Emotionless von HannaHanoka ================================================================================ Kapitel 4: Flashback – Part 4 ----------------------------- Flashback – Part 4 Bevor ich in den Unterricht gehe, ziehe ich meine Kapuze wieder ab. Ich betrete den Klassenraum und das erste was ich höre, wie soll es auch anders sein, ist: „Die Schwuchtel kommt auch immer wieder zurück.“ Gelächter. Heute ist es irgendwie nicht ganz so schlimm für mich wie in den letzten Tagen. Liegt eventuell daran, dass ich mir vorgenommen habe Haoru es endgültig zu erzählen. Ich bin total nervös. Ich begebe mich auf meinen Platz, neben welchem Haoru auch schon Platz genommen hat. Ich setze mich neben ihn und er legt mir seine Hand auf den Kopf und durchwühlt mein Haar. Ich drehe meinen Kopf in die andere Richtung. Warum macht er das? „Dachte schon du würdest wieder schwänzen“, meint er und ich bin mir sicher, dass er dabei grinst. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe da so ein Gefühl. Ich ziehe mir meine Kapuze wieder über. Es ist mir egal ob ich mich im Unterricht befinde. Ich will nicht, dass jemand, nein, dass Haoru die Röte, welche mir ins Gesicht gestiegen ist, bemerkt. Frau Yukina gibt allen einen Arbeitsauftrag und jeder fängt an zu arbeiten. Zu meinem Erstaunen, meckert sie gar nicht darüber, dass ich meine Kapuze auf habe. Ein zu einem Klumpen verarbeitetes Stück Papier trifft mich am Kopf. Ich hebe ihn auf, entfalte ihn und mir stockt der Atem. Die letzte Zeit ist schon schlimm gewesen, aber das ist nun doch.. Ziemlich 'krass'. Ich zerknülle den Zettel wieder und stecke ihn in meine hintere Hosentasche. Der Rest der Stunde verläuft relativ ruhig. -Rrrrring- Die Schüler packen ein. Ich lasse mir Zeit, alle haben bereits den Klassenraum verlassen. Haoru wartet auf mich und ich schnappe mir meine Tasche. „Du bleibst bitte hier, Kira.“, ermahnt mich meine Lehrerin. Genervt verdrehe ich meine Augen. Was will sie denn von mir? Haoru schaut mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Ich winke ab und nicke ihm zu. „Geh schon mal vor.“ Er zuckt mit den Schultern und verlässt den Raum. Ich hocke mich desinteressiert auf meinen Tisch. „Was ist?“, frage ich Frau Yukina, mehr unhöflich als alles andere. Sie stellt sich vor mich und schaut mich an. Ich sehe es nicht, da ich meinen Kopf gesenkt und meinen Blick auf den Boden gewandt habe, aber ich spüre es deutlich. Dieses Starren. Sie legt ihre Hand auf meine Schulter und beginnt, in einem merkwürdig besorgten Ton: „Hör' mal zu, Kira. Du warst immer ein sehr guter Schüler. Das dich das Mobbing fertig macht, dass kann ich durchaus verstehen. Das ist mit Sicherheit nicht leicht. Aber warum lässt du dich denn so stark einfach.. Hängen? Ich weiß, dass du dich in einer durchaus komplizierten Phase befindest...“ Phase? „.. Aber so kann das nicht weitergehen, verstehst du? Du musst dich wieder fassen. Und vielleicht, solltest du dir.. Hilfe holen? Ich meine, professionelle Hilfe.“ „Hmpf“, entgegne ich meiner Lehrerin, „Was wissen sie schon.“ Ich nehme ihre Hand von meiner Schulter und springe von meinem Tisch. „Mischen Sie sich nicht in Dinge ein, von denen Sie keine Ahnung haben, Frau Yukina. Sie sind vielleicht meine Lehrerin, aber auch nicht mehr. Und ich brauche keinen Seelenklempner!“ Ich verlasse den Raum ohne ein weiteres Wort und lasse Frau Yukina einfach stehen. Ohne sie auch nur einmal angeschaut zu haben. Was weiß sie schon? Sie kennt weder mich, noch meine Lage. Als würde sie etwas davon verstehen. Ich schüttele den Kopf und mache mich auf den Weg zum nächsten Unterricht. Das ist so typisch erwachsener Hetero. Alle stempeln Homosexualität einfach als eine Phase ab und damit ist für die das Thema gegessen. Vor dem Klassenraum sehe ich Haoru und meine restlichen Mitschüler stehen, während einige von ihnen den Flur verlassen zu scheinen. „Was ist hier los?“, frage ich Haoru. „Keine Ahnung genau. Der Olle ist irgendwie total merkwürdig gewesen. Hat irgendwas von Kind und Krankenhaus oder so gelabert.“ Er zuckt mit den Schultern. Dann haben wir also frei. „Jo, du wolltest doch mit mir über was labern? Um was geht's?“ fragt er mich. Ich schaue ihn eine Zeit lang an und überlege. Soll ich es ihm jetzt schon sagen? „Also.. Weißt du?“, beginne ich, „Ach, ich würde das ganz gerne trotzdem nach Sport machen, wenn das okay ist.“ Haoru zuckt wieder mit den Schultern. Warum zuckt er immer nur mit den Schultern? Ich meine, ich zucke ja auch oft mit meinen Schultern.. Aber doch nicht zu allem, oder? Naja.. „Schulhof?“, fragt er mich. – Ich zucke mit den Schultern. Ah, verdammt, ich tu's ja doch. Wir begeben uns auf den Schulhof zu einigen Bänken und lassen uns dort nieder. Ein Seufzen meinerseits. Wäre alles wohl leichter, wenn ich mich nicht geoutet hätte? Wenn ich auch auf Mädchen stehen würde? Ich lehne mich zurück und lege meine Arme hinten auf die Banklehne. Und im nächsten Moment schrecke ich auf und schnelle mit einem Ruck nach vorn. „Au!“, was war das denn bitte? Erst jetzt fällt mir auf, dass auch Kyouha hier ist. Stimmt, er hat glaube ich auch Freistunden, wie jeden Donnerstag. Ich reibe mir mein Bein. „Ach, auch wieder auf Mutter Erde?“, grinst Haoru, während Kyouha mich nur unsicher anschaut. „Man, Haoru, das tat verdammt weh dieses mal.“, beschwere ich mich bei ihm. „Stell dich nicht so an, war nur ein kleiner Klatscher“, erwidert Haoru und streicht mir einmal kurz über das Bein, „Alles wieder gut, ja?“ Gänsehaut. Meine Sinne gefrieren. Haoru hör doch bitte auf. Oder nein, hör nicht auf. Verdammt. Ich muss mich beruhigen! „Bin gleich wieder da.“ Ich stehe auf und begebe mich zu den Toiletten – nicht ohne fragende Blicke auf den Gesichtern der anderen beiden zu hinterlassen. Dort angekommen stütze ich mich auf dem Waschbecken ab und klatsche mir eine ganze Ladung kaltes Leitungswasser in mein Gesicht. Ich atme in schweren Stößen aus. Das war beinahe zu viel. Ich glaube ich verbringe jetzt schon fast zehn Minuten hier drin. Und die Röte will nicht aus meinem Gesicht weichen. Immer und immer wieder lasse ich eine Ladung Wasser in meinem Gesicht landen. Ich muss runterkommen! Nach, ich glaube, weiteren vergangenen 10 Minuten bin ich wieder einigermaßen klar im Kopf. Ich verlasse die Toiletten und mache mich wieder auf den Weg zu Haoru und Kyouha. Kurz bevor ich draußen bei ihnen ankomme, falle ich gekonnt hin. Hinfallen? Naja. Ich spüre einen Tritt im Rücken. „Hngh.“ „Na, wie geht's dir? Superschwuchtel?“, ertönt es von der Seite. Ich stehe auf und entscheide mich, das ganze Spielchen zu ignorieren. „Ignorier mich nicht du Hund!“ Einfach nicht beachten. Drüber stehen und nichts anmerken lassen. Dennoch balle ich meine Hände zu Fäusten, es völlig ignorieren kann ich nun mal nicht. Ich brauche geschlagene 15 Minuten, in welchen ich noch den ein oder anderen Boxer auf die Schulter oder in den Rücken bekommen habe, bis ich die Idioten abgehängt habe. Und weitere fünf Minuten vergehen, bis ich bei Haoru und Kyouha ankomme: „Sorry, wurde aufgehalten.“ Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass mir mein Rücken weh tut. „Das hat aber ordentlich gedauert.“, lacht Haoru. Ich setze mich wieder auf die Bank zwischen Haoru und Kyouha. Der Tritt hat total gesessen. Nur wenige Minuten später -Rrrring-. „Dann mal auf zum Sport.“ Voller Energie springt Haoru auf und schaut mich erwartungsvoll an. Ich stehe nur langsam auf und drehe mich nochmal zu Kyouha. „Danke nochmal wegen gestern. Und so. Bis morgen.“ Kyouha nickt und hebt zum Abschied die Hand. Allerdings hat er mich nicht angeschaut. Warum wohl? Doch nur Mitleid? Ich drehe mich um und gehe hinter Haoru hinterher. Heute ist Ausdauersport dran. So gar nicht mein Ding. Ich habe den Sportkurs sowieso nur belegt, weil Haoru in diesem ist. Wir ziehen uns um und der Sportkurs beginnt. Es dauert nicht lange bis ich an meinem Limit angelangt bin. Ich versuche weiterzulaufen, was mir nur sehr schwer fällt. Meine Ausdauer ist schon immer schlecht gewesen. „Mikana ist umgekippt!“ Ein schrilles Pfeifen dröhnt durch meine Ohren. Aua. Ist Mikana nicht eigentlich von der sportlichen Sorte? „Schluss für heute!“, brüllt unser Lehrer über den Sportplatz. Ein großer Teil der Schüler bleibt um Mikana herum stehen und gaffen blöde rum. Hauptsächlich Mädchen. Die Jungs scheinen das weniger interessant zu finden. In der Umkleidekabine ziehen sich alle wieder um und machen sich danach auf den Heimweg. Haoru ist die ganze Zeit so still. „Ich warte draußen, Haoru.“, mit diesen Worten verlasse ich die Umkleide und lehne mich draußen an die Wand. Arme Mikana, auch wenn sie mir dadurch eine peinliche Situation erspart hat, sie tut mir irgendwie leid. Haoru kommt raus und lässt die Tür zu der Umkleide zufallen. „Warum?“, kommt es von Haoru. Was meint er mit 'Warum?'? Er stellt sich vor mich und schaut mich von oben herab an. Was hat er nur? So.. So kenne ich ihn gar nicht. Wieso sieht er so abfällig auf mich herab. Bitte Haoru! Sie mich nicht so an. Ich flehe dich an. „Jetzt denken alle ich bin genauso wie du.“ Er sieht mich mit seinen tiefblauen Augen an, welche mit Hass gefüllt sind. Ein Schlag in meine Magengrube. Warum..? Was.. War das? Ich keuche und gehe zu Boden. „Hngh.“ Aber.. Ich habe dir doch nichts getan.. Ein Zettel fliegt mir vor mein Gesicht. »Noch so eine scheiß Schwuchtel brauchen wir nicht, geht und verreckt doch zusammen!« Was hat das zu bedeuten? Ein Tritt in den Magen. Ein lautes Keuchen meinerseits. „Ich hasse dich. Als wäre ich schwul. Sehe ich etwa aus als würde ich auf Kerle stehen?“ Ich reiße meine Augen weit auf. Ein Stich ins Herz. Mitten hindurch. „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, merk' dir das.“ Ein weiterer Stich, mitten in mein Herz. Ich bitte dich Haoru, tritt mich meinetwegen weiter. Aber hör auf mir mein Herz zu zerreißen. Ich flehe dich an. Hör auf. „Ich will dich hier nie wieder sehen. Mir scheiß egal wie du das anstellst. Am einfachsten wäre, du verreckst einfach. Du.. Scheiß Schwuchtel.“ Weitere Tritte gegen meinen Magen folgen. Schützend lege ich meine Arme vor meinen Magen. Es fühlt sich an, als hätte Haoru mein Herz in seine kleinsten Einzelteile zerfetzt. Nein. Noch viel kleiner. Und immer wieder. Nur um schließlich immer wieder darauf herum zu treten und mit dem Fuß darin zu bohren. Haoru hat sich bereits mit dem Rücken zu mir gewandt und ist fort. Keuchend und zitternd stehe ich auf. Diese Schmerzen. Ich glaube, ich weiß wie es sich anfühlt durch die Hölle zu gehen. »Verreck'« hallt es in meinem Kopf wieder. Ich habe ihm doch nichts getan. Das ist bestimmt nicht sein Ernst. Das ist bestimmt nur ein übertriebener Witz. Ich weine und komme nach der dreifachen Zeit, die ich sonst brauche, auf dem verlassenen Spielplatz an. Ich lege mich auf die morsche Holzbank. Ich kann nicht mehr stehen, sitzen geschweige denn laufen. Das ist alles nicht wahr.. Nur wenige Minuten nachdem ich mich hingelegt habe, bin ich ein Opfer der Bewusstlosigkeit geworden. Ich zittre. „Aua.“, keuche ich. „Scheiße..“ Doch kein Traum. Ich halte meine Arme an den Magen. Es tut weh. Ich fahre mit einer Hand an mein Herz. Das schmerzt aber noch viel mehr. Das kann doch nicht wahr sein. Nein. Das ist bestimmt nur ein dummes Missverständnis... Ich stehe auf und keuche erneut. Ich mache mich schwankend auf den Weg in die Schule und ignoriere dabei jeden Menschen der mir entgegen kommt, mich merkwürdig ansieht oder anspricht. Dabei hauche ich immer wieder vor mich hin: „Das ist alles... Einfach nur.. Ein blödes.. Missverständnis.“ „Hey.. Kann ich irgendwie helfen?“, fragt mich eine zaghafte Stimme. Erst jetzt realisiere ich wirklich, dass jemand neben mir steht und ich in meinen Gedanken nahezu ertrunken bin. Ich fühle, dass mein T-Shirt nass ist. Hat es geregnet? Nein. Das ist wohl durch meine Tränen so nass geworden. Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass ich so am Heulen gewesen bin und es noch immer bin. Aber ich kann nicht damit aufhören. Mir fällt das Luftholen schwer und das Schlucken ebenso. Warum leide ich nur so? Ich fühle wie eine Hand auf meine Schulter gelegt wird. Im nächsten Augenblick sehe ich verschwommen die Silhouette einer anderen Hand, die mir hingehalten wird. Ich zittere, zögere. Langsam hebe ich meine rechte Hand nach der anderen Hand. Warm.Wieso vergesse ich immer, dass nicht nur Haoru für mich da ist.. „Kyouha..“ Kannst du mir das verzeihen? ____________________________________________________________________ So. Da ist es, das neue Kapitel und damit der letzte Part des Flashbacks von Kira.  Von nun an geht es in der Story vorwärts! (: Verzeiht bitte noch einmal den langen Flashback, aber ich denke im Laufe der Story werdet ihr verstehen, dass der Flashback eine große Rolle spielt.  Wie wird es wohl weitergehen? Das erfahrt ihr im nächsten Kapitel von Emotionless.  Liebe Grüße Hanna ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)