Von zeitreisenden Preußen, hitzköpfigen Herzögen und launischen Donaufürsten von Sternenschwester (PruAus) ================================================================================ Kapitel 1: Er ist es und er ist es nicht... ------------------------------------------- Irgendwo östlich von Wien – 12xx - früher Abend „Nun, noch ein paar letzte Worte? Spion!“ Gilbert musste die Tränen zurückhalten. Doch weniger aus Frucht oder Angst vor seinem bevorstehenden Schicksal. Er war schon so oft in seinem Leben gestorben, dass der Augenblick des Todes seinen Stachel für ihn verloren hatte. Außerdem wusste er, im Gegensatz zu vielen Menschen, was mit seiner Seele nach seinem Ableben geschehen wird. Doch die Weise wie dieser Bauer da, mit seiner Fackel vor seinem Gesicht wedelte, trieb ihm das Salzwasser in die Augen. „Jetzt hängt ihn endlich!“, grölte irgendeine Stimme in den hintersten Reihen des Lychnmobs. Gilbert legte sich keine letzten Worte zurecht. Vielmehr arbeitete sein Hirn verzweifelt daran, ihn aus dieser prekären Situation heraus zubekommen. Ja, er hatte schon öfter den Löffel abgegeben. Doch dann befand er sich meistens auf irgendeinem Schlachtfeld oder war wenigstens standesrechtlich erschossen worden. Aber noch nie in seiner aufregenden Karriere als Nation, war er gehängt worden. Was für eine unehrenhafte Weise von dieser Welt zu scheiden. Dass er zu dem nicht sicher war, ob er auch diesmal irgendwo in auf der Erde (mit beinah absoluter Wahrscheinlichkeit auf ehemaligem preußischem Territorium) wieder das Licht der Welt erblicken würde, stresste ihn noch zusätzlich. Unter normalen Umständen würde er irgendwo wieder auftauchen oder nach kurzer Zeit, wenn sein Körper nicht allzu sehr beschädigt worden war, wieder auferstehen. Ein wenig wie Lazarus. Schließlich war er ja kein normaler Mensch, sondern die Personifikation eines Landes. Somit galten für ihn ein wenig andere Regeln beim Tod. Zugegeben, er repräsentierte nicht mehr das alte Preußen sondern den Osten der Republik Deutschland, aber immerhin er war noch da. Doch das hier waren keine üblichen Zustände und hätte man ihn gestern gesagt, dass er sich am heutigen Tage hier wieder finden würde, dann hätte er diesen jemand ausgelacht. Das Lachen, wie auch das Grinsen waren ihm schon seit längerer Zeit vergangen. Er hätte niemals gedacht jemals wieder das Mittelalter erleben zu können und nun befand er sich auf einen Pferd mit einem Stick um den Hals, eine mordlüsternen Bauernmeute um ihn herum und wegen seinen unfreiwilligen Bad in der Donau waren seine Klamotten noch nass. Wie er es geschafft hatte, in diese Zeit zurück zu reisen wusste er selbst nicht. Auch konnte er nicht sagen, in welchem geschichtlichen Abschnitt genau er sich befand. Oder auch nicht, wo er sich befand, denn wie Wien sah dieses Kaff auch nicht wirklich aus. Alles, woran er sich noch erinnern konnte, war, dass er triefend nass von diesem Bauern und Fischern aus der Donau gefischt worden war und diese ihn nun wegen seiner Kleidung und seiner seltsamen Erscheinung als Spion aufknüpfen wollten. „Bereit deinem Schöpfer entgegen zu treten?“, fragte ihn der Bauer erneut. „Ach ja, bevor das Alles losgeht, noch eine Frage: Bist du ein Christ?“ Gilbert war schon drauf und dran unbeherrscht eine barsche und in seiner Situation recht undiplomatische Antwort zu erwidern, da durchbrach ein barscher Befehl das wilde Schnattern der Menge. „Haltet ein.“ Augenblicklich ward es vollkommen still und ein beklemmendes Schweigen trat ein. Vorsichtig löste der Albino den Blick vom rotwangigen Gesicht des Bauern und versuchte einen Blick hinter die Menge zu erhaschen, von wo die Stimme erklungen war. Dort hinten, ein wenig rechts von ihm und seinem hektischen Bauernmob näherte sich eine kleine Gruppe von Reitern. Noch konnte er durch das spärliche Licht, welches die Fackeln spendeten, nichts Genaueres erkennen, doch die Art, wie ehrfürchtig das gemeine Volk um ihn herum Platz machte, ließ ihn darauf tippen, dass es sich um höher gestellte Personen handeln musste. Das Pferd auf dem er saß wieherte erfreut über das Näherkommen von Artgenossen, wurde jedoch von dem Bauern mit den roten Wangen zurückgehalten, als es begann unruhig am Boden zu scharren. Der vorderste Reiter hob den Arm, als er die Menge erreichte, woraufhin ihm nur einer seiner vier Begleiter in die Schneise durch den Mob hindurch folgte. Gilbert hielt den Atem an, als er im spärlichen Fackelschein das Gesicht des erstens Reiters erkennen konnte. „Könnte ihr mir erklären, was ihr hier tut?“, fragte dieser den Bauern forsch, welcher noch immer seinen Ackergaul an den Zügeln hielt. In der Stimme lag ein eisiger Unterton. Sein Begleiter hielt sein Pferd hinter ihm an und begann die Meute Stück für Stück nachhinten zu treiben. Der angesprochene Bauer begann unruhig zu werden und vor Nervosität mit den Enden der Zügel zu spielen, wobei er den Blick starr nach unten richtete. „Nun Herr, wir haben einen Spion aus der Donau gefischt und wollten…“ Er scharrte voller Unbehagen mit den Fuß am Boden. „Die Justiz selbst in die Hand nehmen.“, beendete der Reiter mit einer gewissen Schärfe den Satz. „Und aus welchen Land kommt euer Spion?“ Es war keine Frage, die er da stellte, sondern einfach nur Spott. Der Bauer bleib ihm jedoch die Antwort schuldig, worauf der Reiter seinen Grauschimmel nebens Gilberts Pferd trieb und mit unbewegter Miene sein Schwert zog, welches bis dahin an seinem Sattel hing. Der Weißhaarige kniff, ohne es vorher unterdrücken zu können die Augen zusammen und erwartete mit Bangen die folgenden Momente bis er ein kurzes schneidendes Geräusch vernahm. Die Spannung an seinem Hals nahm ab und er spürte, wie ihn Erleichterung überkam. Doch diese verflog schnell, als er seine Augen wieder öffnete aufmachte und direkt in die violetten Seelenspiegel seines „Retters“ sah, welcher ihn mit ruhigem Blick von oben bis unten musterte. Gilbert musste schlucken. Er kannte dieses Gesicht nur zu gut. Zwar trug er keine Brille und sah deutlich jünger aus, aber er war es ohne Zweifel. „Seine Erscheinung ist wahrlich erstaunlich.“ Eine kühle Neugier war aus der Stimmlage heraus zu hören. "An eurer Stelle hätte ich diesen Fang wieder zurück ins Reich des Donaufürsten geschmissen." Der Reiter machte eine Geste Richtung seiner Begleiter. „Holt ihn mir von diesem Gaul runter und legt ihm Fesseln an. Wir nehmen ihm mit.“ Mit diesem Worten wendete er sein Pferd ab und ritt aus der Versammlung hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen. Gilbert indes merkte nicht mal, das einer der Berittenen von seinem Ross abgestiegen war und nun auf ihn zu ging, während seine Kollegen die Menge gemeinsam zurücktrieben. Er wehrte sich auch nicht, als ihm die Hände vor den Bauch zusammengeschnürt wurden und er beklagte sich auch nicht, als er hinter einen der Pferde hergeschliffen wurde. Alles was er tat, war überrascht, mit leicht offenem Mund, den Anführer der Reiter anzustarren. Nein, er hatte sich vorhin nicht geirrt. Er war es, darin bestanden keine Zweifel. Vor ihm saß Roderich hoch zu Ross und sprach ruhig und sparsam gestikulierend mit dem Mann, der ihn vorhin in die Menge begleitet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)