Mafia Mates von FreakyStyley ================================================================================ Prolog: -------- Die Luft war erfüllt von lauten Schüssen. Um nicht getroffen zu werden, drückte ich mich an der feuchten Wand der engen, dunklen Gasse entlang. In einigen Metern Entfernung sah ich einen Schatten und gleich darauf auch die zugehörige Person. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern feuerte ich einen Schuss auf sie ab und sie sank zu Boden. Meine Aufgabe war es, jeden zu töten, den ich sah. Dabei war es ausgeschlossen, dass ich jemandem aus der Mafia begegnete, denn wie gewöhnlich führte ich meinen Auftrag alleine aus. So hieß es jetzt, ich alleine gegen circa zehn andere bewaffnete Personen. Acht hatte ich schon erwischt, so fehlten nun nur noch zwei. Langsam presste ich mich weiter an der modrigen Wand entlang, geschützt von der Dunkelheit, so dass ich nicht entdeckt wurde. Meine geliebte Desert Eagle hatte ich dabei entsichert und somit schussbereit neben meinem Kopf platziert. Da! Im schwachen Licht einer Straßenlaterne konnte ich eine dunkle Silhouette erkennen, die wohl auch zu meinen Zielpersonen gehörte. Schüsse meinerseits fielen, sodass auch diese Person zu Boden sank, wo sie ihr Leben aushauchte. So, jetzt war nur noch einer übrig. Ich schlich mich weiter die Gasse entlang, wobei ich darauf achtete, so wenige Geräusche wie möglich zu machen. Konzentriert nahm ich jeden Laut auf, um so schnell wie möglich entsprechend reagieren zu können. Ich bewegte mich zwar vorwärts, doch eigentlich wartete ich. Wartete darauf, dass mein Gegner einen Fehler machte und zwar den, mich zu unterschätzen. Ich war zwar erst 17 Jahre alt, doch ich gehörte schon zu den Besten der Mafia unter Rodd. Im Schießen war ich ein Ass, hundertprozentige Treffsicherheit zeichnete mich aus, auch im Anschleichen war ich ganz gut und überhaupt erledigte ich meine Aufträge immer tadellos, kein Wunder, ich brachte ja auch schon einiges an Erfahrung mit. Mitten in meiner Bewegung blieb ich stehen und lauschte, nur zur Kontrolle. Alles war still, nicht mal ein entferntes Tappen von Schritten oder das Trippeln einer Ratte, die sich so gerne in diesen dunklen Gassen aufhielten, war zu hören. Langsam wagte ich mich wieder vorwärts, jedoch wartete ich immer noch darauf, wie eine Katze auf eine Maus, dass die Zielperson einen Fehler beging oder ich so langsam zumindest in ihre Nähe kam. Zum Glück musste ich mich nicht lange gedulden. Das war gut, Geduld hatte ohnehin noch nie zu meinen Stärken gehört. Nach nur wenigen Minuten vernahm ich leise Schritte. Und sie waren ganz in der Nähe, eindeutig. Kurz schloss ich meine Augen, um mich besser orientieren zu können und stellte fest, dass sie von rechts kamen. Ich sah mich um und erkannte, dass es nur ein paar Meter weiter auf der rechten Seite eine Abzweigung zu einer weiteren Seitengasse gab. Dort musste sich mein letztes Opfer befinden. Leise und vorsichtig schlich ich mich weiter vor, bis ich an der Abzweigung ankam. Ich lauschte noch einmal kurz und hörte, dass die Schritte sich näherten, die Person bewegte sich also auf mich zu. Das war gut, so sah sie ihrem Tod wenigstens direkt in die Augen. Auf einmal bekam ich Lust, ein wenig zu spielen. Ein gewinnendes Grinsen stahl sich auf meine Lippen und ich hauchte einen kleinen Kuss auf den Lauf meiner Pistole, ehe ich in einer blitzschnellen Bewegung vorschnellte, sodass ich nun endgültig die Gasse einsehen konnte. In der Bewegung hatte ich meine Desert Eagle so gehalten, dass sie sich jetzt direkt auf Brusthöhe meines Opfers befand, das mir mit vor Schock weit aufgerissenen Augen entgegenblickte. Durch das spärliche Licht einer alten Straßenlaterne, die ein paar Meter hinter ihm hing, konnte ich nur das Nötigste von ihm erkennen. Es war ein Mann, sein Alter konnte ich nicht genau bestimmen, aber er war bestimmt über 40 Jahre alt. Er war ziemlich mager und besaß ein hageres Gesicht. Auf seine Stirn fielen ihm ein paar Strähnen seiner dunklen Haare, die genaue Farbe konnte ich nicht ausmachen. Anscheinend war er gerade dabei gewesen, seine Waffe zu erheben, als ich ihn überrascht hatte. Jetzt wo ich meine Pistole schon längst auf ihn richtete und nun langsam höher wanderte, sodass sie auf seinen Kopf zeigte, ließ er sie schnell sinken und zu Boden fallen. Als Zeichen dafür, dass er mir nichts tun würde, erhob er seine Hände und platzierte sie neben seinem Kopf. „B-Bitte…Lass mich~“, stammelte er mit zittriger Stimme. Seine raue Stimme klang flehend und angsterfüllt, außerdem schwang eine gewisse Hoffnungslosigkeit darin mit. Innerlich seufzte ich auf. Was dachten sie sich eigentlich immer?! Dass ich ein Problem damit hatte Menschen zu töten, nur weil ich noch nicht Volljährig war?! Wenn sie das dachten, hatten sie sich jedenfalls gewaltig getäuscht, denn im Gegenteil, es machte mir nicht das Geringste aus, jemanden umzulegen, es machte mir Spaß. Ich liebte es, die Angst in den Augen meiner Opfer zu sehen. In diesem Moment fühlte ich mich immer wie ein Gott, der über das Leben eines andere richten konnte. Es lag allein an mir, ob sie weiterleben durften oder nicht. Und genau dieses Gefühl genoss ich. Manchmal folterte ich sie sogar so lange, bis sie mich anflehten sie doch endlich zu töten, um sie damit von ihrem Leiden und den elenden Qualen zu erlösen. Meistens setzte ich in diesen Momenten ein sadistisches, überlegenes Lächeln auf und spätestens dann wussten sie, dass ich genau das Gegenteil von dem tun würde, was sie sich erhofften. Ich verachtete es immer, wenn sie mich anflehten und um ihr Leben winselten. Meiner Meinung nach war es einfach nur erbärmlich, denn für mich bedeutete mein Stolz alles. Nie in meinem gottverdammten Leben würde ich mir vor jemandem eine solche Blöße geben, so wahr ich Mello heiße! Ich sah meinem derzeitigen Opfer direkt in die Augen und setzte ein engelsgleiches Lächeln auf. „Du meinst also, dass ich dich verschonen sollte?“, schnurrte ich ihm entgegen. Trotz des schwachen Lichts konnte ich genau beobachten, wie er schluckte. „Ja…Bitte… Ich habe doch eine Frau und Kinder und ~“ Er verstummte, als er mein Lächeln bemerkte. Von einem Moment auf den anderen hatte es sich von dem eines Engels in das eines Teufels verwandelt, der ich eigentlich war. Erschrocken zuckte der Mann zurück und schluckte abermals. Wahrscheinlich wurde ihm nun klar, dass ich nicht vorhatte, ihn am Leben zu lassen. Es war ganz normal für mich, meinen Auftrag perfekt auszuführen und da der in diesem Fall lautete, jeden umzubringen, den ich sah, musste ich auch diesen Familienvater hier ausschalten. Im Übrigen interessierte mich sein Gelaber sowieso nicht, es würde ohnehin nichts an seinem Schicksal ändern. Und das war ich, Mello. Hier war wieder eine der Situationen, die ich so genoss. Ich richtete über mein Opfer, sein Leben lag in meiner Hand und hing ganz allein von mir ab. Zudem hinterließ sein Betteln, das ich so verabscheute, ein angenehmes Gefühl in meiner Magengegend, da es mir noch mehr die Illusion gab, in diesem Moment ein Gott zu sein. Und damit war eindeutig ein Todesgott gemeint. Meine Augen verengten sich noch ein wenig, als mein Lächeln immer breiter wurde. „Fahr zur Hölle!“, knurrte ich und drückte genau zwischen seinen Augenbrauen ab. Mit einem Stöhnen ging er zu Boden, wo er sein erbärmliches Leben aushauchte. Somit hatte ich nun auch das letzte bisschen Menschenleben hier ausgelöscht und meinen Auftrag erfüllt. Das Negative an meinem Job war die Sauerei, die jedes Mal zwangsläufig mit dazu gehörte, wenn man jemanden erschoss. Angewidert sah ich auf die Hirnmasse, die jetzt den schmutzigen Asphalt befleckte. Da war mir eine ganz normale Blutlache eigentlich lieber, aber was soll’s, ein Kopfschuss als Todesursache gefiel mir besser, als eine Kugel ins Herz. Da mein Auftrag nun erledigt war, hieß es für mich nun so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass jemand die Leichen entdeckte und sollte dies der Fall sein, würde man mich als erstes mit ihnen in Verbindung bringen, wenn ich der einzige war, der hier noch lebend herumlief. So machte ich auf dem Absatz kehrt und lief die dunkle Gasse entlang. Kapitel 1: Todesengel --------------------- Sicht von Mellos Opfer: Langsam schlich ich mich die finstere, schmale Seitengasse entlang. Soweit ich wusste, war es nur eine einzige Person, die mich und meine Verbündeten hier versuchte auszulöschen. Wir waren zwar zu zehnt, aber die Schüsse, die ständig fielen, signalisierten mir, dass diese Person noch immer lebte. Was für ein Irrsinn, dass nur eine Person uns alle umbringen könnte! Was dachte sich Rodd dabei, lediglich einen zu schicken? Naja, mir sollte es recht sein, so war die Wahrscheinlichkeit zu sterben wesentlich geringer. Irgendjemand musste diesen Mafia-Typen ja treffen! Doch ich sollte mich vor ihm in Acht nehmen, ich musste äußerst vorsichtig sein. Nur ein einziger Fehler konnte meinen Tod bedeuten. Anscheinend hatte der Typ schon ein paar meiner Komplizen umgebracht, da sollte ich nicht zu voreilig handeln. Ich drückte mich weiter an der feuchten Wand entlang, als ich Miller bemerkte. Er lag da auf dem dreckigen Asphalt, die Augen weit aufgerissen und mit einer Kugel im Kopf. Ansonsten hatte er keine Verletzungen. Es schien mir, als ob der Verantwortliche sehr erfahren sein musste, wenn er ihn direkt mit nur einem Schuss in die Stirn getroffen hatte. Ausdruckslos blickten mich Millers leblose Augen an. Ich erinnerte mich an die Zeit, in der wir gemeinsame Sachen gemacht hatten, wir waren schon immer zusammen in dieser Sekte gewesen. Verdammt, warum hatten wir uns auch unbedingt Geld von der Mafia leihen müssen?! Wir konnten es sowieso nicht zurückzahlen, das war uns allen eigentlich sehr wohl bewusst gewesen und trotzdem hatten wir - oder besser gesagt Charlie, der Kopf unserer Sekte - es getan. Das einzige, was es uns gebracht hatte, waren Drogen gewesen. Drogen, die ich sowieso nicht nahm und Miller ebenfalls nicht. Aber wir hingen nun mal mit drin, also mussten wir uns jetzt den Folgen stellen. Diese waren eindeutig: Wir hatten nicht bezahlt, uns sogar geweigert, also hatte die Mafia jemanden geschickt, der uns umbrachte, sodass wir mit unserem Leben bezahlten, so einfach war das. Somit hätten wir auch unsere Schuld beglichen und Rodd wäre zufrieden. Mein Blick fiel wieder hinunter zu Miller. ‚Es tut mir Leid…‘ Der Entschluss ihn zu rächen und die Person, die ihn getötet hatte, selbst umzubringen machte sich in mir breit. Entschlossen schlich ich weiter und suchte die Gasse mit Blicken nach der Zielperson ab. Da! Schon wieder ein Schuss! Im schwachen Schein der Laterne am Ende der Gasse sah ich, wie wieder einer unserer Leute stöhnend zu Boden ging. Scheiße! Das hieß, dass die Person ganz in der Nähe war. Nun gut, viele konnten ja nicht mehr übrig sein, gut möglich, dass es jetzt an mir lag. Trotz meiner Absicht Miller zu rächen und meine Verbündeten zu unterstützen, musste ich mich überwinden, der Gasse weiter zu folgen. Ein mulmiges Gefühl ergriff von mir Besitz, doch ich versuchte es zu ignorieren und schlich mich stattdessen weiter. Tapp, tapp. Angestrengt lauschte ich und dann hörte ich sie, kaum wahrnehmbare Schritte, fast schon tänzelnd leichtfüßig… Nur leider konnte ich sie keiner bestimmten Richtung zuordnen. Ich hatte keine Ahnung, ob sie sich von hinten oder von einer der anderen Wege, die ein paar Meter weiter vorne in beide Richtungen abzweigten, näherten. Vorsichtig wagte ich mich ein paar Schritte weiter vor und näherte mich so immer mehr den Abzweigungen. Plötzlich sprang eine Gestalt aus einer von ihnen hervor. Ich wollte gerade meine Waffe erheben, als ich schon den Lauf einer Pistole vor mir wahrnahm. Das war doch… Ein Mädchen? Nein, bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass es doch ein Junge war. Er war nicht viel älter als mein eigener Sohn, wahrscheinlich so um die 17. Durch das schwache Licht in meinem Rücken konnte ich ein wenig von ihm erkennen. Er hatte blonde, fast schulterlange Haare. Mein Blick glitt weiter hinunter und ich stellte fest, dass er eine schlanke Figur hatte. Er trug enge, schwarze Lederklamotten, in denen er, zugegebenermaßen, verdammt attraktiv aussah. Als letztes blickte ich ihm ins Gesicht, welches feine, fast schon feminin wirkende, Züge aufwies. Trotz der fahlen Beleuchtung konnte ich die Farbe seiner Augen erkennen. Sie waren eisblau und von solch einer Härte und Kälte durchzogen, dass ich erschauerte. Fast schon höhnisch blickten sie auf mich herab, verachteten mich. Das Lächeln des Jungen hingegen war engelsgleich und passte nicht im Geringsten zu seinem eiskalten Blick. Bei seiner ganzen Erscheinung weiteten sich meine Augen. Ich konnte es nicht fassen, dass das die Person war, die schon so viele meiner Komplizen, wenn nicht sogar schon alle, getötet hatte. Er war doch noch so jung! Doch die Situation war für mich aussichtslos, ich hatte keine Chance. Langsam ließ er seine Waffe höher wandern, bis sie auf meinen Kopf zeigte. Alles was ich jetzt noch tun konnte, war ihn darum zu bitten, mich laufen zu lassen. Um ihm zu signalisieren, dass ich ihm nichts tun würde, wie auch, es ging ja nicht, ließ ich langsam meine Sig sinken und zu Boden fallen, hob meine Hände und platzierte sie neben meinem Kopf. „B-Bitte…Lass mich~“, stammelte ich mit zitternder Stimme. Trotz dem Versuch, noch irgendwie davon zu kommen, wusste ich tief in meinem Inneren, dass ich sterben würde. Sein kalter Blick und dazu dieses Engelslächeln verrieten mir, dass er gerne spielte. Er spielte gerne mit dem Leben und dem Tod. Wenn ich Pech hatte, würde er mich foltern, dem war ich mir durchaus bewusst. Jedoch wollte ich die Hoffnung, selbst wenn sie nur gering war, nicht einfach so aufgeben, schließlich hatte ich immer noch meine Familie, die ich über alles liebte! Jetzt sah er mir direkt in die Augen und die Kälte seines Blickes traf mich mit voller Wucht, sodass ich mir nun nur noch sicherer war, dass er keine Gnade walten lassen würde. „Du meinst also, dass ich dich verschonen sollte?“, schnurrte er mir entgegen. Ich schluckte stark. Der Ton in seiner Stimme zeigte mir, wie sehr er mich verachtete, dass ihm mein Leben völlig egal war, dass es ihm nichts ausmachen würde mich zu töten. Trotzdem versuchte ich es ein letztes Mal, vielleicht konnte ich ihn ja doch noch erweichen. „Ja…Bitte…Ich habe doch eine Frau und Kinder und ~“ Sein Lächeln ließ mich verstummen. Erschrocken zuckte ich zurück und musste schon wieder hart schlucken. Ich dachte an meine Familie, meine geliebte Frau Susan, und meine beiden Kinder. Da waren besagter Sohn, gerade erst 17 geworden und ein wirklich kluger Kopf. Dazu kam dann noch meine kleine achtjährige Tochter, die mir immer aufgeregt entgegenlief, wenn ich am Abend nach Hause kam. Und dann sah ich ihn an, den blonden Engel. Schockiert stellte ich fest, dass sich sein engelsgleiches Lächeln von eben in das teuflische Lächeln eines Dämons verwandelt hatte. Jetzt konnte ich sehen, wie er wirklich tickte. Er war ein Teufel, ein dämonischer Todesengel, der keine Gnade walten ließ. Jemand, der seine Opfer verachtete, wahrscheinlich liebte er es, sie leiden zu lassen, damit er die Angst und Qualen kurz vor ihrem Tod in ihren Augen sehen konnte. Mir war klar, dass dieses Lächeln mein Todesurteil war. Trotzdem, jetzt war es zu spät. Ich konnte mich nicht mehr wehren, für mich gab es keine Hoffnung mehr. Was würden meine Lieben wohl tun? Ich hatte keine Gelegenheit weiter darüber nachzudenken, da ich von dem Tod in Person, welcher mir direkt gegenüber stand, unterbrochen wurde. „Fahr zur Hölle!“, knurrte er und drückte ab. Mein letzter Gedanke galt meiner Familie. ‚Ich liebe euch! ‘ Dann wurde alles um mich herum schwarz… Kapitel 2: Anziehungskraft -------------------------- Matt: Es war Donnerstagmorgen, als ich meinen ersten Tag an der neuen Schule begann. Mit meinem roten 1968 Plymouth RoadRunner suchte ich auf dem Schülerparkplatz nach einer freien Stelle. Die Schule war relativ klein und dementsprechend auch ihr Parkplatz, weshalb ich ums Verrecken keinen freien Fleck entdecken konnte. Obwohl… Doch, da hinten war noch einer! Langsam schlängelte ich mich durch die schmalen Wege und Schülermassen. Ich wollte gerade in die Lücke fahren, als sich eine schwarze Honda an mir vorbeiquetschte und mir allen Ernstes den Platz vor meiner Nase klaute. Was erlaubte der sich eigentlich?! Seelenruhig parkte der Fahrer ein, streifte sich den schwarzen Helm vom Kopf und schüttelte seine Haare, wie in einer Shampoowerbung. Mit einer eleganten Bewegung stieg er ab und drehte sich zu mir um. ‚Wow‘, entfuhr es mir in Gedanken. Der Typ hatte blonde, schulterlange Haare, feine Gesichtszüge und trug tatsächlich hautenge Lederklamotten in der Schule. Dazu trug er derbe Schnürboots und schwarze Handschuhe. Wie erstarrt sah ich ihn an, unfähig meinen Blick von ihm abzuwenden. Blondie hingegen warf mir nur einen frechen, kalten und arroganten Blick zu. Kurz erwiderte ich ihn, dann riss ich mich von ihm los und fuhr langsam weiter. Schließlich wollte ich an meinem ersten Tag nicht unbedingt zu spät zum Unterricht erscheinen, weil ich die Schönheit schlechthin angestarrt hatte. Im Rückspiegel sah ich, wie er jetzt eine Tafel Schokolade aus seiner Tasche zog und genüsslich von ihr abbiss. Wie gern wäre ich jetzt diese Schokolade… Energisch schüttelte ich meinen Kopf; an so etwas sollte ich gar nicht erst denken, also zurück zum Thema! Eigentlich war es mir ja herzlich egal wenn ich Ärger bekam, aber ich wollte nicht direkt zu Anfang eine Verwarnung kassieren, die würde ich mir lieber fürs Zocken im Unterricht aufheben. Und die würde es wohl ganz schön häufig geben, schließlich musste ich ja irgendetwas gegen die unsagbare Langeweile tun, wenn mal wieder der immer gleiche Stoff durchgekaut wurde, weil irgendwelche Idioten es noch immer nicht verstanden hatten. Glücklicherweise fand ich weiter hinten doch noch eine Parklücke, so hatte ich noch knappe fünf Minuten Zeit bis zum Gong. Entspannt stieg ich aus dem Wagen aus und gönnte mir erst mal eine Kippe, schließlich musste ich zumindest die ersten beiden Schulstunden, also ganze anderthalb Stunden, auf diese verzichten. Erst dann würde ich eine Pause haben und könnte wieder eine rauchen, da verstand es sich wohl von selbst, dass ich diese eine Zigarette so gut es ging genießen musste. In gemächlichem Tempo lief ich über den Parkplatz, inhalierte genüsslich den Rauch der Kippe und betrat das Schulhaus. Jetzt waren noch genau zwei Minuten Zeit, in denen ich der Beschilderung zum Direktorat folgte. Davor angekommen blieb ich stehen und schnippte achtlos den Filter meine Zigarette auf den Boden. Höflich klopfte ich an die Tür, wartete auf eine Bestätigung und betrat den Raum. „Ah, du musst Matt sein. Willkommen an unserer Schule!“ Mit diesen Worten begrüßte mich ein älterer Mann, der laut dem Schild auf seinem Schreibtisch ‚Roger Ruvie‘ sein musste, der Direktor, wie es dort in goldenen Lettern geschrieben stand. Es dauerte nicht lange, da hatte er schon die notwendigen Formalitäten erledigt und schickte mich zu meinem Mathekurs der in Raum 225 stattfand. Gemächlich schlenderte ich durch die Schulflure. Ich hatte es nicht sonderlich eilig zum Unterricht zu kommen, es würde ohnehin wie immer langweilig sein. Und je länger ich dieser unsäglichen Langeweile entkommen konnte, desto besser. Wie bereits erwähnt war die Schule recht klein, die Schülerzahl schätzte ich auf circa 500, recht viel mehr konnten es nicht sein. Zudem war sie nicht nur klein, sondern auch noch ziemlich alt. Die Wände waren etwas gräulich und das gesamte Gebäude machte nicht gerade den saubersten Eindruck. Aber mir sollte es recht sein, schließlich musste ich ja ‚nur‘ die nächsten zwei Schuljahre hier aushalten. Also, im wahrsten Sinne des Wortes: Augen zu und durch! Leider konnte ich den Weg zum Klassenzimmer auch nicht ewig lang ziehen und so stand ich schon bald vor dem gesuchten Raum. Auch dieses Mal klopfte ich zuerst brav an, bevor ich das Zimmer betrat. Sofort schossen 23 Köpfe herum und ich wurde von ebenso vielen Augenpaaren von oben bis unten gemustert. Ich brauchte meine neuen Mitschüler gar nicht erst anzusehen, denn auch so konnte ich förmlich ihre irritierten und abwertenden Blicke auf mir spüren. Es war für alle sofort glasklar, ich war ein ‚Freak‘, jemand, mit dem man nicht gesehen werden sollte, da einen die anderen sonst für verrückt und vielleicht auch peinlich erklären würden. Genau wie vorhin der Direktor, hielt auch der Lehrer eine kurze Begrüßungsansage, von wegen, dass es schön wäre, mich hier zu haben, dass ich mich bestimmt schnell eingewöhnen werde und der ganze übliche Scheiß halt. Dann sollte ich mich noch kurz selbst vorstellen und meinen Namen nennen. „Matt“, antwortete ich gelassen. Mein Tonfall triefte nur so vor Langeweile und Desinteresse, sodass sich einige verwirrte Ausdrücke auf den Gesichtern meiner neuen Mitschüler zeigten. Auch der Lehrer reagierte nicht viel anders und so schickte er mich gleich darauf zu meinem Platz in der letzten Reihe neben ein paar komischen Typen, die mich immer noch abwertend musterten. Ich vermutete, dass es vor allem an meiner ungewöhnlichen Kleidung lag. Ja gut, ich trug nun mal mein alltägliches Outfit, was aus einem gestreiften Pullover, heute schwarz-rot, einer blauen Jeans, Springerstiefeln, einer braunen Fellweste und meiner geliebten orange getönten Fliegerbrille bestand. Wenn das irgendwie komisch war – von mir aus, aber es gefiel mir nun mal und passte zu mir. Innerlich seufzend ließ ich mich auf den freien Platz am Fenster fallen und meinen Blick durchs Klassenzimmer schweifen. Es existierte ganz klar die typische Rollenverteilung: Die Tussen, die zu dumm für den Unterricht waren und sich stattdessen über Schminke und Jungs unterhielten, dann noch die Machos, die ‚cool‘ durch die Gegend glotzten und die Mädchen begafften, als wären sei ein Stück Fleisch, die artig dem Unterricht folgenden Streber, die sich bei jeder nur erdenklichen Frage meldeten, um sie zu beantworten und deren Haare dringend nochmal eine Wäsche gebrauchen könnten, und seit heute auch die Gruppe der Freaks, die aber nur aus mir bestand, womit ich eigentlich ganz zufrieden war. Ich brauchte keine Gesellschaft, schon immer war ich ein Einzelgänger gewesen; es war sogar so, dass ich mich in größeren Gruppen nicht wirklich wohl fühlte. Außerdem fehlte mir das nötige Interesse an meinen Mitmenschen; ich konnte ihnen einfach nicht aufmerksam zuhören, sie waren alle gleich langweilig, hatten immer nur dasselbe zu erzählen und unterschieden sich höchstens an ihren Nerv tötenden Stimmen. Selbst ihre Klamotten ähnelten sich! Allein an denen konnte ich feststellen, zu welchen Gruppen sie gehörten. Auf einmal musste ich an den blonden Typen von vorhin denken. Er schien anders zu sein, als die anderen. Er fiel völlig aus der Reihe und das lag nicht nur an seiner ungewöhnlichen Kleidung! Nein, es war vielmehr seine Ausstrahlung, die mich in ihren Bann zog. Er hatte etwas Verruchtes, Aufregendes und auch Geheimnisvolles an sich. Eben einfach interessant! Außerdem war ich mir ganz sicher, dass dieser Typ mehr - und vor allem interessantere Dinge – als alle anderen hier zu erzählen hatte. Dass er noch dazu ziemlich geil aussah war natürlich nur ein kleiner Pluspunkt. Die Stunde zog sich zäh wie Kaugummi in die Länge. Ich verbrachte die Zeit damit, zwar alles was der Lehrer an die Tafel schrieb artig zu notieren, doch gedanklich schweifte ich immer wieder vom Unterrichtsgeschehen ab. Meist träumte ich davon, wie schön es jetzt wäre, eine Kippe zu haben oder einfach mit meiner PSP Resident Evil weiterzocken zu können. Aber nein, ich wurde hier ja mit Dingen davon abgehalten, die ich ohnehin schon wusste! Zu meinem Glück war die Stunde bald vorbei und so quälte ich mich weiter durch meinen nächsten Kurs, nämlich Englisch, was auch nicht viel besser war. Die 45 Minuten verbrachte ich genau wie die davor auch: Die ganze Zeit am Mitschreiben, aber in Gedanken völlig woanders. Nach dieser quälend langsam vergehenden Stunde begann endlich die erste Pause, in der ich mich sofort auf den Schulhof begab und mir eine Zigarette anzündete. Dass Rauchen hier eigentlich verboten war, störte mich nicht weiter, war mir doch egal, was die Lehrer sagten. Ich brauchte meine Kippe, ohne sie würde ich die restlichen vier Stunden ganz sicher nicht überleben! Gelangweilt ließ ich meinen Blick über den Hof wandern. Überall standen verschiedene Schülergruppen und keine einzige von ihnen sah auch nur annähernd interessant aus. Immer wieder dieselben langweiligen Menschen… Plötzlich erregte lautes Geschrei meine Aufmerksamkeit. Am anderen Ende des Schulhofes standen drei Jungs - ich schätzte sie ungefähr auf mein Alter - einem anderen gegenüber. Er hatte blonde Haare und ähnelte wirklich… Moment mal, kannte ich den nicht? Ja, das war doch der Ledertyp von heute Morgen! Anscheinend hatte er Ärger mit den drei Jungs, denn sie waren dabei, sich diverse Schimpfwörter entgegen zu schreien. „Du Schlampe, ich tret dir gleich in deine nicht vorhandenen Eier!“, schrie der Größte, ein dunkelhaariger, kräftig gebauter Typ, ihn an. „Du nennst mich eine Schlampe?! Fick dich ins Knie du Wichser oder ich wisch dir dein dämliches Grinsen aus deinem verfickt hässlichem Gesicht!“ Wow, wie ich angenommen hatte, nahm Blondie kein Blatt vor den Mund. Mutig, obwohl er ganz allein war, stellte er sich den anderen drei Jungs entgegen. „Was hast du gesagt?! Du kannst was erleben, du…!“ Sie kamen ihm immer näher und ich dachte mir, dass doch so langsam mal jemand einschreiten müsste. Doch nichts passierte. Die Schüler standen nur tatenlos daneben und beobachteten das Spektakel. Es schien mir, als ob sie sich richtig über die Auseinandersetzung freuten und fast schon sehnsüchtig auf eine Prügelei warteten. ‚Was soll der Scheiß?! Die Typen könnten ihn ernsthaft verletzen! Soll ich vielleicht…?‘ Unsicher ging ich ein paar Schritte in ihre Richtung, währenddessen schnippte ich meine Kippe auf den Boden und trat sie im Laufen aus. „Ach ja?! Was willst DU mir schon bitte antun?!“ Oh oh, wenn Blondie jetzt nicht aufpasste, würde er krankenhausreif geschlagen werden, da war ich mir sicher. Seine Augen blitzten vor Zorn und er kam ihnen etwas näher. Dabei hatte er eine dermaßen aggressive und brutale Ausstrahlung, dass die Typen doch einen kleinen Schritt zurück wichen. Mittlerweile stand ich ganz in der Nähe der kleinen Gruppe und hielt mich bereit. Gerade wollte ich tief Luft holen, um mich endlich einzumischen, als ein Lehrer über den Schulhof eilte und dem dunkelhaarigen Wichser eine Hand auf die Schulter legte. Der Typ zuckte zusammen, drehte sich langsam um und als er den Lehrer erblickte, weiteten sich seine Augen. Der Ausdruck ‚Scheiße‘ stand ihm nur allzu deutlich im Gesicht geschrieben. „Was soll das hier? Dauernd diese Auseinandersetzungen, so geht das wirklich nicht weiter! Mike, Joe, Sam, bitte kommt mit in mein Büro.“ Die drei Angesprochenen warfen sich kurze Blicke zu, nickten dann aber und folgten dem Mann mehr oder weniger freiwillig in das Gebäude. Zurück blieb ein wutentbrannter Ledertyp, der ihnen mit funkelnden Augen nachsah. Ich fand es gut, dass der Streit beendet war, aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass der Junge verletzt wurde. Zögernd ging ich ein paar Schritte auf ihn zu, um ihn zu fragen, ob alles in Ordnung sei, doch auf einmal drehte er sich zu mir um, bedachte mich kurz mit einem wütenden, arroganten Blick und machte dann auf dem Absatz kehrt. Schnurstracks lief er ins Schulgebäude, die meisten Schüler wichen dabei freiwillig zur Seite, wenn sie ihm im Weg standen und wer das nicht tat, wurde angeschnauzt. Offensichtlich wollte sich keiner mit ihm anlegen, aber das verwunderte mich nicht weiter, denn ich war mir sicher, dass er trotz seiner zierlichen Statur ordentlich zuschlagen konnte und bestimmt schon mindestens einmal jemanden ins Krankenhaus verfrachtet hatte. Warum sich die Typen von eben dann doch mit ihm angelegt hatten, war mir ein Rätsel. Vielleicht hatten sie versucht ihm Angst zu machen, ihn zu übertreffen, doch er hatte nicht klein beigegeben, was sie dann wiederum eingeschüchtert hatte. Perplex sah ich Blondie nach, wie er davon stolzierte. ‚Ich sag’s ja: Er ist wesentlich interessanter, als der gesamte Rest dieser Absteige.‘ Kurz darauf war die Pause auch schon wieder vorbei und ich hatte noch vier dieser quälend langweiligen Stunden vor mir. Zuerst hatte ich Physik und es war dermaßen uninteressant, dass ich kurzerhand meine PSP aus der Tasche zog und unterm Tisch Resident Evil 4 zockte. Glücklich schlachtete ich irgendwelche Zombies ab und verfolgte die Geschichte von Leon, als die Stunde auch schon wieder vorbei war. Diesmal war es wirklich schnell gegangen, war aber auch kein Wunder, denn wenn ich zockte, vergaß ich alles um mich herum und tauchte komplett in die Spielwelt ein, als wäre ich ein Teil davon. Jetzt musste ich nur noch Geographie über mich ergehen lassen, ehe endlich ein Fach dran sein würde, das mich interessierte: Informatik. Dort wusste ich einfach alles, es gab keine Frage, die ich nicht beantworten konnte. So zockte ich die gesamte Geographiestunde lang durch und freute mich auf die darauf folgenden 45 Minuten. Diese kamen schneller herbei als gedacht und schon saß ich in dem Computerraum der Schule, welcher nicht gerade mit den neuesten Modellen ausgestattet war. Der Lehrer war ein junger Mann - wahrscheinlich so um die dreißig - und schien sichtlich Spaß an seinem Fach zu haben. Lang und breit erklärte er uns etwas über Datenbanken. Leider wusste ich darüber schon alles, sodass ich irgendwann mit meinen Gedanken abschweifte und bei meinem Spiel von vorhin hängen blieb. Hm, im Moment kam ich einfach nicht weiter… Vielleicht sollte ich mir mal eine neue Strategie ausdenken…? Plötzlich wurde ich von einer Stimme aus meinen Planungen gerissen, die ich erst vor kurzem noch gehört hatte. „Bei einer Anfrage ans Datenbanksystem müssen sogenannte Datenbankoperatoren ausgewählt werden. “ Als ich aufblickte stellte ich fest, dass die Stimme zu dem Blondie gehörte, den ich heute Morgen auf dem Parkplatz und vorhin in der Streiterei mit den drei Typen gesehen hatte. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er auch in diesem Kurs war, so sehr hatte ich meine Umgebung ausgeblendet. „Die Operation wird dann mit den Daten verwendet.“ Was redete er da? Das war ganz anders! Ich rang mit mir, ob ich seine Aussage einfach so stehen lassen konnte, oder vielleicht doch etwas sagen sollte. Hm… ‚Ach, scheiß drauf!‘ „Sorry, aber bevor die Datenbankoperatoren ausgewählt werden können, muss die Anfrage zunächst in die logischen Operationen der relationalen Algebra übersetzt werden“, hörte ich mich selbst sagen. Ungläubig sah mich der Typ an. Ups, da wurde jemand wohl ungern verbessert. „Okay, aber wie gesagt, wird die Operation mit den Daten verwendet.“ „Stimmt so nicht ganz, schau mal, es werden Datenbankoperatoren ausgewählt, die die logische Operation tatsächlich auf den Daten ausführen.“ Wütend sprang der Ledertyp auf und starrte mich mit vor Wut blitzenden Augen an. Oh scheiße, da hatte ich mir wohl einen Feind gemacht. Obwohl, es war ja wohl sein Problem, wenn er mit Gegenwind nicht umgehen konnte. Ich sagte hier schließlich nur die Wahrheit und korrigierte ihn! Meine innere Stimme sagte mir, dass es wohl besser wäre, das Thema auf sich beruhen zu lassen, doch das konnte ich nicht. Um ehrlich zu sein wollte ich wissen, wie er reagierte. Ich wollte wissen, wie er reagierte, wenn er übertrumpft wurde. So sprang ich ebenfalls von meinem Stuhl auf und redete munter weiter: „Das wird dann als das Erstellen eines Ausführungsplans durch den Anfrageoptimierer bezeichnet. Der Optimierer ist ein besonders komplexer Teil der Datenbanksoftware und hat wesentlichen Einfluss auf die Effizienz des Gesamtsystems.“ Sprachlos sah er mich an, überlegte wohl, ob er noch etwas erwidern sollte, doch stattdessen klappte er seinen Mund nur auf und wieder zu. Wütend starrte er mich an, schließlich setzte er sich wortlos. Sein Blick zeigte deutlich, dass er sich gedemütigt fühlte. Den Rest der Stunde spürte ich immer wieder, wie er mich mit giftigen Blicken förmlich durchbohrte, doch ich ignorierte sie. Innerlich lachte ich, es machte mir Spaß ihn zu provozieren und herauszufinden, wie er auf etwas reagierte. Zum Glück war die Stunde bald aus, sodass ich mich nicht vollkommen wie ein Schweizer Käse fühlte. Vor mich hin lächelnd verließ ich den Raum und begab mich, da die 10-Minuten Pause angebrochen war, auf den Schulhof in eine ruhige Ecke, um eine weitere Kippe zu rauchen. Leider war auch diese kurze Zeit bald wieder vorbei und ich musste noch zwei weitere stinklangweilige Stunden absitzen, was nicht gerade Spaß machte. In der ersten spielte ich noch ein wenig mit meiner PSP, doch in der zweiten war nach einiger Zeit der Akku leer. Mist, da hatte ich wohl vergessen sie am Vorabend aufzuladen. Nun gut, da musste ich jetzt trotzdem durch, so schlimm konnte es ja nicht sein, schließlich hatte ich ‚nur noch‘ 35 Minuten vor mir. Diese gingen jedoch auch irgendwann vorbei und die Schule war endlich aus. Glücklich schlenderte ich zuerst über den Schulhof, wo ich mir wieder mal eine Zigarette anzündete, und dann über den Parkplatz, als mir ein bekanntes Gesicht begegnete. Es war wieder mal der blonde Ledertyp, der meinen Weg kreuzte. Er bedachte mich kurz mit einem Blick, der für mich sicherlich tödlich wäre, wenn es denn möglich wäre, ehe er schnurstracks an mir vorbei zu seiner Honda lief. ‚Arrogant, aber er hat was…‘, dachte ich mir. Ich schüttelte meinen Kopf, um die Gedanken an Blondie zu verdrängen. Nach einer weiteren Minute kam ich endlich an meinem Wagen an und stieg ein. Gerade wollte ich den Motor anlassen, als mein Handy klingelte. ‚Wer ist das denn jetzt?!‘ Mürrisch hob ich ab. „Ja?“ Ich hoffte, dass man mir meine genervte Laune auch deutlich anhörte. „Matt? Hier Rodd. Hör zu, ich habe einen Auftrag für dich…“ Kapitel 3: Störsender --------------------- Matt: Nachdem ich den Anruf erhalten hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause, um mir eine Tiefkühlpizza - eigentlich mein übliches Mittagessen – zu machen. Während sie im Ofen buk, setzte ich mich auf mein schon ziemlich verschlissenes dunkelgraues Sofa, zündete mir eine Kippe an, steckte die PSP an das Ladegerät und zockte Resident Evil weiter. Erst der Geruch von verbranntem Käse konnte mich wieder aus meinem Trancezustand reißen. Schnell hechtete ich in die Küche und stellte fest, dass die Pizza zwar an gekokelt, aber durchaus noch essbar war. Nach diesem schnellen Mittagessen machte ich es mir abermals auf dem Sofa bequem und zockte noch einige weitere Level durch. Als ich das nächste Mal auf die Uhr an meiner leicht gräulichen - ursprünglich mal weißen - Wand sah, bemerkte ich, dass es bereits acht Uhr abends war. Fuck, wie lange hatte ich gezockt?! Fünf, sechs Stunden?! Ich musste ja immer noch den Auftrag ausführen, ansonsten wäre Rodd wohl weniger begeistert, um es mal milde auszudrücken. Ich sah das Szenario schon richtig vor mir, wie ich sonst selbst die nächste Zielperson sein würde. Wahrscheinlich würde man eine Pistole auf mich richten, das kühle Metall des Laufs würde sich in meine Schläfe drücken und letztendlich würde irgendeiner von Rodds Wichsern den Abzug betätigen. Dann wäre mein Superhirn wohl Supermatsch und davon hätte ich ja relativ wenig. Ich konnte zwar keinen einigermaßen logischen Zusammenhang erkennen, doch meine Gedanken schweiften, wie schon so oft an diesem Tag, zu der blonden Lederdiva ab. Wenn er mich abknallen würde, hätte ich wenigstens noch ein paar schöne letzte Sekunden in meinem jungen Leben… Was dachte ich da eigentlich?! Ich wurde mir ja schon selbst unheimlich! Schnell schüttelte ich meinen roten Schopf, erhob mich leicht schwerfällig von der Couch, schnappte mir die Schlüssel und die Zigarettenpackung von dem kleinen Tischchen im Flur und wollte schon zur Tür hinausstürzen, als mir einfiel, dass ich gerade dabei war, meinen Laptop, der mir bei diesem Auftrag das Leben retten konnte, zu vergessen. Wo war ich heute nur mit meinen Gedanken?! Also ging ich noch schnell den Computer holen und verließ anschließend meine kleine Wohnung, in der ich schon seit zwei Jahren allein lebte. Sie bestand nur aus drei Zimmern, nämlich einem Wohnzimmer mit Küche, meinem Schlafzimmer und einem kleinen Bad. Mehr brauchte ich nicht zum Überleben. Jedoch war meine Bude ziemlich unordentlich, weswegen sie nochmal kleiner wirkte, als sie eh schon war. Aber was sollte ich machen? Aufräumen war nicht wirklich mein Ding… Im Auto zündete ich mir als Erstes eine Kippe an und trat voll aufs Gas. Rodd hatte mir bei seinem Anruf noch den Ort mitgeteilt, so wusste ich genau, wo sich mein Ziel befand. Ich musste durch die Slums von L.A. und später noch durch ein kurzes Waldstück fahren, dann würde ich auch schon das Gebäude erreichen, nach dem ich gesucht hatte. Ich wusste nicht, woher er diese Informationen hatte, aber vermutete mal, dass irgendeiner seiner Leute den Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht hatte. Wie immer fuhr ich viel zu schnell, zog dann und wann an meiner Zigarette, um den beruhigenden Rauch zu inhalieren, und kümmerte mich relativ wenig um meine Umgebung. Konnte ich ja nichts dafür, wenn mir ein Viech vors Auto lief, das war für mich noch lange kein triftiger Grund, um nicht mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren. Nach circa 20 Minuten Fahrt - wäre ich nicht so gerast wären es vermutlich 35 gewesen - kam ich vor dem etwas heruntergekommenen, zweistöckigen Gebäude an. Von außen wirkte es alt und verlassen. Die Fassade war dreckig und der gräuliche Putz blätterte schon ab. Ein paar der ebenfalls dreckigen Fensterscheiben waren eingeschlagen und verliehen dem Anwesen zusammen mit der dunkelbraunen, morschen Tür ein einschüchterndes Schaubild. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Haus leerstehend und verlassen war, doch die Lichter, die in ein paar Fenstern zu sehen waren, verrieten, dass sich hier doch noch Menschen aufhielten. Um das Gebäude herum war nur Wald zu sehen, der mir bestimmt gut Schutz bieten konnte. Trotz des friedlichen Scheins durfte ich das hier nicht unterschätzen. Ich war mir sicher, dass es noch unterirdische Räume gab, das war beinahe schon üblich, und genau die waren mein Ziel. Meinen Plymouth parkte ich zwischen ein paar Bäumen, damit er nicht so auffiel. Eigentlich wollte ich nicht so nah am Haus parken, schließlich war es nicht gerade unwahrscheinlich, dass sie so den Motor meines Autos hören und mich somit bemerken würden. Aber sollten sie mich zum Beispiel entdecken, wenn ich gerade aus dem Gebäude wieder herauskam und sie würden auf mich schießen, wäre es um einiges sicherer für mich, wenn ich einfach nur schnell zu meinem Wagen laufen musste, anstatt mich einer Schießerei zu stellen, die ich eigentlich nur verlieren konnte. So musste ich wohl oder übel damit leben. Als ich mir sicher war, dass man mich von dem Gebäude aus nicht sehen konnte, packte ich meinen Laptop aus und schaltete ihn an. Es dauerte nicht lange, da hatte ich mich auch schon in deren Sicherheitssystem eingehackt und einen Umriss des Verstecks auf meinem Desktop erhalten. Gut, so wie es aussah musste ich irgendwie in einen der unterirdischen Räume gelangen. Das ließ sich bestimmt schaffen. Selbstbewusst griff ich nach meiner Waffe, einer schwarzen Beretta, und schaltete mit meinem Laptop das gesamte Sicherheitssystem aus. Das würde sie wohl eine Weile beschäftigen. Schnell sprang ich aus meinem Wagen und lief geduckt zwischen den Bäumen zu einer Eisentür, die ich ohne weitere Probleme öffnen konnte. Besonders schlau waren meine Gegner wohl nicht, sie hätten wenigstens Wachen postieren oder abschließen können, doch sie schienen sich vollkommen auf ihr System zu verlassen. Tja, Pech für sie, Glück für mich. Unbemerkt schlüpfte ich durch die Tür und stand in einem nur schwach beleuchteten, modrigen Gang. Die Wände waren aus Beton und liefen über meinem Kopf in einem Rundbogen zusammen. Meinen Informationen zu Folge war der Gang circa zehn Meter lang, vielleicht auch mehr, ich war mir nicht mehr sicher. Leisen Schrittes schlich ich diesen entlang und kam vor einer weiteren Tür zum Stehen. Hinter ihr führte direkt eine schwarze Treppe aus Eisen, wieder kaum beleuchtet - konnten die sich keine Glühbirnen leisten oder was? - hinunter. Ich folgte ihr und erreichte so, wie erwartet, die unterirdischen Räumlichkeiten. Vor mir sah ich einen kurzen Gang mit jeweils drei Türen an jeder Seite. Zu meiner Linken befand sich noch eine kleine Nische, die allem Anschein nach eine Art Lager war, in der sich fünf Holzkisten aufeinander stapelten. Neugierig trat ich ein paar Schritte näher, um den Inhalt der obersten Kiste zu erkennen. Ich war mir durchaus bewusst, dass ich nicht viel Zeit hatte, doch ein kleiner Blick würde ja nicht schaden. Es waren, wie ich schon beinahe erwartet hatte, Drogen. Schneeweißes Koks, mehrere Gramm Gras und einige Heroinspritzen. Na wer’s nötig hat… Mein Fall waren Drogen noch nie gewesen. Ich hatte zwar mal etwas Ecstasy genommen und auch mal einen Joint geraucht und es war auch immer ziemlich geil gewesen, doch so wirklich hatte ich mich nie mit diesen Aufputschmitteln anfreunden können. Ich wand meine Aufmerksamkeit wieder von den Kisten ab und widmete mich der Sache, wegen der ich ursprünglich hier war. Meinem Auftrag. Laut dem Plan, den ich vorhin auf meinen Laptop geladen hatte, musste ich nun die zweite Tür rechts nehmen, hinter dieser würden sich die Computer befinden. Bevor ich diesen Raum betrat, blieb ich stehen und lauschte an der leicht modrigen Holztür, auf der Suche nach Stimmen. Doch das Zimmer schien menschenleer zu sein, also drückte ich vorsichtig die Klinke hinunter und stellte fest, dass ich wohl recht gehabt hatte. Der Raum war verlassen ich erblickte nur ein paar Tische, verranzte Sofas und – im Gegensatz dazu – sehr hochwertige Computer. Und genau diese waren die ganze Zeit mein Ziel. Ich zog aus meiner Tasche die drei Störsender und brachte einen nach dem anderen an. Zum Glück dauerte es nicht lange, es war allerdings eine ziemliche Fummelei, da sie so klein waren, doch sie würden ihren Zweck erfüllen. Der bestand darin, dass ich mich so von meinem Laptop aus - oder wenn ich es anders einstellte auch von denen bei der Mafia - in die Computer einhacken und die Bildschirme überwachen konnte. Rodd brauchte wohl einige Informationen von diesem Clan und bekam so die Möglichkeit, sie zu erhalten. Ebenso schnell wie ich gekommen war, verließ ich das Gebäude auch wieder, schließlich konnte jede Sekunde das Sicherheitssystem wieder funktionieren und dann würde es mehr als nur scheiße für mich aussehen. So stürzte ich die Treppe nach oben, eilte den dunklen Gang entlang und atmete schließlich erleichtert auf, als die schwere Eisentür hinter mir ins Schloss fiel. Gerade als ich zwischen den Bäumen zu meinem Auto entlang rannte, hörte ich Geräusche aus dem Gebäude. Es klang eindeutig nach erfreuten Ausrufen. Ich vermutete, dass das System wieder funktionierte. Im Laufen schweifte mein Blick über das Gebäude und blieb an einem der kaputten Fenster hängen. Hinter diesem stand eine Gestalt und ich konnte förmlich ihren Blick auf mir spüren. Fuck, sie hatten mich bemerkt! Auf einmal steckte die Person eine Pistole durch das Loch der Scheibe, zielte auf mich und drückte ab. Nur knapp hatte mich die Kugel verfehlt, wäre ich nur etwas langsamer gelaufen würde nun ein hübscher Klumpen Blei in meinem Körper stecken. Fuck, fuck, fuck! Zum Glück kam ich gerade bei meinem Auto an. Ich sprang hinein, pfefferte den Laptop auf den Beifahrersitz, holte meine Pistole wieder heraus, ließ den Wagen an und legte den Gang ein. Durch den Rückspiegel sah ich, wie die Gestalt sich wegdrehte und von der Fensterscheibe entfernte. Entweder würde sie nun aufgeben oder ihrem Clan Bescheid geben, dass sie mich gesehen hatte. Ich beschloss, dass es besser war, wenn ich mich lieber ums Fahren kümmerte, als mir den Kopf über die Deppen zu zerbrechen. Mir würde schon nichts passieren, schließlich war ich ein guter und geschickter Fahrer. Dazu kam noch, dass ich schon einen guten Vorsprung hatte. Es dauerte etwas, bis mein Wagen richtig beschleunigte, schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Doch schon kurze Zeit später jagte ich ihn mit Höchstgeschwindigkeit, oder eben so schnell es der schlammige Untergrund zuließ, über den Weg. Da ich mir sicher war, dass ich sie – falls sie mich wirklich verfolgten – abgehängt hatte, steckte ich mir eine Kippe an und zog genüsslich an dieser. Ahh, das hatte ich jetzt gebraucht… Doch meine Ruhe hielt sich nicht lange, da mich gleich darauf schon zwei Lichtkegel im Rückspiegel blendeten, hinter denen direkt noch zwei weitere erschienen. Scheiße, sie verfolgten mich mit zwei Autos und hatten mich bereits eingeholt. Wie war das möglich?! Ich war so was von geliefert! 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