Twisted Paradise von Jani-chan (Turn the Page) ================================================================================ Kapitel 12: 12. A black'n white Family Portrait ----------------------------------------------- 12. A black'n white Family Portrait „Nun ja, Owl City war es nicht, aber man konnte es erkennen.“ Melanie hatte die Arme verschränkt und blickte ihn kritisch an. „Tut mir ja leid, dass ich nicht Adam Young bin.“, antwortete Jeremy und blies die Wangen auf. „Es klingt so anders als die Musik, die man hier hört. Aber irgendwie schön.“ Verwirrt blickten die Geschwister auf und zu Elrohir und den anderen Elben, von denen einige zustimmend murmelten. Die Beiden hatten ganz vergessen, dass sie nicht allein waren. Jeremy lächelte verlegen. „Ja, es gibt durchaus schöne Lieder. Doch die sind natürlich nichts im Vergleich zu elbischer Musik.“ „Findest du?“ Eine dunkelhaarige Elbin, die vorhin auch schon geredet hatte, lächelte ihn an und sah dann zu den anderen die nickten. Und ehe sich die beiden Menschen versahen, hatten die Elbinnen schon ein Lied angestimmt. Da es in Sindarin war, sah Melanie ihren Bruder fragend an. Der lauschte verträumt und eine wohlige Wärme erfüllte ihn. Doch nach einer Weile verlor sich das Gefühl und wich einer kühlen Melancholie. Er schluckte, bevor er seiner Schwester erklärte, dass es um einen kleinen menschlichen Waisenjungen namens Banir ging, der einsam die Straßen der Welt beschritt und nach unzähligen Abenteuern unweigerlich seinem Ende entgegenlief. Melanie nickte leicht und als das Lied verklungen war, öffnete sie den Mund. „Das ist ein wenig wie die Geschichte von dem Jungen aus der Nachbarschaft, wie hieß er noch gleich?“ Jeremy spürte, wie sich ihm die Kehle zusammenschnürte. Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und als Melanie ihn anstieß, presste er seine Lippen aufeinander und nur mit Mühe brachte er den Namen Anton heraus. „Anton, genau. Der ist vor unserem Haus vor ein Auto gelaufen, eine Maschine zur Fortbewegung, da wir keine Pferde in der Stadt halten können und nur selten lange Strecken zu Fuß zurücklegen. Jedenfalls ist er vor unserem Haus gestorben, stimmt’s, Jemy?“ Der Angesprochene war weiß wie Kreide und versuchte vergeblich, das Zittern zu unterdrücken. „Er…“ Melanie sah ihn besorgt an, dann schien ihr ein Licht aufzugehen. „Oh, ich hab vergessen. Entschuldige. Du warst ja damals auf der Straße.“ Jeremy schüttelte verzweifelt den Kopf, darum bemüht, die Tränen zurückzudrängen, die sich unerbittlich ihren Weg in seine Augen suchten. „Es tut mir Leid, ich wollte nicht-.“ „Es ist okay, hör einfach auf!“, brachte er stockend heraus, doch Melanie schüttelte nur den Kopf. „Nein, wirklich. Es tut mir Leid. Papa sagte, es wäre alles in Ordnung und da du nicht…“ Tränen strömten nun über Jeremys Gesicht, während er verzweifelt um Fassung rang und jämmerlich scheiterte. „Jemy? Ich…“ „HÖR AUF!“ brach es plötzlich aus dem Jungen heraus, und sowohl Melanie als auch die Elben zuckten bei dem Geschrei des Jungen zusammen. Er war aufgestanden und blickte nun auf die Schwarzhaarige hinab. „Du hast keine Ahnung von nichts, also HALT GEFÄLLIGST DEN MUND!“ Tränen sammelten sich nun auch in den Augen des Mädchens. „Jeremy. Dein Ton ist alles andere als angemessen. Und könntest du bitte aufhören, zu schreien?“, mischte sich Elladan ein, der besorgt zwischen den Geschwistern hin und herblickte. „Nein! Es ist mir egal, ob mein Ton angebracht ist, oder nicht. Haltet Euch einfach raus!“ Geschockt starrten die Elben ihn an. „Jemy.“ Melanies Stimme war kaum hörbar. „Willst du wissen, was damals geschehen ist?“ „Ich…ich hab es gesehen. Ich stand am Fenster und hab dich da unten mit ihm auf der Straße gesehen. Du hast furchtbar geweint…“ Das Mädchen verstummte, als sie Jeremys bitteres Lachen hörte. Langsam ging er vor seiner Schwester in die Hocke. „In der Tat. Ja, ich habe furchtbar geweint. Das einzige Mal, dass ich wirklich geweint habe. Und weißt du auch, warum? Weil Anton der einzige richtige Freund war, den ich je hatte. Ich weiß, wir waren nie gemeinsam Zuhause, da unser Vater ihn nicht leiden konnte. Aber mich mochte er ja auch nicht, von daher war das ja egal. Wir haben uns anderswo die Zeit vertrieben, und es war die beste Zeit meines Lebens, weil ich jemanden hatte, der mich verstand, immer da war, mit dem ich über alles reden konnte. Und dann wollte er mich abholen und wird von diesem bekifften Assi umgefahren...“ Jeremy schluckte hart und schüttelte leicht den Kopf. „Jemy…“ Melanie streckte die Hand nach ihm aus, doch er wich ihr aus und schnaubte leise. „Aber das war ja erst der Anfang. Weil du unseren Vater erwähntest. Er kam dazu, als die Polizei da war und hat mich mit ins Haus genommen, hat mich zurechtgewiesen, ich solle nicht heulen, weil ein Junge nicht weint. Doch ich konnte einfach nicht aufhören und verkroch mich in meinem Zimmer. Einige Stunden später rief Mutter zum Essen. Ich hatte keinen Hunger, aber Vater kam hoch und schrie mich an, was mir denn einfiele, wenn Mutter zum Essen riefe, dann hätte ich auch zu erscheinen. Außerdem drohte er mir Schläge an, wenn ich nicht augenblicklich zu weinen aufhörte. Irgendwie schluckte ich meine Tränen hinunter, ging mit in die Küche und saß am Tisch, konnte jedoch nichts essen. Und als Mutter das auffiel, sprach sie mich darauf an und Vater antwortete, ich würde nur eine Szene machen und an mich gewandt, ich solle gefälligst essen. Ich gehorchte, behielt aber nichts drin. Jedenfalls fing er dann an, über Anton herzuziehen, wie viel besser es doch für alle sei, dass er nicht mehr da wäre und aus ihm wäre sowieso nichts geworden. Er hat ihn durchweg beschimpft und ich konnte nichts tun. Es war so furchtbar. Und dann hat er ihm die Schuld für den Unfall und die ‚Sauerei auf der Straße’ gegeben. Er hat gar nicht wieder aufgehört und Mutter hat ganz unbeteiligt danebengesessen und sich die Fingernägel lackiert.“ Jeremys Stimme versagte. Er presste eine Hand auf den Mund, um die Schluchzer zu unterdrücken. „Du lügst! Papa hätte so etwas nie getan!“ Nun war es an Melanie, lauter zu werden. Sie war ebenfalls aufgesprungen und starrte ihren Bruder nun mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut an. Erneut entwich ein freudloses Lachen Jeremys Kehle. Er richtete sich auf, verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. Seine Augen funkelten lieblos. „Oh sicher. Entschuldige, wenn ich dein Bild vom untadeligen Vater nicht teile. Er war ein Arschloch und du kannst mich von nichts anderem überzeugen. Sicher, du warst all das, was ich nicht war, abgesehen von einem Sohn, aber sportlich, interessiert. Die perfekte Vorzeigetochter für den Besuch von Fußballmatches und anderen Sportveranstaltungen. Mit mir konnte er nichts anfangen. Ich war einfach nur mangelhaft, egal was ich tat. Und das hat er mich auch spüren lassen, natürlich nicht vor seiner kleinen Prinzessin. Ich bin froh, dass du ihn nie betrunken erlebt hast. Das erste Mal war an dem Abend, als er seinen Job verlor. Vielleicht erinnerst du dich an den großen Flurspiegel, der plötzlich nicht mehr da war. Mein Kopf hatte an dem Abend Bekanntschaft damit geschlossen. Und es hatte seine Gründe, warum ich die meiste Zeit langärmlig bekleidet war.“ Melanie schüttelte fassungslos den Kopf. Sie konnte nicht glauben, dass ihr Bruder die Wahrheit sprach. Ihr Vater war immer so liebevoll gewesen, sie hatte damals geweint, als sie mit ihrer Mutter hatte gehen müssen, die sich überhaupt nicht für sie interessierte und nur mit sich selbst beschäftigt war. Sie hatte Jeremy dafür beneidet, dass er bei seinem Vater bleiben durfte. Nun fragte sie sich, ob sie nicht das bessere Los gezogen hatte. „Ich hätte niemals zugelassen, dass du bei ihm geblieben wärest, nicht nach dieser Nacht. Ich habe dich immer dafür beneidet, dass du wenigstens von einem Elternteil Aufmerksamkeit und Liebe bekommen hast, aber zu wissen, dass du Abends nach hause kommst, wenn er betrunken ist, oder wenn du jemanden mitgebracht hättest…“ Jeremy verstummte. Weinend standen sie einander gegenüber. Schließlich ergriff der Rothaarige wieder das Wort. „Es tut mir leid, dass ich dein Bild vom großartigen Vater zerstört habe. Ich hätte es dir gerne erspart, aber ich konnte es einfach nicht. Nicht nach allem, was passiert ist, Mel.“ Das Mädchen blickte ihn aus großen geröteten Augen an, dann stürmte sie einen der Pfade entlang aus seinem Blickfeld. Eine furchtbare Leere erfüllte Jeremy, als er sich ohne die Elben anzublicken abwandte und ebenfalls die Lichtung verließ. Er achtete nicht darauf, wo er hinlief und war nur milde erstaunt, als er sich bei den Ställen wiederfand. Einige der Pferde waren nicht auf der Koppel und Melloth, ein dunkelbraunes Tier, um welches er sich die letzten Tage viel gekümmert hatte, kam ihm entgegen und schnaubte leise. Jeremy strich ihm behutsam über die Nüstern und lehnte dann seinen Kopf gegen den Hals des Pferdes, während er sein Schluchzen nicht mehr zurückhalten konnte. Lautstark weinte er vor sich hin, während er dem Hengst die Mähne kraulte. Der ließ es einfach über sich ergehen und prustete ihm ab und an beruhigend ins Ohr, doch es half nicht. Jeremy war verzweifelt. Er hatte alles falsch gemacht. Er hatte seine Schwester verletzt, die Elben angeschrieen und sich auch beim Singen blamiert. Er lachte leise. Der letzte Punkt erschien ihm so lächerlich. Irgendwann verstummte sein Schluchzen und er weinte nur noch stumm in das Fell des Tieres. Er fühlte sich erbärmlich, doch die Nähe des Tieres tat gut. Er überlegte, ob er einfach davonreiten sollte, doch er entschied sich dagegen. Auch, wenn er sich daneben benommen hatte, würden die Elben sicher nach ihm suchen und er wollte nicht noch mehr Ärger verursachen, als er es bereits seit seiner Ankunft hier getan hatte. So begnügte er sich mit dem Gedanken, einfach alles hinter sich zu lassen. Irgendwann schlief er ein und fiel in das weiche Stroh auf der Erde. Er merkte nicht mehr, wie er hochgehoben und in sein Zimmer getragen wurde und auch nicht die besorgten Blicke, mit welchen die beiden dunkelhaarigen Elben ihn bedachten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)