde nicht den Schwanz einziehen. Egal was Kid noch zu ihm sagen würde, er würde es überstehen und dann musste er den Rothaarigen nie wieder sehen. Allein die Vorstellung tat so weh und ließ das Herz des Dunkelhaarigen sich zusammen ziehen. Liebeskummer hatte Kid gesagt. Wenn er nur wüsste wie Recht er hatte. Den nächsten Tag in der Schule nahm er kaum wahr. Er verbot es zu irgendjemandem zu sehen, aus Angst er könnte zufällig in rote Augen blicken, hielt sich abseits und sprach selbst mit seinen Freunden kaum. Immer wieder hatte er das Gefühl, dass um die nächste Ecke der Rothaarige lauern und ihn auslachen würde. Oder gespielt geekelt einen Schritt beiseite und eine laute, dumme Bemerkung, dass alles darüber lachten. Es war lange her, dass sie wirklich gemein zueinander gewesen waren. Sich wirkliche Streiche gespielt hatten und wirkliche Feinde gewesen waren. Doch Law hatte Angst, dass es so sein würde wie damals. Einfach, weil er sich verletzlich fühlte. Wenn es einen Menschen gab, der ihn verletzten konnte, dann war es Kid. Und dieses mal fühlte Law sich nicht dazu imstande einem solchen Kampf stand zu halten. Der Tag verging ohne dass Law den Rothaarigen zu Gesicht bekam. Einerseits erleichterte ihn dies, andererseits deprimierte es ihn. Er wollte Kid so gerne wieder sehen. Ihm sagen, dass er wirklich schwul war, dass er in ihn verliebt war, schon so lange. Würde so gerne sehen wie sich Freude auf den hübschen Zügen ausbreitete und Kid ihm ebenso seine Liebe gestand. Law hasste sich selbst für diese Träume. Weil niemals das passieren würde, was er sich erträumte. Er würde Kid niemals die Wahrheit sagen. Es war zu spät. Auch am nächsten Tag sah der Dunkelhaarige Kid nicht mehr. Der Tag ging vorüber und die Zeugnisse wurden verteilt, Law wie immer einer der Besten, doch er hörte es kaum. Damit war er nun also entlassen. Frei gesprochen von der Schule. Einen Schritt weiter erwachsen zu sein. Doch er zweifelte daran. Hatte die Schule ihn wirklich auf das Leben vorbereitet? Er wusste wie er einen Graphen beschreiben musste, aber wusste er, wie man jemandem seine Liebe gestand? Er wusste wie man ein Bild in eine Epoche einordnete, aber wusste er, wie man mutig war? Waren nicht das alles eigentlich die wichtigen Dinge? Die Dinge, die er brauchte um glücklich zu sein? Dieses Zeugnis machte ihn nicht mehr glücklich. Nicht so, wie er einmal gedacht hatte, dass es ihn machen würde. Wahrscheinlich würde er es eintauschen, wenn er könnte. Eintauschen gegen die Liebe einer einzigen Person. Das einzige, von dem er glaubte, dass es ihn würde glücklich machen können. Doch er hatte nur dieses Papier und fragte sich zum ersten Mal, ob er bereute, dass er nie mehr riskiert hatte als das hier. Sich von den anderen verabschiedend, die nun feiern gehen wollten, verließ Law die Schule allein. Sein Blick war leer und sein Magen fühlte sich seltsam flau an. Vielleicht sollte er sich einfach zuhause hinlegen und schlafen. Den Tag vorbei gehen lassen und ab morgen nie wieder an seine alte Schule denken. Nie wieder an ihn denken. Oder sich an einer Tanke eine Flasche Schnaps kaufen und sich einfach betrinken. War das nicht das Klischee bei Liebeskummer? „Trafalgar!“ Oder er würde ein gutes Buch lesen. Bis zum Semesterbeginn an der Universität war es noch etwas, er sollte die Zeit nutzen. Immerhin waren dies die letzen Ferien die er so lange in seinem Leben haben würde. „Hey, Trafalgar!“ Vielleicht sollte er auch verreisen. Sich seine Ersparnisse nehmen und ein paar Monate ins Ausland gehen, etwas Neues sehen und alles hier für ein wenig vergessen. Vielleicht würde er ja jemanden kennen lernen und es endlich akzeptieren, dass er nicht mehr verliebt war. Einfach leben und lieben, wie seine Freunde es taten. Ungezwungen und ohne den ständigen Gedanken, dass er vielleicht doch mit seiner Liebe zusammen kommen konnte. „Law!“ Kid packte den Dunkelhaarigen grob am Arm und zwang ihn damit dazu stehen zu bleiben. Doch Law wollte nicht mehr in die schönen roten Augen sehen, die er so liebte. Er wollte sie vergessen. „Was?“ „Kannst du mich auch ansehen, wenn ich mit dir rede?“ Kids Stimme klang genervt und als Law ihn anblickte sah er auch so aus. Genervt und irgendwie angespannt. Ein Anblick, den man von dem Rothaarigen wirklich selten so gewöhnt war. Doch weiter schien Kid auch nichts mehr zu sagen zu wissen, weshalb sie sich beide einfach nur schweigend anblickten, bis es Law zu bunt wurde. Er konnte nicht länger in diese schönen Augen sehen, ohne schwach zu werden. „Wenn du nur da bist um mich anzustarren, mach lieber ein Foto und verschwinde wieder.“ Und zu seiner größten Überraschung wurde Kid rot. Eustass Kid wurde rot. Hatte es so etwas schon einmal gegeben? Vollkommen von dieser Reaktion überrascht starrte Law den jüngeren Schüler an und konnte nicht verhindern selbst zu erröten. Verdammt, warum musste das jetzt passieren? Aber Kid sah so niedlich aus. So verletzlich auf einmal. Die warme Hand verschwand von Laws Arm und sogleich vermisste er die Berührung. Dem Rothaarigen schien seine Reaktion selbst peinlich zu sein. Betreten beiseite sehend wusste auch Law nicht so recht wo er hinsehen sollte und musterte einen unbestimmten Fleck auf der anderen Straßenseite, ehe er seinen Mut zusammen nahm und in einem weichen, ehrlichen Tonfall meinte: „Was wolltest du denn?“ Zögernd zu Kid blickend, begegnete er dessen Blick. Kids Wangen waren noch immer leicht gerötet, doch seine Augen blickten nun wieder ernst und offen. Und mutig? Law wusste nicht, was er mit jenem Blick anfangen sollte. Er machte ihn nervös. Und vor allem sollte Kid nun endlich etwas sagen. Diese Stille war einfach unerträglich. Doch Kid schwieg. Sagte nichts und schien plötzlich einen Entschluss gefasst zu haben. Vollkommen perplex wurden Laws Augen groß, als der Rothaarige die Hände hob und damit Laws Gesicht umfasste. Der Dunkelhaarige hätte wohl alles erwartet, aber nicht eine solche Geste. Eine Geste, die man doch sonst nur tat, wenn man … Augenblicklich wurden Laws Wangen noch röter, als er unfähig einen Gedanken zu fassen zu Kid aufblickte, der kurz schluckte und dann sowohl über seinen Schatten, als auch über Laws Schatten sprang. Und Law liebte ihn dafür. Der Dunkelhaarige wusste kaum wie ihm geschah, als sich sein Schwarm plötzlich nach vorne beugte und ihn küsste. Küsste! Auf den Mund! Einfach so! Laws Herz schien explodieren zu wollen und irgendwo in seinem Innersten musste jemand eine Wagenladung Schmetterlinge verloren haben. Ein unfassbares Glücksgefühl schoss in ihm empor und überdeckte alle negativen Gedanken, die er eben noch gehabt hatte. Dass er Kid vergessen wollte und dass dieser ihn nie geliebt hatte. All das verblasste gegenüber der eingetretenen Empfindung, die sich wie ein Sturm anfühlte. Wie von selbst schlossen sich seine Augen und der Dunkelhaarige lehnte sich weiter in den Kuss, bewegte scheu die Lippen und seufzte, als Kid ihm darauf antwortete. Law fühlte sich, als wäre er ein kleines Schulmädchen und kein erwachsener Mann, als er schüchtern eine Hand in Kids Nacken legte und dort die feinen, weichen Härchen streichelte. Gott, wie oft hatte er sich das schon vorgestellt. Doch in seinen Vorstellungen war es nie so gut gewesen wie das hier. Atemlos, als hätten sie eben einen Marathonlauf absolviert, lösten sie sich von einander und blickten beide sehr verlegen ein wenig an einander vorbei. Laws Herz schlug noch immer wie verrückt und seine Hände waren feucht, als er sie verlegen aus Kids Nacken löste. War das eben wirklich passiert? Träumte er nicht vielleicht schon, oder hatte sich betrunken? Und wenn es so war, dann wollte er weder jemals wieder nüchtern werden, noch jemals wieder aufwachen. „Das Vorgestern.“, fing Kid schließlich an und blickte scheu zu Law auf, der selbst erst jetzt den Blick hob. „Ich wollte dich nicht beleidigen oder verletzen. Eigentlich hatte ich gar nichts gehört, dass du schwul sein sollst. Das hatte ich nur erfunden um herauszufinden, ob du es bist. In den letzten Tagen habe ich darüber nachgedacht, dass wir uns nach der Schule vermutlich nicht mehr sehen würden und da wollte ich … es einfach versuchen.“ Law spürte sein gesamtes Gesicht brennen. Wollte Kid damit sagen … ? „Ich liebe dich schon eine ganze Weile, wenn ich ehrlich bin. Aber irgendwie … Ich wusste nie so recht wie ich es sagen sollte. Und du wirktest immer so distanziert. Hast mich ignoriert. Und ich wusste nicht einmal, ob du auch auf Männer stehst.“ Sich selbst von innen auf die Wange beißend erhob Law zögernd die Stimme. „Und die ganzen Mädchen?“ „Tarnung.“ „Verstehe.“ Erneut sahen sie sich einfach nur verlegen an, unsicher, was sie nun sagen sollten. Was bedeutete das nun? Waren sie jetzt zusammen? Oder ging sie erst einmal aus? Ganz unverbindlich? Es waren Ferien, sie hatten Zeit. Doch Zeit hatten sie in den letzten Jahren genug gehabt und sie nie genutzt. Sollte er einfach fragen? Kid war schon mutiger gewesen als er, er sollte sich nicht mehr genieren. „Und?“ Überrascht aufsehend, als Kid das Wort ergriff blickte Law diesen an. Der Rothaarige kratzte sich verlegen am Kopf. War das eine Frage, ob sie zusammen sein wollten? „Was meinst du?“, fragte Law deshalb aufgeregt und beobachtete wie Kid sich auf die Lippe biss. Jene Lippen, von denen Law nun wusste, wie gut sie küssen konnten. „Na … und du? Liebst du … mich auch?“ Hatte er das noch nicht gesagt? „Ja.“ Ein Lächeln breitete sich auf Laws Gesicht aus, langsam, aber stetig und griff schließlich auch auf Kids Lippen über. Law hatte nichts mehr zu befürchten. Der Rothaarige liebte ihn, liebte ihn genauso wie er es sich immer gewünscht hatte. Was zögerte er noch? Die Arme um Kids Nacken schlingend zog er diesen zu sich hinab und hauchte, noch immer rot im Gesicht, an dessen Lippen. „Ja, ich liebe dich auch. Ich liebe dich so sehr.“, ehe er den Rothaarigen küsste, leidenschaftlicher und mutiger als eben noch, küsste Kid so, wie er es sich immer gewünscht hatte. So, wie er nun nicht mehr wünschen brauchte. So wie er Kid immer küssen konnte, wenn er wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)