Twisted Paradise von Jani-chan (Turn the Page) ================================================================================ Kapitel 8: 8. Edge of Glory --------------------------- 8. Edge of Glory Jeremys Hände und Füße zitterten, während er versuchte, den Bogen zu spannen und sich gleichzeitig auf das Ziel – eine Baumscheibe in einigen Metern Entfernung –zu konzentrieren. Seit den frühen Morgenstunden tat er nichts anderes und das schon seit unzähligen Tagen. Und auch wenn er selbst den Eindruck hatte, dass er schon keine ganz so hoffnungslose Figur mehr abgab, wie er es am Anfang getan hatte, schien Glorfindel diese Ansicht nicht zu teilen. Auch war er wie erwartet alles andere als begeistert gewesen, als die Zwillinge ihn baten, Jeremy zu helfen und nur ihre Ausdauer und unterstützende Worte Elronds hatten den blonden Elben schließlich dazu bewegt, einzuwilligen. Doch er hatte darauf bestanden, dass ihm niemand in sein Training hineinredete und was an dem Nachmittag mit einem beinahe geknurrten „Ihr. Morgen. Vier Uhr. Draußen.“ an Jeremy begonnen hatte, war mittlerweile zu ausgeprägter Schikane herangewachsen. Denn Glorfindel wusste sehr genau, dass man zum Spannen des Bogens Muskeln brauchte, die Jeremy noch nicht einmal ansatzweise besaß. Und auch sein nicht sonderlich ausgeprägter Balancesinn war Grund für allerlei Spott. Jeremy versuchte, nicht hinzuhören, was jedoch nur von mäßigem Erfolg gekrönt war. Nach dem Training oder wenn es zu Unterbrechungen kam, weil Glorfindel anderweitig gebraucht wurde, ging Jeremy hinüber zu den Ställen, wo er mithalf, sich um die Pferde zu kümmern, denn wenn er reiten lernen wollte, so glaubte er es sinnvoll, sich mit den Tieren näher zu beschäftigen. Außerdem traf er dort ab und an auf einen oder beide Zwillinge und genoss die Gespräche und die Nähe der Elben, denen es bisweilen sogar gelang, die trübsinnigen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, die sich darin eingenistet hatten und nun vor sich hinbrüteten. Doch diese Treffen waren eher rar gemessen an der Zeit, die er von den frühen Morgenstunden an bis zum Sonnenuntergang unter den wachsamen Augen Glorfindels damit verbrachte, sicherlich lächerlich anzusehende Gleichgewichts- und Kraftübungen zu bewältigen, oder aber sich mit dem Bogen abzumühen. Wenn er abends nicht todmüde ins Bett fiel, schmökerte er noch ein wenig in den Chroniken und mit jeder Seite, die er las, wurde ihm klarer, wie nah Tolkiens Aufzeichnungen mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Und beunruhigt dachte er an das, was im Gange war und noch kommen sollte. „Darf ich fragen, wo Eure Gedanken sind? Ist Euch das Training möglicherweise zu anspruchslos?“ Jeremy ließ den Bogen sinken und blickte zu dem goldblonden Elb, der ihn herausfordernd anblickte. Seine Schulter brannte, doch dass würde er Glorfindel sicher nicht auf die Nase binden. ’In der Tat fühle ich mich gelangweit und unterfordert, können wir nicht etwas anderes machen?’ Am liebsten hätte er diese Bemerkung laut geäußert, doch er biss sich auf die Zunge und schüttelte den Kopf, bevor er erneut den Bogen hob und den Pfeil anlegte. Er zielte und schoss - der Pfeil flog gegen die Wand über dem Ziel und fiel zu Boden. „Eure Kontrolle ist miserabel und Eure Haltung armselig. Wenn Ihr so auf Orks trefft, ist es besser, Ihr fallt gleich in Ohnmacht, bevor Ihr Euch selbst und Eure Begleiter noch verletzt.“ Jeremy schluckte hart. „Ich werde mich an Euren gutgemeinten Rat erinnern, sollte ich mich in solch einer Situation wiederfinden, in der ich nichts anderes als einen Bogen zu meiner Verteidigung habe.“ Glorfindel musterte den Rothaarigen einen Moment erstaunt, dann funkelten seine Augen angriffslustig. „Ihr meint also, Ihr wäret mit dem Schwert geschickter als mit dem Bogen? Das ist interessant. Würde es Euch etwas ausmachen, mir eine Kostprobe Eurer Kunst zu geben?“ Fassungslos starrte der Junge ihn an, doch Glorfindel wartete gar nicht auf seine Antwort, nahm ihm den Bogen und die Pfeile ab und verschwand in einer Tür, nur um kurz darauf mit zwei Schwertern zurückzukehren, von denen er eines Jeremy reichte. Es war schwer und als Jeremy es aus der Scheide zog, glänzte es im Sonnenlicht. Angst überkam ihn, und als er Glorfindel anblickte, sah er auf dessen Gesicht ein spöttisches Grinsen. Der Elb schien sehr wohl zu ahnen, dass der Junge noch nie ein Schwert geführt hatte und Jeremy konnte nicht fassen, dass der Andere ihm etwas so gefährliches in die Hand gab, wohlwissend, dass er damit nicht umgehen konnte. „Worauf wartet Ihr? Ist die Tageszeit Euch nicht genehm? Oder sollen wir Euch ein paar Orks suchen, damit ihr Euch beweisen könnt, da Ihr Euch zu fein seid, Eure Klinge mit meiner zu kreuzen?“ Jeremys Herz schlug so laut, dass er sich unmöglich vorstellen konnte, dass der andere es nicht hörte. Er atmete tief aus, bevor er den Mund öffnete. „Ich habe noch nie ein Schwert in der Hand gehalten und ich vermute, Ihr wisst das sehr genau. Aus diesem Grund bin ich auch nicht geneigt, das Schwert gegen Euch zu erheben, nicht, weil mir davor bangte, mich zu blamieren, was ich Tag für Tag hier tue, sondern weil ich fürchte, Euch in meiner Ungeschicktheit versehentlich verletzen zu können. Doch wenn Ihr wollt, dass ich zeige, was ich mit dem Schwert aus- oder nicht ausrichten kann, dann wäre ich Euch für ein paar Orks sehr dankbar.“ Einen Augenblick lang starrte der Elb ihn an, dann brach er in Gelächter aus, wurde jedoch rasch wieder ernst. „Ihr seid erbärmlich. Und Ihr werdet nie ein Kämpfer werden. Doch um derer willen, die an Eurer Seite Mittelerde durchstreifen mögen, will ich Euch beibringen, mit dem Schwert umzugehen.“ Erstaunt lauschte Jeremy den Worten des Elben, dann schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Ich danke Euch, Lord Glorfindel.“ *** Einige Tage waren seitdem vergangen und Jeremy gewöhnte sich langsam daran, ein Schwert zu halten, auch wenn seine Hände von Blasen übersäht waren. Beide, da er gelegentlich die Hand wechselte, um seine Schulter zu entlasten, was Glorfindel mit einem Stirnrunzeln quittierte, jedoch nicht weiter darauf einging. Stattdessen widmete er seine Aufmerksamkeit Jeremys Haltung und dessen Beinarbeit, die den Worten des Elben zufolge nur kaum nennenswerte Fortschritte erkennen ließen, was ja eigentlich bedeuten sollte, dass es welche zu verzeichnen gab. Doch Glorfindel ließ ihm keine Möglichkeit, sich an seinen Besserungen zu erfreuen, und seien sie noch so gering. Manchmal war Jeremy nahe daran, zu verzweifeln, weil er, unabhängig davon, wie sehr er sich abmühte, in den Augen des Elben einfach nicht richtig und gut genug war und dieser ihn jeden noch so kleinen Fehler spüren ließ. Zum Glück hatten die Zwillinge seinen Reitunterricht aufgenommen und auch, wenn er sich alles andere als geschickt dabei anstellte und vermutlich furchtbar aussah, wie er da auf dem Pferderücken hing, genoss er die Stunden, die er fern von der glockenhellen Stimme verbrachte, die ihn durchgängig einen Versager schimpfte. Die Sonne stand bereits tief, als sie das Training beendeten. Jeremy war fix und fertig und mit einer Verbeugung verließ er Glorfindel und wollte gerade das Gebäude betreten, als er Hufgetrappel vernahm und sich neugierig umwandte. Vier Reiter in langen Elbenmänteln erschienen im Torbogen und ihre Pferde kamen auf dem Innenhof zum Stehen. Elegant stiegen sie ab. Ihre Gesichter waren von Kapuzen verborgen, doch anhand ihrer Erscheinung vermutete Jeremy, dass es sich um Elben handeln musste. Einer der Reiter war auf Glorfindel zugetreten und unterhielt sich mit ihm, während die anderen die Pferde in die Ställe brachten. Unvermittelt bemerkte Jeremy in seinem Augenwinkel Bewegung und als er den Kopf wandte, erkannte er die Zwillinge und Elrond, die sich eilig auf den Neuankömmling zubewegten. Auch wenn er viele Menschen gekannt hatte, denen das Poltern schwerer Schritte auf die Nerven gegangen war, so fand er es doch um einiges irritierender, dass alle hier sich vollkommen lautlos bewegten. „Arwen!“ Die Gestalt wandte sich um und streifte die Kapuze zurück, bevor sie ihren Brüdern um den Hals fiel. Auch sie hatte lange dunkle Haare und ein bemerkenswert schönes Gesicht. Ihr Lächeln, mit dem sie ihrem Vater entgegentrat, war warm und ehrlich und als sie einander in die Arme schlossen, fühlte Jeremy eine Spur von Sehnsucht in sich aufsteigen. Er wollte auch wieder einmal in den Arm genommen werden. Leise seufzend wandte er sich ab und wäre beinahe mit Elen zusammengestoßen, die sich unbemerkt an ihn herangeschlichen hatte. Erschrocken starrte er die Elbin an, die ihn verschwörerisch anblickte. Ein freches Grinsen umspielte ihre Lippen, als sie nach seinem rechten Arm griff und in Richtung des Badezimmers zog. Er seufzte wohlig auf, als er sich in das warme Wasser gleiten ließ. Es tat seinem geschundenen Körper unvorstellbar gut, auch wenn die zahllosen Kratzer und Schrammen unangenehm brannten. „Du siehst nicht gut aus“, stellte Elen fest und als Jeremy ihrem Blick folgte, war ihm klar, worauf sie anspielte: Sein ganzer Körper war von blauen Flecken übersäht, die fröhlich durch die Wasseroberfläche schimmerten und ihn wie ein sehr modernes Kunstwerk aussehen ließen, bei dem jemand willkürlich Farbe auf die Leinwand gespritzt hatte. Er hob die unverletzte Schulter und lächelte die Elbin zuversichtlich an, die ihn ihrerseits besorgt musterte. „Wer zu kämpfen lernen will, darf nicht erwarten, dass man ihn mit Samthandschuhen anfasst.“ „Das ist schon richtig.“ Elen nickte zustimmend. „Aber ich frage mich, ob Glorfindel wohl bewusst ist, dass er einen Menschen vor sich hat und keinen Elben und dementsprechend vielleicht eine andere, weniger grobe Methode angebracht wäre.“ „Das dort draußen war Elronds Tochter, nicht wahr?“, wechselte Jeremy das Thema, da es ihm unangenehm war, über Glorfindels Lehrpraktiken zu sprechen. Elen blickte ihn ernst an, ging dann jedoch auf seine Frage ein. „Ja, das war Arwen Undomiel. Sie hat einige Zeit bei ihrer Großmutter in Lothlorien verbracht. Sag nur, du findest Gefallen an ihr? Wenn das so ist, muss ich dir leider sagen, dass ihr Herz bereits einem anderen gehört und du keinerlei Chance bei ihr haben wirst.“ Sie lachte, als sie Jeremys bedröppeltes Gesicht sah. Der schob die Unterlippe vor und tauchte bis zur Nasenspitze unter. „Du sahst traurig aus, als du sie gesehen hast.“ Jeglicher Spott war aus Elens Stimme gewichen und sie warf dem Jungen einen schon fast mütterlichen Blick zu. „Es hatte wohl weniger mit ihr zu tun.“ „Sag nur, du warst eifersüchtig auf sie? Ich meine, ja, Lord Elrond sieht gut aus für sein Alter, aber…“, sie kicherte, als der Junge sie böse anblickte und Wasser in ihre Richtung spritzte. „Du bist doch doof! Nein, ich habe mich nicht in Elrond verguckt, auch wenn ich zugeben muss, dass ich es durchaus verstehen könnte, wenn das der Fall wäre. Nein, ich beneide sie um ihre Familie, das ist alles.“ Mit ‚sie’ meinte er Arwen und Elen lächelte verstehend. „Aber du hast doch eine niedliche Schwester an deiner Seite?“ Jeremy schnaubte leise. Niedlich? Es gab ja viele Bezeichnungen, die auf Melanie zutrafen, aber ‚niedlich’ war nur in den seltensten Fällen darunter. „Mel ist meine Schwester, ja, aber wir sind nicht so eng miteinander verbunden.“ „Tja, dann…musst du dir wohl jemand anderen suchen. Wie wäre es mit Glorfindel? Er scheint dich ja ganz besonders zu mögen.“ Resigniert ließ sich Jeremy vornüber ins Wasser sinken. Am folgenden Morgen lernte er Arwen kennen, als er auf dem Weg zum Training beinahe mit ihr zusammengestoßen wäre, wäre er nicht im letzten Moment ausgewichen. Sie hatte gerade noch rechtzeitig ihre Arme ausgestreckt und ihn aufgefangen, bevor er mit dem Boden Bekanntschaft hatte schließen können. Verlegen entschuldigte er sich, als er wieder auf eigenen Füßen stand, doch sie lächelte wohlwollend. „Ich habe bereits viel von Euch gehört, Jeremy und freue mich, Euch endlich selbst kennen zu lernen.“ „Auch ich habe voller Spannung Euer Eintreffen erwartet.“ Der Junge musterte die Elbin mit ungläubigem Staunen, vollkommen überwältigt von ihrer Schönheit. Noch immer blickte sie ihn freundlich an. „Wart Ihr nicht auf dem Weg irgendwohin?“ Erst jetzt bemerkte er, dass er Glorfindel vergessen hatte und rasch entschuldigte und entfernte er sich, jedoch nicht, ohne einen Blick auf Arwen zurückzuwerfen, die ihm lächelnd nachblickte. Ende Kapitel 8 j-chan: Heute gibt es ausnahmsweise mal ein Nachwort. Meine Betaleserin und ich haben lange überlegt, wie der Titel des heutigen Kapitels lauten sollte. Angefangen bei ‘It will be fun they said’, ‘Time to burn’ und ‘Disturbia’ über nicht ganz so ernst gemeinte wie ‘Killing me softly’, ‘It must have been love’, ‘Bad Romance’ und ‘This ‘ain’t a lovesong’ zu ‘Playing with the big boys now’, ‘I’ll make a man out of you’ und ‘Needles and pins’, war viel passendes dabei, doch letztendlich habe ich mich für ‘Edge of Glory’ entschieden, weil Jeremy mit Aufnahme seines Trainings in kleinen, mühsamen Schritten seine Rolle in dieser Geschichte abzutasten beginnt, bis er dann tatsächlich eines Tages der Gefahr ins Auge sehen und seine Ängste zurückstecken kann. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber das harte Training bei Glorfindel und sein Wille, es durchzuziehen, unabhängig davon, was es kosten mag, sind die Grundlagen dafür, dass auch er eines Tages wird besungen werden können. Man freue sich darüber. Wie auch immer, ich hoffe, dass es euch gefallen hat und wenn ihr die Zeit und Muse findet, würde ich mich sehr über ein Feedback freuen. Ansonsten wünsche ich euch allen ein frohes Osterfest und eine schöne Woche. Eure j-chan Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)