Das Spiel der Könige von mfans18 ================================================================================ Prolog: -------- „Die Welt ist so schön und wert, dass man um sie kämpft.“ Ernest Hemingway Das war er also, der berühmte Moment. Er hatte schon viel hierüber gehört, die ganzen alten Geschichten. Engelschöre, das Licht am Ende des Tunnels, all der Dreck. All die Klischees. Er hasste Klischees. Die Wahrheit war eine andere, das hatte er immer schon gewusst. Jetzt bekam er es bestätigt. Ob er es wollte oder nicht, hier bekam er die ultimative Bestätigung für seine Vermutung. Die Wahrheit lautete: Sterben ist scheiße. Die Leute erzählten einem allen möglichen Dreck darüber, man konnte nichts dagegen machen. Sie erzählten sich gegenseitig wie leicht es doch sei, dass man keine Schmerzen spüren würde, dass da nur Wärme sei und dann das große Nichts. Alles Schwachsinn. Niemand sagte einem die Wahrheit. Man musste es selbst erleben, das wurde ihm jetzt klar. Es war unbeschreiblich. Das Gefühl wie das Blut durch seine Finger rann, sich die Kälte in seinem Bauch ausbreitete, die Farben zu leuchten aufhörten und alles langsam grau wurde. Sterben war nicht leicht, es war harte Arbeit. Den Tod musste man sich verdienen, man musste sich ihn durch Schmerzen erkaufen. Und er kam langsam, der alte Bastard. Der Weg zu ihm war alles andere als leicht. Und er wurde einem auch nicht leichter gemacht. Wo war das Leben, das in einem Film vor seinem geistigen Auge vorbeilief? Wo das Licht? Wo der verdammte Tunnel? Nach einem Engelschor wollte er gar nicht erst fragen. Hatten wahrscheinlich was Besseres zu tun, die kleinen Kerle. Konnte er ihnen nicht verübeln. Hier hätten sie eh nur einen alten Säufer gefunden, der seine beste Zeit lange hinter sich hatte. Wirklich kein schöner Anblick. Wenigstens sah er jetzt etwas Licht. Auch wenn es nur die Deckenleuchte war, die sich im frisch polierten Lauf einer 44er Magnum spiegelte. Und gleich würde noch mehr kommen. Es würde sich zwar nur um das Mündungsfeuer handeln, was aber immer noch besser war als gar nichts. Und etwas sagte ihm, dass gleich auch noch der Film seiner Erinnerungen einsetzen würde. Er würde die ganze traurige Geschichte noch mal sehen müssen, die ihn hierhin geführt hatte. Ein echtes Klischee halt. Oh Gott, wie er Klischees hasste. Kapitel 1: ----------- 7 Tage vor dem Prolog. Max Stone kotzte sich die Seele aus dem Leib. Lag es an dem Alkohol? An den zwei Vicodin Tablette, die er zum Frühstück hatte? Oder an den Mädchen, welche vielleicht gerade mal 18 waren, mehr Make-Up im Gesicht als Kleider am Körper trugen und zu Männern ins Auto steigen mussten, welche mindestens drei Mal so alt waren wie sie selbst? Während ein neuer grauer Strahl die weiße Toilettenschüssel traf, beschloss er dass es eine Mischung aus allem drei sein musste. Vielleicht liegt es aber auch nur an den Mädchen, flüsterte ihm eine altvertraute Stimme zu. Ihre Stimme! Brendas Stimme! Ein neuer Strahl traf die Schüssel. Letzte Tropfen lösten sich von seinen Lippen, während er schwankend versuchte zurück auf seine Beine zu kommen. Noch während er zum Spülbecken wankte hatte er die unverkennbare Duftmischung in der Nase. Erbrochenes, vermischt mit dem penetrant-intensiven Zitronengeruch eines billigen Kloreinigers. Fast war es nicht zu ertragen, aber immer noch besser als ihre Stimme zu hören. Die Welt schwankte noch immer, als seine zitternden Hände den Rand des Beckens griffen. Dröhnende Kopfschmerzen zerrissen beinahe seinen Schädel, als er in den fleckigen Spiegel blickte. Es kam ihm vor als würden sich langsam viele kleine Splitter zu einem Mosaik zusammenfügen, welches nach einiger Zeit sein Gesicht ergab. Ein Mosaik das ein Wahnsinniger gestaltet hatte. Zuerst sah er seine gebrochen Nase. Eine kleine Erinnerung an einen Junkie, den er vor zehn Jahren versucht hatte festzunehmen. Er hatte es damals für eine gute Idee gehalten, der Junkie nicht. Das Ergebnis sah er jetzt jeden Tag im Spiegel. Vorausgesetzt er hatte nicht zu viel getrunken. Etwas was in letzter Zeit immer wieder vorkam. Zumindest lenkte die Nase von den eingefallenen Wangen und den blutunterlaufenden Augen ab. Hm, ein echtes Junkie Gesicht halt, dachte er benommen, während er etwas in seiner Jacke suchte. Zuerst waren die Bewegungen noch halbwegs ruhig gewesen, mit jeder Sekunde wurden sie aber schneller, fahriger, unkontrollierter. Es musste da sein, es musste einfach! Langsam schloss sich eine kalte Hand um sein Herz, während die Panik in ihm anstieg. Er hatte sie eingesteckt, das wusste er ganz genau. Er hatte sie auch nicht rausgenommen, bestimmt nicht! Wo war sie also, wo verdammt noch mal war sie? Die Panik drückte seinen Hals zu, nahm ihm die Luft, ließ ihn nicht atmen. Kalter Schweiß bildete sich bereits auf seiner Stirn, als er sie fand. Das kalte Plastik brannte fast unter seinem verschwitzten Griff, als er sie herauszog. Nur kurz blickte er auf das kleine Röhrchen, bevor er den Verschluss achtlos wegschnippte. Seien Hände zitterten beinahe als er zwei kleine Pillen hervorschüttelte. Kurz ließ er sie auf seiner Hand ruhen, bevor er sie trocken herunterschluckte. Zuerst merkte er nichts. Nur den dumpf pochenden Schmerz, der aus tausenden kleinen Eissplittern zu bestehen schien, die sich in das weiche Fleisch seiner rechten Schulter bohrten. Schon wollte er eine dritte nehmen, als sich das Feuer in seiner Schulter ausbreitete. Die Eissplitter schmolzen langsam, ganz langsam, aber sie schmolzen. Das Feuer ließ sie verschwinden. Ein seliges Lächeln bildete sich in seinem Gesicht, während er sich gegen die Wand lehnte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Während er dem schmutzigen Boden entgegen rutschte, breitete sich das Feuer immer weiter aus. Wie lange saß er so da? Hätte ihn jemand gefragt, hätte er nur die Schultern gezuckt. Als würde ihn so etwas interessieren. Der Schmerz war weg, er hatte immer noch eine halb volle Flasche in eine seiner Manteltaschen, alles andere war uninteressant. Nein, das stimmte nicht. Es gab eine Sache, eine einzige, die wichtiger war als alles andere. Ihre Stimme. Sie war weg, nicht da, einfach verschwunden. Nur in Momenten wie diesen ließ sie ihn in Ruhe. Allein dafür lohnte es sich seine Medizin zu schlucken. Der kühle Flaschenhals verschloss seinen trockenen Mund, bevor er mit gierigen Zügen begann zu trinken. Wieder breitete sich Feuer in ihm aus, diesmal in seinem Magen. Der Whiskey machte seine Arbeit wieder mal bestens. Jeder Zug war ein weiterer Schritt Richtung Schlaf, genau das was er jetzt brauchte. Die Flasche war noch zu gut einem Viertel gefüllt, als ihn die Kraft verließ. Achtlos ließ er sie auf den Boden fallen, bevor ihn die süße, so unglaublich süße Schwärze umfing. „Mein Gott Max, siehst du Scheiße aus!“ Die Stimme riss ihn zurück ins Reich der Lebenden. War es ihre Stimme, Brendas Stimme? Verfolgte sie ihn jetzt auch schon in seinen Schlaf, der einzige Ort wo er bisher Ruhe gefunden hatte? Der Schmerz hatte wieder in seiner Schulter angefangen zu pulsieren. Dieses Mal war es zwar nicht mehr so schlimm, nicht mehr so intensiv, trotzdem war der Schmerz wieder da. Wie ein alter Freund, der nur kurz weg war, ein paar Bierchen getrunken hatte, und nun zurückkehrte. Voller Vorfreude auf die gemeinsame Zeit, die sie noch zusammen verbringen würden. Während sein von Alkohol und Schmerzmitteln vernebelter Geist versuchte die Szene zu erfassen, hatten seine Augen schon mit der Arbeit begonnen. Das grelle Licht der billigen Halogenlampen brannte sich zwar in seinen Schädel, trotzdem wendete er den Blick nicht von der Gestalt ab, welche sich hier vor ihn aufgebaut hatte. Langsam schälten sich erste Umrisse aus dem Lichtkranz, welcher diese Person umschlossen hatte, so dass Max etwas erkennen konnte. Ein großer muskulöser, aber nicht massiger Körper, zu dem ein kantiges Gesicht mit schmalen Lippen gehörte. Ein Gesicht auf dem er jetzt echtes Mitleid erkennen konnte. Gott, wie er diesen Ausdruck zu hassen gelernt hatte. „Was willst du hier, Cortez?“, versuchte er zu sagen. Heraus kam aber nur ein unverständliches Stöhnen, aus dem sein Gegenüber nur den Namen „Cortez“ heraushörte. Trotzdem wusste die Gestalt genau was Max sagen wollte. Immerhin waren sie mehr als zehn Jahre lang Partner gewesen. „Ich war auf der Suche nach meinem Ex-Partner. Gefunden habe ich aber nur einen alten Säufer.“ Die Stimme hatte immer noch diesen warmen, ruhigen Klang, den er von früher kannte. Nichts hatte sich an ihr verändert, glaubte er. Noch immer in top Form, noch immer die Ruhe selbst, noch immer bereit überall hinzugehen um ihn zu holen, egal wie tief er in der Scheiße steckte. Dieser Gedanke sorgte plötzlich dafür, dass er sich von Scham überwältigt fühlte. Cortez hatte ihn schon oft gesehen, wenn er am Boden war, viel zu oft, aber noch nie so schlimm wie heute. Heute war ihr Geburtstag, Brendas Geburtstag, und das war ihm Ausrede genug gewesen sich mal wieder richtig abzuschießen. Vielleicht, nur vielleicht, würde er heute sogar jemanden treffen, den er so provozieren könnte, dass ihm dieser jemand endlich den Rest gab. Zumindest hatte er das heute Morgen gehofft. Und jetzt saß er hier, total betrunken, auf dieser billigen Toilette, dieser billigen Bar, und musste mit seiner ex-Partnerin reden. Das hatte ihm wirklich gefehlt. Vielleicht hatte er etwas gesagt, vielleicht hatte Cortez auch nur geraten, auf jeden Fall tat sie jetzt genau das Richtige. Sie wartete nicht mehr ab, dass er sich erheben würde, sondern beugte sich nur zu ihm runter, griff ihm unter die Schulter und zog ihn hoch. Während sich Max gegen die großgewachsene Latina lehnte, versuchte er langsam wieder die Kontrolle über seine Zunge wiederzufinden. Allmählich gelang es ihm. „Wieso hast du mich gesucht, Cortez?“ Das Lallen war zwar schlimm, trotzdem brachte er den Satz fast fehlerfrei hervor. „Jemand will dich sehen, Max.“ „Wer will das denn?“ Seine Stimme schwankte zwar noch ziemlich, dafür waren die einzelnen Laute jetzt schon ziemlich klar. Jedenfalls für einen Betrunkenen. „Na wer schon? Der große Mann hat nach dir verlangt.“ Sie versuchte halbwegs feierlich zu klingen, so als sei das ein Grund sich zu freuen. Big man persönlich, was? Na, wenn das kein Grund ist sich zu freuen! Dachte er sich, während sie ihn durch die schummrige Bar schleifte. Kaum hatten sie die Straße betreten, versuchte sie schon ihn zu ihrem Wagen zu bringen. Noch während Emilia Cortez, seine ehemalige Partnerin bei der Polizei, versuchte ihn in ihren Dienstwagen zu schieben, dachte sich Max: Immer wenn du glaubst es geht nicht mehr schlimmer, kommt das Leben und tritt dir mit Anlauf in die Eier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)