Verlust der Unschuld von Schabi ================================================================================ Schwer zieht der Rauch aus den Kohlenpfannen durch das Zelt und verwandelt die Luft in einen dunstigen Schleier, in dem dunkle Schemen tanzen. Ein herber Geruch vermischt sich mit dem Nebel, betäubt die Sinne. Von weit her hört sie das Schnauben der Tuskarr, gedämpfte Gespräche, das unverwechselbare Geräusch, mit dem die Wellen an den Strand schlagen. Doch ganz nah an ihrem Ohr – oder bereits in ihrem Kopf, sie weiß es nicht – ist da auch das Knacken des ewigen Eises, das Wispern der Blätter im fernen Kristallsangwald, das langsame Atmen der Welt. Ist das die Wirklichkeit? Oder ist sie gefangen in einem Traum? Sie kann es nicht sagen und es gelingt ihr nicht, klar zu denken. „Hab keine Angst.“ Die sanfte Stimme umschmeichelt sie, beruhigt sie. Sie erinnert sich, dass sie nicht allein ist. Wenn sie sich anstrengt, kann sie ihn sogar sehen. Körperlose Wesen umschwirren ihn wie Motten das Licht und mit seinen dunklen Augen blickt er nach vorn. In ihr Gesicht. Er ist alt. Der älteste Tuskarr, den sie jemals sah. Doch sein Geist ist jung und stark und er hat ihr Führung versprochen. Sie weiß, dass er sie nicht allein lassen wird. Sie schließt die Augen. Etwas ist da, streift ihre Hand. Sie erschrickt, zieht die Hand weg. Es ist wichtig, dass sie los lässt. Das hat er ihr gesagt. Die Bindung zur Erde kappen, sich der Luft anvertrauen. Aber die Erde ist ihr Element und sie hat Angst. Die Beständigkeit, auf der sie ihr Leben aufgebaut hat, kann sie nicht einfach aufgeben. Sie beginnt zu zittern, denn sie weiß, dass es kein Zurück mehr gibt. Er wird sie nicht einfach entlassen, denn sie haben eine Vereinbarung. Aber sicherlich ist es für ihn so viel leichter als für sie. Wieder ist da etwas an ihrer Hand. Sie wimmert, bewegt sich aber nicht. Es berührt ihre Finger, ihren Handrücken. Es kriecht ihren Arm hinauf. Und dann zieht ihr ein Schmerz durch die Glieder, als wäre sie von einer Schlange gebissen worden. Eiskalt wird ihr und sie reißt die Augen auf. Sie sieht den Tuskarr auf sich zukommen, aber auf eine völlig unmögliche Art und Weise, denn seine Augen... Seine Augen sind so riesig und sie starren sie an und ziehen sie zu sich heran. Sie kann sich nicht wehren, denn ihr Körper ist gelähmt von der Kälte, die durch ihre Adern kriecht. Und dann wird sie verschluckt von der Dunkelheit und alles Beten ist sinnlos, denn... ... über ihr strahlten die Sterne. Ein galaktisches Funkeln, dessen Schönheit beinahe im Herzen weh tat. Sie stand auf einer Anhöhe, den Kopf in den Nacken gelegt, und betrachtete den Himmel so eingehend, als könnte sie dort die Antworten auf ihre dringlichsten Fragen finden. Es war heiß in dieser Nacht und selbst der Wind, der sanft über den Hang strich, vermochte keine Linderung zu bringen. Ihr Blick wanderte hinab zu den Mauern der nahen Stadt. Beinahe erwartete sie, dort Lichter zu erblicken, die sich den Hang hinauf auf sie zu bewegten. Doch es schien alles ruhig. Sie waren vorsichtig gewesen. Ein triumphierendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus als sie sich umdrehte. Sie waren zu fünft. Orhenar, Iruu, Viyela, Horum und Ariadana. Die mutigsten Kinder von ganz Shattrath. Und was sie in dieser Nacht vorhatten, war streng verboten. Doch was machte das schon? Sie hatten keine Angst und Gefahren schreckten sie nicht. Und wenn alles wie geplant verlief, würde kein Erwachsener jemals davon erfahren. Im stummen Einverständnis nickten sie einander zu und erklommen die Felswand oberhalb der Stadt, welche die Grenze zu Nagrand bildete. Nur die Nacht war Zeuge ihres Ausflugs. Schweiß perlte auf ihren Körpern, doch niemand von ihnen beschwerte sich. Am höchsten Punkt des ausgetretenen Pfades hielten sie inne. Bis jetzt hatten sie kein Wort gesprochen, doch als sie Nagrand erblickten, das im schimmernden Licht der Monde vor ihnen lag mit seinen glitzernden Wassern, den wogenden Weiten des wispernden Grases... Iruu stieß einen entzückten Seufzer aus, während Horum und Viyela aufgeregt miteinander flüsterten. Ariadana bemerkte, dass Orhenar sie von der Seite beobachtete. Bildete sie sich das nur ein oder lag Bewunderung auf seinem Gesicht? Nur kurz genossen sie den Anblick, der sich ihnen bot. Sie waren schließlich Kinder. Es gab Abenteuer zu erleben! Ariadana führte sie den Pfad hinunter ins Tal. Sie waren alle erschöpft und verschwitzt, aber so kurz vor dem Ziel konnten und wollten sie nicht aufgeben. Linker Hand erhob sich eine Felswand. Rechts von ihnen gähnte ein Abgrund, an dessen Grund es verdächtig funkelte. Ganz in der Nähe rauschte ein Wasserfall. Schließlich wurde der Weg ebener und Ariadana wies sie an, ihr zu folgen. Die Büsche, durch die sich die Kinder schlugen, streckten ihre dürren Zweige nach ihnen aus, verfingen sich in ihren Haaren, zerrten an ihrer Kleidung. Sobald sie hindurch waren, war der beschwerliche Weg jedoch vergessen. Vor ihnen lag ein See, der im hellen Licht des Tages sicherlich idyllisch und ruhig wirken mochte. Im Dunkel der Nacht allerdings war er eine verzauberte Quelle, ein Tor in eine unbekannte Welt. Die Kinder waren am Ziel ihrer Reise angekommen. Viyela reagierte als erste. Alle Vorsicht vergessend lief sie auf den See zu und sprang jauchzend ins Wasser. Sie trug aufgrund der Hitze nicht viele Kleider und machte sich gar nicht erst die Mühe, sie abzulegen. Das Wasser spritzte auf und fiel gleich einem Vorhang aus funkelnden Diamanten wieder herab. "Kommt rein!" rief das Draenei-Mädchen. "Es ist herrlich!" Als wäre es ein Befehl gewesen, sprangen die anderen Kinder hinterher und bespritzten sich gegenseitig mit dem kühlen Nass. Sie wuschen sich den Schweiß ab und planschten lachend und prustend umeinander herum. Nur Ariadana stand noch am Ufer und betrachtete die Szene. Die mutigsten Kinder von Shattrath. Und es war ihre Idee gewesen. Die Wärme, die sie durchflutete, war sicherlich Stolz und das war ihr bewusst. Doch mit dem Lächeln, das Orhenar ihr zuwarf, wuchs die Wärme, wurde zu einer Flamme, die ihr Herz in Brand setzte, ihre Seele verschlang und ihr Leben für den Bruchteil einer Ewigkeit strahlend werden ließ. Hatte sie sich ihm beweisen wollen, so war ihr dies gelungen. Und in dieser Nacht, in diesem Moment hatte sie ihr Herz an ihn gebunden. Sie war noch ein Kind, aber sie wusste über das Schicksal Bescheid. Sie erkannte die Zeichen. Gemessenen Schrittes ging sie auf den See zu. Auf Orhenar, der sie lächelnd lockte. Sie fühlte sich erhaben, beschwingt, viel älter als sie eigentlich war. Und voller Leben. Das Lachen der anderen klang in ihren Ohren. Das Plätschern des Wassers und das Rauschen des nahen Wasserfalls schienen so viel eindringlicher als noch einen Wimpernschlag zuvor. Aber sie sah nur Orhenar. Er streckte ihr die Hand entgegen und erwartete sie und dann war da plötzlich ein Schrei, der das fröhliche Kinderlachen abrupt ersterben ließ. Ariadanas Kopf ruckte herum und die Wirklichkeit traf sie mit solcher Härte, dass sich ihr Herz zusammenkrampfte. Iruu stand still und mit hoch erhobenem Haupt wenige Schritte von ihr entfernt im Wasser. Seine Arme hingen locker herab, doch seine Hände waren angespannt, die Finger gespreizt. Ein dumpfes Glühen ging von seinen Augen aus, sein Mund zuckte. Und in seinem Hals... Der Pfeil hatte diesen weichen, ungeschützten Teil des jungen Körpers komplett durchdrungen. Ein skurriler Fremdkörper, unpassend und tödlich. Die Kinder schwiegen und starrten ihren Kameraden ungläubig an, vielleicht in der ersten Sekunde noch an einen Scherz glaubend. Dann versuchte Iruu zu sprechen. Oder zu atmen. Was auch immer er versuchte, seiner Kehle entrangen sich nur röchelnde und gurgelnde Laute. Blut quoll aus dem halb geöffneten Mund. Sein Blick flackerte, in Panik riss er den Mund auf und mehr Blut schoss daraus hervor. Sein Körper begann zu zucken, seine Beine gaben nach und der Junge fiel schwer in das seichte Wasser. Viyela begann zu schreien. Und dann ging alles ganz schnell. Aus Schilf und Farn am anderen Ende des Sees trat ein gutes Dutzend klobiger Gestalten, deren Silhouetten sich scharf gegen den Nachthimmel abzeichneten. Sie sprachen miteinander, doch was genau sie sagten, konnte Ariadana nicht ausmachen. Für sie klangen ihre Stimmen hart und unmelodisch. Aber obwohl sie kein Wort verstand, war ihr dennoch klar, dass es Orks waren, die ihnen hier gegenüber standen. Ihr Blut gefror zu Eis. Völlig benommen verfolgte sie, wie Bögen angelegt und ein Befehl erteilt wurde. Einige der Orks gröhlten begeistert. Viyela schrie immer noch. Ariadana wollte auf sie zuspringen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie wusste, dass sie fliehen mussten, aber trotz dieses Wissens konnte sie nicht reagieren. Die Orks schossen. Hinter sich hörte sie Orhenar einen leisen Fluch ausstoßen. Seine Arme zuckten vor, rissen Ariadana nach hinten. Sie schloss die Augen, als er sie herumwirbelte. Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen. Aber sie hörte ihre Freundin immer noch schreien. Immer noch. Orhenar zog sie mit sich. Er schwamm kraftvoll und überlegt und schien zu wissen, wo sein Ziel lag. Um sie herum prasselten Pfeile ins Wasser. Sie spürte, wie sich einer von ihnen in ihren Oberschenkel bohrte und stieß vor Schmerz und Schreck die Luft aus ihren Lungen. Instinktiv wollte sie Atem schöpfen, doch nur Wasser schoss in ihre Lungen und in wilder Panik begann sie um sich zu schlagen. Starke Arme schoben sie voran, nach oben, der Wasseroberfläche entgegen. Immer noch Schreie. Überall. Nicht mehr nur Viyela. Da schrie noch jemand. Horum? Und woher kam dieses Jaulen, das Wimmern, das so seltsam verzerrt klang? Ariadana riss die Augen auf und würgte. Wasser lief aus ihrem Mund, ihre Augen traten aus den Höhlen hervor. Sie atmete rasselnd ein, hustete und spuckte. Wieso hörte das Schreien nicht auf? Sie hob den Kopf. Horum kniete nicht weit von ihnen in Ufernähe. Zwei Orks hatten seine Hörner gepackt. Ein dritter wischte sein Messer im Gras ab. Dann schlug er den Kopf des Jungen zur Seite, so dass seine durchtrennte Kehle im Fallen aufklaffte. Sie wollte nach Viyela sehen, denn sie hörte sie immer noch schreien, doch einer der Orks sah in ihre Richtung und schrie seinen Leuten etwas zu. Wieder zielten sie mit ihren Bögen. Ariadana spürte den beißenden Schmerz in ihrem Bein und begriff, dass sie sterben würden. In dieser Nacht, in diesem See. Und es war ihre Idee gewesen. Mit einem heftigen Ruck zog Orhenar sie wieder unter Wasser. Sie hatte kaum Zeit gehabt, ihre Lungen mit Luft zu füllen. Doch machte das noch einen Unterschied? Sie hatte alle Verbote missachtet und ihre Freunde in ein Abenteuer geführt, das nun ihren Tod zur Folge hatte. Ihren Tod! Der Gedanke zog blitzschnell und schmerzhaft durch ihren Kopf. Sie hegte keine kindliche Hoffnung, dass sie es schon irgendwie schaffen würden, dieser Situation zu entkommen. Sie hatte das Blut gesehen, die Waffen... Ein bitterer Geschmack lag auf ihrer Zunge. Ihr wurde übel. Das Wasser um sie herum wurde aufgewühlt von einem Pfeilhagel. Die meisten sanken herab, ohne Schaden anzurichten. Doch einer riss Orhenar die Wange auf und blieb knapp oberhalb des Kiefers stecken. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz, Ariadana biss sich auf die Lippen, um sich selbst ruhig zu halten. Er jedoch warf ihr nur einen kurzen Blick zu, brach den Schaft des Pfeils ab und griff nach ihrer Hand, um sie weiter zu ziehen. Langsam aber sicher ging ihr die Luft aus. Wenn sie nicht bald auftauchen konnte... Das Wasser wurde unruhiger. Wilde Strömungen rissen an ihrem Körper, zerrten an ihrem Haar. Sie konnte sich kaum noch bewegen, wusste nicht mehr, in welche Richtung sie sich wenden sollte. Ihr Herzschlag dröhnte laut in ihren Ohren und Orhenars Hand drückte ihre so stark, dass es weh tat. Aber er zog sie und kämpfte für sie beide. Und als sie schließlich wieder Luft holen konnte und begriff, wo sie sich befanden, da wusste sie, dass sie ihm ihr Leben verdankte. Schwer atmend pressten sich die beiden Kinder an die Felswand hinter dem Wasserfall. Das herabstürzende Wasser war eiskalt und betäubte ihre Glieder, doch spürten sie so auch nicht die Schmerzen durch die Wunden und die Wucht des Wassers, das vom Fels auf sie herab stürzte. Ariadana versuchte zu erkennen, was am See vor sich ging, doch es gelang ihr nicht. Die Schmerzen in ihrem Bein wurden heftiger. Sie blickte Orhenar an, der durch seine Verletzung seltsam fremd wirkte. Sein Blick war warm und ruhig, doch sie spürte, dass er am ganzen Körper zitterte. Wieder warf sie einen Blick in Richtung des offenen Sees. Was war mit Viyela geschehen? Sie konnte sie nicht mehr hören. Das Tosen des Wassers übertönte jedes andere Geräusch. Doch in ihrem Kopf dröhnte es. Dröhnte und pochte es. Es war ihre Idee gewesen. Ihre Idee. Ihre Idee... Bilder, Geräusche, Empfindungen... Sie verblassen nach und nach, lassen sie zurück im leeren Raum ihres Geistes, wo Schmerz und Schuld keine Grenzen kennen. Sie weiß um die Dunkelheit, trägt sie seit jenem Tag in sich und kann ihr nicht entkommen. Sie ist in jedem Atemzug und in jeder Bewegung, kriecht durch jeden Gedanken und schleicht durch ihre Träume. Und sie nimmt sie an, wenn sie sicher ist, mit der Finsternis allein zu sein. Nimmt sie an und umarmt sie, damit sie niemals vergessen kann. Denn sie darf nicht vergessen, was ihr Vergehen war. Sie darf nicht aufhören, für ihre Schuld zu büßen. Denn es war ihre Idee. Ihre. Und sie wird nicht noch einmal kopflos sein. Wird die Last der drei Leben, die sie ausgelöscht hat, bis zu ihrem eigenen Ende auf ihren Schultern tragen. Und wenn es sein muss, noch darüber hinaus. Sie spürt ihr Herz schlagen. Flatternd wie ein kleiner Vogel. Sie ist am Leben. Immer noch. Unendlich langsam öffnet sie die Augen. Im Inneren des Zeltes herrscht ein angenehmes Dämmerlicht. Die Luft hat sich geklärt, der Dunst ist verzogen. Außerhalb des Zeltes geht das Leben seinen gewohnten Gang. Sie hört die Stimmen der Tuskarr. Kehliges Lachen, gedämpfte Unterhaltungen, gerufene Befehle. Beinahe fühlt sie sich in ihre Kindheit versetzt. In die Zeit vor der Finsternis. Damals hatte sie das Leben als ruhigen Fluss empfunden. Ganz in der Art wie hier an der Küste der gefrorenen See. Der Tuskarr sitzt ihr noch immer gegenüber. Er bewegt sich nicht und er sagt nichts, schaut sie nur an. In seinen dunklen Augen kann sie die Schatten ihrer eigenen Erinnerungen erkennen. Auf das alles war sie nicht vorbereitet gewesen. Er hat ihr nicht gesagt, nach was er in ihrem Geist suchen würde. Und jetzt kennt er ihr Geheimnis und sie fühlt sich hilflos. Hilflos und schuldig. Hastig wendet sie den Blick ab. Doch sie spürt, dass er sie noch immer ansieht. Sie betrachtet, als wäre sie aus Glas. Als würden all ihre Gedanken, Gefühle, Hoffnungen und Ängste offen vor ihm liegen. Und vielleicht tun sie das sogar. Nachdem er so tief in sie gesehen hat, kann er sicherlich noch mehr entdecken. Wie tief wird er noch gehen? An die dunkelsten Orte? Dorthin, wo sie das Schlimmste verborgen hält? Panik beginnt in ihr aufzusteigen. Sie greift nach dem Messer an ihrer Seite, packt den Schaft. Doch sie kann nicht töten. Nicht sich selbst und niemand anderes. Nicht aus solchen Gründen. Sie hat geschworen, Leben zu bewahren. Sie hat geschworen, ihr eigenes Leben aufzugeben, ihre eigenen Wünsche zu missachten, um anderen zu helfen. Um zumindest einen Teil ihrer Schuld zu begleichen. Niemals kann sie gegen diesen Schwur verstoßen. Die Plane am Eingang des Zeltes wird zur Seite gezogen. Sonnenlicht fällt herein. Lässt Staub tanzen. Der Kopf eines jungen Tuskarr schiebt sich in ihr Sichtfeld. Dunkle Augen mustern sie fragend, gleiten mit ihrem Blick durch das Innere der Behausung und bleiben schließlich an dem Alten hängen. Es braucht nur ein Nicken von ihm und schon zieht sich der Besucher zurück, lässt die Plane fallen und sperrt die Sonne aus. Aber ihre Angst, die nimmt er nicht mit. "Du bist einen weiten Weg gekommen, Ariadana." Seine Stimme lässt sie zusammenzucken, obwohl er ganz ruhig spricht. Beinahe sanft. "Trotz deiner Angst und deinem Bemühen, deine Fehler vor der Welt und dir selbst zu verstecken, hast du dich mir geöffnet. So viel Dunkelheit in deinen Gedanken..." Sie erhebt sich langsam. Sie versteht. Es war nur eine vage Hoffnung, bei diesem Volk einen Lehrer zu finden, der sich ihrer annehmen würde. So viele haben sie schon abgelehnt. Er ist nicht der erste. Sie streicht ihr Kleid glatt, verneigt sich vor dem Traumwandler. Nur wenige Schritte trennen sie von einer neuen Suche. Sobald sie sich abgewandt hat, wird es nicht mehr weh tun. Obwohl sie den Schmerz begrüßt. Eine weitere Geißelung ihrer Seele. Sie hat es verdient. Doch noch bevor sie die Plane zur Seite stößt, hält er sie auf. Er ist nicht aufgestanden, er hat sich nicht bewegt. Und doch spürt sie seinen Arm, der sich um ihre Schultern legt und sie sanft zurück zieht. Ihre Augen weiten sich vor Überraschung. "Dunkelheit in deinen Gedanken, Ariadana." Sie dreht sich um und sieht ihn an. Die Schatten sind aus seinen Augen verschwunden. Ein Lächeln spielt um seinen breiten Mund. "Doch das Herz in deiner Brust ist voller Licht. Ich wäre ein Narr, wenn ich nicht erkennen würde, wann eine würdige Schülerin vor mir steht." Und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, wie ihr scheint, verzieht sich ihr Gesicht zu einem Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)