Digimon Battle Generation von Alaiya ([Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren) ================================================================================ Episode 47: Simulation ---------------------- Episode 47: Simulation Gehen wir davon aus, dass die Menschheit eine Stufe erreicht, in der es ihr möglich ist, das Leben ihrer Vorfahren akkurat auf einem Computer zu simulieren, müssen wir davon ausgehen, dass wir selbst in der Simulation einer weiter fortgeschrittenen oder posthumanen Zivilisation leben.                                                                                      – Nick Bostrom (2003) „Sei vorsichtig“, meinte Denrei, als er Shuichon aus dem Wagen half. „Ja ja“, erwiderte sie, leicht genervt. Ihr Arm war in einer Schlinge und geschient. Nicht etwas, weil ihr Arm gebrochen war, sondern damit sie ihren Arm und die noch immer verwundete Schulter damit weniger belastete. Dies war kein Standard bei derartigen Verletzungen, doch nachdem sie aufgewacht war und dem Arzt etwas zu aktiv wurde, hatte dieser es beschlossen, damit sie ihre Wunde nicht wieder aufriss oder gar noch schlimmer machte. „Shuichon“, sagte Lopmon nun sanft, das aktuell auf Denreis Schulter saß, und beugte sich zu seinem Tamer. „Du musst vorsichtiger sein.“ „Ja ja“, stöhnte das Mädchen, nun noch genervter. Es war offensichtlich, dass ihr diese Entwicklung nicht sonderlich gefiel. Schon als sie aufgewacht war, hatte sie nichts vom „im Bett liegen bleiben“ hören wollen und hatte es kaum erwarten können, wieder entlassen zu werden. Doch Denrei wusste, dass sie vorsichtig sein musste, und er hatte sich vorgenommen, dies auch durchzusetzen, selbst wenn er wusste, dass dies schwer werden würde. Er sah Jenrya, der vor dem Hotel wartete und seufzte leise. Jenrya hatte sich nicht wirklich beruhigt, selbst wenn er sich, seit Shuichon wieder wach war, etwas zurückhielt. „Ich fahre den Wagen auf den Parkplatz“, sagte nun Lee Mayuri durch das heruntergekurbelte Fenster. „Ja, mach das“, meinte Shuichon und wandte sich dann an Denrei, der einen Arm so um sie gelegt hatte, dass er sie stützen konnte. „Ich kann alleine laufen, weißst du?“ Denrei seufzte noch einmal. „Ich weiß, ich weiß.“ „Geht es dir wieder besser?“, fragte Jenrya nun, als sie den Schatten des Hoteleingangs erreicht hatten. „Ja, natürlich“, seufzte Shuichon und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Ich lebe noch, oder?“ Dann sah sie sich um. „Wo ist Otoo-san?“ „Er ist bei McCoy-san und seinen anderen Kollegen“, meinte Terriermon, das wie immer auf Jenryas Schulter saß. „Sie wollten...“ Es zögerte. „Ich glaube, sie wollten Shibumi-san besuchen.“ Shuichon nickte nur matt und sagte dazu nichts. „Können wir reingehen?“, meinte sie stattdessen. „Mit dem Gips ist es hier draußen einfach nur verflucht heiß.“ „Natürlich“, erwiderte ihr Bruder, warf Denrei noch einen scharfen Blick zu und ging dann vor in die Lobby des Hotels. Als sie sich in dem Speisesaal gesetzt und etwas zu trinken bestellt hatten, wurde die Stille zwischen ihnen langsam unangenehm. Denrei wollte nichts sagen, da er ahnte, dass Jenrya ihn beim ersten Wort schneiden würde und er einen Streit vor Shuichon vermeiden wollte. Entsprechend war er dankbar, als Shuichons Mutter sich zu ihnen gesellte. Doch während sein Blick durch den Speisesaal wanderte, blieb er auf dem Fernseher hingen, der an der Wand befestigt war und gerade Nachrichten zeigte. „Das...“, flüsterte Shuichon, die seinem Blick gefolgt war. Auf dem Bildschirm sahen sie ein Wesen, wie jenes, das vor einigen Tagen in Japan erschienen war. Doch dieses war nicht in Japan und auch nicht in Korea. Es war auf Hawaii, in den USA. Es klingelte an der Tür. Shibumi hatte die Klingel nie gemocht. Sie schrillte laut durch die Wohnung und hatte noch einen dieser alten, gleichartigen Töne, anstatt einer einfachen Melodie oder etwas, das wie eine tatsächliche Glocke klang. Er sah auf seinen Computerbildschirm und seufzte. Er musste nicht nachsehen, um zu wissen wer es war. Denn er bekam nie Besuch, seit er hier war, sofern er sich nicht etwas zu Essen bringen ließ oder Ersatzteile für seinen PC bestellte. Und eine solche Bestellung hatte er definitiv nicht aufgegeben. Nein, die Wahrheit war, dass er insgeheim darauf gewartet hatte, dass sie kamen. Seit Megumi hier gewesen war, hatte er darauf gewartet. Dolphin und Tao, wahrscheinlich auch Keith würden da sein, würden seine Hilfe wollen, die er ihnen doch nicht geben konnte. Letzten Endes war er sich nicht einmal sicher, ob sie ihm glauben würden und wenn sie ihm nicht glaubten, konnten die den Kern des Problems nicht verstehen. Erneut klingelte es. Noch immer erhob er sich nicht. Selbst wenn sie ihm glaubten, konnte er doch nichts tun. Denn während er den Kern des Problems verstand, wusste, warum diese Anomalie solch starke Auswirkungen auf die digitale und die reale Welt hatte, so fehlten ihm auch konkrete Daten, um einen Lösungsansatz zu finden. Und da war noch etwas anderes: Der Gedanke an die Lösung, die nötig wäre, gefiel ihm nicht. Ja, Shibumi wusste, dass es nur einen Weg gab, mit dem sie so schnell, wie es aktuell notwendig war, das Problem beseitigen und alle drei Welten retten konnten, doch dieser Weg war genau das, was er auf keinen Fall erreichen wollte, wo er doch so lange dafür gekämpft hatte, einen anderen Ausgang der Geschichte zu erreichen. Ein drittes Mal klingelte es an der Tür. Oh, er wusste, dass er sich hier nicht ewig verstecken konnte. Selbst „lang genug“ war keine Option. Denn während Dolphin vielleicht schneller aufgeben würde, wusste er doch, dass Tao dies nicht tun würde – nicht so lange das Leben seiner Kinder ebenfalls auf dem Spiel stand. Er seufzte und stand langsam auf. Ein viertes Klingeln, doch er war schon auf dem Weg. Er ging durch die kahle Diele des heruntergekommenen Hauses und stand schließlich vor der mehrfach verschlossenen Tür. Er öffnete ein Schloss nach dem anderen, ehe er die eigentliche Tür öffnen konnte. Er musste zugeben, dass er etwas überrascht war. Nicht über Dolphin, Keith, Tao und Megumi, sondern über Daisy, die ebenfalls bei ihnen war. Sie lebte nicht mehr in dieser Gegend und entsprechend hatte er nicht damit gerechnet, dass sie da wäre. „Shibumi...“, begann Tao stotternd auf Englisch. „Wir...“ „Kommt herein“, erwiderte Shibumi, ebenfalls auf Englisch. Die kleine Gruppe, die vor seiner Haustür stand, sah einander überrascht und vielleicht auch etwas überrascht an. Doch als er ihnen den Rücken zuwandte und zu seinem Arbeitszimmer, oder viel eher dem einzigen wirklich möblierten Zimmer des Hauses zurückging, folgten sie ihm. So ließ er sich wieder vor seinen Rechnern nieder und sah noch einmal auf die Bildschirme. Es war ohnehin vergeblich. Sie hatten nicht mehr genug Zeit. Noch immer herrschte eine angespannte Stimmung und Rin war sich nicht sicher, ob es irgendetwas gab, was sie tun konnte oder sollte. Immer wieder sah sie zu Takumi, doch dieser schien genau so ratlos zu sein, wie sie. Makoto hatte am Vortag jedes Gespräch abgeblockt und nun saßen Ai und Impmon stumm neben ihm, auch wenn es Ai nicht lassen konnte immer wieder zu ihm hinüber zu schielen. Bei den beiden anderen Geschwistern sah es nicht anders aus. Denn mittlerweile hatten sie herausgefunden, dass der Junge, der Makoto begleitet hatte, als dieser angekommen war, offenbar der kleine Bruder von Nakamura war. Ja, wäre Rin nicht so angespannt und zurückhaltend gewesen, hätte sie diese Verkettung der Umstände vielleicht lustig finden können. Immerhin hatte der jüngere Nakamura – so viel konnten sie sich zumindest zusammenreimen – in die digitale Welt reisen wollen, um seinen Bruder zu finden und Makoto hatte ihn begleitet. Und so waren sie, Takumi und Ai aufgebrochen, da Ai ihren Bruder hatte retten wollen und nun saßen sie alle zusammen und niemand schien so wirklich zu wissen, was er sagen sollte. Nun, niemand, bis auf den jüngeren Nakamura, der immer und immer wieder Anstallten machte auf seinen Bruder einzureden. „Du hättest zurückkommen sollen“, sagte er, nicht zum ersten Mal. „Weißt du eigentlich, was sich Vater und Mutter für Sorgen gemacht haben? Weißt du überhaupt, wie lange nach dir gesucht wurde.“ Sein Bruder saß nur da und sah ihn nicht an. „Ich konnte nicht zurück, das habe ich dir schon gesagt.“ „Es waren drei Jahre!“ Das Gespräch drehte sich schon den ganzen Tag im Kreis. Ja, eigentlich war es sogar dasselbe Gespräch, dass sie schon am Tag zuvor geführt hatten. „Ich weiß“, erwiderte der ältere Nakamura nur. „Wieso hast du das getan?“ „Weil es in dieser Welt Dinge zu erforschen gab“, antwortete der Ältere nur. „Und was ist mit deiner Familie? Deinem Leben? Und mit mir?“, fragte Kaito aufgebracht. Noch immer sah sein Bruder ihn nicht an. „Dir geht es gut und ich nehme an Vater und Mutter auch, richtig? Vater ist einflussreich und hat Geld, entsprechend werdet ihr keine Probleme gehabt haben. Ich habe hier ein Leben. Ein besseres Leben als daheim.“ „Was soll das heißen?“ Nun sprang der jüngere Bruder auf. „Was kannst du...“ „In dieser Welt gibt es echte Freiheit“, erwiderte der andere in einem ruhigen Tonfall, der einen scharfen Kontrast zum aufgebrachten Ton seines Bruders bildete. „Und in dieser Welt kann ich einen Unterschied machen. Einen Unterschied der einem einzelnen in der realen Welt unmöglich ist. Ich verstehe, dass du mir sauer bist, weil ich dich zurückgelassen habe, aber ich habe in dieser Welt ein besseres Leben gehabt. Natürlich hatte ich am Anfang Angst und wollte zurück, doch dann habe ich Sanzomon getroffen und bin sein Partner geworden. Wir haben viel über diese Welt herausgefunden und vielen Digimon helfen können. Das ist mehr, als ich in der realen Welt geschafft hätte. Deswegen werde ich auch hier bleiben. Ich weiß zu schätzen, dass du dir Sorgen gemacht und mich gesucht hast, aber ich gehöre in diese Welt.“ „Aber das...“, begann sein Bruder. „Nakamura-san“, warf Ai nun vorsichtig ein, die wie Takumi und Rin das ganze angespannt verfolgt hatte. „Wir sollten alle in die reale Welt zurückkehren. Diese Wesen, sie sind überall, sie zerstören diese Welt, und wenn du hier bleibst, bist du in Gefahr.“ „Nicht in größerer Gefahr, als in der realen Welt“, erwiderte Nakamura. „Diese Welt und die reale Welt sind mittlerweile voneinander abhängig. Wenn es mit dieser Welt zuende geht, wird es auch mit der realen Welt zu Ende gehen.“ Kaito stand auf. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich lasse nich zu, dass du hier bleibst!“ Darauf antwortete sein Bruder nichts. „Kaito“, begann Kuraimon zurückhaltend. „Beruhige dich doch etwas. Wir sollten darüber vernünftig reden.“ Doch sein Partner wandte sich nur ab. „Bei ihm gibt es so etwas wie Vernunft wohl nicht mehr!“ Damit ging er raschen Schrittes aus dem Raum hinaus und hätte wohl auch die Tür zugeknallt, hätte diese sich einfacher schieben lassen. „Jetzt warte doch, Kaito!“, rief Kuraimon und flatterte hinterher. Daraufhin stand auch Makoto auf und ging hinterher, gefolgt von seiner Schwester. Rin sah zu Takumi. Sollten auch sie folgen? Doch Takumi blieb sitzen und sah auf den Boden vor sich. Als er ihren Blick bemerkte, schüttelte er den Kopf, sah dann aber wieder zu Boden. Unsicher sah Rin zur Tür, die nun auch Ai wieder hinter sich schloss. Und was sollten sie tun, wenn die drei auf einmal verschwunden waren? In dieser Welt würde es sie zumindest nicht überraschen. „Wir brauchen deine Hilfe, Shibumi, Gorou“, sagte Daisy nun, als sie zusammen mit den anderen unschlüssig im Zimmer hinter ihm stand. Shibumi sagte nichts dazu. „Du weißt, was hier vorgeht, oder?“, fragte nun auch Dolphin. „Was es mit diesen Anomalien auf sich hat...“ Noch immer schwieg er. Was sollte er auch sagen. Er sah zu Megumi. Wie viel hatte sie ihnen erzählt? Es wunderte ihn nicht, dass sie die anderen hergebracht hatte, aber er kam nicht darum neugierig zu sein, was sie ihnen sonst berichtet hatte. Denn immerhin hatte sie ihm selbst kaum geglaubt. Nun, es wunderte ihn nicht. Wer wollte schon glauben, dass das, was er bisher für unumstößlich gehalten hatte, nur eine Illusion war? „Wieso sprichst du nicht mit uns?“, verlangte nun Tao mit Nachdruck zu wissen. Auch diese Frage beantwortete er nicht sofort, doch nach ein paar Sekunden holte er schließlich tief Luft und drehte sich zu ihnen herum. Sie standen da, starrten ihn an. „Ich weiß zumindest einen Teil“, erwiderte er. „Und ich kann zumindest erahnen, was es mit diesen Wesen auf sich hat und warum sie unsere Welt vermeintlich attackieren.“ Ein gespanntes Schweigen. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Nun, fast alle. Megumi sah zu Boden. „Ich sage es euch nicht, weil ich nicht denke, dass ihr mir glauben werdet oder dass ihr mir glauben wollt“, fuhr er dann fort. „Und weil zumindest Daisy auch nach den Ereignissen vor drei Jahren noch bereit war, für die Regierung dieses Landes zu arbeiten. Und Babel auch, nicht? Aber gut, er ist nicht hier.“ Er bemerkte, dass sich Daisys Augen verengten. „Ich kann gehen, wenn du willst“, bot sie an, doch ihr Tonfall war steif. „Es ist letzten Endes ohnehin egal“, erwiderte er und wandte sich wieder seinen Rechnern zu. „Dann sag uns was du weißt!“, verlangte Tao nun noch einmal. „Und dann sehe ich, ob ihr mir glauben werdet, nicht?“, meinte er. „Ja...“ Er rief eine Datei auf dem oberen rechten Bildschirm auf. Ein Screenshot, den er vor wenigen Tagen gemacht hatte. „Nun“, begann er dann, „es ist eigentlich nicht schwer zu verstehen, was hier vor sich geht, wenn man die Tatsachen betrachtet.“ Für einen Moment machte er eine Pause, ehe er fortfuhr: „Die Wahrheit ist, dass wir damals vielleicht den Grundcode geschrieben haben, der zur Grundlage der Digimon wurde, doch keiner von uns hat ihnen wirkliche Intelligenz gegeben. Natürlich war es damals mein Ziel, doch unsere damalige Technik hat dafür einfach nicht ausgereicht. Und dennoch haben sich schon damals die ersten Digimon verselbstständigt und offenbar angefangen zu leben. Du weißt es am besten Daisy, du warst da, als sich das erste von ihnen materialisiert hat.“ „Was?“, fragte Dolphin überrascht. „Du erinnerst dich doch noch an die vermeintlichen Randale vor unserem Labor, oder, Dolphin? Das war ein Digimon. Das erste, dass in diese Welt kam. Doch sein Code war damals nicht stabil genug, um in dieser Welt zu überleben.“ Für einen weiteren Moment pausierte er. „Nun, die eigentlich Frage ist: Wie konnte es sein, dass die Digimon eine eigene Intelligenz und ein eigenes Leben entwickelten? Wie konnte es sein, dass sogar schon damals, vor 25 Jahren ein Digimon in unsere Welt kommen konnte – selbst wenn nur für wenige Minuten? Und wie konnte es sein, dass aus einem so einfachen Anti-Virus wie dem Reaper so ein komplexes, selbstwachsendes Wesen wie D-Reaper wurde?“ „Du hast doch damals die Entelechie weiterentwickelt“, warf Tao nun ein. Seine Stimme klang, als seien seine Nerven zum Zerreißen gespannt, als müsse er sich zurückhalten, um ihn – Shibumi – nicht anzuschreien. „Ich habe den Digimon die Möglichkeit gegeben, sich weiter zu entwickeln, doch das war es nicht, was damals passiert ist...“, antwortete Shibumi. „Nein, selbst wenn meine Version der Entelechie ihnen Intelligenz gegeben hätte, hätte es Jahre gebraucht.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das was sie verändert hat, war schon vorher da. Es war ein Teil des Netzwerkes, weil es ein Teil unserer Welt war.“ Für einen Moment sagte niemand etwas. „Wovon redest du?“, fragte Daisy schließlich. Nun zögerte auch er mit der Antwort. „Er sagt, dass die digitale Welt sich nur so schnell entwickeln konnte, weil sie mit den Daten dieser Welt in Kontakt gekommen ist“, meinte Megumi zurückhaltend. „Weil unsere Welten nicht wirklich verschieden sind.“ „Was...“, begann Dolphin. „Es ist, wie sie es sagt“, meinte Shibumi und drehte sich wieder zu ihnen um. „Diese Welt ist genau so digital, wie die Welt der Digimon. Die digitale Welt ist eine Simulation in einer Simulation, aber eigentlich nur ein weiteres Programm, dass im selben System läuft. Deswegen konnten die Digimon sich überhaupt erst in dieser Welt materialisieren und deswegen reichte ein einfaches Programm, damit die Kinder auch in dieser Welt mit ihren Digimon verschmelzen konnten. Diese Welt mag zwar andere Gesetze haben, als die digitale Welt, doch digital sind beide Welten.“ „Das ist doch vollkommen haltlos!“, rief Tao nun aus. „Das ergibt keinen Sinn.“ „Janyuu“, flüsterte Daisy und legte eine Hand auf seine Schulter. Dann sah sie zu Shibumi. „Das ist nicht wahr, oder?“ „Es gibt keine andere Erklärung“, erwiderte Shibumi. „Und wenn ihr darüber nachdenkt, wisst ihr es auch.“ Er schüttelte den Kopf und deutete dann auf den Screenshot. „Dass ist ein Abbild einer der kleineren Ebenen der digitalen Welt“, erklärte er. „Das links daneben ein Abbild von dieser Stadt.“ „Was soll das heißen?“, fragte Dolphin nun heiser. „Heißt das, du kannst den Code dieser Welt einsehen?“ „Nakamura-kun“, begann Makoto unsicher und streckte eine Hand aus, um sie dem älteren Jungen auf die Schulter zu legen, doch dieser drehte sich um und schlug die Hand weg. „Er ist so ein Idiot!“, begann er zu fluchen. „So ein verdammter Idiot! Er hat mir versprochen immer für mich da zu sein und jetzt will er einfach in dieser Welt bleiben?!“ „Beruhige dich doch, Kaito“, meinte Kuraimon und sah seinen Partner mitleidig an. Ai stand hinter einer Ecke des Tempels und beobachtete die kleine Gruppe. Sie hatte eigentlich endlich mit Makoto reden wollen, doch wusste sie, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Sie sah zu Impmon, das ihr gefolgt war und nun auch die Ohren wortwörtlich gespitzt hatte. „Ich kann verstehen, dass du sauer bist“, meinte Makoto nun, „und du hast Recht, dass er in die reale Welt solle... Aber ich glaube, dass du bei ihm nichts erreichen kannst, wenn du ihn anschreist.“ „Woher willst du das wissen? Du kennst ihn nicht!“, erwiderte der andere scharf. „Kaito!“ Kuraimons Stimme wurde eindringlicher, doch Makoto seufzte und schüttelte den Kopf. „Natürlich kenne ich ihn nicht... Aber vielleicht kennst du ihn auch nicht. Ihr habt euch so lange nicht gesehen und... Und man kann anderen Leuten nur vor den Kopf schauen, weißt du? Manchmal stellst du fest... Stellst du fest, dass du selbst Leute, mit denen du jeden Tag zusammen bist, nicht richtig verstehst.“ „Woher willst du das wissen?“, erwiderte Kaito, jedoch weniger spitz als vorher. „Wegen meiner Schwester und Impmon“, antwortete Makoto leise. Ai spannte sich an und rutschte noch ein bisschen weiter von der Gebäudeecke weg, um sicher zu gehen, dass man sie nicht sah. Einige Sekunden lang schwieg Makoto, ehe er schließlich weiter sprach. „Ich habe mich daran gewöhnt, eine friedliche Lösung zu suchen und mich die ganze Zeit zurückgezogen, wenn wir gestritten haben. Aber so habe ich nicht gesehen, dass die Dinge, die geschahen die beiden verändert haben... Ich wollte etwas anderes als sie und ich habe nie in Ruhe mit ihr geredet. Ich habe nie gesagt, warum ich sauer auf sie war und auch wenn sie es vielleicht verstanden haben, haben sie sich doch immer weiter von mir entfernt... Und deswegen... Deswegen... Deswegen habe ich keinen Partner mehr.“ Seine Stimme zitterte, als er diesen Satz zuende brachte. „Hanegawa-kun...“, begann Kaito vorsichtig. „Du solltest ruhig mit deinem Bruder reden, vielleicht wird er es dann verstehen“, meinte Makoto nun, woraufhin Kaito nur schwieg. Es war Kuraimon, das die nun folgende Stille brach. „Ich glaube, er hat Recht, Kaito.“ Der ältere Junge atmete einige Mal hörbar ein und aus. „Ja, vielleicht hat er das“, sagte er dann wesentlich ruhiger als zuvor. „Danke, Hanegawa-kun.“ Ai sah zu Impmon, das ebenfalls den Blick gehoben hatte. Am liebsten wäre sie aus ihrem Versteck gekommen und hätte mit Makoto geredet, doch sie wusste, dass kein ruhiges Gespräch möglich wäre, wenn er bemerkte, dass sie ihn belauscht hatten. Sie nickte Impmon zu und so leise sie konnten schlichen sie zum Eingang des Tempels zurück, darauf hoffend, dass Kuraimon sie nicht hörte oder zumindest nicht verriet. Shibumi schwieg eine Weile, dann nickte er aber. „Ja, das heißt es. Ich kann den Code dieser Welt sehen, doch ihn zu verändern ist nicht so leicht...“ Wieder zögerte er. „Wir haben es aber dennoch gemacht. Als wir Terriermon die Daten überspielt haben, um Doodlebug auszuführen, haben wir seine Daten verändert, obwohl es ein Teil unserer physischen Welt waren. Ja, das Programm hat unsere physische Welt verändert. Und genau so hat das Programm, dass Hypnos für Dukemon geschrieben hat die vermeintlich physische Welt verändert.“ „Was willst du damit sagen?“, fragte Tao, noch immer angespannt. Er schien zu ahnen, wovon Shibumi sprach. Er konnte es in seinen Augen sehen. „Das Programm, was ihr auf diese Karte geladen habt, hat Dukemon zu sehr verändert“, sagte er. „Es hat die Realität, die Gesetze dieser Welt verändert, indem es Dukemon zu sehr verändert hat.“ „Aber es war nur ein weiteres Programm“, meinte Dolphin nur. „Nichts anderes als Doodlebug.“ Shibumi nickte bedächtig. „Das ist wahr. Doch ich habe die Vermutung, dass der Effekt der D-Reaper Zone sich auf den Effekt von Doodlebug ausgewirkt hat, das außerdem nicht ganz in unserer Welt gezündet wurde. Dazu kommt, dass derjenige, der für den Vorfall letzten Monat verantwortlich war, auch ein Digimon in dieser Welt erschaffen hat, wenn ich richtig informiert bin. Das könnte den Effekt verstärkt haben.“ „Welchen Effekt?“, verlangte Daisy nun zu wissen. „Die Anomalie ist schon vor langer Zeit aufgetaucht. Sie stammt aus einer anderen Datenebene der digitalen Welt, einer Ebene, die – wenn man so will – noch weiter von unserer Welt entfernt war. Ich nehme an, dass sie auf ähnliche Art und Weise von der digitalen Welt getrennt war, wie die digitale Welt von der unseren. Doch spätestens nach dem Vorfall vor drei Jahren ist nicht nur die Grenze zwischen unserer und der digitalen Welt beinahe komplett zerstört worden, sondern auch die Grenze zwischen der digitalen Welt und der Welt dieser Anomalie. Ich habe die Anomalie daraufhin das erste Mal in der digitalen Welt beobachten können – sie hat die Daten einzelner Ebenen dort stark verändert. Und ich nehme an, dass es der Vorfall im letzten Monat die Grenzen noch einmal beschädigt hat, weshalb die Anomalie nun auch in unsere Welt vordringen konnte.“ „Aber das ist doch...“, begann Dolphin, verstummte aber, als fielen ihm keine Worte ein. Shibumi hatte damit gerechnet, dass sie ihm nicht glauben würden, weshalb er nur schwieg und abwartete. Natürlich wollten sie ihm nicht glauben, niemand würde glauben wollen, dass sein ganzes Leben nicht mehr war, als eine Illusion – nein, eine Simulation. Tatsächlich war Shibumi überrascht, dass es offenbar Tao war, der sich als erstes faste. Natürlich, Megumi schwieg und sah zu Boden, da sie seine Theorie schon einmal gehört hatte und aus Keiths verschlossenem Blick leitete er ab, dass offenbar auch er dies nicht zum ersten Mal hörte. Beide standen hinter den anderen und es war klar, dass Megumi lieber woanders wär. Dolphin starrte ihn noch immer mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Wut an, während Daisy nur betroffen wirkte. „Warum erzählst du uns das?“, fragte Tao schließlich. „Weil ihr wollt, dass ich euch helfe, etwas gegen diese Anomalie zu tun, doch damit ihr etwas gegen diese Wesen tun könnt, müsst ihr verstehen, wie sie überhaupt hierher kommen“, antwortete Shibumi. „Aber wie soll uns das helfen, etwas zu tun?“, erwiderte Tao. Shibumi schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, ob es noch etwas gibt, was wir tun können.“ Schweigen. Noch immer sah ihn Daisy betroffen an und noch immer zitterte Taos Hand. Wenn er sie ansah, kam Shibumi nicht umher sich zu fragen, ob sie wirklich erwartet hatten, dass er eine Lösung für dieses Problem aus dem Ärmel schüttelte. „Was meinst du?“, fragte Daisy schließlich. „Er meint“, begann Megumi mit brüchiger Stimme, „dass das einzige, was wir tun könnte, wäre, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Als die Welten noch getrennt waren. So könnte die Anomalie nicht mehr in die digitale oder in die reale Welt eindringen.“ Unsicher sah sie zu ihm hinüber, senkte aber rasch wieder den Blick. „Das Problem ist, dass die Daten der Welten vielleicht schon zu stark miteinander vermischt sind und wir sie vielleicht nicht mehr trennen können, zumal wir nicht wissen, was es mit der Welt der Anomalie auf sich hat.“ Niemand sagte etwas und es schien, als würden sie auf eine Bestätigung von ihm warten, weshalb er schließlich nickte. „Uns fehlen Daten über die Anomalie und da sie bereits mit unserer und der digitalen Welt verbunden ist, ist es nicht so einfach möglich, die Welten voneinander zu trennen.“ „Was soll das heißen?“, fragte Dolphin, obwohl Shibumi wusste, dass er sehr wohl verstand. „Uns fehlen Daten“, erwiderte Shibumi. „Und wenn wir etwas ohne diese Daten programmieren, kann es sein, dass wir dem System nur noch größeren Schaden zufügen.“ Daisy schüttelte vehement den Kopf. „Dann besorgen wir diese Daten. Wir müssen doch irgendwie darauf zugreifen können! Wenn die Welten miteinander verbunden sind...“ Doch dann verstummte auch sie. „Wir konnten die Daten, die Denrei und Shuichon gesammelt haben, nicht auswerten“, murmelte Tao. Dies bestätigte Shibumi mit einem Nicken. „Und wir haben einfach keine Zeit mehr.“ So waren Rin und Takumi nun mit dem älteren Nakamura und den Digimon allein. Keiner von beiden wusste wirklich, was er sagen sollte, oder viel eher ob es nicht besser war zu schweigen. Immerhin kannten sie weder diesen jungen Mann, noch seinen Bruder wirklich und vielleicht ging es sie auch nichts an, was sich zwischen ihnen abspielte. Doch während Nakamura das Tablet, das er schon vorher benutzt hatte, wieder herausholte, war es eines der Digimon, das die Stimme erhob. Es war Bearmon, das nun aufstand und zu dem jungen Mann hinübergeht. „Willst du deinen Bruder wirklich alleine zurückschicken?“, fragte es und sah den Menschen mit fragendem Blick an. Überrascht sah Nakamura auf, ehe sein Blick zu dem Digimon hinüber wanderte. Doch er antwortete nicht. Bearmon starrte ihn weiter an. „Ich weiß nicht wirklich viel über Menschen“, gab es dann zu. „Aber sollten Brüder nicht füreinander da sein?“ Nakamura seufzte. „Vielleicht“, antwortete er. „Aber manchmal gibt es Dinge, die wichtiger sind. In der digitalen Welt passieren Dinge, die sie vielleicht zerstören und ich möchte das aufhalten, verstehst du?“ Nun war es Takumi, der auf einmal aufsprang. „Und wie willst du das alleine tun? Wir haben gesehen, was hier vorgeht, wir haben gegen die infizierten Digimon gekämpft und auch gegen so ein... Ein komisches Wesen, das kein Digimon war. Und selbst Ai, die mit Impmon verschmelzen konnte, hatte keine Chance dagegen.“ Er sah zu Nakamura, dann zu Sanzomon. „Du kannst nicht mit deinem Partner verschmelzen und wenn ihr nicht das Ultimate Level erreichen könnt, wie wollt ihr dann etwas ausrichten?“ „Was willst du damit sagen?“, fragte Nakamura. Takumi zögerte einen Augenblick, überwand sich dann aber, die Antwort gerade heraus zu geben: „Es gibt nichts, was du noch tun kannst. Du bringst dich und deinen Partner nur unnötig in Gefahr. Ich will auch etwas tun, um diese Welt zu retten, aber...“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass wir noch etwas tun können...“, flüsterte er dann leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)