Dark Knight of Gotham von ichunddu ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kurz vorweg: Wie schon erwähnt spielt die Geschichte im Nolan-Universum. Sie ist kurz nach dem zweiten Film angesiedelt. In meiner FF erzähle ich die Geschichte von Batman und Bane, wie ich sie mir so oder ähnlich für den dritten Nolan-Film gewünscht hätte. :-) 3. November 1:30 Uhr / Gotham / Stadtteil The Hill Manche Nächte sind so dunkel, dass man den Tod nicht kommen sieht. Und man hört ihn erst, wenn es zu spät ist. Colin sieht auf die Uhr, während er vor der heruntergekommenen Wäscherei auf und ab geht. Eine Katze schreit irgendwo oben auf den Dächern und etwas fällt laut klappernd auf die regennasse Straße. Colin zieht die Nase hoch und pustet sich in die Hände. In der näheren Umgebung funktioniert nur eine Straßenlaterne, die den Asphalt in ein kränkliches, blasses Licht taucht. Die Gänsehaut auf Colins Rücken rührt nicht nur von der Kälte her. Er ist keiner von der weichen Sorte – er wurde hier geboren und wuchs auf diesen Straßen auf. Er hat sich nie beschwert und sein Leben die meisten Zeit als Herausforderung gesehen, die es zu meistern gilt. Aber heute, in diesem Moment, würde er gern alles hinschmeißen und von hier abhauen. Aus Gotham abhauen. Und einen normalen Job in einer normalen Stadt annehmen, eine normale Freundin haben (die zumindest jeden zweiten Abend Sex will, das wäre die einzige Bedingung) und ein langweiliges Leben führen. Colin schmunzelt. Hinter sich hört er ein Geräusch. Er reißt sich zusammen und dreht sich langsam um, damit er nicht schreckhaft wirkt. Wäre es heller gewesen, hätte Babbit gesehen, dass Colins Gesicht trotz der Kälte sehr blass ist. Das kommt daher, weil Colin fast drei Tage nicht geschlafen hat, um das Geld aufzutreiben, das er Babbit schuldet. Aber selbst wenn es heller gewesen wäre und Babbit das bemerkt hätte, hätte es ihn nicht interessiert. Denn ihn interessiert nur, ob Colin sein Geld hat. Wenn nicht, dann hat er was für Colin. Colin sieht gleich, dass Babbit schlechte Laune hat. Sie kennen sich seit ein paar Jahren, seitdem sie sich in der Schule geprügelt haben. Viele Freundschaften und Feindschaften haben beide in der Schule aufgebaut – eines der wenigen Dinge, die sie für ihr Leben gelernt haben. Babbits Name kommt von seinem kleinen Bruder. Babbits richtiger Name ist Robert und die Erinnerung an seinen Bruder schmerzt ihn. Nicht dass er tot wäre – nein. Er hat eine Ausbildung gemacht und arbeitet jetzt als Immobilienmakler am anderen Ende der Stadt. Das ist für Babbit eigentlich noch schlimmer, als wäre er tot. „Wo ist mein Geld?“, fragt Babbit. Sie wissen beide, worum es geht, aber er stellt die Frage trotzdem. Colin steckt die Hände in die Taschen und Babbit hebt seine Hand in die Nähe seiner 44er. Als Colin das bemerkt, holt er schnell die Hände wieder hervor und macht eine beschwichtigende Geste. „Hast du`s?“ Colin zögert, kaut auf seiner Lippe herum. „Mehr oder weniger.“ „Ey Mann-“ „Warte kurz!“ Babbits Hand hält am Griff der Waffe inne und er legt den Kopf schief. Colin räuspert sich und tritt einen Schritt zurück. „Ich hatte es, Babbit. Aber die Cops… haben mich abgezockt.“ Colin zieht die Nase hoch und nickt bekräftigend. „Die Cops.“ „Ja, Mann.“ „Was heißt abgezockt?“ Colin reibt sich mit beiden Händen das Gesicht und schneidet ungewollte Grimassen. „Die sind irre, die – ich bin Ecke Candis aus dem Bus, ja? Nix, ich hatte nichtmal irgendwie ne Tasche dabei, hatte alles in der Jacke und ne Streife hat mich-“ Mit einer schnellen Bewegung zieht Babbit die Waffe heraus und richtet sie auf Colin. „Ich hab`s mir überlegt, ich will`s nich wissen.“ „Ich brauch noch ein paar Tage mehr-“ „Bleib stehen, geh nich immer weiter hinter.“ „Nimm echt die Knarre weg, Mann, ich kann das nicht ab.“ Ein Schuss löst sich. Ohrenbetäubend laut. Colin zuckt zusammen und schreit kurz auf. Babbit hat vor ihm in den Boden geschossen. Colins Knie sind weich und er ahnt, dass jetzt alles den Bach runtergehen wird. Er ist nicht ohne Versicherung gekommen. Und die wird sich jeden Moment einklinken. „Schmeiß deine Knarre weg!“, schreit eine Stimme hinter den großen Mülltonnen bei der Wäscherei. Colins Kumpel Tom. Babbits Gesicht verzieht sich vor Wut. Colin greift langsam nach seiner eigenen Waffe. „Wir können immer noch reden“, sagt Colin, aber Babbit spuckt knurrend aus. „Ach! Und deine Knarre ham die Cops dir nich abgezockt, ja? Wichser!“ „Ich hatte es echt! Ich hatte es! Du kennst mich, ich bin kein-“ „Halt`s Maul, Mann!“ Babbit hebt seine Waffe wieder und im selben Moment drückt Tom hinter den Tonnen den Abzug. Die Kugel trifft Babbit im Knie und er geht brüllend zu Boden. Tom geht ebenfalls zu Boden, weil sein rechtes Trommelfell angerissen ist. Die Wände seines engen Verstecks haben den Schall zurückgeworfen. Colin hechtet in Sicherheit, weil Babbit schon wieder den Arm hebt. Ein Hund beginnt hysterisch zu bellen. Colin kriecht auf den Knien über den Asphalt und duckt sich hinter einer kleinen Betonmauer. Er hört Babbit schreien und dann plötzlich verstummen. Colin atmet schnell und gepresst. Er hat das Gefühl, man hört sein Keuchen über den gesamten Platz und er wagt es nicht, den Kopf zu heben, um nachzusehen, wo Babbit steckt. Seine Haut prickelt und er hat plötzlich das Gefühl, seine Blase platzt gleich. „Tom“, zischt Colin, aber Tom hört ihn niemals, das war viel zu leise. Colin bringt seine Waffe in Anschlag. „Tom!“ „Nicht ganz.“ Colins Herz setzt aus. Er schafft es nur, sich halb umzudrehen und erhascht einen kurzen Blick – schwarz, groß, gefletschte Zähne. Dann trifft ihn etwas mitten im Gesicht und er hört sein Nasenbein brechen. Die Pistole wird ihm aus den tauben Fingern gerissen, während im Blut über die Lippen und den Rachen hinunterläuft. Schreiend wirft Colin sich auf den Rücken. Babbit ist durch den Schlag, den er zuvor kassiert hat, nicht ohnmächtig geworden, aber er liegt auf dem Boden und wagt kaum zu atmen. Zitternd drückt er die Wange auf den nassen Asphalt und hält die Luft an, als zwei schwere, schwarze Stiefel an ihm vorbeigehen. Ein leises Zischen entfährt ihm und er beißt sich auf die Zunge. Tom hat sich inzwischen wieder auf die Beine gekämpft und hält sich das verletzte Ohr. Durch den Tinitus kann er kaum etwas hören. Er kauert hinter der Mülltonne und hofft, dass er Babbit so getroffen hat, dass er nicht mehr aufsteht. Seinetwegen auch nie mehr. Er wagt einen kurzen Blick auf den Parkplatz und tatsächlich liegt der Kerl noch immer da. Tom verlässt seine Deckung, grinst triumphierend und will gerade etwas Kluges sagen, als ein Schatten ihn rammt und mit dem Rücken hart gegen die Wand presst. Die Luft wird ihm aus den Lungen gedrückt und sein Schrei erstickt in seiner Kehle. „Du“, bringt er mühsam hervor. Der Maskierte reißt ihm die Waffe aus der Hand und lässt ihn wieder fallen. Tom fällt vor der Steinmauer zusammen wie ein nasser Sack, die Augen weit aufgerissen. Babbit hält wieder die Luft an, als die Schritte erneut auf ihn zukommen. Direkt neben ihm bleibt der Mann stehen. Colins Schrei ist zu einem Winseln geworden. „Ihr regelt eure Angelegenheiten ab jetzt anders. Kein Schießereien mehr auf der Straße.“ Die Stimme ist nur ein tiefes Grollen. Babbits Nackenhaare stellen sich auf und muss gegen den Drang ankämpfen, wegzurobben und im nächsten Abflussrohr zu verschwinden. Der Mann, der sich Batman nennt, bückt sich zu ihm runter und packt ihn mit beiden Händen am Kragen. Sie sehen sich in die Augen. Babbit krächzt wie ein kleiner Junge. „Hast du das verstanden?“ Bevor Babbit antworten kann, erhellen Autoscheinwerfer den Platz. Blaues Licht flackert. Babbit hört den Mann in der Maske knurren. Es sind die Cops. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er froh, dass sie da sind. Nervöse Stimmen sind zu hören. „Das ist er doch! Das ist Batman!“, sagt jemand. „Waffen weg!“, ruft ein anderer. „Lassen Sie den Mann los!“ Babbit wird weggestoßen. Er hört, wie Batman die Knarren, die er ihnen abgenommen hat, in Richtung der Cops wirft. „Hände über den Kopf!“, ruft einer der Beamten mit sich überschlagender Stimme und Babbit spürt, wie ein hysterisches Lachen sich Bahn brechen will. Dieser Kerl wird sich nicht ergeben. Und er selber liegt hier, angeschossen und bewegungsunfähig, mitten in der Schussbahn. Der Cop ruft seinen Befehlt erneut, diesmal noch lauter und dann peitscht ein Schuss durch die Nacht. Babbit zuckt zusammen. Er schützt mit den Händen seinen Kopf und sieht, dass Batman an der Schulter getroffen wurde. Aus der Drehung reißt er etwas von seinem Gürtel und wirft es auf den Boden. Beißender Rauch steigt auf. „Nicht schießen! Nimm das Ding weg, Herrgott!“, ruft der zweite Cop. Babbit hustet und wälzt sich in eine Richtung, in der er frische Luft vermutet. In seinem Bein breitet sich ein dumpfes Pochen aus und bei dem Versuch zu fluchen atmet er noch mehr von diesem Rauch ein. Röchelnd bleibt er liegen und kneift die tränenden Augen zusammen. Fünf Minuten später sitzt er im Streifenwagen neben Colin und Tom. Alle drei schweigen sich an. Einer der Bullen fordert Babbit auf, ihm nicht alles vollzubluten, aber Babbit antwortet nicht. Colin blickt nach draußen auf die Dächer. Vor dem Auto hält der eine Bulle dem Jüngeren eine Standpauke. Plötzlich zeigt Colin wortlos mit dem Finger nach oben und lässt ihn dann unsicher wieder sinken. „Ich dachte, er wär da noch...“ Tom hält sich eine Hand vor das blutverkrustete Ohr und nimmt sie dann wieder runter. „Ich hör nix mehr.“ Babbit schüttelt den Kopf und starrt aus dem Fenster. Die Begegnung mit der Fledermaus beginnt schon wieder zu verblassen. Wenn der sich mit kleinen Lichtern wie ihnen rumschlägt, ist er entweder unterbeschäftigt oder ein Weichei, denkt er. Ein anderer Entschluss reift in Babbit heran. Sobald er hier raus ist, will er Colin abknallen. Und den anderen auch. Zwei Monate später tut er es dann. Auf offener Straße. Durch eine verirrte Kugel wird ein unbeteiligter Mann in den Kopf getroffen, der nachts zum Rauchen auf die Straße gegangen ist. Er stirbt noch während sein Körper auf den Boden fällt. Ein beschissener Tod für jemanden, der bis zu diesem Tag sein Leben lang im Schlafzimmer geraucht hat. 3. November 5:45 Uhr / Wayne Manor Während Alfred der Spur aus Rüstungsteilen und blutverklebten Tüchern folgt, ein Tablett mit Sandwiches und frisch gebrühtem Tee in Händen, denkt er darüber nach, wie angenehm es wäre, einen normalen Job zu haben. Als Gärtner vielleicht. Oder… Reiseleiter. Es wäre sicher etwas, womit man sich seinen Lebensabend abwechslungsreich und entspannt gestalten könnte. Er erkennt Bruces Silhouette, der mit dem Rücken zu ihm in seinem Sessel sitzt und ins Kaminfeuer starrt. Besorgt überlegt Alfred, welche Verletzungen er sich diesmal wieder zugezogen hat. Auf einer kleinen Kommode neben dem Sessel stellt er das Tablett ab und streckt den Rücken durch. Missmutig wirft er einen Blick zurück auf die am Boden verteilten Sachen. „Sie sollten sich abgewöhnen, den Anzug im ganzen Haus zu verteilen.“ „Ich erwarte keinen Besuch.“ „Nein, das nicht. Aber ich bin es, der alles aufsammeln und wieder zurück in die Höhle schleppen muss.“ Bruce dreht kurz den Kopf in seine Richtung, verzieht aber keine Miene. Alfred tritt um den Sessel herum, um einen besseren Blick auf den Hausherrn zu bekommen. Bruce hat Maske, Handschuhe und einen Teil der Panzerung des linken Armes abgelegt. Blut ist an seinem Oberarm zu sehen, jedoch verhältnismäßig wenig. Ansonsten scheint er unverletzt. Alfred runzelt die Stirn. „Ist das eine Schussverletzung?“ Bruce antwortet nicht, sondern atmet nur lange und tief ein. Alfred wendet sich ab, gibt ein wenig Tee in die vorgewärmte Tasse und hält sie Bruce hin. „Sie sollten nachher, wenn Sie etwas geschlafen haben, Miss Farris zurückrufen wegen dem Wohltätigkeitsball. Sie hat gestern drei Mal angerufen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie bald auf dem Anwesen campiert, um Sie zu erwischen und sich zu versichern, dass alles reibungslos ablaufen wird.“ Alfred lässt die Tasse sinken, als Bruce nicht danach greift. Er scheint in Gedanken völlig woanders zu sein. „Ich rufe sie später an.“ „Das haben Sie vor drei Tagen auch gesagt.“ „Ich bin beschäftigt.“ „Auch das haben Sie vor drei Tagen gesagt. Und vor zwei Tagen sagten Sie, Miss Farris solle mit ihrem Ball zur Hölle fahren.“ „Hm.“ Alfred schürzt die Lippen. „Noch können wir alles abblasen.“ „Ich rufe sie später an, Alfred!“ Bruce fährt sich mit der rechten Hand durch die Haare und stützt die Ellenbogen auf die Oberschenkel. Dann lässt er sich kraftlos zurück in die Sessellehne sinken. „Es war ein Cop.“ Er dreht den Kopf und hält zum ersten Mal den Blickkontakt. Seine Gesichtsmuskeln arbeiten grimmig. „Ein Cop hat auf mich geschossen.“ „Vielleicht sollten Sie eine Weile pausieren, bis sich die Lage entspannt hat.“ „Und wann soll das sein?“ Alfred schweigt und platziert das Tablett auf einem anderen Tisch, damit er besser an Bruces verletzten Arm herankommt. „Es ist schon schwer genug, der Polizei auszuweichen und trotzdem effektiv zu sein. Ich weiß nicht, ich… wie soll ich Verbrecher bekämpfen, wenn ich selbst wie einer behandelt werde?“ „Es war Ihre Entscheidung, Dents Tod auf sich zu nehmen.“ Bruce setzt an, um zu widersprechen, aber Alfred fährt fort. „Und es war die einzig richtige Entscheidung. Aber es bedeutet, dass Sie nicht einfach weitermachen können, als wäre nichts gewesen.“ Erleichtert stellt Alfred fest, dass es sich nur um einen Streifschuss handelt. Die Panzerung hat außerdem Schlimmeres verhindert. Mit einem Tuch säubert er die Wunde und beginnt, den Arm mit den Bandagen abzubinden, die Bruce zurechtgelegt hat. „Und was soll ich tun?“, fragt Bruce kraftlos. Es schmerzt Alfred, ihn so zu sehen und es schmerzt ihn, immer wieder diese Gespräche mit ihm zu führen. „Loslassen.“ Alfred klebt das lose Ende der Binde fest und tritt einen Schritt zurück. Master Wayne sieht in diesem Moment viel älter aus, als er ist. Gespenstisch blass und mit dunklen Ringen unter den Augen wird er die Gäste auf dem Wohltätigkeitsball eher verschrecken als unterhalten. „Sie haben Verluste erlitten. Und Sie wurden schwer verletzt, aber haben sich wie immer nicht die Zeit genommen, zu genesen. Sie sind wie ein Hamster im Laufrad.“ „Ein Hamster“, grummelt Bruce, jedoch ohne zu lächeln. „Gönnen Sie sich und Batman etwas Ruhe. Machen Sie für eine Weile Ferien als Sie selbst. Amüsieren Sie sich, gehen Sie unter Leute.“ Als Bruce antwortet, ist seine Stimme von Bitterkeit erfüllt. „Und was soll ich deiner Meinung nach tun? In die Kameras grinsen, mich auf Partys besaufen und… mit irgendwelchen Frauen ausgehen?“ Alfred beginnt, Batmans Sachen vom Boden aufzuklauben. „Sie könnten Urlaub machen. Lange schlafen, am Strand spazieren gehen, sich überlegen, wie Sie weiter vorgehen wollen.“ „Was soll mir das bringen? Ich kann nicht einfach abhauen und - das bin ich nicht, Alfred.“ „Und was sind Sie?“ Darauf fällt Bruce so schnell keine Antwort ein und blickt wieder ins Feuer. „Wer sind Sie, Master Wayne? Würde es sich nicht lohnen, das herauszufinden?“ Es fällt Alfred schwer, sich zurückzuhalten und nicht immer alles auszusprechen, was er denkt. Im Alter hat er gelernt, sein loses Mundwerk zu kontrollieren und er hat gelernt, dass er nicht den gewünschten Erfolg erzielt, wenn er zu sehr auf etwas drängt. „Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie Ihr Leben aufgeben. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie für immer Batman sind. Im Moment ist Ihre Hilfe nicht einmal erwünscht.“ Keine Reaktion. Alfred seufzt und entfernt sich, während er weiter den Boden aufräumt. Gärtner, denkt er, als sein Knie bedenklich knackt. Wohl doch eher Reiseleiter. In der Tür dreht er sich nochmal um. Bruce greift nach der Teetasse und trinkt einen Schluck. Bevor Alfred das Gefühl der väterlichen Sorge vollends überwältigt, wendet er sich ab. Reiseleiter… er würde sich vermutlich zu Tode langweilen. Kapitel 2: ----------- Danke für deine Rückmeldung, Tai-chan. Ich hatte ja die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass das jemand liest. :-) Eigentlich habe ich auch gedacht, viel mehr Batman-FFs hier zu finden. Es gibt auf anderen Seiten sehr viele englisch-sprachige. In Deutschland war der Hype dann scheinbar nicht ganz so groß. Oder es ist nicht ganz so verbreitet wie Anime-FFs. Dann viel Spaß mit dem nächsten Kapitel. 18. November 21:30 Uhr / Wayne Manor / großer Saal Mit seinem besten Gastgeberlächeln wandert Bruce von einem Grüppchen teuer gekleideter Gutmenschen zum nächsten. Hier verteilt er charmant Komplimente, dort klinkt er sich kurz in eine oberflächlich geführte, politische Diskussion ein und da vorne wird er wieder den überheblichen, sorglosen Playboy geben müssen, denn den wollen die Leute sehen, wenn sie herkommen. Hin und wieder zwinkert er Miss Farris zu, seiner Mitveranstalterin, die nervös ihre Hände knetet und nicht so recht weiß, was sie tun soll. Der Wohltätigkeitsball ist ein Selbstläufer. Bruce Wayne weiß, wie man so etwas am Laufen hält. Die Stimmung ist gut nach der anfänglichen Betroffenheit über das Schicksal derer, die im Leben nicht viel Glück hatten (diesmal geht das gesammelte Geld an verschiedene Frauenhäuser in Thailand). Fast schon ausgelassen schwingen sich immer mehr Menschen auf die Tanzfläche und greifen nach den angebotenen alkoholischen Getränken. Schon bald wird der traurige Anlass für diese Veranstaltung ganz vergessen sein. Bruce greift nach einem Wasserglas, das auf einem Tablett von einem Kellner an ihm vorbeigetragen wird. Der junge Mann erschrickt und Bruce entschuldigt sich mit einer Geste, während er trinkt. Der Kellner trägt die Getränke mit eingezogenem Kopf weiter, als wäre er gerade noch einem Anschlag entgangen. Vermutlich ist er es nicht gewöhnt, dass jemand Wasser will. Wasser ist auf diesen Partys nicht der Renner. Das Lächeln tut Bruce zunehmend im Gesicht weh. Ab und zu kontrolliert er in einem der Spiegel, ob es noch echt aussieht oder inzwischen zu einer unheimlichen Fratze geworden ist. Er stellt das Glas auf einem Beistelltisch ab und versucht sich ein wenig zu sammeln. Als sich ihm eine Hand auf die Schulter legt, zuckt er zusammen. Ein solcher Abend schafft ihn mehr als eine nächtliche Patrouille in Gotham. Es ist Howard Bord, der neue Bezirksstaatsanwalt, der hinter ihm steht. Nach dem dynamischen Harvey Dent ist nun wieder ein Mann der alten Schule am Drücker. Anfang sechzig, hat irgendwann in den 70ern mal für ein paar Jahre gedient und ist dann ehrenhaft entlassen worden. Gotham liebt seine Veteranen. Bord ist konservativ und kompromisslos, hat eine 97 prozentige Verurteilungsquote. Geschieden, keine Kinder. Momentan treibt er die Sanierung des Blackgate-Gefängnisses voran, um neue Kapazitäten zu schaffen und die Sicherheitsstandards der heutigen Zeit anzupassen. In Anlehnung an Dents erfolgreichen Wahlspruch schreibt sich Bord recht pathetisch auf die Fahnen: „Wir glauben an Gotham!“ An den Wochenenden geht er gern zu Pferderennen oder lässt sich auf Veranstaltungen wie dieser blicken. Und er riecht immer nach Essen. Bruce kann ihn nicht ausstehen. „Mister Wayne! Herzlichen Glückwunsch, eine tolle Sache!“, lobt Bord, greift nach Bruces Hand und klopft ihm mit der anderen auf den Oberarm. Bruce verzieht das Gesicht, als die Schussverletzung wieder zu pochen beginnt. „Danke.“ „Das ist ja schon anders gelaufen hier. Wenn ich daran denke, vor zwei Jahren haben Sie noch ihr Haus in Brand gesteckt, wie man hört. Das ist für heute Abend aber nicht geplant, oder?“ Bord lacht tief, ein Weihnachtsmann-ähnliches „Hohaha!“ Bruce zwingt sich, höflich zu sein. „Tja, man muss im Gespräch bleiben.“ „Ach, Sie sind jung, da passieren solche Dinge. Anders sind die Frauen von heute auch nicht mehr zu beeindrucken, was?“ Bruce lacht so unecht, dass er schnell wieder den Mund schließt und nochmal einen Schluck Wasser nimmt. „Mister Wayne! Ich habe Sie schon gesucht!“ Eine Dame mittleren Alters gesellt sich zu ihnen und präsentiert ein Lächeln mit viel zu gerade Zähnen. Mrs. Ballard, Witwe eines langjährigen Wayne Enterprises Vorstandsmitglieds. Ihr Makeup kann nicht verbergen, dass ihre Augen tiefer in ihren Höhlen liegen als sonst und der Ansatz ihrer Haare kommt durch. Sie trinkt schon ihr viertes Glas Sekt an diesem Abend – zumindest hat Bruce bisher vier gezählt. Aber wie alle hier spielt Mrs. Ballard ihre Rolle gut. Hier hat keiner Probleme. Hier sind alle gute Freunde. Hier bedeutet man etwas. Mrs. Ballard klatscht in die Hände. „Mr. Bord!“ „Ah, Mrs. – Ballard, richtig? Sie sehen phantastisch aus“, lügt Bord. Mrs. Ballard winkt bei dem Kompliment bescheiden ab. „Ein wundervoller Abend, Bruce. Wirklich“, lobt sie und lacht wie ein junges Mädchen. Sie trägt noch immer ihren Ehering, stellt Bruce fest. „Danke“, sagt er. „Aber ich stelle eigentlich nur mein Anwesen zur Verfügung, die meiste Arbeit hat Miss Farris hier geleistet.“ Fast unbemerkt ist Cornelia Farris an Bruce und die beiden anderen herangetreten. Bruce streckt charmant die Hand aus und Cornelia ergreift sie zögerlich. Er zieht sie in den kleinen Kreis hinein und stellt sie Bord und Ballard vor. Dann sieht er sich im Raum um, als würde er jemanden suchen. „Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden.“ Bruce lächelt noch einmal gönnerhaft und Bord macht zum Abschied eine Geste, die wie ein Salut aussieht. Bruce beeilt sich, aus dem Gedränge heraus und Richtung Küche zu kommen. Hinter einer Säule in der Nähe des Mitarbeitereingangs sucht er Schutz vor den Blicken der Leute. Bruce atmet laut aus und sieht Alfred, der zu ihm tritt. „So schlimm?“, fragt sein Butler und Bruces Schnaufen ist Antwort genug. „Ich hab gehofft, dass Jim Gordon auch kommt.“ „Vermutlich hat er Wichtigeres zu tun“, stellt Alfred fest, während er den Blick durch den Saal schweifen lässt. „Das hätte ich auch“, bemerkt Bruce. Zwei der Kellner haben nun bunte Heliumballons in der Hand. Bruce runzelt die Stirn und sieht zu Miss Farris. Vielleicht einer ihrer Programmpunkte. Sie ist jedoch noch in ihr Gespräch mit Mrs. Ballard vertieft und scheint nichts zu bemerken. „Hat Miss Farris sich das ausgedacht?“, fragt Alfred. Bruce hebt die Schultern. Ein dritter Kellner kommt hinzu – der, dem Bruce vorhin das Wasserglas abgenommen hat – und sie sammeln sich in der Mitte des Raumes. Ein merkwürdiges Gefühl ergreift von Bruce Besitz und er spannt sich an. Etwas stimmt nicht mit diesen Ballons … sie scheinen irgendwie schwerer zu sein als sie sein dürften. „Siehst du das?“, fragt Bruce. „Da stimmt was nicht…“ Die drei jungen Leute, eine davon ist eine Frau, lassen ihre Ballons gleichzeitig los. Bruce tritt hinter der Säule hervor und geht eilig auf sie zu. Immer wieder muss er entgegenkommenden Menschen ausweichen. Die Ballons steigen auf, ein bunter, wabernder Haufen und einige Leute klatschen. Plötzlich ein Knall. Erschrockene Schreie. Bruce duckt sich reflexartig, aber die Kellner haben keine Waffen und Schüsse hören sich anders an. Es sind lediglich die Ballons geplatzt und heraus spritzt – Blut. Es regnet Blut auf die Ballgäste herab, gefolgt von einer geleeartigen Masse. Schon durch den Knall ist Panik im Raum entstanden, doch nun droht die Stimmung außer Kontrolle zu geraten. Bruce spürt etwas Feuchtes im Gesicht. Am Rand des Saales steigen weitere Ballons auf. Die Gäste laufen in alle Richtungen, stolpern oder rutschen auf dem blutigen Boden aus. Eine heulende Frau kommt ihm entgegen, das weiße Kleid rot gesprenkelt und die Haare verklebt. Ihr Mann hält sie an der Hand, er hat ebenso viel abbekommen wie sie. Jetzt erkennt Bruce auch, was noch in den Ballons war. Die Kellner haben sie mit Tierinnereien gefüllt. Sogar einen ganzen Hühnerkopf kann Bruce im Vorbeigehen auf dem Boden liegen sehen. Die kleinen, schwarzen Augen des Tieres starren düster ins Nichts. Bruce spürt, wie sich das Adrenalin in seinem Körper ausbreitet und seine Sinne schärft. Die drei Studenten teilen sich auf und mischen sich unter die Gäste. Wieder ein Knall und die Ballons am Ausgang des Saales verteilen ihren Inhalt auf die Fliehenden. Ein Mann packt etwa fünf Meter entfernt von Bruce die Kellnerin und will sie festhalten, doch die junge Frau ist kräftig und wendig, macht sich los und schubst den Anzugträger von sich. Bruce weiß, er kann nicht alle erwischen, deshalb hat er sich einen ausgesucht, und zwar den Wasserträger von vorhin. Nichtsahnend versucht dieser gerade sich in Bruces Richtung aus dem Staub zu machen. Eine Sekunde, bevor Bruce ihn am Genick packt und zu sich zieht, muss dem Jungen wohl der Ausdruck auf Bruces Gesicht aufgefallen sein, denn er bleibt abrupt stehen. Er hat selbst einen Blutfleck mitten auf der Stirn und ist nicht älter als 20 Jahre alt. Mit einer Kraft, die ihm der junge Mann wohl nicht zugetraut hätte, drückt Bruce seinen Kopf Richtung Boden und zieht ihn aus dem Gedränge. „Wer seid ihr?“, ruft Bruce, um den Lärm der fliehenden Gäste zu übertönen. „Dieses Geld sollte nach Gotham gehen, anstatt nach Thailand oder Indien! Hier hungern die Menschen auch!“, krächzt der Junge. Seine Worte wirken einstudiert. Ein Knie knickt ein und er stützt sich mit einem Hand auf dem Steinboden ab, um Bruces Griff Stand zu halten. „Hey Danny, komm!“, schreit jemand aus der Menge. Seine Komplizin ist stehengeblieben und winkt nachdrücklich. Danny versucht sich aus Bruce Umklammerung zu befreien und auf die Beine zu kommen, aber Bruce lässt ihn nicht. „Wer hat euch beauftragt?“, fragt Bruce zornig. Als Danny nicht antwortet, verstärkt er den Druck auf sein Genick. „Ah! Niemand! Das war unsere Idee!“ Bruce lässt los und Danny steht schnell auf. Er dreht den Kopf hin und her und verzieht das Gesicht. Wider Erwarten läuft er nicht gleich los, sondern sieht Bruce in die Augen. „Du solltest dich echt schämen, Mann! Es gibt Leute, die arbeiten ihr Leben lang, um das zu verdienen, was du ein einem Tag ausgibst! Das ist nicht fair!“ „Hau ab, bevor ich`s mir anders überlege“, knurrt Bruce. „Danny, was ist jetzt!“, schreit Dannys Freundin, die inzwischen bis zur massiven Saaltür vorgedrungen ist. Nur noch eine Handvoll Menschen befindet sich im Raum. Eine Frau hat sich verletzt. Sie sitzt mit blassem Gesicht auf dem Boden und hält sich den Knöchel. Ein älterer Mann hockt auf den Treppenstufen ein paar Meter weiter, atmet schwer und versucht fahrig, das Blut aus seiner beigen Hose zu reiben. Danny spuckt vor Bruce auf den Boden und rennt los. Als er bei seiner Komplizin ankommt, klatschen sich die beiden ab und drehen sich nochmal zu Bruce um, bevor sie den Raum verlassen. Bruce sieht Alfred, der weitere Türen geöffnet hat, um den Fluchtweg zu vergrößern. „Ruf die Polizei!“, weist er seinen Butler an und macht sich auf den Weg zu der Frau mit dem verletzten Fuß. Es dauert keine zwanzig Minuten, bis die Gesetzeshüter eintreffen. Der Notarzt war schneller und hat die Verletzten bereits versorgt oder abtransportiert. Ein leichter Herzinfarkt, ein gebrochener Knöchel, einige kleinere Blessuren, die im Gedränge entstanden sind – das ist die Bilanz des Abends. Und ein völlig verwüsteter Ballsaal. Der eisenartige Blutgeruch schwängert die Luft und liegt Bruce schwer auf der Zunge. Er hat noch keine Zeit gehabt, sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen, das inzwischen angetrocknet ist und unangenehm auf seiner Haut spannt. Ein Sanitäter kommt vorbei und fragt nach seinem Befinden. Bruce versichert, mit ihm sei alles in Ordnung. Der Sanitäter kramt in seiner Tasche und reicht Bruce mit einem Augenzwinkern ein feuchtes Tuch. Officer Dentry (Paul Dentry, laufendes Verfahren der Dienstaufsicht wegen Veruntreuung) wartet, bis der Sanitäter wieder weg ist und führt seine Befragung dann fort. „Das heißt, Sie haben hier wechselndes Personal.“ „Ich lebe allein, so viele Kellner und Köche kann ich nicht brauchen. Sie werden mir vermittelt für solche Anlässe von… pf. Ich weiß nicht, welche Firma es ist. Fragen Sie meinen Butler.“ Bruce dreht sich nach Alfred um, doch dieser ist nirgendwo zu sehen. „Haben diese Leute irgendwas hiergelassen?“ „Außer dem Blut und dem ganzen Chaos?“, fragt Bruce stirnrunzelnd. „Nein.“ „Haben sie etwas gerufen oder…irgendeine Erklärung abgegeben?“ „Ich denke, es waren wütende Kids.“ Bruce wischt sich mit dem Tuch über das Gesicht. „Einer von ihnen hat gegen die Reichen gewettert und gefordert, dass die Spenden in Gotham bleiben sollen. Seine Freundin nannte ihn Danny.“ Als er das hört, sieht Dentry von seinem Notizblock auf und schreibt dann eilig etwas nieder. „Das sagt Ihnen was? Kennen Sie diese Gruppe?“ Dentry reibt sich bedächtig das eckige Kinn, während er seinen Block wegsteckt. „Darüber kann ich Ihnen leider keine Auskunft erteilen, Mr. Wayne. Aber Sie haben mir sehr geholfen. Falls Ihnen noch etwas einfällt-“ Dentry drückt Bruce eine Karte des GCPD in die Hand und lässt ihn dann stehen. Bruce klopft mit der Karte ein paar Mal in seine Handfläche. Tja. Soviel dazu. Ein unerfreulicher Ausgang des Abends. Aber wenn Bruce ehrlich ist, dann war das immer noch besser als das übliche Besäufnis. Und irgendwie kann er den Kids nicht verübeln, was sie getan haben. Nur ist es nicht der richtige Weg, seine Meinung kund zu tun. Wenn man sie erwischt, würden sie nur verhaftet und ihre Botschaft ginge unter. So wie es auch mit Batman passieren würde. Alfred tritt hinter ihn. Sein Butler hat die Fähigkeit, plötzlich aufzutauchen, sodass nicht mal Bruce ihn kommen hört. „Eine Party bei Bruce Wayne – immer wieder ein Erlebnis der besonderen Art“, scherzt Alfred trocken. „Versuch bitte herauszufinden, ob diese Truppe schon öfter Auftritte wie diesen hier hatte.“ „Halten Sie diese Leute für gefährlich?“, fragt Alfred stirnrunzelnd. Bruce schüttelt den Kopf. „Reines Interesse.“ „Vor zehn Jahren wären Sie vermutlich Teil der Gruppe gewesen, so zornig wie Sie auf alles und jeden waren. Ich habe immer ein wenig um ihre Zukunft gebangt.“ „Tja. Und jetzt guck, was aus mir geworden ist“, sagt Bruce überschwänglich und lächelt über Alfreds verkniffenen Gesichtsausdruck. Bruce sieht, wie sich sein Butler mühsam jeden Kommentar verbeißt. Und bespritzt mit Tierblut inmitten dieses übelriechenden Chaos muss Bruce zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lachen. Er klopft Alfred freundschaftlich auf den Rücken und macht sich auf den Weg zu seinem Wohnbereich. Dentry hört Waynes herzhaftes Lachen und dreht sich irritiert um. Er sieht den Butler vom anderen Ende des Saales auf sich zukommen und mit der Hand eine Geste machen, während Wayne in den Tiefen seines Anwesens verschwindet – `zu viel gebechert`. Dentry nickt und zieht Augenbrauen hoch. Diese neureichen Kerle in ihren protzigen Häusern. Was wäre das wohl für ein Leben! So viel Alkohol und so viele Frauen, wie man sich nur wünschen kann. Und man muss nicht einmal dafür arbeiten. Irgendwie hat Wayne diese Sauerei sogar verdient, denkt Dentry grimmig. Kapitel 3: ----------- Danke an Tai-chan für die Rückmeldung. Freut mich, zumindest eine interessierte Leser(in?) zu haben. ^^ Weiter gehts! 20. November 18:25 Uhr / Wayne Manor / Trainingsraum Keuchend lässt Bruce das Gewicht zu Boden fallen. Er sitzt breitbeinig auf einer Pritsche und stemmt gut hundertneunzig Kilo über eine Querstange hinter seinem Rücken. Das Gerät funktioniert wie ein Flaschenzug, sodass man viel Gewicht auflegen kann, ohne sich zu verletzen. Früher hätte er Stunden hier unten verbringen können. Nachdem die Fundamente des südöstlichen Flügels von Wayne Manor erweitert worden sind und das Anwesen wieder aufgebaut ist, hat Bruce sich hier einen umfangreichen Trainingsraum angeschafft. Er wollte neu anfangen, besser werden, professioneller. Dass er nicht schon im ersten Jahr geschnappt wurde, in dem er Umhang und Maske anlegte, war pures Glück. Er hatte Pläne, Energie und sogar Hoffnung. Ein Großteil dessen scheint jedoch zusammen mit Rachel und Harvey gestorben zu sein. Bruce bewegt die schmerzende Schulter. Es ist nicht der Streifschuss, der ihn plagt, es ist etwas anderes. Vielleicht war das Schlüsselbein angebrochen oder die Schulter – er ist sich nicht sicher. Jedenfalls ist es schlecht verheilt und schränkt seine Beweglichkeit ein. Wie oft hat Alfred ihn gebeten, ins Krankenhaus zu gehen und sich durchchecken zu lassen und Bruce hat es wütend abgetan. Er weiß warum. Und er macht sich nichts vor, auch Alfred weiß, warum. Etwas in ihm glaubt, den Schmerz verdient zu haben. Etwas in ihm nimmt ihn mit grimmiger Genugtuung auf. Er erinnert ihn an seine Niederlage und seinen Verlust. Und tatsächlich ist er auch leichter zu ertragen als die Schuldgefühle, die ihn verfolgen und ihm seit Monaten den Schlaf rauben. Bruce legt die Hände wieder an die Stange und beginnt, das Gewicht anzuheben. Seine Kiefer malen. Hätte das alles verhindert werden können? Diese Frage lässt ihn nicht los. Und die Antwort ist simpel. Natürlich. Sie hatten den Joker, ganze fünf Stunden lang. Wäre ihnen früher aufgefallen, dass Rachel und Dent nie zuhause angekommen sind. Hätte er die Überläufer in Gordons Einheit früher bemerkt und nicht zugelassen, dass Joker sie manipuliert und für seine Zwecke benutzt. Wäre Gordon nur Minuten früher dort gewesen, um Rachel zu retten oder wäre er selbst zu Rachel gefahren und nicht auf Jokers Trick hereingefallen... Hätte er seine Maske gar nicht erst angelegt. Irgendwie wird Bruce das Gefühl nicht los, eine Mitschuld am Auftauchen des Jokers in Gotham zu haben. Aber es ist müßig, darüber zu grübeln. Und es wäre feige, aufzugeben und die Stadt sich selbst zu überlassen. Alfreds Worte von vor ein paar Tagen gehen ihm im Kopf herum. Im Moment ist Ihre Hilfe nicht einmal erwünscht. Vermutlich stimmt das sogar, denkt Bruce. Der Gedanke macht ihm Angst. Noch mehr Angst allerdings hat er davor, was geschieht, wenn er Batman aufgibt. Was wird aus der Stadt? Was ist mit Jim Gordon, zu dem er zwar momentan keinen Kontakt hat, der jedoch weiß, dass die Fledermaus immer noch dort draußen ist. Ist es arrogant oder gar größenwahnsinnig von ihm zu denken, dass seine Rolle zu bedeutend ist, um sie einfach aufzugeben? Ist er im Grunde nur das, was einige ihm nachsagen zu sein – ein Spinner in einem Kostüm? Bruce fletscht die Zähne, während er die Gewichte ein weiteres Mal anhebt. Schweiß steht ihm auf der Stirn und seine Muskeln beginnen zu brennen. Gut. Das treibt die Gedanken zurück, die sich ewig nur im Kreis drehen und ihn zermürben. Das rhythmische, metallische Klirren wirkt beruhigend. Er spürt seinen Körper, seine Stärken und Schwächen. Jetzt ist nicht die Zeit an sich zu zweifeln. Nach zehn weiteren Zügen schmerzt die Schulter so sehr, dass es Bruce die Tränen in die Augen treibt. Aber in weiteren zehn hat er sein Trainingsziel erreicht. Und wie immer wird er sich nicht mit weniger zufrieden geben. 21. November 09:00 Uhr / Atrium GCPD Commissioner James Gordon hasst Fotos. Er kneift die Augen zusammen, als die letzten Blitzlichter ihn blenden. Wie Popcorn flimmert hier und da noch eins auf, obwohl man denkt, es sei schon zu Ende. Gordon fragt sich, warum die Presseleute nicht einfach Archivmaterial von ihm verwenden. Schließlich ist er nicht der Typ, der ständig seine Frisur wechselt oder bekannt für seine einfallsreichen Outfits ist. Er räuspert sich ins Mikrophon. „Guten Morgen.“ Das Podest, auf dem er steht, ist diesmal auf Höhe der vierten oder fünften Treppenstufe angebracht, sodass Gordon recht weit oben steht. Es ist ihm unangenehm, so auf die Leute hinunterzublicken. Er wird es ansprechen und beim nächsten Mal korrigieren lassen. Die anderen Konferenzen im großen Saal sind ihm sowieso lieber als die im Atrium ein Mal im Monat. Zu Anfang war er furchtbar nervös vor diesen Veranstaltungen. Die ganzen Kameras, aggressive Fragensteller und die Angst, sich in Widersprüche zu verstricken, vor allem, was den Fall Dent angeht. Inzwischen ist es, wie vieles in dem neuen Job, für Gordon zur Routine geworden, wenn auch zu einer lästigen. Er beginnt sich an die Gesichter und Namen der Journalisten zu gewöhnen, kennt ihre Eigenheiten und Provokationen und versucht ansonsten, einfach bei der Wahrheit zu bleiben. Die lässt sich am einfachsten erzählen. Einige Hände sind in die Höhe gereckt und Gordon fühlt sich wie ein Grundschullehrer, der seine Schüler aufruft, als er in Richtung des hochgewachsenen Mannes von den Gotham News nickt. Clyde Hemming nimmt die Hand runter und nickt zurück. „Commissioner, was hat es mit den Stromausfällen in den letzten Tagen auf sich? Vermuten Sie vielleicht terroristische Motive?“ Gordon stutzt. Na das fängt ja gut an. „Dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Es handelt sich um Vandalismus mit dem Ziel, möglichst viel Chaos und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Bisher gab es keine Bekennerschreiben oder Forderungen.“ „Dann ist es ein Zufall, dass auch das neue Krankenhaus betroffen war?“ Clyde weiß mehr, als er sagt, erkennt Gordon. An den beschädigten Sicherungen des Überspannwerkes wurde eine Jokerkarte gefunden, die zumindest nicht von dem Clown selbst stammen kann. Der sitzt nach wie vor im Hochsicherheitstrakt der Arkham Anstalt. Auch zu anderen Gelegenheiten wurde seine Visitenkarte gefunden. Nachahmer, die fast allesamt ihre Abdrücke auf den Karten hinterlassen haben und es Gordons Leuten so leicht gemacht haben, sie zu schnappen. Meist ging es um Brandstiftung oder Hausfriedensbruch. Die Täter waren alle einschlägig vorbestraft und gehörten irgendwelchen Gangs oder Schlägergruppen an, die sich einfach einen großen Namen auf die Fahne schreiben wollten. Nichts Dramatisches. Die Stromausfälle jedoch sind eine andere Geschichte. Nur beim Krankenhaus fand sich eine Karte, jedoch ohne Abdrücke. Die Ausfälle in der U-Bahn, an der Börse und im GCPD selbst blieben von den Tätern bisher unkommentiert und Gordons Leute haben noch keine konkreten Verdächtigen. Da aber bisher keine Menschen zu Schaden gekommen sind, liegt Gordon die Sache nicht ganz so sehr auf dem Magen. Für Gordon sieht es nach einem Statement aus, gegen die Stadt, gegen die Machthaber. Der Anschlag auf das Krankenhaus fällt da jedoch aus der Rolle. „Zufall sicherlich nicht“, kehrt Gordon zu Clydes Frage zurück. „Aber es besteht kein Grund zur Besorgnis. Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir die Verantwortlichen finden und zur Rechenschaft ziehen.“ Floskeln, denkt Gordon. Clyde nickt und ist mit der Antwort ebenso unzufrieden, wie Gordon selbst. Aber er hakt nicht mehr nach. Die nächsten Fragen sind im Vergleich dazu eher harmlos und Gordon stellt sich ihnen geduldig und souverän. Fast fühlt es sich so an, als würde Normalität in sein Leben zurückkehren, als wäre die Welt bis zum einem gewissen Punkt in Ordnung. Dann fällt sein Blick auf eine junge Frau im Eingangsbereich des Departments und sein gutes Gefühl zerplatzt augenblicklich. Gordons Miene verdunkelt sich. „Wir werden sehen, was die Zukunft bringt“, schließt Gordon seine Antwort auf eine eher scherzhaft gemeinte Frage zu den geplanten neuen Uniformfarben der Officer des GCPD. Die Anwältin am anderen Ende des Raumes winkt ihm und Gordon senkt seinen Blick auf das Pult. „Aber falls Sie meine Meinung dazu hören wollen – man sollte nichts leichtfertig abschaffen, was sich über so viele Jahre bewährt hat. Lassen wir unsere Jungs und Mädchen selbst entscheiden. Letztlich geht es nur sie etwas an und keinen anderen.“ „Nein!“ Jim Gordon verlässt schnellen Schrittes das GCPD und tritt in die Novemberkälte Gothams hinaus. Instinktiv stellt er den Kragen auf. „Nein? Ich habe doch noch gar nichts gesagt…“ Die Anwältin, Maria Gale, hält in ihren hohen Schuhen scheinbar mühelos mit ihm Schritt. „Nein scheint mir die angemessene Antwort auf alles zu sein, was Sie mir mitzuteilen haben, Miss Gale.“ Gordon sieht schnell nach links und rechts und überquert dann eine breite Straße. Eine halsbrecherische Angelegenheit in dieser Stadt, die weniger Fußgängerampeln als Einkaufszentren besitzt. „Commissioner, bitte.“ Maria zögert kurz, folgt ihm dann jedoch über die Straße. Sie streckt die Hand aus, um einem herannahenden Wagen zu signalisieren, er solle langsamer fahren. „Sie machen das Ganze viel Dramatischer, als es sein müsste!“, ruft sie, als Gordon auf der anderen Straßenseite weiter in Richtung U-Bahn hetzt. Gordon hat nichts gegen sie, ganz im Gegenteil. Sie ist angenehmer als viele ihrer Juristenkollegen und das liegt nicht daran, dass sie eine gutaussehende Frau ist. Nun ja, es trägt einen Teil dazu bei, aber in erster Linie scheint sie ein guter Mensch zu sein, glaubt Gordon. Ehrlich und zuverlässig. Trotzdem gibt es im Moment niemanden, der ihm schneller die Laune verdirbt, als diese zierliche Dame in ihrem schicken Kostüm. Denn sie ist die Scheidungsanwältin seiner Frau. „Jim, bleiben Sie bitte kurz stehen.“ Gordon bleibt so abrupt stehen, dass Maria in ihn hineinläuft und dann schnaufend wieder zwei Schritte zurückweicht. „Ich weiß, es ist Ihr Job, aber halten Sie sich einfach raus. Das ist eine Sache zwischen mir und meiner Frau!“ Da sie mitten auf dem Bürgersteig stehen, müssen sich die anderen Leute, die es allesamt eilig haben, an ihnen vorbeidrängen. Gordon erntet einige böse Blicke, achtet jedoch nicht weiter darauf. „Sie wissen doch besser als die meisten, wie sowas läuft, Jim.“ Marias Stimme ist ruhig, aber bestimmt. In ihren Augen sieht Gordon Verständnis – für ihn, für seine Frau – aber auch die Entschlossenheit, den Fall zu einem Ende zu bringen. Gordon ist nicht bereit, seine Ehe aufzugeben, noch nicht. Es ging alles viel zu schnell. Sein vorgetäuschter Tod, dann das Drama auf dem Trümmergelände, das seine ganze Familie, ihn eingeschlossen, traumatisiert zurückließ. Und als seine Frau ihn am meisten brauchte, hatte Gordon alle Hände voll zu tun, seinem neuen Job als Polizeichef gerecht zu werden. Er gibt es gern zu, das war sein größter Fehler. Er hätte die Beförderung ablehnen und sich um Barbara und die Kinder kümmern sollen. Stattdessen verschob er es ein ums andere Mal, sich damit auseinanderzusetzen und auch sich selbst zu fragen, wie schwer Harvey Dent ihn wirklich getroffen hat. Bis Barbara seine Ausflüchte nicht mehr hören konnte. Ihr Scheidungsantrag traf ihn völlig unvorbereitet und erst in den letzten Wochen hat er verstanden, wie es überhaupt dazu gekommen ist und warum sie sich so entschieden hat. Nun, wo er bereit ist, daran zu arbeiten, weigert sich Barbara, auch nur mit ihm zu sprechen! Und jetzt rennt ihm Maria Gale durch den kalten Nieselregen hinterher, die Scheidungspapiere, die er noch unterschreiben muss, in ihre Handtasche gestopft, mit diesen kompromisslosen Augen, die Barbaras sein könnten. Die ihm sagen, dass nichts mehr gut wird und dass er einfach zu spät kommt. Schon wieder. Wie so oft. „Hören Sie, ich…“ Gordon atmet aus und fühlt sich plötzlich unglaublich müde. Er senkt den Kopf und versucht einen Gedanken in Worte zu fassen, als ihn jemand hart von hinten anrempelt. Gordon stolpert zur Seite und hört Marias wütenden Ruf. Ein junger Mann mit Basecap und Lederjacke hat ihr die Handtasche entrissen und rennt damit weg. Keiner hält ihn auf, die meisten Leute machen ihm sogar Platz. „Hey!“, schreit Maria ihm frustriert hinterher und dreht sich dann fassungslos zu Gordon um. Sie hebt die Hände, als wolle sie ihn fragen, wieso er nichts unternehme, lässt sie dann aber wieder sinken und schüttelt den Kopf. „Verdammter Mist.“ „Das trifft es wohl.“ Gordon zieht die Nase hoch. Ein bisschen schämt er sich, dass er nichts tun konnte, um den Dieb aufzuhalten. Aber was hätte er auch machen sollen? Die Waffe ziehen und ein paar Warnschüsse in die Menge abgeben? Eher nicht. „Tja… war was Wichtiges in der Tasche? Ich meine Schlüssel, Geld…“ „Ein paar Dollar“, grummelt Maria und fährt sich durch die feuchten Haare. „Meine Schlüssel und den Rest habe ich in meinem Büro. Naja.“ Sie seufzt und dreht sich nochmal in die Richtung um, in die der Dieb verschwunden ist. „Jim – ich schlage vor, Sie überlegen sich nochmal genau, was Sie wollen“, sagt Maria, während sie sich wieder Gordon zuwendet. „So, wie es momentan aussieht, machen Sie mehr kaputt als Sie gewinnen. Barbara braucht den Abstand. Wenn Sie eine Chance haben wollen, Sie zurückzugewinnen, dann lassen Sie sie gehen.“ Gordon knirscht mit den Zähnen und schluckt. Er weiß nicht, was er darauf sagen soll, also sagt er nichts. „Ich werd dann mal wieder zurück ins Büro – gehen. Genau.“ Maria nickt ihm zu und will sich gerade abwenden, als Gordon sie zurückhält. „Moment. Ich rufe Ihnen ein Taxi.“ „Das müssen Sie nicht-“ „Jaja, ich weiß.“ Gordon geht zur Straße und hält nach einem Taxi Ausschau. Der Regen wird stärker und Wasser läuft ihm über die Stirn in die Augen. Sie haben Glück und es dauert keine Minute, bis ein Wagen anhält. Maria bedankt sich und steigt ein. Gordon bezahlt den Fahrer im Voraus. „Wollen Sie nicht mitfahren?“, fragt Maria, als Gordon die Tür hinter ihr schließen will. „Nein, ich nehme die Bahn. Ich fahre lieber mit der Bahn.“ „Okay.“ Gordon ringt sich ein kleines Lächeln zum Abschied ab und wirft die Autotür zu. Er streckt den Rücken durch und setzt langsam seinen Weg zur U-Bahn Station fort. Seine Familie gehen lassen? Das kommt für ihn nicht in Frage. Nicht, bevor er nicht alles getan hat, was er kann. Gleichzeitig weiß er, dass es eigentlich nichts mehr zu tun gibt. Manchmal gibt es nichts mehr zu sagen. Manchmal ist alles einfach völlig im Arsch. Gordon verzieht das Gesicht bei dem Gedanken. Er holt tief Luft, als er merkt, dass seine Augen zu brennen beginnen. In diesem Moment ist er ganz froh, dass es regnet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)