Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 39: Entscheidungen -------------------------- 39. Kapitel: Entscheidungen Der November zog durch das Land und hinterließ ein Gefühl von Orientierungslosigkeit und Sehnsucht und auch von Angst. Er markierte einen Scheideweg, eine Gabelung an der sich das Leben entweder in die eine oder die andere Richtung wandte, eine Entscheidung, die aufzeigen würde was mehr Priorität im Leben hatte. Es war furchteinflößend, wenn das Leben zuvor relativ genau bestimmt worden war; wenn man das erste Mal wirklich frei war, konnte dies einen mehr beängstigen als die grausamste Gefangenschaft. Catherine lag auf ihrem Bett, einen Arm unter ihrem Kopf verschränkt, und sie starrte auf das fahle Licht, dass ihr Handy Display von oben herab in ihr Gesicht warf. Der Daumen ihrer rechten Hand wischte immer wieder über das kalte Glas, wechselte durch die verschiedenen Seiten des Menüs und verharrte länger auf dem SMS Button oder dem Symbol der Skype App als irgendwo sonst. Sie wollte Kontakt nach London aufnehmen, doch sie zögerte noch immer, obwohl dieser Wunsch seit einem Monat nur immer stärker geworden war. Sie fühlte sich überfordert mit der Entscheidung, die sie zu treffen hatte, fühlte sich allein und hilflos, als würde sie in einem kalten Meer treiben und sie müsste entscheiden wohin sie schwimmen sollte ohne zu wissen, wo das Ufer auf sie wartete. Leise klopften die Regentropfen gegen das Fenster. Auch in San Diego war es über den ersten Wintermonat kühler geworden, obwohl Engländer es noch immer als sommerlich bezeichnen würden. Catherine schaute kurz aus dem Fenster und dann auf ihren Wecker. Es war fünf Uhr morgens. In zwei Stunden musste sie zur Arbeit und ein weiterer Tag der Frist würde verstreichen. Die Weggabelung kam immer näher, bald müsste sie sich entscheiden, doch schob sie es immer weiter hinaus. Sie wollte nicht daran denken, denn ihr Magen verkrampfte sich jedes Mal, wenn sie anfing darüber nachzudenken. Was ihr Herz wollte, stand eigentlich außer Frage, doch ihr Verstand hatte noch immer Einwände. Unbehaglich fuhr sie mit den Schneidezähnen über ihre Unterlippe und begann schließlich eine SMS an John zu schreiben. Alleine, das hatte sie über den Monat hinweg erkennen müssen, würde sie niemals eine Entscheidung treffen. Beinah flehend wartete sie noch immer auf irgendetwas- ein Zeichen, eine Person, völlig egal was-, dass ihr die Entscheidung abnehmen würde, doch die Zeit wurde langsam knapp. „John, könntest du heute Nacht um 2 online sein?“, schrieb sie zögerlich. „Ich weiß es ist spät, aber ich komme dann erst von der Arbeit zurück und ich muss mit dir reden…alleine. Es ist wichtig.“ Noch einmal zögerte sie, schloss ihre Augen. Sie hatte doch alleine klarkommen wollen, doch wieder einmal kroch sie hilfe- und schutzsuchend zu ihrem Ziehvater. Er würde wissen, was zu tun war. Ganz bestimmt. Trotzdem schloss sie die Augen und fluchte innerlich. Verdammt, wieso war sie nur so unselbständig? Sie war doch eigentlich eine verantwortungsbewusste, vernünftige Frau, doch hier verhielt sie sich wie ein kleines Kind. Dabei war die Entscheidung eigentlich schon längst klar, denn ihr Herz schrie förmlich danach, doch gerade ihre Vernunft war es, die sie daran hinderte, diese Wahl zu akzeptieren. Es nützte alles nichts, sie brauchte eine zweite Meinung, weshalb sie schließlich die Nachricht abschickte. ~*~ John kam aus dem Bad und rubbelte sich gedankenverloren mit einem Handtuch durch die kurzen Haare. Der vorherige Tag war lang und die Nacht noch länger gewesen und nun fühlte er sich erschöpft. Obwohl es bereits ein Uhr mittags war, war er soeben erst aufgestanden, weshalb er herzhaft gähnte und seine etwas steifen Glieder streckte. Er wurde wohl doch allmählich alt. Langsam ging er zu seinem Laptop, den er mittlerweile mit in sein Schlafzimmer nahm um ihn vor Sherlocks Zugriffen zumindest ein wenig zu schützen. Sein bester Freund war wohl noch immer im Barts, wo John ihn letzte Nacht zurückgelassen hatte oder eher, Sherlock hatte ihn- genervt von seinem ständigen Gähnen- nach Hause geschickt um in Ruhe weiter zu experimentieren. Der Fall, an dem sie gearbeitet hatten und der abscheuliche Fälle von Tierquälerei enthielt und der Täter sich als eine Art junger Dexter entpuppte- mit dem Sherlock sich blendend verstand und einige Stunden im Verhörraum diskutierte-, war aufgeklärt und John wollte seinen freien Tag dafür nutzen um ihn niederzuschreiben. Zunächst jedoch checkte er seine E-Mails um festzustellen, ob er nicht eine Nachricht von Catherine erhalten hatte. Sie schrieben zwar regelmäßig, aber knapp und in größeren Abständen. Offensichtlich hatte sie viel in Amerika zu tun. John ahnte nicht, dass Catherine absichtlich den Kontakt mied um nicht noch emotionaler zu werden, was die Entscheidung anging und eigentlich nur deshalb schrieb und Fotos schickte, damit beiden kein Verdacht kam. Als John jedoch gerade dabei war einen Schluck seines bereits gekochten Kaffee zu trinken, bemerkte er, dass sein Handy leuchtete. Sherlock hatte es murrend auf seine Bitte hin so eingestellt, dass das Display so lange blinken würde, bis er wirklich die Nachricht gelesen hatte. John selbst kannte sich noch immer nicht sonderlich gut mit den modernen Handys aus, obwohl auch Catherine schon einige Stunden damit verbracht hatte ihm die Grundzüge zu erklären. Er nahm sein Handy und sah, dass er eine SMS von Catherine bekommen hatte. Tiefe Sorgenfalten legten sich über seine Stirn, als er die Nachricht las und er tippte hastig seine Antwort. „Ja, sicher. Bist du in Ordnung? Ist etwas passiert? Ich werde warten.“ Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus, als John sich in seinem Stuhl zurücklehnte. Nicht erst seit dem letzten Mal, wo sie ihm solch eine Nachricht geschickt hatte, wusste John, dass solch eine direkte Bitte von ihr besorgniserregend war. Normalerweise versuchte Catherine alles alleine zu regeln und ihren Mitmenschen möglichst wenige Umstände zu machen- in der Angst sie sonst zu verlieren. Erst, wenn alles verloren schien, bittet sie direkt um Hilfe. Nachdenklich kaute er an seiner Unterlippe und fragte sich was wohl geschehen sein konnte, stand jedoch nach einer Weile auf und verließ den Raum um sich umzuziehen, da ihm kalt wurde. ~*~ Es war sechs Uhr abends als Catherine außer Atem und völlig durchnässt in ihr Apartment zurückkehrte. Achtlos warf sie ihre Tasche auf den Boden, sodass ihr Notizbuch herausrutsche, doch sie kümmerte sich nicht darum, sondern hing ihre Jacke auf und streifte ihre schlammigen Turnschuhe ab. Hastig eilte sie zu ihrem Laptop und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Die Gedanken rasten ebenso schnell durch ihren Kopf wie sie gerannt war. Professor Alison hatte ihr Angebot noch einmal wiederholt und erwartete eine baldige Antwort. Catherine schloss die Augen und fuhr ihren Laptop hoch, während sie innerlich betete, dass John ihre Nachricht erhalten hatte und online war. Sie startete Skype und ihr Blick wanderte nach rechts um zu sehen wer online war. ~*~ John saß in seinem Schlafzimmer und hatte seinen kleinen Nachttisch etwas vorgezogen um seinen Laptop darauf platzieren zu können. Das ungute Gefühl in seinem Bauch war noch immer geblieben. Den ganzen Tag über hatte es ihn wie ein Schatten verfolgt und war stets, irgendwo tief in ihm, präsent gewesen. Er saß schon seit gut einer Stunde in diesem Raum, hatte sich mit Schreiben oder Lesen beschäftigt, doch nichts hatte wirklich abgelenkt. Nun war es soweit und er loggte sich ein, wartete darauf, dass Catherine online kam und als ihr Symbol erschien, startete er umgehend den Videochat. Catherine akzeptierte den Anruf mindestens genauso schnell und nach einem kurzen, schwarzen Bildschirm, erschien ihr Bild vor ihm. Ihre Wangen waren gerötet von der Kälte, ihr Atem ging schwer und nasse Haare hingen über ihren Augen, die sie hastig wegstrich. „John! Hi!“, keuchte sie und lächelte ein wenig verlegen. „Danke fürs warten.“ „Natürlich, Catherine.“, versicherte er ihr, während er sie betrachtete. „Du hast in deiner Nachricht besorgt geklungen. Stimmt etwas nicht?“ Sie zögerte kurz und seufzte, bevor sie ihren Kopf in der Hand stützte. „So würde ich das nicht nennen…“, begann sie langsam. „Aber…nun…ich muss eine Entscheidung treffen und ehrlich gesagt, weiß ich nicht was ich tun soll. Ich würde dich gern um einen Rat bitten, John.“ „Eine Entscheidung…das klingt schleierhaft.“, wiederholte er und rieb sich nachdenklich das Kinn, bevor er eine Pause einlegte und Catherine beinah geschockt ansah. „Bist du schwanger?“ „John! Nicht nach zwei Monaten in Amerika. Was denkst du von mir?“ Sie schüttelte fassungslos den Kopf, doch als sie ihn wieder ansah, verfinsterte sich ihr Gesicht. „Nein…es ist eine Entscheidung über meine Zukunft. Ist Sherlock wirklich weg? Ich möchte nicht, dass er es hört. Ich habe Angst vor seiner Reaktion.“ „Nun, was sollte ich denn sonst denken?“, sagte John nun ruhig und atmete erleichtert aus. „Und ja, Sherlock ist nicht hier. Er ist…um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung wo er ist. Wie auch immer, ich bin in meinem Schlafzimmer und habe die Tür abgeschlossen. Er wird nicht reinkommen können. Also, was ist los? Wenn du dich um Sherlocks Reaktion fürchtest, muss es etwas ernstes sein.“ Er runzelte nachdenklich die Stirn, als Catherine sichtlich mit den Worten haderte, sogar schnell nickte und erneut seufzte. „Wo beginn ich am besten?“, fragte sie leise sich selbst und ran sich durch die Haare. Johns vertraute Stimme ließ die Sehnsucht in Catherine wieder neu aufflammen und ihr Herz schrie immer stärker danach, dass sie einfach wieder zurück zu ihrer Familie wollte. „Das alles ist nicht so einfach. Ähm…also, Professor Alison ist sehr beeindruckt von meiner Motivation und meinen Fähigkeiten.“ „Das ist doch gut, oder nicht?“ Verwirrt blinzelte er sie an. „Das ist so gut…“ Sie hielt inne und holte tief Luft. „…dass sie mich länger hier behalten will.“ „Was bedeutet länger? Einen Monat? Ein paar Monate?“ Sie schüttelte nur den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. „Ein Jahr? Mehrere? Permanent?“ „Ein Jahr auf Probe und wenn alles glatt läuft eine Festanstellung.“ „Oh…“, stieß John zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Nun weiß ich, warum du es Sherlock nicht erzählen willst.“ Er selbst konnte es noch nicht einmal glauben. Selbst der Gedanke daran, dass Catherine für immer in den USA bleiben könnte, behagte ihm nicht. Es missfiel ihm seine kleine Tochter in diesem fernen, fremden Land zu wissen. Außerdem vermisste er sie genauso sehr, wie sie ihn. „Ich hätte Aussicht auf eine Stelle als Assistenzprofessorin, John. Es ist solch eine große Chance für mich, besonders weil sie so angesehen ist, aber…“ Als sie ihm direkt in die Augen sah, da war es nicht mehr zu übersehen wie unglücklich sie war. Ihre Augen waren halb geschlossen vor Traurigkeit, ihre Mundwinkel heruntergezogen und eine kleine Falte hatte sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet. „Ich mag Amerika nicht.“ „Könntest du einen ähnlichen Job nicht hier annehmen?“, fragte er nachdenklich. Er wollte sachlich an die Thematik herangehen, obwohl er ihr am liebsten sagen, dass sie schnellstmöglich nach Hause kommen sollte. Nicht nur, weil Sherlock noch unausstehlicher war seit ihrem letzten Skypegespräch, sondern auch, weil er sie gerne wieder um sich wüsste. Catherine gab auch ihm ein Gefühl von Sicherheit und Normalität. Er mochte es einfach zu ihr herüberzugehen, einen Tee zu trinken und sich über Sherlock zu beschweren. „Nein…“, erklärte Catherine mit schwerer, beinahe schon belegter Stimme. „Ich habe in England keine gleichwertige Stelle in Aussicht. Ich könnte natürlich in meinen alten Job zurück, was die Alternative ist, aber in Professor Niels gibt es zwei ältere Doktoranden, die bei einer freien Assistenzprofessor Stelle als erstes in Betracht kämen. Für meine Karriere wäre ein Akzeptieren der angeboten Stelle wirklich die beste Wahl, aber…“ Sie holte tief Luft und als sie weitersprach, zitterten ihre Stimme und Tränen in ihren Augen. „…aber ich will London nicht verlassen.“, flüsterte sie leise und schluckte schwer. Verzweifelt vergrub sie ihren Kopf in ihren Händen und schluchzte leise. „Ich weiß nicht was ich tun soll.“ Johns Herz zerbrach, als er seine kleine Tochter bitterlich weinen sah und nichts tun konnte, weshalb ihm selbst beinahe die Tränen in die Augen stiegen. Er konnte sie nicht in den Arm nehmen und ihr die Körperwärme geben, die sie sonst immer so beruhigte. Das Einzige, was er hatte, war seine Stimme, also versuchte er all seine Wohlgesinnung und sein Mitgefühl in diese zu legen. „Es tut mir so leid, Catherine. Ich wünschte, ich hätte eine Antwort für dich, aber ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Du weißt genau, welche Vorzüge es für deine Karriere hätte, aber du haderst jetzt schon mit Amerika und bist gerade einmal seit zwei Monaten fort. Vielleicht wirst du in der Lage sein dir dort ein Leben aufzubauen, aber wenn du jetzt dort unglücklich bist, dann wirst du es vermutlich auch in der Zukunft sein. Egal wie gut du bist, Catherine, es wird sich negativ auf deine Arbeit auswirken.“ John seufzte schwer und sah sie mitfühlend an. „Es gibt hier keine einfache, richtige Antwort, Catherine. Ich wünsche mir vom ganzen Herzen, dass dem so wäre. Du musst für dich herausfinden, was dich glücklich machen wird. Gut, dann bekommst du vielleicht für einige Jahre keine Assistenzstelle, dafür könnte es dir Probleme bereiten ein permanentes Leben in San Diego aufzubauen. Beides hat seine Nachteile.“ „Ich weiß…“, flüsterte sie, als ihre Tränen langsam versiegten und sie sich aus den Augen wischte. Johns Stimme hatte wirklich etwas Beruhigendes, doch sie würde noch lieber sich von ihm umarmen lassen. Würde sie allerdings wirklich Professor Alisons Angebot annehmen, so würde sie sich nur schwer so von ihm trösten lassen können, dabei schenkte ihr das so viel Ruhe und Kraft. „Deshalb wollte ich deine Meinung hören. Aber, wenn ich Professor Alisons Angebot ablehne, könnte sie mir das übel nehmen und das könnte sich negativ auf meine Karriere ausüben, aber du hast Recht, ich will euch nicht verlassen.“ „Was würde sie denn sagen, wenn du bleiben würdest und dann später deine Meinung änderst? Oder du einen mentalen Zusammenbruch hast, weil du es vor Heimweh nicht mehr aushälst oder die Entscheidung bereust? Und nur damit du es weißt, wenn Sherlock das erfährt, werde ich ihn nicht davon abhalten können herzufliegen und dir eine Standpauke zu halten. Ich würde noch nicht einmal versuchen ihn aufzuhalten.“ John blickte sie an und bemerkte, dass sie noch immer den Tränen nahe war. Am liebsten würde er den Arm um sie legen und ein wenig hin und her wiegen. „Das ist es was mich noch mehr beunruhigt. Ich habe das Angebot an dem Tag bekommen, bevor wir geskypt haben. Erst war ich so erleichtert, als Sherlock online kam, aber irgendwie wurde auch mein Herz schwer. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Gespräch entscheiden sollte, ob ich bleiben sollte oder nicht.“ „Aber das hat es nicht, richtig?“, stellte er fest. „Es hat alles nur noch schwieriger gemacht.“ Catherine nickte nur und schloss ihre Augen. „Ich wollte wissen, ob Sherlock mich vermisst. Ich schätzte, dass du es würdest, aber bei ihm…es war so unterschiedlich während dem Skypen. Manchmal, da hatte ich das Gefühl, dass er es tat und dann plötzlich…als würde ich ihn nerven.“ Traurig senkte Catherine den Blick. Noch immer schmerzte es ihr bei den Gedanken an jenem Tag. Es war ein ständiges Auf und Ab gewesen. Für einen Moment, da war sie glücklich gewesen und voller Hoffnung, dass sie Sherlock etwas bedeutete, und in nächstem Moment hatte er alles wieder zerstört. Selten hatte sie etwas derart verunsichert. John seufzte schwer und unterbrach so ihre Gedanken. Sie blickte auf und sah, dass er sie eingehend betrachtete. „Catherine…“, sagte er sanft. „Weißt du, was er getan hat, nachdem du aufgelegt hattest? Er rannte in sein Schlafzimmer, packte eine Tasche und hat versucht Mycroft zu überreden ihm den Privatjet zu überlassen, aber erst nachdem er ein dramatisches, deprimierendes Lied auf der Geige gespielt hatte. Es hat mich den ganzen Nachmittag gekostet ihn zu überzeugen, dass er nicht zu dir fliegt und mit nach Hause nimmt und anschließend musste ich ihn noch eine Woche beobachten. Einmal habe ich ihn erst kurz vorm Terminal erwischt.“ John blickte sie eindringlich an. „Er vermisst dich, mehr als du denkst.“ Er runzelte die Stirn. „Da ist nichts zwischen euch, worüber ich Bescheid wissen sollte, oder? Nein, antworte nicht.“ Er hob die abwehrend die Hände. „Ich weiß da ist nichts. Nur…“ Er lächelte aufmunternd und sprach ebenso sanft weiter wie er es all die Zeit gemacht hatte. „Mach dir keine Sorgen darum wie Sherlock sich benimmt. Du weißt doch wie er ist. Er mag zwar uninteressiert tun, aber in der Sekunde in dem du den Raum verlässt, springt er auf und wirft Erkenntnisse in den Raum und benimmt sich dann wie ein Kind.“ Catherine konnte nicht anders, sie musste lächeln. „Du glaubst also er wäre froh, wenn ich zurück bin?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Ich denke er wird sich beschweren, jammern und sich wie ein kleines Kind benehmen. Also ja, ich denke das er es sein wird.“ John sah sie einige Momente an und runzelte die Stirn. „Aber das klingt so, als hättest du eine Entscheidung getroffen.“ Catherine lachte leise und schüttelte mit einem wehleidigen Lächeln den Kopf. „Das klingt wirklich nach ihm…“ Johns letzte Bemerkung hatte sie durch die schlechte Internetverbindung gar nicht vernommen. Sie seufzte schwer und rubbelte sich durch ihre noch immer leicht feuchten Haare. „Ich meine ein Vorteil hätte es, wenn ich hier bleibe.“, flüsterte sie nach einigen Augenblicken nachdenklich. „Mein Leben wäre wesentlich einfacher.“ „Das Leben ist nicht einfach. Leider.“, seufzte er als Antwort und klang wie einer dieser grauen, alten Männer, die über das Leben lamentieren. „Ich meinte, dass ich nicht jeden Tag mit einem verrückten, hochfunktionellen Soziopaten in Amerika zu tun hätte.“, erklärte sie und trank einen großen Schluck Wasser aus einer Flasche, die immer auf ihrem Schreibtisch stand. „Vielleicht würdest du keine tägliche Dosis des normalen Wahnsinns haben, den wir momentan unser Leben nennen, aber glaubst du wirklich, dass Sherlock dich einfach so gehen lassen würde?“ Er zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich ein wenig mehr zurück. Das Vorlehnen begann seinen Nacken steif werden zu lassen, weshalb er kurz unauffällig mit den Schultern rollte. Generell hatte er in letzter Zeit vermehrt Rückenschmerzen, doch er wollte es Catherine nicht zeigen um sie nicht noch mehr zu sorgen. Das waren seine Probleme und sie hatte genug eigene. Catherine seufzte schwer und schüttelte den Kopf. „Nein…Sherlock ist die starrköpfigste Person, die ich je kennengelernt habe, und ich habe gedacht, ich wäre stur.“ „Gott möge uns beistehen, wenn ihr beide euch jemals dazu entschließt euch zusammenzutun.“ Catherine lachte leise aufgrund von Johns Kommentar. Damit hatte er wirklich nicht so ganz Unrecht. „Okay…“, sagte sie nach einiger Zeit und holte tief Luft. Stoßweise blies sie ihren Atem durch die Nase und blickte zu Uhr. Es war bereits halb Vier nachts in London. „Ich denke, du solltest so langsam ins Bett gehen.“ Catherine blickte auf und sah ihn mit einem tiefen Ausdruck in den Augen an. „Danke, John.“, sagte sie ehrlich und lächelte leicht. Sie war so froh, dass John sich die Zeit für sie genommen und ihr beigestanden hatte, auch wenn er ihr leider keine Lösung hatte anbieten können. Er hingegen zögerte etwas und blickte sie beinahe unruhig an. „Hast du dich schon entschieden?“, fragte er zögerlich. „Nein…nein, habe ich nicht. Die Deadline ist in drei Tagen. Ich werde mich bei dir melden, wenn ich meine Entscheidung offiziell gemacht habe.“ John nickte bedächtig. „Okay. Aber Catherine…“, sprach er sie an. Catherine sah auf und blickte ihn fragend an. „Ja?“ „Wenn vorher irgendetwas ist…wenn du nicht weiter weißt, einen Rat brauchst oder sonst irgendetwas ist, dann ruf mich an, ja?“ Catherine sah ihn dankbar an und ein kleines Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sie war wirklich glücklich solch einen guten Menschen getroffen zu haben, der ihr stets zur Seite stand egal wie brisant die Situation war. John würde sie immer verteidigen und unterstützen, wenn sie ihn brauchte. Es war das erste Mal seit Jeffreys Tod, dass sie so etwas hatte und selbst ihr Bruder hatte sich mehr abgeschottet seitdem er für Mycroft gearbeitet hatte. „Das werde ich.“, sagte sie leise und lächelte noch immer. „Gute Nacht, John, und danke.“ „Jederzeit. Gute Nacht, Catherine.“ Beide beendet zeitgleich das Gespräch und während Catherine noch einige Arbeiten zu erledigen hatte, schloss John sein Laptop und legte sich aufs Bett. Während er an die Decke starrte, stellte er fest, dass an Schlaf nicht zu denken war, da zu viele Gedanken durch seinen Kopf rasten. Was, wenn Catherine wirklich annehmen würde? Was würde dann mit dem Frieden in der Bakerstreet geschehen? ~*~ Die drei alles entscheidenden Tagen vergingen vergleichsweise schnell. John kam kaum zum Atmen während dieser Zeit. Entweder hielt ihn Sherlock auf Trab oder aber er hatte viel im Barts zu tun. Im November, oder im Winter allgemein, waren die Menschen gerne krank. Besonders Atemwegerkrankungen begegneten ihm wohin er auch ging. Um ehrlich zu sein, war John aber auch ganz froh darum. Er war froh über jedem Moment indem er nicht still stand und Nachdenken konnte. Mit jeder Stunde in der Catherines Antwort näher rückte wurde ihm unbehaglicher und flauer im Magen. Er hatte sich wirklich sehr an sie gewöhnt und sie zu verlieren würde ihn schwer treffen. An jenem schicksalhaften Tag war das Wetter in London und San Diego gleich bedrückend. Etwas Schweres, Unheilvolles lag in der Luft. Es war als wäre die Luft elektrisch aufgeladen und unglaublich erdrückend. Catherine kehrte gerade von der Arbeit wieder. Sie öffnete die weiß gestrichene Wohnungstür, stellte ihre Tasche ab und ging umgehend zu ihrem Computer. Als sie Skype öffnete, sah sie, dass John bereits online war. Sie holte tief Luft und rief ihn an. „Catherine, hallo!“, rief John noch bevor sich das Bild überhaupt aufgebaut hatte. „John.“, antwortete sie ebenso heftig. „Hast du den ganzen Tag auf mich gewartet?“ „Ja, in der Tat. Ich wollte wissen was ich Sherlock erzählen muss. Er hätte es einmal fast an mir deduziert.“ „Oh…“, stieß sie traurig hervor. „Es tut mir so leid, John. Ich hätte nicht von dir verlangen dürfen, es zu verheimlichen.“ „Ist schon in Ordnung. Ich bin über die Zeit gut darin geworden Dinge vor ihm zu verheimlichen oder ihn abzulenken.“ Er holte tief Luft und sah sie an. Sein Herz schlug schneller und er hielt den Atem an. „Also, wie hast du dich entschieden?“ Catherine sah ihn einige Zeit an, dann lächelte sie und holte ein Flugticket hervor, das sie soeben abgeholt hatte. „Ich werde am zwölften Dezember um achtzehn Uhr in Heathrow landen.“, erklärte sie mit einem Strahlen im Gesicht. John lachte leise vor Erleichterung, als er das Ticket sah. „Das ist gut zu hören, Catherine, wirklich.“, sagte er lächelnd. „Wirklich gut zu hören.“ Sie erwiderte es und nickte. „Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren dich mit Sherlock alleine zu lassen.“ John lachte erneut. Gott, es war verdammt lange her, dass er das letzte Mal so erleichtert gewesen war. „Ich bin einfach nur froh, dass du nach Hause kommst, Catherine. Ich wollte nicht, dass du gehst.“ Sie sah ihn an. Ein trauriges, glückliches Lächeln legte sich auf ihr Gesicht und sie strich sich ihren Pony aus den Augen. „Ich wollte auch nicht gehen. Ich will euch nicht verlassen. In den vergangen zwei Monaten habe ich euch so sehr vermisst und ich glaube nicht, dass sich das je geändert hätte. Ich gehöre hier nicht her. Ihr seid meine Familie.“ „Und du bist unsere.“, sagte John. „Und das wärest du auch immer geblieben, Catherine, egal für was du dich entschieden hättest.“ „Ich bin wirklich froh das zu hören, John.“ Catherine blickte ihn einige Momente stumm in das virtuelle Abbild von Johns dunkel, blauen Augen. In ihren eigenen lag weit versteckt der Ausdruck von der Einsamkeit, der sie so lange ausgesetzt gewesen war. Viele Jahre lang hatte sie nicht gewusst wohin sie gehörte, schließlich hatte sie sämtliche Angehörige verloren. Es hatte sich lange so angefühlt, als wäre sie in einem großen, leeren Raum eingeschlossen, der durch einen halbdurchsichtigen Spiegel von der menschlichen Welt getrennt war. Hin und wieder hatte sie Menschen als Schemen vor ihrer Wand gesehen, die lachten, sich unterhielten und sich allgemein vergnügten, während sie Catherine nicht sehen konnten, Catherine sie aber sehr wohl. Catherine hatte sich viel zu lange ausgeschlossen gefühlt, als könnte sie nichts menschlichen in dieser Welt interagieren, als würde sie für sie nicht existieren. Es war als wäre sie nur ein Geist gewesen und es hatte unglaublich geschmerzt zu wissen, dass wenn ihr etwas geschehen würde, es Niemand bemerken würde. „Auch wenn ich mich häufig über das Leben in der Bakerstreet beschwert habe…“, fuhr sie fort nachdem sie sich aus ihren trübsinnigen Gedanken zurückgekehrt war. „Nachdem ich dieses Leben kennengelernt habe, würde mir ein anderes nur leer und langweilig erscheinen. Ich brauche diese Unbeständigkeit, deshalb habe ich so entschieden. Es wäre nicht dasselbe, wenn ich nur mit euch skypen würde oder wir uns ein-zweimal im Jahr sehen.“ „Nein, das wäre es nicht.“, stimmte er ihr zu. „Wie hat Professor Alison es aufgefasst?“ „Sie war wirklich enttäuscht.“ Sie seufzte schwer und fuhr sich durch die Haare. Gott, wie sehr sie es hasste Menschen zu enttäuschen, die ihr Gutes getan hatten. „Allerdings ist sie auch schwer einzuschätzen. Wie dem auch sei, es macht sowieso keinerlei Unterschied. Mir genügt mein alter Job und Professor Niels hat so viel in meine Ausbildung gesteckt. Ich würde ihn verletzen, wenn ich sein Labor verlassen würde.“ „Ja, ich denke er ist sehr stolz auf dich. Zumindest erschien es mir so am Tag der offenen Tür.“ Sie nickte nur zustimmend und blickte kurz an John vorbei. Ihre Augen verloren sich kurz an der untergehenden Sonne, die den Himmel in ein zartes Rosa tauchte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nicht nur Sherlock und John zurückgelassen hätte. „Ich hätte auch Kathy und Daniel verlassen müssen.“, flüsterte sie. „Und es war schwierig genug für dich Freunde zu finden.“, sagte John, doch dann bemerkte er was in ihr vorging und das dies gerade nicht die Zeit für Witzeleien war. „Du musst deine Entscheidung nicht rechtfertigen. Vor Sherlock, vielleicht, aber nicht vor mir. Ich bin nicht der Richter deiner Taten. Es ist dein Leben und solange du glücklich bist, bin ich es auch, egal wie du dich entscheidest.“ „Danke…“, sagte Catherine leise und wandte sich wieder zu ihm um. „Um ehrlich zu sein, John…Ich möchte es Sherlock nicht erzählen. Wäre es zu viel von dir verlangt, wenn ich dich darum bitten würde dieses Geheimnis noch ein wenig länger zu bewahren?“ „Sicher, wenn es das ist, was du willst, aber bist du dir wirklich sicher, ob das klug ist? Du weißt, dass er unerträglich sein wird, wenn du nach Hause kommst und er herausfindet, dass du ihm nichts erzählt hast.“ „Ich weiß, ich weiß.“, wehrte sie seufzend an und bettete ihren Kopf in ihre Handfläche. „Aber ich hoffe noch immer, dass er es nicht herausfindet.“ John sah sie an und zog eine Augenbraue hoch. „Ja, ich weiß.“, entgegnete Catherine, bevor er etwas sagen konnte. „Vielleicht werde ich es ihm später erzählen, wenn ich zurück bin. Nun gut, John, ich werde nun auflegen. Ich muss noch immer mein Labor Report schreiben und die Primärdaten übertragen und für dich ist es bereits spät in der Nacht.“ John nickte nur und lächelte ihr zu. „Ja, ich verstehe. Schick mir eine Nachricht, ob dein Flugzeug Verspätung hat, kurz bevor du einsteigst, okay?“ „Was? Oh nein, du brauchst mich nicht abzuholen, John. Ich kann auch den Zug nehmen.“ „Sei nicht albern, Catherine. Wir…“ Er hielt kurz inne und blinzelte. „Oder zumindest ich werde auf dich warten. Ich werde nicht zulassen, dass du alleine nach Hause kommen musst, wenn du drei Monate in Übersee warst. Was für eine Art von Familie wäre ich sonst?“ Mit gerunzelten Augenbrauen sah Catherine auf und wollte protestieren, doch dann seufzte sie und ein kleines Lächeln legte sich um ihre Lippen. „Also gut…mit dir darüber zu streiten macht eh keinen Sinn.“ Außerdem war sie insgeheim auch erleichtert, dass Jemand da sein würde, wenn sie nach Hause kommen würde. „Richtig. Es ist nicht nur Sherlock, der das kann, weißt du?“ Er schmunzelte, als Catherine lachte. „Fein. Grüß ihn, in Ordnung? Ich sehe dich spätestens in drei Wochen, John. Mach’s gut.“ Ihre Augen leuchteten nach langer Zeit endlich wieder, als sie in die Kamera winkte. „Bye!“ Er winkte ebenfalls, bevor der Monitor schwarz wurde. „Ja, alles wird wieder gut.“ Lächelnd nickte er und schloss seinen Laptop, bevor er aufstand um sich eine Tasse Tee zu machen. ~*~ Drei Wochen später blickte Catherine bereits aus dem Fenster ihres Flugzeuges, welches sich langsam herabneigte und zum Landeanflug ansetzte. Sie lächelte, als sie das typische Grau ihrer Heimatstadt aus dem Fenster erblickte. Gott, wie sehr hatte sie es vermisst: den Nebel, den Regen, das Grau, die Kälte, einfach Alles. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie ihre Stadt erblickte und sie lehnte sich lächelnd gegen die Wand, während ihre Hand auf dem Fenster ruhte. Nicht mehr allzu lange und sie würde wieder in das Leben zurückkehren, welches sie so unglaublich vermisste, aber während dieser Zeit erst zu schätzen gelernt hatte. Nie mehr würde sie sich darüber beklagen, wenn Sherlock wutentbrannt in ihre Wohnung stürmte, sich auf ihre Couch fallen ließ und sich über irgendetwas völlig normales beschwerte. Niemals wieder würde sie sich darüber beschweren, wenn er sie mitten in der Nacht weckte um eine Theorie zu diskutieren oder sie beinahe noch im Pyjama in ihr Labor zerrte. Nie würde sie über seine Sprüche die Augen rollen oder über Johns Frauengeschichten seufzen. Nein, wahrlich niemals wieder. Catherine war sich sicher, dass sie innerlich immer nur lächeln und strahlen würde, denn sie wusste nun, dass sie genau dort hingehörte. London, um genau zu sein die Bakerstreet, war einfach der Ort, der zu ihr gehörte. Er war ihr zu Hause. Für nichts auf der Welt würde sie diesen ganz eigenen Kosmos wieder verlassen. ~*~ Nach ungefähr einer weiteren Stunde verließ Catherine schließlich endlich den Zoll und trat in die volle Eingangshalle. Augenblicklich brandete die Geräuschflut über sie hinweg, die so typisch für einen Flughafen war. Ein wenig unsicher, beinahe als wäre sie geblendet- dabei schien in London keine Sonne- sah sie sich um und hielt Ausschau nach irgendeiner vertrauten Gestalt. Dies entpuppte sich in diesem Getümmel als alles andere als einfach. Überall rannten Menschen wie wild durcheinander, sodass ihre Kleidung und sämtlichen weiteren äußerlichen Merkmale in ein Meer aus verschwommenen Farben verschwamm. Catherine ging noch einige Schritte bis sie schließlich das Terminal vollkommen verlassen hatte, stellte ihren blauen Koffer ab und blickte sich um. Ihr Herz sank ein wenig, als sie Niemanden erblickte. Ungeduldig sah sie auf die Uhr. Ihr Flieger hatte bereits zwei Stunden Verspätung und sie wollte nur noch nach Hause und sich aufs Ohr hauen. Sie war um zwei Uhr nachts in Los Angelos losgeflogen und somit mehr als vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Sie blinzelte kurz und ließ ihren Blick weiter schweifen. „Entschuldigen Sie bitte, darf ich mal durch?“, sagte eine Stimme auf der anderen Seite der Ankunftshalle, die Catherine nicht hören könnte. Eine kleine Gestalt schob freundlich, aber bestimmt einige Menschen beiseite, blickte sich um und rief: „Catherine!“ Die junge Frau blinzelte, meinte sie doch gehört zu haben wie eine Stimme ihren Namen rief. Sie drehte sich in die entgegengesetzte Richtung als die, in die sie zuvor geblickt hatte. Eine Person stand auf der anderen Seite und winkte mit beiden Armen. Catherine quiekte beinahe vor Freude, als sie sie erkannte. „John!“, rief sie. Sofort griff sie sich ihren Koffer und rannte auf ihn sie zu. Als sie ihn erreichte, ließ sie ihr Gepäck achtlos los. Erneut rief sie seinen Namen voller Glück aus und beide lachten, als sie ihn beinahe vor lauter Überschwang umwarf. Catherine schmiegte ihre Wange an seine, strahlte und doch konnte sie sich der Tränen nicht erwehren, die vor lauter Glück ihre Wangen hinabliefen. Sie war einfach froh, als John sie umarmte. Dass sie sich freuen würde nach Hause zurückzukehren, das hatte sie sich gedacht, doch wie sehr hatte sie wirklich nicht erahnt. Ihr Herz schlug schneller und sie war einfach glücklich wieder da zu sein und in diesem Moment waren wirklich die letzten Zweifel, die geblieben waren, wie weggeblasen. Wie hatte sie nur je auch nur einen Moment überlegen können, ob sie das Angebot annahm? Ihr Wiedersehen war so rührend und herzerwärmend, dass selbst umherstehende Liebespaare, die sich einige Zeit nicht gesehen hatten, neidisch herüberblickten. Die Ersten begannen auch bereits zu flüstern, ob dies nicht die junge Frau war, der vor einigen Monaten eine Affäre mit Sherlock Holmes nachgesagt worden war, doch weder John noch Catherine bemerkten es. In diesem Moment hatte die Welt kurzzeitig um sie herum aufgehört zu existieren. „Willkommen zu Hause, Catherine Amell.“, flüsterte John und drückte sie näher an sich. „Ich bin so froh wieder da zu sein.“, flüsterte sie zurück und presste ihre Nase gegen die Wange ihres Ziehvaters. So glücklich wie in diesem Augenblick, so warm und geborgen, hatte sie sich nur dann gefühlt, als Sherlock zurückgekehrt war. Nach einigen weiteren Augenblicken, während sie einfach nur verharrten und sich festhielten, ließ er sie schließlich dann los und trat einen Schritt zurück. „Wie war der Flug?“ „Lang.“ Nun konnte sie ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. „Aber alles in allem war er in Ordnung, auch wenn ich nicht in der Lage war zu schlafen. Der Mann neben mir hat geschnarcht…und du musst wirklich nicht mein Gepäck nehmen, John! Ich kann das alleine.“, rief sie aus, als John sich während ihrer Antwort zu ihrem Koffer und dem großen Rucksack bewegte. Er ignorierte sie jedoch und nahm ihr Gepäck, drehte sich um und ging in Richtung Ausgang während sie die Empfangshalle immer weiter füllte. Es dauerte einige Momente bis er bemerkte, dass Catherine ihm nicht folgte. John drehte sich um und sah sie an. „Nun, kommst du? Du bist nun fast zu Hause. Willst du wirklich jetzt stoppen, wo du doch bereits schon den Flughafen erreicht hast?“ Seine Augen leuchteten, als er sie aufzog. „Nein…das nicht, aber…“ Sie seufzte und lief ihm dann hinterher. John lächelte. „Mach dir keine Sorgen, Catherine. In Nullkommanichts werden wir zu Hause sein.“ Sie nickte nur und lächelte, während sie neben ihm her zum Taxistand lief. „Wie waren die letzten drei Wochen? Es tut mir leid, dass ich dich nicht benachrichtigen konnte. Ich war so beschäftigt mit der Arbeit und den Vorbereitungen. Ich wollte alles regeln, damit ich auch wirklich heute zurückkehren konnte.“ „Das ist schon okay. Ich habe heute Morgen die Ankunftszeiten nachgesehen und wusste somit über die Verspätung bescheid. Die Wochen hingegen waren anstrengend. Sherlock hat sich von Fall zu Fall gestürzt. Wir konnten kaum noch atmen. Es hat erst vor einigen Tagen nachgelassen.“ „Hmmmhmmm…“, murmelte Catherine. „Es war Herbst bis vor einiger Zeit…und nun der Winter. Wie nannte Sherlock es? Der Höhepunkt des Verbrechens. Diese Jahreszeit deprimiert die Leute.“ „Irgendetwas in der Art.“ Er führte Catherine aus der Tür heraus zum Taxistand. „Leider war nichts, was ihn wirklich längere Zeit beschäftigte.“ „Armer, Sherlock. Er muss eine schreckliche Laune gehabt haben.“ John stöhnte nur. „Oh ja, die hatte er. Dass du nicht da warst, hat es nur noch schlimmer gemacht.“ Die gelbe Schlange aus Autos am Straßenrand bewegte sich weiter, doch noch waren sie nicht an der Reihe. Zunächst musste eine ältere Dame all ihre kleinen Köfferchen in einen viel zu kleinen Mercedes zu verstauen. Das konnte noch dauern. „Wie war es, als du gegangen bist?“ „Was meinst du genau, John? Das Wetter, das Experiment, Sherlocks Laune, San Diego, der Flughafen? Es gibt viel zu viele Möglichkeiten und ich bin zu müde um zu denken.“ Catherine blinzelte müde und stützte sich auf den Handgriff ihres Koffers ab. //Und Sherlock hatte mich versprochen mich abzuholen. Sieht so aus, als hätte er sein Versprechen gebrochen.// Ihre Augen wurden traurig, als sie das realisierte, doch sie schüttelte den Kopf. Es würde sicher einen Grund geben. Dies hoffte sie zumindest. „Die Leute dort.“, lachte John auf Grund ihrer Antwort. „Haben sie eine riesen Abschiedsfeier geschmissen?“ Endlich erreichten sie die Spitze der Warteschlange und John half dem Fahrer Catherines Gepäck in die Mercedes C-Klasse zu verstauen. „War deine Professorin noch immer traurig, dass du gegangen bist? Hast du bereits mit Professor Niels gesprochen?“ „Vielleicht haben sie eine Party geschmissen.“, sagte Catherine, als sie sich auf die Rückbank fallen ließ und erschöpft die Augen schlossen. „Wenn dem so war, so war ich nicht eingeladen. Und ja, Professorin Alison war noch immer nicht besonders erfreut und hat noch einige Male entschieden nachgefragt, ob sie mich nicht doch überzeugen könnte zu bleiben. Ich habe ihr gesagt, dass das hier mein zu Hause ist, dass London der Ort ist an den ich gehöre und nirgendwo sonst. Mit Professor Niels habe ich vor zwei Tagen gesprochen. Er schien froh zu sein, dass ich zurückkehre.“ „Wann musst du wieder arbeiten?“ Schließlich ließ sich John neben ihr auf die Rückbank fallen. Sie schnallten sich an und John nannte dem Fahrer die Adresse. 221C Bakerstreet. Catherine lächelte glücklich bei dem Klang dieser Worte und schloss die Augen. „Am ersten Montag des neuen Jahres. Professor Niels hatte einer Bachelorandin einen befristeten Arbeitsvertrag angeboten, während ich weg war, damit sie Referenzen für ihren Lebenslauf sammeln konnte. Wir beide waren sehr angetan von ihr, aber leider ist unser Labor nicht groß genug um ihr einen dauerhaften Platz zu gewährleisten. Ihre Stelle geht noch bis Ende Dezember und von daher habe ich diesen Monat frei. In der Zeit kann ich meinen Schlafrhythmus wieder anpassen.“ John blickte zu ihr herüber, als sie wieder anfing zu gähnen, während das Taxi auf den Highway auffuhr und beschleunigte. „Du siehst aus, als würdest du gleich einschlafen, Catherine.“ Träge nickte die junge Frau neben ihn und ließ sich tiefer in den Rücksitz sinken. „Ja, das bin ich. Ich versuche gerade verzweifelt wach zu bleiben.“ John lachte leise und strich ihr über den Kopf. „Mach jetzt ein Nickerchen. Es wird gut eine Stunde dauern, bis wir zu Hause sind. Du kannst es gebrauchen.“, sagte er sanft und streichelte ihre Wange. //Du wirst keine Gelegenheit dazu haben, wenn du nach Hause kommst.//, dachte er nur, während Catherine erneut schläfrig nickte. „Hmm…okay…“, flüsterte sie nur schlaftrunken. Ihr Kopf fiel gegen die Stütze und kaum einen Augenblick später war sie bereits eingenickt. John lächelte nur sanft und zog sein Handy aus der Jackentasche. „Sind auf dem Weg. In einer Stunde zu Hause.“, schrieb er als Textnachricht und sendete sie direkt ab, während der Taxifahrer die Spur wechselte. Sein Handy biepte fast augenblicklich. Kurzerhand las John die Nachricht und lächelte, bevor er anfing irgendein Spiel zu spielen, dass ihm einer seiner jungen Patienten vor einiger Zeit heruntergeladen hatte. Es dauerte wahrhaftig eine Stunde in diesem trägen, zähen Abendverkehr um von Heathrow bis ins Zentrum von London vorzudringen. Gemächlich und müde bewegten sich die Autos beinahe im Schneckentempo Meter für Meter vorwärts. John war dies nur recht, denn so hätte Catherine noch etwas mehr Zeit um sich von den Strapazen zu erholen. Er musste nicht Sherlock Holmes sein um zu erkennen wie ausgelaugt sie von den vergangen Monaten war. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, das Gesicht war fahler, wenn auch von der Sonne San Diegos gebräunt, und sie war noch dünner geworden. Alles sprach dafür, dass sie all ihre Kraft verbraucht hatte um wirklich nach den drei Monaten nach Hause kommen zu können. Sanft lächelnd blickte er zu seiner kleinen Ziehtochter, deren Kopf mittlerweile gegen die Fensterscheibe gesunken war und leise schnarchte. Ein amüsiertes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Sich selbst beschweren darüber, dass ihr Sitznachbar während des Fluges geschnarcht hatte, aber selbst es ebenso tun. Schließlich wandte er sich wieder ab und starrte in die vernebelte, kahle, dunkle Nacht, lauschte den stetigen Atemgeräuschen seiner kleinen Tochter über deren Rückkehr er glücklicher war, als er je gedacht hätte. Es waren lange drei Monate ohne sie gewesen. Drei lange Monate, wo er nicht seinen Frust mit ihr diskutieren konnte, drei Monate in denen er ihr nicht väterlich beistehen konnte, obwohl sie ihn so sehr gebraucht hatte. Das Bild von ihr weinend vor der Webcam hatte ihm lange Zeit keine Ruhe gelassen. Immer und immer wieder hatte er darüber nachgedacht Sherlock einzuweihen, sich ihn zu schnappen und nach Amerika zu fliegen um sie aus ihrem Unglück zu befreien, doch sie hatte sich entschieden diesen Weg zu gehen und er respektierte sie zu sehr, als dass er sein gegebenes Versprechen hätte brechen wollen. Auch dann nicht, wenn sie unglücklich war. Sie hatte ihn gebeten Sherlock nichts zu erzählen und daran hatte er sich auch halten wollen. Er holte tief Luft und lächelte. Ihm war es wirklich flau geworden, als sie ihm von dem Angebot der Professorin erzählt hatte. Eigentlich hätte John gedacht, dass sie es gar nicht erst in Betracht ziehen würde. Er hatte geglaubt, dass ihre Bindung zu ihnen so stark war, dass sie nicht eine Minute darüber nachgedacht hätte. An sich war es aber auch ein gutes Zeichen. Es zeigte, dass sie noch nicht so abhängig war, dass sie sämtliche Chancen ihres Lebens ausschlagen würde. Wenn sich die Möglichkeit zum weiterziehen bieten würde, so würde sie sie zumindest bedenken. Schließlich bog das Taxi in die Bakerstreet ein und hielt auf der linken Straßenseite vor den grünen Haustüren. John lächelte und lehnte sich zu Catherine herüber. Sanft schüttelte an ihrem Arm. „Hey, Catherine, wach auf! Wir sind da.“ „Hmmm?“, grummelte sie verschlafen und gähnte. Träge blinzelte sie und öffnete schließlich ihre Augen. Es dauerte einen Moment bis sich ihre Augen an das dunkle Grau gewöhnt hatten, doch dann erblickte sie ihre gewohnte Heimat und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Endlich zu Hause.“, flüsterte sie erfreut und John nickte. Beide stiegen aus und Catherine holte tief Luft. Der vertraute Geruch von London stieg ihr in die Nase. Der leicht Küstengeruch, der durch die Themse kam, den Rauch von feuernden Kaminen und etwas, dass typisch London war, sie aber nicht wirklich benennen konnte. Außerdem legte sich die Feuchte des Nebelns in ihr Haar. Ja, das war London wie sie es kannte und liebte. John lud die Koffer aus, während Catherine ihren Blick über die Bakerstreet wandern ließ und lächelte. Langsam gesellte er sich neben sie, während sie auf ihre und seine Haustür starrte, die sich so harmonisch nebeneinanderbefanden, und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Willkommen zurück, meine Kleine.“, flüsterte er mit einem leicht neckenden Unterton in der Stimme. Catherine lachte nur leise und sah ihn aus rundum glücklichen Augen an. „Danke, Dad.“, flüsterte sie ebenfalls, bevor sie ihn umarmte, unendlich froh darüber, es endlich wieder zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)